Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 3164
Meisenheim (Landkreis Bad Kreuznach)
Die ev. Schloßkirche in Meisenheim: Sebastian Werner von Kellenbach und Waldburg Marschall von Waldeck
Hoch an der Wand des südlichen Seitenschiffs ist das hölzerne und farbig gefaßte Epitaph für Sebastian Werner von Kellenbach (-23.5.1592) und seine Frau Waldburg Marschall von Waldeck (18.6.1592) zu Iben angebracht. Das 2,20 m hohe und 1,05 m breite Denkmal besteht aus zwei gestalterisch ganz unterschiedlichen Teilen; der größere, untere Abschnitt ist als dreizonige Pilasterädikula gestaltet, und der kleinere Aufsatz besteht aus einer Dreiviertelkreis-Kartusche mit zwei Vollwappen darin, die von zwei zur Seite blickenden Hermen mit oben abschließender Schnecke gestützt wird. Die in Fraktur ausgeführte Grabinschrift befindet sich im Mittelfeld des unteren Teils und lautet: "Nach Christi vnsers Erlöesers ge=/burt 1592 Den 23 May starb / Der Edel vnnd Erenvest Sebastian Werner / von Kelle(n)bach. vnd den 18 Junii A(nn)o 1592 / Die Edel vnd Tugentre(i)ch(e) fraw Waldtburg / von Kellenbach, geborne Marschälckin von / Waldeck genant von Ibenn sein Eh(e)lich(e) / Hausfraw Gott verleihe i(h)n(en) vnd uns / Allen ein Fre(u)denreiche aufferstehung / Amen". Danach folgt ein Bibelvers in Kapitalis: "AN DIE RÖMER AM 14 CAP(ITEL) LEBEN MIR / SO LEBEN MIR DEM HERREN STERBEN / MIR DEM HERREN DARVM MIR LEBEN / ODER STERBEN SO SINDT MIR / DES HERREN / HF". Das ist ein bißchen sinnentstellt, vor allem durch die Auslassung bedeutungstragender Worte, denn Römer 14: 8 lautet korrekt: "Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum: wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn." "HF" ist das Monogramm des Künstlers, daneben ist sein Meisterzeichen angebracht. Diese Inschrift wird seitlich eingerahmt von den mit Beschlagwerk und seitlichen Voluten verzierten Pilastern und unten von einem kleinen, mit einer einzelnen Rosette geschmückten und geschweiften Sockel. Das Epitaph ist trotz des vergänglichen Materials gut erhalten, weil es 1892 in einer separaten Kammer aufbewahrt wurde und erst seitdem öffentlich ausgestellt ist.
Von den beiden Hauptwappen zeigt das heraldisch rechte für Sebastian Werner von Kellenbach (-23.5.1592) einen blau-silbern geteilten Schild, oben ein silberner, schreitender Löwe. Die Helmzier zeigt zu blau-silbernen Decken einen wachsenden, rotgezungten, silbern-blau geteilten Stierrumpf. Das Wappen wird so beschrieben im Gruber und im Zobel; auch im Rietstap ist das Wappen verzeichnet: "Coupé: au 1 d'azur au léopard d'argent; au 2 d'argent plein. Cimier: une tète et col de buffle d'azur". Die aus dem Hunsrück und Nahetal stammenden Herren von Kellenbach sind eng verwandt mit den Herren von Stein-Kallenfels, sie sind eine auf Theoderich von Stein zurückgehende Seitenlinie, der im Ort Kellenbach ein Burghaus errichten ließ. Wegen der engen Verwandtschaft ähneln sich auch die Wappen der beiden Familien, die sich nur durch die Tinkturen unterscheiden. Sebastian Werner von Kellenbach war der einzige Sohn von Simon von Kellenbach aus dessen zweiter Ehe, mit Katharina von Morsheim. Besagter Vater hatte seinerzeit den sogenannten Kellenbacher Hof in Meisenheim erworben. Der Onkel des Verstorbenen war Gerhard Braun von Kellenbach, der ebenfalls in der Schloßkirche bestattet wurde.
Das heraldisch linke Wappen für Waldburg Marschall von Waldeck (18.6.1592) zu Iben (bei Fürfeld, Landkreis Bad Kreuznach) zeigt in Schwarz einen gesenkten goldenen Flügel, auf dem Helm mit schwarz-goldenen Decken ein schwarzer Turnierhut, in dessen goldenem Stulp zwei schwarz-golden übereck geteilte Federstöße stecken. Das Wappen wird beschrieben bei Gruber und bei Zobel. Waldburg war die Tochter von Philipp Melchior Marschall von Waldeck zu Iben und Margaretha Leyfried von Heppenheim. Für Waldburg war die Ehe mit Sebastian Werner die zweite, denn in erster Ehe hatte sie Johann Ludwig von Morsheim geheiratet, einen Verwandten der Mutter. Sebastian Werner und Waldburg hatten zusammen keine Kinder. Unter den Wappen stehen die Namen beider Familien, getrennt durch das Sterbejahr: "Kellenbach 1593 Waldeck".
Bei der starken Präsenz der Wappen der Boos von Waldeck in dieser Kirche sei noch einmal hervorgehoben, daß es sich bei der Burg Waldeck der Marschall von Waldeck um eine gänzlich andere Burg handelt. Die hier relevante, im 12. Jh. errichtete und erstmals 1147 urkundlich erwähnte Burg Waldeck liegt auf 230 m ü. NN oberhalb des Tiefenbachtals, einem Seitenbereich des Wispertals bei Lorch (hessischer Rheingau-Taunus-Kreis) und war einst eine wichtige Grenzburg, die das Mainzer Territorium und das Rheingauer Gebück (eine Befestigung aus speziell dicht gezogenen Bäumen, Heistern und Verhauen) nach Norden zum pfalzgräflichen Territorium hin absicherte. Das besagte Gebück führte unmittelbar an der Burg Waldeck vorbei. Die Burg lag im Spannungsfeld zwischen Kurmainz, Pfalz, Katzenelnbogen und Kurtrier, wobei schließlich Kurmainz die Oberhand gewann. Es handelte sich bei dem Mainzer Lehen (1315 Mainzer Offenhaus, 1338 Lehensauftragung) um eine Ganerbenburg, nach der sich viele Burgmannenfamilien und Mainzer Ministerialen mit thematisch eng verwandten Wappen nannten, die von Waldeck, die Marschall von Waldeck, die Frischenstein von Waldeck, die Stumpf von Waldeck, die Heiden von Waldeck, die Frücht(e) von Waldeck, die Rost von Waldeck, die Korb, die Saaneck oder Sooneck von Waldeck, die Schetzel, die Schlagwi, die Wale von Waldeck etc. Zeitweise waren es über 20 Ganerben-Familien. Ein Burgfrieden (1315, 1476) regelte das Zusammenleben der unterschiedlichen Ganerben. Die für dieses Epitaph relevanten Marschall von Waldeck hießen so, weil sie das Mainzer Marschallamt bekleideten; sie stiegen auf zu einem der wohlhabendsten Adelsgeschlechter des Rheingaus, und wir finden ihre Vertreter im Rheingauer Viztum-Amt sowie im Lorcher Schultheißenamt. Von der 1515 letztmalig erwähnten, im 17. Jh. aufgegebenen sowie zu einem unbekannten Zeitpunkt zerstörten und abgebrochenen Höhenburg Waldeck, mit der im 18. Jh. die Familie Breitbach von Bürresheim belehnt war, sind heute nur noch wenige Mauerreste im dichten Laubwald und ein 17 m tiefer Brunnen vorhanden.
Es sind aber noch zwei weitere Namenszuweisungen am Epitaph zu entdecken, nämlich in der Gebälkzone des unteren Teils. Dort sind die Namen "Leyfart" und "Waldeck" zu lesen. Das letztere Schildchen ist namentlich korrekt und wäre sogar richtig positioniert, das erstere paßt namentlich nicht zum bislang Gesehenen und Beschriebenen. Vielmehr ist das der falsch positionierte Rest von einst vier Wappen, denn am ursprünglichen, nachträglich durch Verlust umgeänderten Epitaph waren einmal vier Wappen angebracht, zwei für die Eltern des Ehemannes, und zwei für die Eltern der Ehefrau. Tatsächlich vermissen wir also am Epitaph heraldisch rechts unten das Wappen für Katharina von Morsheim (in Silber zwei schwarze Zwillingsbalken, auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken ein wachsender, silbern gekleideter Mohr, anstelle der Arme zwei wie der Schild bezeichnete Flügel, Zobel Tafel 234, Siebmacher Band: BayA1 Seite: 165 Tafel: 170) und heraldisch links unten das Wappen für Margaretha Leyfried von Heppenheim (in Schwarz zwei schräggekreuzte silberne Lilienzepter, auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken eine liegende goldene Mondsichel, darauf eine silberne Kugel mit einem schwarzen Hahnenfederbusch, so nach Zobel Tafel 139, bei Gruber falsch unter dem Namen Heppenberg, ebenso im Siebmacher Band: NaA Seite: 25 Tafel: 37, beide mit anderer Helmzier, wachsender bärtiger Mann). Es existiert eine historische Skizze, wie das Epitaph um 1750 ausgesehen hat: Beide Ehewappen stehen weiter auseinander am Ende der Giebelzone, und die beiden fehlenden Wappen bilden den seitlichen Abschluß der Sockelzone. Ferne bildet ein männlicher Torso die Bekrönung des Aufsatzes. Folglich ist das Täfelchen "Waldeck" am richtigen Platz, und das Täfelchen "Leyfart" gehört heraldisch links unten hin.
Literatur,
Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@49.7052288,7.671852,19z?entry=ttu - https://www.google.de/maps/@49.7052213,7.671827,72m/data=!3m1!1e3?entry=ttu
Karl-Heinz Drescher und Günther Lenhoff: Die Schloßkirche zu
Meisenheim, Rheinische Kunststätten, Heft 465, hrsg. vom
Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz,
Köln/Neuß, 1. Auflage 2002, ISBN 3-88094-882-8
1504-2004 Schloßkirche Meisenheim, bewegende Geschichte und
lebendige Gegenwart eines einzigartigen Bauwerks, hrsg. von der
Evangelischen Kirchengemeinde Meisenheim, Meisenheim 2003/2004,
ISBN 3-00-011685-0, mit Beiträgen von Günter Anthes, Gustav
Adolf Benrath, Otto Böcher, Hans Böker, Klaus Freckmann, Karen
Groß, Martin Held, Günther Lenhoff, Karlheinz Nestle, Eberhard
Nikitsch, Walter Rödel, Wolfgang Schmid, Werner Schnuchel und
Rainer Voss.
Evangelische Johanniter-Kirchengemeinde: https://nahe-glan.ekir.de/inhalt/johanniter-gemeinde-bva/
evangelische Schloßkirche auf der Webseite der Stadt: http://www.stadt-meisenheim.de/historie/evangelische-schlosskirche/
Deutsche Inschriften Bd. 34, Bad Kreuznach, Nr. 392 (Eberhard J.
Nikitsch), in: www.inschriften.net,
urn:nbn:de:0238-di034mz03k0039207 - https://www.inschriften.net/landkreis-bad-kreuznach/inschrift/nr/di034-0392.html
Burg Waldeck bei Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Burg_Waldeck_(Lorch)
Burg Waldeck: http://info.burgdirekt.de/cgi-bin/r20msvcshop_detail_anzeige.pl?&var_hauptpfad=../r20msvc_shop/&var_fa1_select=var_fa1_select%7C%7C285%7C&var_te1=338
Burg Waldeck im LAGIS Hessen: https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/ol/id/11123
Verwendung der Innenaufnahmen mit freundlicher Erlaubnis von Herrn Richard Held vom
16.1.2025, wofür ihm und dem
Presbyterium der Johanniter-Gemeinde an dieser Stelle herzlich
gedankt sei.
die evangelische Schloßkirche in Meisenheim - ev. Schloßkirche: Amtmann Daniel von Merlau und seine Frau - ev. Schloßkirche: Margaretha von Schwarzenberg - ev. Schloßkirche: Johann Philipp Boos von Waldeck - ev. Schloßkirche: Anton Boos von Waldeck - ev. Schloßkirche: Simon III. Boos von Waldeck - ev. Schloßkirche: die Kinder des Friedrich von Castiglion - ev. Schloßkirche: Catharina von Bernstein/Bärenstein - ev. Schloßkirche: Johann Daniel und Carl Ludwig Schmidtmann - ev. Schloßkirche: Dorothea Ursula von Steinkallenfels und ihre Tochter, Juliana Magdalena von Kötteritz - ev. Schloßkirche: Grabkapelle (Gruftkapelle) der Pfalzgrafen
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