Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 62
Würzburg
(Unterfranken)
Die Würzburger Residenz
Die traditionelle Residenz der Würzburger Fürstbischöfe war die Marienburg. In der Stadt selbst unterhielten sie nur ein Absteigequartier. Unter Johann Gottfried II. von Guttenberg (reg. 1684-1698) wurde wieder einmal die Frage des Umzuges des Bischofs und seines Hofstaates in die Stadt aufgeworfen, die schon länger schwelte. Das Domkapitel hatte ein Interesse daran, daß die Residenz in die Stadt verlegt wurde, und machte es zur Bedingung, die der zukünftige Fürstbischof in seine Wahlkapitulation aufnahm. Das Domstift trat zu diesem Zweck eine Kurie ab, und so zog der Fürstbischof 1685 in die Domherrenkurie Grindlach und zur Weide (an der Südseite der Hofstraße, etwa von der Westgrenze des Paradeplatzes bis zur Bibrastraße reichend, 1945 zerstört), die seitdem als "untere Hofhaltung" bezeichnet wurde. Das war nur eine Interimslösung, und schon wenige Tage nach seiner Wahl dachte man über den Bau einer standesgemäßen Stadtresidenz nach, für den 1690 erste konkrete Pläne vorgelegt wurden. Doch über das Projektstadium kamen diese Ideen nicht hinaus, der avisierte Bauplatz war aber schon derjenige am Rennweg. Fürstbischof Johann Gottfried II. von Guttenberg benutzte außer der Kurie Grindlach und zur Weide die Schlösser in Rimpar und in Veitshöchheim. Fürstbischof Johann Philipp II. von Greiffenclau begann seine Zeit als Fürstbischof mit der Vorgabe des Umzugs auf den Marienberg, denn noch während der Sedisvakanz hatte das Würzburger Domkapitel die Wiederverlegung der Residenz auf den Marienberg zu Ende Januar 1699 beschlossen. Johann Philipp II. von Greiffenclau benutzte außer dem Schloß auf dem Marienberg auch noch die Jagd- und Sommerschlösser in Burgwallbach, in Guttenberg (bei Würzburg), in Rimpar, in Veitshöchheim und in Zellingen. Das Projekt der Verlegung der fürstbischöflichen Residenz in die Stadt war aber auch während seiner Amtszeit ein imperatives Vorhaben, das durch ein 1701-1704 erbautes Stadtschloß (fürstliches Schlößlein) am Rennweg neue Formen annahm. Doch dieses Schloß konnte wegen schwerer Baumängel nicht bezogen werden, und der nachfolgende Fürstbischof ließ es wieder abreißen. Das Hin- und Her hörte mit dem Amtsantritt seines Nachfolgers auf, denn nun nahm das Projekt Stadtresidenz richtig Fahrt auf.
Die Bauzeit der Würzburger Residenz erstreckt sich über die Regierungszeit von sechs Fürstbischöfen: Philipp Franz von Schönborn (reg. 1719-1724), Christoph Franz von Hutten (1673-1729), Friedrich Carl von Schönborn (reg. 1729-1746), Anselm Franz von Ingelheim (reg. 1746-1749), Carl Philipp von Greiffenclau-Vollraths (reg. 1749-1754) und Adam Friedrich von Seinsheim (reg. 1755-1779). Dabei haben diese sechs Fürstbischöfe ganz unterschiedlichen Anteil am Bau. Den geringsten Anteil haben sicherlich Christoph Franz von Hutten und Anselm Franz von Ingelheim, deren Regierungszeit man getrost als Stillstand auf der Baustelle bezeichnen kann. Den größten Anteil haben die beiden Schönborn-Fürstbischöfe, die als die eigentlichen Bauherren in die Geschichte eingegangen sind. Auch Carl Philipp von Greiffenclau trieb den Ausbau mit Begeisterung voran, so daß er gleich hinter den Schönborn-Fürstbischöfen genannt werden kann. Und Adam Friedrich von Seinsheim war ebenfalls ein großer Bauherr, wenn auch schon in einer anderen Zeit mit einer neuen Generation von Künstlern, denn die "alte Garde" der Künstler lebte da schon nicht mehr. Unter Philipp Franz von Schönborn entstanden die ganze Konzeption und der Rohbau in weiten Teilen, und den anderen Bauherren kamen die Fertigstellung und die künstlerische Ausstattung im Inneren zu.
Der Aufbau der Würzburger Residenz ist streng symmetrisch: Zum Hofgarten hin ist die Front durchgehend mit einem Mittelrisalit und zwei Eckrisaliten. Der Mittelrisalit besitzt eine gerade Außenfläche und geschrägte Seiten. Nach Norden und Süden hin wird das gleiche Schema beibehalten, aber hier ist die Fassade deutlich kürzer, und der Mittelpavillon hat einen ovalen Grundriß und schwingt im Bogen nach außen vor. Nach Westen wird ein Ehrenhof gebildet. Beide Seitenblöcke der Residenz haben nach Westen zwei Eckrisalite und desgleichen zum Ehrenhof hin, wobei sich das weit hineinreichende Gliederungselement im Eck zum Corps de Logis jeweils wiederholt, so daß der Hof den Grundriß eines Kreuzes mit extrem breiten Armen erhält. Die beiden Seitenblöcke der Residenz enthalten jeweils zwei Innenhöfe, die bei gleichem Außengrundriß dennoch unterschiedliche Größen haben, weil die Flügel und die Verbindungstrakte unterschiedliche Breiten besitzen. Von der Mitte der Westfassade der Seitenteile führt ein Torweg in den ersten Hof und von dort ein zweiter Torweg in den zweiten Hof.
Genauso vielfältig wie die Bauherren waren die Architekten. Untrennbar mit Mitgliedern der Familie Schönborn als Bauherren verbunden ist Balthasar Neumann (1687-1753). Er fertigte einen Plan an, als es noch um die Erweiterung des Rennwegschlößchens ging. Dieser Plan wurde nicht ausgeführt. Er war einer der Bauleiter vor Ort und gilt als Schöpfer der Residenz, wobei seine Rolle oft einseitig glorifiziert wird, denn es waren auch andere namhafte Architekten am Zustandekommen der Residenz beteiligt: Maximilian von Welsch (1671-1745), Philipp Christoph von Erthal (1689-1748), Johann Dientzenhofer (1663-1726) und Johann Lucas von Hildebrandt (1668-1745) haben der Residenz ebenso ihren gestalterischen Stempel aufgedrückt. Und für Balthasar Neumann ist bis 1723 keine Mitarbeit an der Planung nachgewiesen, und erst 1724 löste er Johann Dientzenhofer als Bauleiter auf der Großbaustelle ab.
Letztendlich entschied der fürstbischöfliche Bauherr, und er zog die namhaften Architekten seiner Zeit zu Rate, auch die seines Verwandten auf dem Mainzer Bischofsstuhl und seines Verwandten in Wien, und er verlangte das Beste von allem zu bekommen. So trugen viele große Baumeister mit ihren Ideen dazu bei, daß alle guten Ideen zu einem großartigen Ganzen verschmolzen. Maximilian von Welsch und Philipp Christoph von Erthal verdanken wir das Konzept mit den vier Höfen, denn der erste Neumann-Entwurf hatte nur zwei. In Neumanns erstem Entwurf erkennt man aber schon klar das Konzept mit den beiden Zwillingsschlössern und dem verbindenden Corps de Logis. Die Idee zu den beiden ovalen Mittelpavillons im Norden und im Süden kam von Maximilian von Welsch, und Neumann lehnte sie strikt ab, er wollte kubische Mittelbauten, konnte sich aber nicht durchsetzen. Die Pariser Architekten Robert de Cotte und Germain Boffrand beeinflußten die Gestaltung von Treppenhaus und Ehrenhof, der seine Wurzeln im französischen Schloßbau hat, aber mit ihren klassizistisch geprägten Fassadenideen konnte sich in Würzburg niemand anfreunden. Statt dessen atmen die Fassaden den Geist des Wiener Kaiserbarocks. Das untere Mezzaningeschoß, die einzigartige doppelte Abfolge von Voll- und Halbgeschoß und die Details der Fassadengliederung verdanken wir Johann Lucas von Hildebrandt aus Wien.
Hildebrandt und Neumann schaukelten sich gegenseitig hoch mit guten und noch besseren Entwürfen für die Hofkirche: Zunächst legte Neumann einen viel klassizistischeren Entwurf vor, und es war Hildebrandt, der die Kurvatur ins Spiel brachte. Neumann fertigte insgesamt drei Projekte an, ehe das vierte zum Ausführungsprojekt wurde, und mit jeder Entwicklungsstufe wurde die Kurvatur großartiger. Die Position der Hofkirche und ihre Eingliederung ins Gesamtkonzept ist jedoch eine originäre Neumann-Idee, für die die ursprüngliche Idee der Kirche im Nordoval aufgegeben wurde. Eine Hildebrandt-Gestaltung ist jedenfalls der Mittelrisalit auf der Gartenseite mit dem Kaisersaal; das Belvedere in Wien läßt grüßen. Auf den Grundriß an sich hatte Hildebrandt hingegen gar keinen Einfluß. Dafür war das Abschlußgitter nach Westen sein Baby. Als Friedrich Carl von Schönborn von Wien nach Würzburg wechselte, wuchsen die Bedeutung von Johann Lucas von Hildebrandt als leitender Planer und diejenige der Wiener Künstler für die Ausstattung. Die Genialität des Ingenieurs Neumann hingegen kam bei der Einwölbung der riesigen Räume voll zum Zuge.
Was damit vor allem deutlich werden soll: Die Residenz ist nicht das Werk eines einzelnen Baumeisters, sondern durch fürstbischöfliche Moderation eines Baumeisterkollektivs entstanden. Jeder hat seine besten Ideen beigetragen, und man hatte auch kein Problem damit, Teil eines Kollektivs zu sein, denn so wurde die schöpferische Leistung aller Beteiligten gebündelt. Die Residenz ist Balthasar Neumanns Lebenswerk, aber er war weder in der ersten, grundlegenden, noch in der zweiten und wichtigsten Phase der Lieferant von ausgeführten Entwürfen. Neumann ist untrennbar mit der Residenz verbunden und er hat bis zu seinem Tode an ihr gearbeitet, aber er war nicht ihr gestaltender Architekt.
Im Laufe der Bauzeit wechselte auch mehrfach der Geschmack: Anfangs suchte man noch den Kontakt zu französischen Baumeistern, nahm ihre Ideen gerne an, auch wenn deren Klassizismus sich an der Außenfassade nicht durchsetzen konnte. Dann dominierte das Wiener Künstlerkollektiv, so daß man sagen kann, daß die Residenz in ihrem Schaum von Rokoko fast vollständig Wiener Hofkunst ist. Und mit Adam Friedrich von Seinsheim wechselte der Geschmack wieder mehr in Richtung Frankreich, und der "Zopfstil" und die klassische Einfachheit kamen in die unter diesem Bauherrn fertiggestellten Innenräume.
Trotz der sich über die Regierungszeit von sechs Fürstbischöfen erstreckenden Bauzeit ist das Ergebnis atemberaubend einheitlich. Die Einheitlichkeit hängt an der Geschwindigkeit des Bauens, und der Fortschritt der Bauarbeiten ist eine Folge der verfügbaren Mittel, und dank einer glücklichen Fügung gab es davon reichlich. Gallus Jacob (1670-ca. 1736/1737) war der unfreiwillige Spender eines Großteils der Baukosten. Er stieg in Hofdiensten unter Johann Philipp von Greiffenclau-Vollraths auf, wurde 1698 Kammerdiener, 1699 Hofkammerrat und 1707 Direktor der fürstbischöflichen Hofkammer und verdiente prächtig in einer Stellung, die der eines heutigen Finanzministers eines Landes entsprach. In seinen Händen lag die Finanzierung und die Gegenfinanzierung der Würzburger Truppen im Spanischen Erbfolgekrieg. Als nach dem Tod von Johann Philipp von Greiffenclau-Vollraths zum Nachfolger der bisherige Dompropst Johann Philipp Franz von Schönborn gewählt wurde, drehte sich der Wind kräftig. Leider war allzu bekannt, daß sich Gallus Jacob von Hollach schamlos bereichert hatte, wie so viele vorher und nachher in vergleichbaren Positionen. Große Summen flossen über den Schreibtisch des Hofkammerdirektors, und da wurde in die eigene Tasche abgezweigt, so der Vorwurf. Und er war bestechlich - ohne entsprechende Zahlungen konnte man bei ihm gar nichts erreichen, so der gängige Tenor der Klagen gegen ihn. Er wurde grundsätzlich nur tätig, wenn man ihn dafür noch einmal gesondert entlohnte. Das war zwar kriminell, aber damals üblich, wenn auch vielleicht nicht in dem von ihm praktizierten Ausmaß, und wurde vom Dienstherrn geduldet, auch vorher und nachher.
Gallus Jacob von Hollach hatte es aber reichlich übertrieben und war bei der Bevölkerung und beim Domkapitel deswegen ziemlich unbeliebt. Insbesondere der bisherige Dompropst haßte den Emporkömmling mit der stets offenen Hand. Und wenn letzterer ersterem noch seinerzeit Schuldenwirtschaft und Verschwendungssucht vorgeworfen hatte, ist das eine ganz ungünstige Ausgangslage, wenn der jetzt Fürstbischof wird. Gallus hatte sich zudem stets gegen alle Einmischungsversuche des Schönborn-Clans in die fürstbischöflichen Angelegenheiten gestemmt. Im Jahr 1719 entließ ihn der neue Fürstbischof auf der Stelle und setzte eine Untersuchungskommission ein. Er drohte ihm einen Prozeß wegen Unterschlagung an, was einen riesigen Skandal gegeben hätte und Gallus Jacob von Hollach vielleicht den Kopf gekostet hätte. Gallus Jacob von Hollach versuchte sich zu retten, indem er immer höhere Summen zum Freikaufen ins Spiel brachte, was der neue Fürstbischof gerne hörte und entsprechend hochtrieb. Bei der Summe von 640000 fl., im heutigen Wert ein gut zweistelliges Millionenvermögen, zu zahlen innerhalb eines halben Jahres, wurde man sich einig: Herausgabe des Vermögens in bar und in Form abgetretenen Besitzes innerhalb der gesetzten Halbjahresfrist, dafür keine Anklage und kein Prozeß. Die Höhe der Summe wird erst im Vergleich deutlich: Es war fast so viel wie der gesamte Jahreshaushalt des Hochstifts, das waren damals 750000 fl. So wurde Gallus Jacob seine "Millionen" los, und mit diesem unfreiwilligen Grundstock konnte der neue baubegeisterte Fürstbischof die Verwirklichung der Würzburger Residenz beginnen. Er hatte quasi fast einen kompletten Landes-Jahreshaushalt zusätzlich zum Ausgeben bekommen. Deshalb kann man sagen, daß ohne Gallus Jacob von Hollach und seine tragische Rolle die Residenz wahrscheinlich nie in Angriff genommen worden wäre. Insgesamt hatte am Ende die ganze Würzburger Residenz mehr als das Doppelte gekostet, 1500000 fl. Gallus Jacob von Hollach hatte also fast die Hälfte der Bausumme gezahlt. Allein daß ihm das möglich war, zeigt, daß die Vorwürfe berechtigt waren.
Zum zeitlichen Ablauf: Im Herbst 1719 dachte man noch über eine Erweiterung des schon bestehenden Schlößchens am Rennweg nach. Im Dezember 1719 wurde die Residenz planungsmäßig auf dem Platz gedreht und auf die Bastion hin ausgerichtet. Danach wurde der Plan vergrößert und um zwei weitere Höfe erweitert. Am 20.5.1720 fand die offizielle Grundsteinlegung nach dem "modifizierten Mainzer Projekt" statt. 1723 reiste Balthasar Neumann nach Paris und konsultierte die genannten französischen Architekten, die neue Ideen einbrachten, einer der beiden reiste sogar 1724 nach Würzburg, um vor Ort beratend tätig werden zu können. Der Bau begann 1724 an der Westseite des Nordblocks. In diesem Jahr konnte die erste Bischofswohnung nach den französischen Entwürfen im Nordblock eingerichtet werden. Bis 1728 wuchsen die vier Flügel rings um den nordwestlichen Innenhof heran, aber noch ohne die noch für das Oval geplante Kirche. 1731 fertigte Hildebrandt den Plansatz für das Corps de Logis und den Südblock an. 1731 begann man mit dem Nordflügel des Südblocks und ergänzte den Nordblock symmetrisch um sein südliches Pendant. 1732 fiel die endgültige Entscheidung zur Gestalt der Hofkirche. 1733 war der Südwest-Innenhof von vier Flügeln umschlossen. 1734 verlängerte man den Südflügel bis zum südöstlichen Eckrisalit und begann mit letzterem dann mit dem langen Gartenflügel, der bis 1741 heranwuchs. 1741-1742 wurden die großen Säle im Corps de Logis eingewölbt. Bis 1744 waren die bisher fehlenden Trakte des Nordblocks ausgeführt worden, und in diesem Jahr konnte der Bau geweiht werden.
Das Innere der Residenz ist weniger einheitlich als das Äußere, das liegt an der sukzessiven Gestaltung und an den vielen Umgestaltungen nach jeweiligem Zeitgeschmack. In der Mittelachse gelangt man ins Foyer (Einfahrtshalle) des Corps de Logis. Das Treppenhaus, der Raum mit der größten Grundfläche der ganzen Residenz, liegt nördlich davon und reicht bis zum Nordost-Innenhof. Das 1737-1744 im Rohbau fertiggestellte Treppenhaus ist eine Schöpfung Balthasar Neumanns, aber von den französischen Architekten beeinflußt. Die Fresken malte Tiepolo 1752-1753. Der Stuck entstand später, 1765-1775 und ist bereits klassizistisch. Von dort gelangt man in den über dem Foyer gelegenen Weißen Saal oder Salle de Garde. Dieser 1744-1745 mit Stuck von Antonio Bossi ausgestattete Raum bildet das Vorzimmer zum Festsaal, dem Kaisersaal, der im Mittelrisalit der Ostseite liegt. Dieser Hauptsaal der Residenz entstand im Rohbau 1737-1742. Die Fresken stammen von Tiepolo und sind aus der Zeit 1751-1752; den Stuck fertigte Antonio Bossi 1749-1753 an. Unter dem Kaisersaal liegt im Erdgeschoß der gleich große Gartensaal, dessen Deckengewölbe von zwölf Marmorsäulen getragen wird und der 1749-1751 mit einem Fresko von Johann Zick und Stuck von Antonio Bossi dekoriert wurde.
Nach Norden und nach Süden liegt im Hauptgeschoß die Enfilade der fürstbischöflichen Gemächer, Parade- und Repräsentationszimmer entlang der Gartenseite. Wenn man vom Kaisersaal nach Norden geht, folgen aufeinander das zweite Alexanderzimmer (1744-1745), das dritte Alexanderzimmer (1744-1751), das Gesellschaftszimmer (1744-1751), das Napoléonzimmer (1744-1764), das Souperzimmer (1766), das Teezimmer (1767) und im Eck das Grünlackierte Zimmer (1769-1774). Wenn man vom Kaisersaal nach Süden geht, kommt man zunächst ins Erste Alexanderzimmer (1740), dann folgen der Audienzsaal oder Thronsaal (1742), das Venezianische Zimmer (1738-1741), das Spiegelkabinett (1740-1745) und die ehemalige große Gemäldegalerie (1737-1744, 1807 zerstört). Die Hofkirche (Rohbau 1732-1733, Ausstattung bis 1743) ordnet sich völlig dem architektonischen Gesamtkonzept unter und tritt nach außen nicht in Erscheinung; sie liegt im Südflügel ganz im Westen mit eigenem Portal zum Residenzplatz. Der ovale Mittelrisalit der Nordseite enthält einen Raum voller Größe, die sog. Seinsheim-Oper (Neugestaltung 1772-1778), ein Raum für Musik- und Theater-Aufführungen. Im ovalen Mittelrisalit der Südseite füllt der Zentralraum nur einen Bruchteil der Fläche aus, dort liegt der ehemalige Kavalier-Speisesaal (Umbau zum Ballsaal 1807-1814). Die östliche Hälfte des Südflügels nehmen die ehemaligen fürstbischöflichen Privaträume ein, die aber in der Toskana-Zeit im Stil des Empire umgebaut wurden, ebenso wie die Räume im südlichen Flügelbau zum Residenzplatz hin. Auch im Nordblock gibt es platzseitig eine Bischofswohnung, die 1776-1779 eingerichtet und dekoriert wurde, das sind von Norden nach Süden das Gelbe Eckkabinett, der Grüne Salon, der Rote Salon, der Kleine Weiße Saal, der Blaue Salon, der Gelbe Salon und das Grüne Eckkabinett. Der innen liegende Verbindungstrakt des Nordblocks enthält den ehemaligen Theatersaal, der 1771-1773 vollständig umgebaut wurde und seitdem Fürstensaal heißt.
Ehrenhof, vom Frankonia-Brunnen aus gesehen. Im zentralen Giebel das Schönborn-Wappen (s. u.).
Die fürstbischöfliche Herrlichkeit endete 1802, als der Kurfürst von Bayern vom Hochstift Besitz ergriff. 1805 entstand durch einen von Napoléon abgesegneten Ringtausch das Großherzogtum Würzburg, das aber Napoléons Sturz 1814 nicht überdauerte. Würzburg wurde wieder bayerisch. Die Zeit reichte aber dafür aus, daß der Großherzog, der 1806 die Würzburger Residenz bezog, im Südblock die wunderschönen Rokokoräume der fürstbischöflichen Wohnung im Stil des Empire umgestalten ließ, ein unersetzlicher Verlust. Auch die große Gemäldegalerie auf der Gartenseite wurde komplett aufgelöst und umgebaut. Im 19. Jh. entfernte man das den Ehrenhof nach Westen abschließende Gitter, auch dies ein unersetzlicher Verlust feinster Schmiedekunst. Die größte Katastrophe brach am 16.3.1945 über die Stadt und die Residenz Würzburg herein. Nur die Gewölbe über dem Kaisersaal, dem Weißen Saal, dem Treppenhaus und der Hofkirche blieben unbeschädigt, aber alle Dächer waren verloren, und alle anderen Räume lagen in Schutt und Asche. 1945-1947 wurden Notdächer angebracht, um weitere Verluste zu verhindern. Bis 1960 konnte der Außenbau wiederhergestellt werden. Dann folgte die Wiederherstellung der Innenräume, deren krönender Abschluß 1987 die Wiedereröffnung des Spiegelkabinetts war, das in aufwendigster Hinterglas-Maltechnik anhand alter Photos und weniger Scherben rekonstruiert worden war. Aber auch hier ist nach der Renovierung vor der nächsten Renovierung: 2003-2009 wurden die Tiepolo-Fresken erneut restauriert, und 2010-1012 wurde die Hofkirche renoviert. 2014-2016 wurde der Gartensaal (Sala terrena) für 1 Mio renoviert.
Während der Renovierung des Kaisersaals. Im Giebel des Mittelrisalits befindet sich ein Monogramm.
Die jüngste Arbeit ist die 2021 erfolgte Renovierung des 1741 fertiggestellten, 7 m hohen und 20 m breiten, verschmutzten, beschädigten und in 25 m Höhe vor sich hin bröselnden Hauptwappens über der Ehrenhoffassade, die allein schon 250000 gekostet hat. Das Wappen wurde von Johann Lucas von Hildebrandt entworfen, war ursprünglich weiß gestrichen und war schon einmal 30 Jahre zuvor restauriert worden. Der Restaurator für die neue Maßnahme war Silas Ploner. Dabei wurde die abschließende Kaiserkrone durch eine Kopie aus Naturstein ersetzt, außerdem wurde das Schutznetz gegen Luftratten erneuert. Die Arbeiten waren pünktlich zum 40. Jahrestag der Ernennung der Würzburger Residenz zum UNESCO Weltkulturerbe abgeschlossen. Ein weiteres Wappen dieses Fürstbischofs ist in der Hofkirche zu finden.
Das Wappen im Giebel ist das des Vollenders des Rohbaus der Residenz, Fürstbischof Friedrich Carl von Schönborn (1729-1746) Das prunkvolle Wappen zeigt u. a. im Herzschild das Stammwappen Schönborn, den fränkischen Rechen, die Standarte des Bistums Würzburg, den Löwen mit Schrägrechtsleiste von Bamberg u.v.a.m. Das Wappen des Grafen und Fürstbischofs von Schönborn hat insgesamt 14 Elemente.
Es handelt sich um das Familienwappen der Grafen von Schönborn, wie es seit dem frühen 18. Jh. geführt wurde, mit 10 Elementen, bereichert um 4 Elemente der kirchlichen Würden und Ämter. Im einzelnen sind das:
Über dem Wappen sieht man zwei Kopfbedeckungen übereinander, den Herzogshut, den er als Würzburger Fürstbischof in seiner Rolle als Herzog zu Franken führte, und darüber die ranghöhere Kaiserkrone, die er als Fürstbischof von Bamberg führte, denn Bamberg war eine kaiserliche Stiftung. Zwei Engel ziehen das aus der Kaiserkrone herabfallende Tuch zur Seite. Zwei Schönborn-Löwen dienen als Schildhalter, der rechte ist hersehend dargestellt.
In der Dachzone gibt es noch mehr Wappen zu entdecken: Dieser Löwe mit Fahnen, Trophäen und einem Schönborn-Wappenschild steht auf der ovalen Rotunde des Südblocks.
Abb. oben: Dieses von zwei Putten umspielte und von einem Adler überhöhte Schönbornwappen ist in der Dachzone des Corps de Logis zu finden, dem Ehrenhof zugewandt, seitlich des großen Schönborn-Wappens. Abb. unten: Am selben Ort ist dieser Fränkische Rechen in ganz ähnlicher Art dargestellt.
Zur
Übersicht ein Ausschnitt aus der Liste der Würzburger
Fürstbischöfe:
Johann Philipp von Schönborn
(desgl. Erzbischof von Mainz), reg. 1642-1673
Johann Hartmann von Rosenbach, reg. 1673-1675
Peter Philipp von Dernbach (desgl. Bischof von Bamberg), reg.
1675-1683
Konrad Wilhelm von Wernau, reg. 1683-1684
Johann Gottfried von Guttenberg, reg. 1684-1698
Johann Philipp von Greiffenclau-Vollraths, reg. 1699-1719
Johann Philipp Franz von Schönborn, reg.
1719-1724 - Baubeginn der Würzburger Residenz
1720
Christoph Franz von Hutten, reg. 1724-1729, Stillstand auf der
Baustelle
Friedrich Carl
von Schönborn (desgl. Bischof von Bamberg), reg. 1729-1746 - Vollender des Rohbaus 1744
Anselm Franz von Ingelheim, reg. 1746-1749, geringes Engagement
für den Weiterbau
Karl Philipp von Greiffenclau-Vollraths, reg.
1749-1754, Ausbau und Innendekoration
Adam Friedrich von Seinsheim (desgl. Bischof von
Bamberg), reg. 1755-1779 - Vollender der Würzburger
Residenz incl. Ausstattung
Franz Ludwig von Erthal, reg. 1779-1795
Literatur,
Links und Quellen:
Position in Google Maps: https://www.google.de/maps/@49.7928616,9.9384703,17.87z - https://www.google.de/maps/@49.7928956,9.9388499,236m/data=!3m1!1e3
Siebmachers Wappenbücher, insbesondere Band Bistümer
Schlösser und Burgen in Unterfranken, von Anton Rahrbach, Jörg
Schöffl, Otto Schramm. Hofmann Verlag Nürnberg 2002, ISBN
3-87191-309-X
Peter Kolb: Die Wappen der Würzburger Fürstbischöfe.
Herausgegeben vom Bezirk Unterfranken, Freunde Mainfränkischer
Kunst und Geschichte e.V. und Würzburger
Diözesangeschichtsverein. Würzburg, 1974. 192 S.
Wilfried Hansmann: Balthasar Neumann, Leben und Werk,
DuMont-Taschenbücher 184, DuMont Buchverlag Köln, Köln 1986,
ISBN: 3-7701-1814-6, S. 176-184
Erich Bachmann: Residenz Würzburg, hrsg. von der Bayerischen
Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen, München
1973
Jarl Kremer: Die Hofkirche der Würzburger Residenz, Ernersche
Verlagsgesellschaft, Worms 1999, ISBN: 3-88462-142-4
Pius Bieri: Ehemalige Fürstbischöfliche Residenz Würzburg, im
Projekt Süddeutscher Barock: https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Werke/s-z/Wuerzburg_Residenz.html
Würzburger Residenz auf den Seiten der Bayerischen
Schlösserverwaltung: Baugeschichte: https://www.residenz-wuerzburg.de/deutsch/residenz/bauges.htm - Zeittafel: https://www.residenz-wuerzburg.de/deutsch/residenz/zeittafel.htm - Grundriß: https://www.residenz-wuerzburg.de/deutsch/residenz/rundgang.htm
Würzburger Residenz in Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Würzburger_Residenz
Würzburger Residenz im
Würzburg-Wiki: https://wuerzburgwiki.de/wiki/Residenz
Youtube-Film über die Residenz: https://www.youtube.com/watch?v=q24WIkAasYM - https://www.youtube.com/watch?v=AXU2NzLcziA
Unesco-Welterbe: https://www.unesco.de/kultur-und-natur/welterbe/welterbe-deutschland/residenz-wuerzburg-mit-hofgarten-und-residenzplatz
Winfried Romberg: Das Bistum Würzburg 8, die Würzburger
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Berlin/Boston 2014, Verlag: Walter de Gruyter GmbH:
Berlin/Boston, 648 S., DOI: https://doi.org/10.26015/adwdocs-532, ISBN: 978-3-11-030537-1 - online: https://rep.adw-goe.de/handle/11858/00-001S-0000-0023-9A8C-9 - Download als pdf: https://rep.adw-goe.de/bitstream/handle/11858/00-001S-0000-0023-9A8C-9/3.F._8_Romberg_Bischoefe.pdf?sequence=1&isAllowed=y
Winfried Romberg: Das Bistum Würzburg 9, die Würzburger
Bischöfe von 1746 bis 1802 (= Germania Sacra. Dritte Folge 18),
Berlin/Boston 2020, Verlag: De Gruyter Akademie Forschung:
Berlin/Boston, DOI: https://doi.org/10.26015/adwdocs-1733, ISBN: 978-3-11-068340-0 - https://rep.adw-goe.de/handle/11858/2231 (keine digitale Version online verfügbar)
Gallus Jacob im Würzburg-Wiki: https://wuerzburgwiki.de/wiki/Gallus_Jacob
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Dieter Michael Feineis: Johann Gallus Jacob von Hollach, in:
Würzburger Diözesangeschichtsblätter, Bd. 77, hrsg. von
Wolfgang Weiß i. A. des Würzburger Diözesangeschichtsvereins,
Würzburg 2014, S. 187 ff.
Max Hermann von Freeden: Aufstieg, Glanz und Ende des Gallus
Jakob, ein barockes Lebensbild aus Franken, in: Max Hermann von
Freeden: Erbe und Auftrag, von fränkischer Kunst und Kultur,
Mainfränkische Studien 44, Würzburg 1988
Hans-Peter Baum: Gallus Jakob und die Finanzierung des
Residenzbaues, in: Geschichte der Stadt Würzburg, Bd. II, vom
Bauernkrieg 1525 bis zum Übergang an Bayern 1814, hrsg. von
Ulrich Wagner, Verlag Theiss, Stuttgart 2004, ISBN 3-8062-1477-8,
S. 291-293
Thomas Heiler: Die Finanzen des Hochstifts Würzburg im 18.
Jahrhundert, in: Würzburger Diözesangeschichtsblätter 47
(1985), S. 159-189
Stift Haug - Hof Neulobdenburg - Hof z. Hl. Gallus - Haus Conti - alte Mainbrücke - Kurie Heideck - der Hof des Erhard von Lichtenstein - Juliusspital - Alte Universität - Hofgarten - Neumünster - Domherrenkurien und andere städtische Anwesen (1) - Spital, Palais, Seminar und andere städtische Anwesen (2) - Neubaukirche - Bürgerspital - Stadtbefestigung - St. Peter - Priesterseminar - Grafeneckart - Domerschulstraße 13 - Deutschhaus - Alter Kranen - Madonnen-Ädikula in der Gerberstraße - St. Gertraud - Rückermainhof - Don Bosco-Kirche (Schottenkirche) - Franziskaner-Kirche - Karmelitenkirche in der Sanderstraße - erste und dritte Zobelsäule - Vierröhrenbrunnen - ehem. Hof Groß von Trockau
Festung Marienberg, Teil (1): Übersicht, Bergfried, Scherenbergtor, Scherenbergmauer - Festung Marienberg, Teil (2): Marienkirche außen und innen, Brunnentempel - Festung Marienberg, Teil (3): das Schloß der Renaissance - Festung Marienberg, Teil (4): Umbau zur Festung, innerer und äußerer Schönbornring - Festung Marienberg, Teil (5): Ausbau der Festung nach Westen, zweite Vorburg, Greiffenclau-Bauten - Festung Marienberg, Teil (6): die jüngsten Festungswerke bis zum Maschikuliturm
Die Wappen der Fürstbischöfe von
Würzburg - Teil (1) - Teil (2) - Teil
(3) - Teil
(4)
Die Wappen der Fürstbischöfe von
Bamberg - Teil (1)
- Teil (2) - Teil
(3) - Teil
(4)
Der Fränkische Rechen - Das
Rennfähnlein
- Der Bamberger Löwe
Die Entwicklung des Wappens der von
Schönborn
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