Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2927
Arnstein (Landkreis Main-Spessart, Unterfranken)

Pfarr- und Wallfahrtskirche Maria Sondheim, Epitaph für Hans von Hutten (-1515)

Die etwas außerhalb von Arnstein im Bereich des Friedhofes gelegene Pfarr- und Wallfahrtskirche Maria Sondheim ist eine der wichtigsten Grablegen der Familie von Hutten. Die Stadt, die Burg und das Amt Arnstein befanden sich fast das ganze 15. Jh. im Pfandbesitz der Familie von Hutten, die hier auch umfangreichen Eigenbesitz ansammelten, insbesondere in der Vorstadt Bettendorf. Erst Ende des 15. Jh. löste das Hochstift Würzburg das verpfändete Amt wieder aus und übernahm Arnstein wieder selber. Doch die Herren von Hutten verwalteten Arnstein weiter, nun für das Hochstift. Für die Pfarrkirche besaß die Familie bis 1586 das Patronatsrecht.

Wir beginnen die Reihe der Epitaphien in der Pfarrkirche Maria Sondheim mit einer besonders interessanten Persönlichkeit, mit Hans von Hutten (24.6.1486-7.5.1515) aus der Linie Frankenberg. Seine Grabplatte ist vom rein heraldischen Typus ohne Personendarstellung. Die auf dem Rand umlaufende Inschrift lautet: "Anno d(o)m(ini) Mo Vco und 15 / uff montag nach dem s(on)ntag Ca(n)tate starb d(e)r E(h)rb(are) u(nd) e(h)r(e)nfeste / hans vo(n) hutte(n) d(e)r durch / hertzog ulrich vo(n) wirt(t)e(m)berg unschuldig entleibt d(e)m g(ott) g(nade)". Die Schreibweise der Jahreszahl ist ungewöhnlich, die 1000 als lateinisches Zahlzeichen "M" mit hochgestelltem "o" für "Millesimo", die 500 als "V" mit hochgestelltem "co" für "Quingentesimo" (aus quinque centesimo) und die 15 in arabischen Ziffern. Sonntag Cantate oder in heute üblicher Schreibweise Kantate ist der 4. Sonntag nach Ostern oder der 5. Sonntag der Osterzeit. Ostersonntag war im Jahre 1515 der 8. April, nach alter Berechnung (julianischer Kalender). Folglich war Sonntag Cantate der 6. Mai, und verstorben ist Hans von Hutten am darauffolgenden Montag, den 7. Mai (in der Lit. wird oft fälschlich der 8.5. angegeben). Im Zentralfeld ist ein großes Vollwappen der Herren von Hutten dargestellt, in Rot zwei goldene Schrägbalken, auf dem ungekrönten Helm mit rot-goldenen Decken ein wachsender, rot gekleideter und bärtiger Mannesrumpf, auf dem Kopf eine rote, golden gestulpte Mütze mit drei schwarzen Hahnenfederbüscheln im Stulp und einem weiteren auf der Hutspitze.

 

In den vier Ecken des Zentralfeldes sind vier Wappenschilde einer Ahnenprobe auf Großelternebene eingefügt, wovon zwei gleich sind. Die beiden oberen stehen für die Eltern und die Großväter, die beiden unteren für die beiden Großmütter. Hans von Hutten wurde in Burg Trimberg bei Elfershausen geboren, als Sohn von Ludwig von Hutten (-1517), kaiserlicher Hauptmann, würzburgischer Rat und Amtmann zu Trimberg, hier ebenfalls mit einem Epitaph vertreten, und dessen zweiter Frau, Margarethe Speth von Hohenegk und Steingebronn (-1505). In erster Ehe hatte Ludwig von Hutten Susanne von Bickenbach geheiratet. Die Großeltern väterlicherseits waren Konrad von Hutten (-1502), würzburgischer Amtmann zu Trimberg, Rat und Oberhofmeister, und dessen erste Frau Anna von Rechberg, Tochter des Wilhelm von Rechberg und dessen Frau Jolanthe von Hirschhorn. In zweiter Ehe hatte Konrad Elisabeth von Sickingen geheiratet. Alle drei haben auch hier ihre Grabmonumente. Die Großeltern mütterlicherseits waren Caspar Speth von Hohenegk und Steingebronn (-30.4.1460), gefallen bei Winzerhausen in der Fehde Württembergs mit der Pfalz, und Maria Agatha Speth von Neidlingen, eine Tochter des Dietrich I. Speth von Neidlingen.

Entsprechend sehen wir heraldisch rechts oben eine Wiederholung des Schildes der von Hutten mit den beiden goldenen Schrägbalken auf rotem Feld, rechts unten den Schild der von Rechberg (in Gold zwei aufspringende Löwen Rücken an Rücken, Linie Hohenrechberg) sowie links oben und links unten jeweils den identischen Schild der Speth von Hohenegk bzw. Speth von Neidlingen (in Rot drei übereinander liegende silberne Schlüssel mit gezähntem Bart). Die gleichen vier Schilde der Ahnenprobe tauchen auf an einem Epitaph für Ursula von Rosenberg in der Kirche St. Cosmas und Damian in Euerbach, denn Ursulas Mutter war Ursula von Hutten zu Frankenberg (-19.12.1529), die Schwester von diesem Hans von Hutten. Die Brüder dieses Hans von Hutten hier erwarben die Herrschaft Frankenberg.

Hans von Hutten ist eine der interessantesten Persönlichkeiten in dieser Reihe von Epitaphien, weil er so tragisch endete. Er trat zunächst in württembergische Dienste, wurde Hofbeamter und Stallmeister, und er hatte ein sehr gutes Verhältnis zum jüngeren Herzog Ulrich von Württemberg. Das änderte sich jäh, als Hans von Hutten 1514 Ursula Thumb von Neuburg (1491-1551) heiratete, die Tochter von Erbmarschall Konrad Thumb von Neuburg und dessen Frau Margaretha Megentzer von Folldorf. Ursula war nämlich die heimliche Geliebte des Herzogs, der sie seit Kindheitstagen kannte, und letzterer lebte in der Vorstellung, er könne nach der Heirat (sowohl seiner eigenen als auch der seines Stallmeisters) weitermachen wie bisher und der frischgebackene Ehemann würde ihm freie Hand lassen, wann immer es ihn gelüstete. Doch da war Ulrich an der falschen Adresse. Zunächst nahm Hans es zähneknirschend hin und unternahm nichts. Ludwig, der Bruder von Hans, berichtete ihrem gemeinsamen Vater, Ludwig von Hutten, von der  "merkwürdigen Beziehung", und der Vater riet seinem Sohn, sofort zu kündigen und Stuttgart zu verlassen. Ebenso schrieb er an Konrad Thumb von Neuburg. Noch zögerte Hans, weil er nicht seine Stellung verlieren wollte, ein schwerer Fehler.

Zum Showdown kam es, als Herzog Ulrich offen mit Hans über die Beziehung sprach, Duldung der Liebesbeziehung forderte und Hans zur Kompensation die Vogtei in Urach anbot. Nicht nur verweigerte Hans von Hutten ihm nun den Beischlaf mit seiner neuen Frau, sondern er machte die Affäre im Freundeskreis publik, obwohl er eigentlich zugesagt hatte, es bei sich zu behalten. Gerede und Gespött entstand am Hofe, und das kam dem Herzog zu Ohren. Herzog Ulrich, aufbrausend, empfindlich, ungestüm und selbstherrlich, war weit davon entfernt, seine Anmaßung einzusehen, sondern bezichtigte Hans von Hutten des Hochverrats. Da das Verhältnis zwischen beiden unrettbar zerrüttet war, bat Hans von Hutten am 6.5.1515 um seine Entlassung als Stallmeister. Der Herzog nahm nicht an. Einen Tag später lud der Herzog den Stallmeister unter dem Vorwand der Versöhnung zu einer Jagd im Schönbuch (Böblinger Wald) ein. Hans von Hutten glaubte ihm, ritt trotz eindringlicher Warnungen seiner Freunde ohne Harnisch und nur mit einem Degen bewaffnet mit zur Jagd und wurde so zum Opfer, denn der mit einem eisernen Harnisch gerüstete und schwer bewaffnete Herzog wartete eine geeignete Stelle ab, schickte die gesamte Begleitung voraus und tötete nach einem erneuten, von ihm provozierten Wortgefecht Hans von Hutten mit eigener Hand mit dem Schwert. Der Herzog versuchte noch, den Mord als Femehandlung zu kaschieren, vergeblich. All das faßt die Inschrift mit "d(e)r durch / hertzog ulrich vo(n) wirt(t)e(m)berg unschuldig entleibt" zusammen.

Die Folgen waren dramatisch. Primär natürlich für Hans von Hutten. Seine Familie befehdete den Herzog und strengte einen Prozeß gegen ihn an. Und die Reichsöffentlichkeit nahm diese mörderische Willkürhandlung mit größter Mißbilligung auf. Zunächst verlor Herzog Ulrich viele seiner Anhänger und Gefolgsleute, zahlreiche Adelige sagten sich von ihm los. Der Schaden wurde maximal, als 1516 die Reichsacht über Ulrich verhängt wurde, auch wenn die Mordtat nicht der Hauptgrund gewesen sein dürfte, sondern Besitzstreitereien mit dem Schwäbischen Bund. Doch nachdem alle Schlichtungsversuche Kaiser Maximilians fehlgeschlagen waren, war das die angemessene Konsequenz. Letztendlich endeten die Acht und der Prozeß mit der Vertreibung des Herzogs. Der streitbare Ulrich von Hutten, ein Vetter des Ermordeten, sorgte für entsprechende verbale Munition und erbitterte Propaganda gegen den Herzog, der nach der verhängten Acht weiter um sich schlug und mit Hochverratsprozessen gegen führende Männer seines Landes reagierte, die standardmäßig mit Hinrichtungen endeten. Auch Konrad Thumb von Neuburg mußte fliehen, um seine Haut zu retten. Und persönlich nahm Herzog Ulrich weiteren Schaden: Seine Frau Sabina von Bayern verließ ihn. Erst durch seine Vertreibung lernte Herzog Ulrich, daß seiner Macht Grenzen gesetzt sind und er sich nicht alles erlauben kann.

Auch die hier mit zwei Wappenschilden vertretene Familie Speth war von dem Mord und seinen Folgen betroffen und wurde zum Opfer des herzoglichen Zorns: Dietrich von Speth (-1.12.1536) aus einer anderen Linie, kaiserlicher Rat, floh mit des Herzogs Ehefrau Sabina von Bayern, die sich nach der Bluttat von ihrem Ehemann abgekehrt hatte, im November des Mordjahres nach Untermarchtal und dann weiter nach Bayern. Der Helfer in dieser Sache, durch die sich Herzog Ulrich öffentlich gedemütigt und als tyrannischen Ehemann bloßgestellt sah, bekam seine Burgen eingeäschert. Dietrich von Speth, einst ein enger Vertrauter des Herzogs, wechselte die Seiten und wirkte maßgeblich an der Vertreibung des Herzogs mit. Er verteidigte 1519 als österreichischer Obervogt Urach gegen den Herzog. Nach dessen Rückkehr wurden 1534 die Besitzungen des Dietrich von Speth eingezogen. Erst nach Herzog Ulrichs Tod bekam die Familie 1550 ihre Güter wieder zurück.

Hans von Hutten hatte einen Sohn namens Johann Ludwig, der 1515 geboren wurde und jung verstarb. Die Familie wurde von seinen Brüdern Ulrich und Ludwig fortgesetzt.

Zur Übersicht: Eltern:

Großeltern:

Erbbegräbnis Maria Sondheim - ein Überblick über die Genealogie der Familie von Hutten
Maria Sondheim diente verschiedenen Linien der Familie bis 1556 als Erbbegräbnis. Von den über 30 hier befindlichen Grabdenkmälern, d. h. Epitaphien und epitaphiengleich an der Wand aufgerichteten Grabplatten, erinnern 26 an die Familie von Hutten. Insgesamt 24 dieser Grabdenkmäler werden in diesem und in den nachfolgenden Kapiteln vorgestellt und identifiziert. Nachfolgend wird eine Übersicht des bis 1783 bestehenden fränkischen Hauptstammes bis zur Mitte des 16. Jh. gegeben, also soweit die Genealogie relevant für Maria Sondheim ist. Eine später genutzte Grablege befindet sich in Reusch in der Nähe von Schloß Frankenberg, wo weitere Epitaphien existieren. Wappenfundstellen sind rot markiert, wichtige Familienzweige blau.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@49.9733188,9.9627368,19z - https://www.google.de/maps/@49.9733188,9.9627368,162m/data=!3m1!1e3
Pfarreien-Gemeinschaft "Um Maria Sondheim":
https://www.pg-um-maria-sondheim.de/ - https://www.pg-um-maria-sondheim.de/gemeinden/arnstein
Wallfahrtskirche Maria Sondheim:
https://wallfahrt.bistum-wuerzburg.de/wallfahrtsorte/region-main-spessart/maria-sondheim/
Verwendung der Innenaufnahmen mit freundlicher Erlaubnis von Herrn Pfarrer Christian Ammersbach vom 23.5.2022, wofür ihm an dieser Stelle herzlich gedankt sei.
Genealogie von Hutten: Johann Gottfried Biedermann, Geschlechtsregister Der Reichsfrey unmittelbaren Ritterschaft Landes zu Franken Löblichen Orts Baunach
http://books.google.de/books?id=ayZRAAAAcAAJ ab Tafel 72 ff., insbesondere Tafel 82
Sabina von Bayern:
https://www.elk-wue.de/service/gedenktage/gedenktage-2017/sabina-von-bayern/
Sabina von Bayern:
http://stiftskirche-digital.de/grablegen/grab-sabina-von-bayern/
Sabina von Bayern:
https://de.wikipedia.org/wiki/Sabina_von_Bayern
Arthur Freiherr von Speth-Schülzburg: Stammbaum der Freiherren von Speth, 1903 -
https://portal.dnb.de/opac.htm?method=simpleSearch&cqlMode=true&query=idn%3D115040096X - https://portal.dnb.de/bookviewer/view/115040096X#page/1/mode/2up - download am besten über http://d-nb.info/115040096X/34. Cave, der Stammbaum enthält etliche Fehler.
Speth von Zwiefalten: https://de.wikipedia.org/wiki/Speth_(Adelsgeschlecht)
von Rechberg:
https://de.wikipedia.org/wiki/Rechberg_(Adelsgeschlecht)
von Hutten:
https://de.wikipedia.org/wiki/Hutten_(Adelsgeschlecht)
Hans von Hutten:
https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_von_Hutten
Der Mord an Hans von Hutten:
http://geschichtsverein-koengen.de/Ulrich.htm
Franz Brendle: Dynastie, Reich und Reformation, die württembergischen Herzöge Ulrich und Christoph, die Habsburger und Frankreich, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1998, 400 S., ISBN-10: 3170155636, ISBN-13: 978-3170155633
Werner Frasch: Ein Mann namens Ulrich, Württembergs verehrter und gehaßter Herzog in seiner Zeit, DRW-Verlag Leinfelden-Echterdingen, 1991, ISBN-10: 3871812609, ISBN-13: 978-3871812606
Georg-Wilhelm Hanna: Die Ritteradeligen von Hutten, ihre soziale Stellung in Kirche und Staat bis zum Ende des Alten Reiches, Dissertation, Fakultät für Geschichts- und Geowissenschaften, Otto-Friedrich-Universität Bamberg, 2006, https://fis.uni-bamberg.de/handle/uniba/105 - Download: https://fis.uni-bamberg.de/bitstream/uniba/105/1/Dokument_1.pdf - S. 446-454, Stammtafeln am Schluß unter Anpassung gemäß Befund

Pfarrkirche Maria Sondheim: Grabdenkmäler außen - Catharina Zobel von Giebelstadt (-1533) - Wolff von Hutten (-1517) - Anna von Rosenberg (-1528) - Agapitus von Hutten (-1520) - Ludwig von Hutten d. Ä. (-1517) - Ludwig von Hutten d. J. (-1548) und Agatha von Liebenstein (-1547) - Bernhard von Hutten (-1539) und Gertraud von Ebersberg gen. Weyhers (-1544) - Philipp von Hutten (-1546) - Wilhelm von Hutten (-1546), Eva von Heßberg (-1541) und Anna von Selbitz (-1599) - Konrad von Hutten (-1502), Anna von Rechberg (-1471) und Elisabeth von Sickingen (-1479) - Bartholomäus von Hutten d. J. (-1495) - Stephan Zobel von Giebelstadt (-1597) und Cordula Echter von Mespelbrunn (-1599) - Johann Julius Zobel von Giebelstadt (-1585) - Konrad von Hutten (-1556) - Jobst von Hutten (-1483) - Amalia von Berlichingen (-1570) - Bartholomäus von Hutten d. Ä. (-1452) und Elisabeth (Else) von Thüngen (-1458) - Konrad von Hutten (-1447) - weitere Wappendarstellungen

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