Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 48
Würzburg (Unterfranken)

Guttenberg-Palais (Kurie ad St. Gallum), Kardinal-Döpfner-Platz 1

Das Guttenberg-Palais finden wir gegenüber dem nördlichen Querhaus des Domes mit der später angebauten Schönbornkapelle und östlich der Neumünster-Stiftskirche. Die Kurie steht an der Spitze einer Insula und ist über all außer im Norden von Straßen umgeben. Dieser ehemalige Domherrenhof, der nach einer bereits im Jahr 1130 auf dem Gelände bezeugten und beim barocken Neubau baulich integrierten St.-Gallus-Kapelle auch Hof zum Hl. Gallus (Kurie ad St. Gallum) genannt wird, ist eine um einen Hof geschlossene Anlage, was diese Kurie von den zeitgleichen Palais-Bauten unterscheidet, die meistens als Dreiflügelbauten konzipiert waren.

So bilden die Flügel ein unregelmäßiges Fünfeck um den Hof. Der Ostflügel knickt leicht ab und enthält in diesem südlichen, abgewinkelten Teil das Hauptportal, das dadurch besser auf die Hofstraße hin ausgerichtet wird. Im Westflügel befindet sich ein alternativer Zugang zum Innenhof. Alle Fassaden mit dem schmalen Sockelband, den schmalen Gurtgesimsen, den axial in Beziehung gesetzten Fenstern und den architravierten Fensterrahmen mit Ohren sind aus einem Guß identisch gestaltet.

In der Übergangszeit vom 17. zum 18. Jh. gehörte das Anwesen nacheinander Adam Dietrich Voit von Rieneck, der die Kurie bzw. deren Vorgängerbau 1664 erworben hatte, Peter Johann Friedrich Eckbert Freiherr von Dalberg, der 1691 einzog, und Anselm Franz von Ingelheim, dem die Kurie ab 1720 gehörte. Die Frage ist nun, wer der Bauherr war, denn die Bauzeit ist nirgends exakt belegt. Gerne entscheidet man sich für Anselm Franz von Ingelheim, weil sein Wappen hofseitig über dem Osttor angebracht ist. Vermutlich ließ er es aber nach dem Erwerb nachträglich anbringen, so wie die anderen Wappensteine auch spätere Hinzufügungen sind. Aus Studien historischer Stadtansichten kann geschlossen werden, daß das heutige Palais spätestens 1715 fertiggestellt gewesen sein muß, deshalb kommt der Drittgenannte nicht als Bauherr in Frage. Vermutlich war der Zweitgenannte der Bauherr. Diese Vermutung wird dadurch gestützt, daß in den 1690er Jahren eine sehr baufreudige Zeit in Würzburg anbrach, in der viele solcher Domkurien und Adelspalais entstanden. Zum anderen trat dieser Domherr 1699 durch seine Resignation in den weltlichen Stand über, lebte aber weiterhin in Würzburg und brauchte subito eine angemessene und standesgemäße Unterkunft. Damit hätten wir ein Zeitfenster für die Entstehung von 1691 bis 1715.

Das Zeitfenster kann sogar auf 1710-1715 eingegrenzt werden, weil es in dieser Zeit einen stilistischen Wandel in Würzburg gab: Die vor 1710 üblichen Giebel über den Fenstern waren abrupt aus der Mode gekommen, das letzte damit ausgestattete Adelspalais war das Greiffenclau-Palais, 1710-1713 erbaut. Danach gab es nur noch architravierte Fenster, bis Balthasar Neumann die Giebel über den Fenstern wieder einführte. Da alle Fassaden einheitlich gestaltet sind, ist von einem kompletten Neubau in dieser Zeit auszugehen. Der Bau hatte aber noch nicht die jetzige Höhe, sondern wurde später um ein Geschoß erhöht. 1725 war es noch zweigeschossig auf einem Stich von Salomon Kleiner. Erst nachdem Dompropst Karl Dietrich von Guttenberg das Palais übernommen hatte und für seinen Neffen Friedrich Karl von Guttenberg umbaute, könnte die Aufstockung 1784-1794 geschehen sein.

Das Wappen innen über der westlichen Durchfahrt in den Hof ist eine Dreierkombination: Mitte oben: "Fränkischer Rechen" = von Rot und Silber mit drei aufsteigenden Spitzen geteilt, Herzogtum zu Franken, heraldisch rechts Wappen der von Greiffenclau zu Vollraths (geviert, Feld 1 und 4: silbern-blau geteilt, darüber ein goldenes Glevenrad, hier bei der Renovierung fehlerhaft angestrichen, von Greiffenclau, Feld 2 und 3: in Schwarz ein silberner Schräglinksbalken, Herrschaft Ippelbrunn = Eppelborn), heraldisch links Wappen der von Guttenberg (in Blau eine goldene Rose mit eigentlich doppelter Blattlage und goldenem Butzen). Eine solche Dreierkombination ist ein untrügliches Indiz, daß hier das Domkapitel gemeint ist. In der Mitte ist der Fränkische Rechen allein dargestellt und steht für das Kapitel des Würzburger Doms, nicht für den Fürstbischof. Diesem Hauptsymbol werden die Familienwappen der beiden wichtigsten Amtsinhaber beigesellt, dem des Domdekans und dem des Dompropstes, und diese Dreierkombination kennzeichnet einen Besitz des Domkapitels. Dieses Wappen entstand zwei Jahre, bevor das Anwesen von der Familie der Freiherren von Guttenberg übernommen wurde.

Mit dieser Vorgabe und der Datierung auf das Jahr 1782 auf dem Keilstein darunter können wir die beiden Personen namentlich zuordnen: Bei dem Wappen heraldisch rechts handelt es sich um Lothar Franz Philipp Karl Heinrich von Greiffenclau-Vollraths (-1.9.1797), der 1780-1797 Dompropst von Würzburg war. Das war nicht sein einziges Amt, denn er war auch Domherr in Mainz, Kanoniker des Stifts Comburg ab 1753, Propst des Ritterstifts St. Burkard 1778-1797, Propst des Kollegiatstifts St. Marien ad gradus in Mainz ab 1753 und außerdem noch Stiftsherr des Kollegiatstifts St. Alban in Mainz, also ein weiterer großer Pfründensammler vor dem Herrn. Bei dem Wappen heraldisch links handelt es sich konkret um Philipp Anton von Guttenberg, der 1779/1780-1788 als Würzburger Domdekan im Amt war. Mit deren Amtsdaten ist die Datierung dieses Steins auf 1780-1788 festgelegt, was zur unten eingeschlagenen Jahreszahl 1782 paßt.

Wappen an einer hofseitigen Wand über der östlichen Hofeinfahrt, geviert aus den Komponenten von Ingelheim und Echter von Mespelbrunn. Die Familie Echter von Mespelbrunn starb im 17. Jh. aus. Das Erbe ging über Ottilia Echter von Mespelbrunn an die von Ingelheim, die 1648 Philipp Ludwig von Ingelheim geheiratet hatte, Oberstleutnant und Amtmann zu Miltenberg im Dienste von Mainz. 1698 vereinigte die Familie mit Genehmigung des Kaisers beide Wappen zu "von Ingelheim genannt Echter von Mespelbrunn" und vierte ihr Wappen aus Ingelheim und Echter von Mespelbrunn. Die Familie lebt heute auf Schloß Mespelbrunn. Aufbau: Geviert, Feld 1 und 4: in Schwarz ein rot-golden geschachtes Kreuz, von Ingelheim, Feld 2 und 3: in Blau ein silberner Schrägbalken, belegt mit drei blauen Ringen, Echter von Mespelbrunn. Das Wappen verweist auf Anselm Franz von Ingelheim, dem die Kurie ab 1720 gehörte.

 

Wappen der von Guttenberg in der Hauptachse (Portalachse) der Ost-Fassade zwischen 1. und 2. Obergeschoß: In Blau eine goldene Rose mit doppelter Blattlage, auf dem Helm mit rot-silbernen oder rot-goldenen Decken ein roter, hermelingestulpter Turnierhut, besteckt mit fünf schwarzen Rohrkolben. Man beachte die hier aus Metall gefertigten fünf Rohrkolben der Helmzier. Die zentrale Achse dieser Fassade besitzt einen mit schweren Balustern bestückten Balkon über dem Portal, möglicherweise den ersten Balkon an einem barocken Profanbau der Stadt. Der mehrfach profilierte Rahmen der Balkontür ist seitlich mit vorhangartigen Elementen versehen und oben ganz eigenartig gestaltet, denn er bildet volutenartig eingerollte Ohren aus, schwingt sich dann auf, um ein gerades Widerlager für den Dreiecksgiebel zu formen, um dann mit einem konkav-konvexen Schwund zur Mitte hin aufzusteigen und dort zwei eingerollte Schnecken zu formen, die ein kleines dort eingefügtes Engelshaupt einfassen. Das große Guttenberg-Wappen sprengt den Dreiecksgiebel. Dieses Fensterkompartiment wird eingefaßt von zwei kraftvollen Pilastern, auf deren Gesimsplatten zwei große Volutenschnecken mit ihren Spangen zum Dreiecksgiebel des zweiten Obergeschosses überleiten. Früher, als das Gebäude noch zweistöckig war, ragte dieser Giebel als Zwerchhaus in die Dachlandschaft hinein. Übrigens sind es genau diese vorhangartigen Elemente und diese Ohren, ebenso wie die Ohren an den Rücklagen der Portallisenen, die auf Peter Johann Friedrich Eckbert Freiherr von Dalberg als Bauherrn hindeuten, weil sie genau in dieser Form auch am Neuen Dalberger Hof in Mainz vorkommen. Und beide wiederum haben als Vorbild die Balkontür des Oratorio dei Filippini in Rom von Francesco Borromini. Deshalb darf hier wie in Mainz eine Urheberschaft von Caspar Herwarthel angenommen werden, und dieser war ein Schüler von Maximilian von Welsch.

 

Wappen der Reichsfreiherren von Guttenberg außen über der westlichen Hofeinfahrt, in Blau eine goldene Rose mit doppelter Blattlage und goldenem Butzen. Die goldene Einfassung stellt kein Bord dar, sondern ist nur einrahmende Zier; dieser Anstrich ist irreführend. Die ovale Schildkartusche wird eingerahmt von zwei nach außen blickenden, im Profil dargestellten grotesken Fratzen. Von der Helmzier ist nur der Hut vorhanden, nicht die Rohrkolben. Seit 1784 ist das Anwesen im Besitz der Familie von Guttenberg. Die ehemalige Domherrenkurie brannte am 16.3.1945 bis auf die Außenmauern aus. 1952-1954 wurde das Anwesen leicht verändert unter dem damaligen Besitzer Karl Theodor Reichsfreiherr von und zu Guttenberg durch den Architekten Eugen Altenhöfer als Wohn- und Bürohaus wieder aufgebaut, wobei der Grundriß leicht verändert wurde.

Literatur, Links und Quellen
Personenregister, Germanis sacra: http://germania-sacra-datenbank.uni-goettingen.de/persons/view/324821 - http://germania-sacra-datenbank.uni-goettingen.de/persons/view/324604
Alfred Wendehorst: Das Bistum Würzburg 6: Die Benediktinerabtei und das Adelige Säkularkanonikerstift St. Burkard in Würzburg, Germania Sacra N. F. 40, Berlin/New York 2001 - 
http://germania-sacra-datenbank.uni-goettingen.de/books/view/54/231
Guttenbergpalais im Würzburg-Wiki:
https://wuerzburgwiki.de/wiki/Hof_Guttenberg
Kuno Mieskes: Die Palaisbauten der Greiffenclau-Zeit in Würzburg (1699-1719), hrsg. von der Gesellschaft für fränkische Geschichte, VIII. Reihe: Quellen und Darstellungen zur fränkischen Kunstgeschichte, Verlag Ph. C. W. Schmidt, 1. Auflage 2020, 480 S., ISBN-10: 3866528191, ISBN-13: 978-3866528192, S. 230-236
Hof Guttenberg im Würzburg-Wiki:
https://wuerzburgwiki.de/wiki/Hof_Guttenberg
Jörg Lusin: Die Baugeschichte der Würzburger Domherrnhöfe, hrsg. vom Verein Freunde Mainfränkischer Kunst und Geschichte e. V. Würzburg / Würzburger Diözesangeschichtsverein, Würzburg 1984

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