Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 3162
Meisenheim (Landkreis Bad Kreuznach)

Die ev. Schloßkirche in Meisenheim: Anton Boos von Waldeck

An der Ostwand des nördlichen Seitenschiffs ist ein achteckiger, 70 cm x 70 cm messender, hölzerner und farbig bemalter Totenschild für den am 13.2.1585 verstorbenen Anton Boos von Waldeck zu Montfort angebracht. Die in Fraktur ausgeführte, auf dem achtteiligen Rand umlaufende und offensichtlich zu einem späteren Zeitpunkt durch Nachziehen verdeutlichte Inschrift hat den Wortlaut: "anno d(omi)ni 15 85 / den 13. Februarii / starb der / edel und veste / Anthon Böeß / von Waldeckh / der Se(e)len Gott / genad amen".

Im gegenüber dem umlaufenden Rand eingetieften Hauptfeld ist auf grünem Hintergrund das Wappen der Boos von Waldeck flächenfüllend aufgemalt, in Rot drei schrägbalkenweise aneinandergestellte, rautenförmige, silberne Gürtelschnallen (Rincke) mit Dorn, auf dem Helm mit rot-silbernen Decken ein schwarzer Flug, beiderseits belegt mit einer roten Scheibe mit den drei silbernen Gürtelschnallen, rechts schräglinksbalkenweise gelegt, links in Gegenrichtung.

Für die gleiche Person, Anton Boos von Waldeck, ist in der Kirche an der Westwand der südlichen Seitenkapelle, also weit entfernt vom zugehörigen Totenschild, eine 1,97 m x 0,98 m messende Grabplatte aus graugelbem Sandstein an der Wand montiert, mit umfangreicher Beschriftung und insgesamt vier Wappenschilden, unter denen dreimal derjenige der Boos von Waldeck wie beschrieben auftaucht, zweimal aus Courtoisie gewendet und einmal in gewohnter Laufrichtung der Gürtelschnallenreihe. Diese Grabplatte befand sich ursprünglich im Boden der Kirche, vor dem Chor auf der rechten Seite, und wurde 1896 unter dem Kirchengestühl hervor gerettet und an der Wand montiert, damit sie nicht weiter zerstört wird.

 

Auf der Platte können wir drei verschiedene, in Kapitalis ausgeführte Inschriften differenzieren. Das Zentralfeld enthält ein Bibelzitat: "IOHA(NNIS) 3 / ALSO HAT GOTT DER HERRE / DIE WELT GELI(E)BET DAS(S) ER IN / SEIINEN EINGEBORNEN SOH(N) / GAB AVF DAS(S) ALLE DIE AN / IHN GLAVBEN NICHT VER=/LOHREN WERDEN SON=/DER(N) DAS EWIG(E) LEBEN / HABENN: AL(LE) MEIN(E) / HOFFNVNG ZV / GOTT". Die entsprechende Bibelstelle reicht allerdings nur bis zum Doppelpunkt, der Rest gehört nicht dazu und ist wohl eine separate Devise. Unten im Zentralfeld gibt es eine Reihe von Initialen als Abkürzung, ebenso in einer schmalen oberen Zone des Zentralfeldes; zu deren Bedeutung kommen wir gleich. Die dritte Inscjhrift läuft außen auf dem breiten Rand um und enthält die relevanten biographischen Daten: "ANNO DOMINI 1 5 8 5 DEN 13 / FEBRVARI(I) STARB DER EDEL VND VESTE A(NTON BOOS / VON WA)LDE(C)K WELCHES (SEEL) / GOT(T) GN(A)EDIG V(N)D EI(NE) FRÖ(H)LICH(E) AVFFERSTHEVNG V(ER)LEIE(N) WÖL(LE). Die Bereiche "(NTON BOOS / VON WA)" in der optisch rechten unteren Ecke und "(SEEL)" in der optisch linken unteren Ecke sind komplett verloren gegangen und sinngemäß ergänzt. Die obere rechte Ecke ist komplett abgebrochen, aber immerhin erhalten und angefügt, so daß hier die Inschrift lückenlos nachvollzogen werden kann.

Die beiden oberen Wappenschilde sind außerhalb der rechteckigen Zone oben drüber beschriftet, allerdings auf die Initialen reduziert. Der heraldisch rechte Schild ist mit " · A · B · V · W · " beschriftet, also A(NTON) B(OOS) V(ON) W(ALDECK), der andere Schild ist mit " · E · B · G · B · V · W · " beschriftet für E(LISABETH) B(OOS) G(EBORNE) B(OOS) V(ON) W(ALDECK). Diese Kombination stellt also das Ehewappen dar zwischen Anton Boos von Waldeck (1541-13.2.1585) zu Montfort und Elisabeth Boos von Waldeck zu Kobern (1539-2.2.1601), welche am 24.10.1565 geheiratet hatten. Beide entstammten zwei unterschiedlichen Linien, der Ehemann aus der Linie zu Montfort, die Ehefrau aus der Linie zu Kobern. Letztere war die Tochter von Balthasar Boos von Waldeck zu Kobern und Anna von Kettig. Beide Ehepartner führten das gleiche Wappen. Montfort war einst eine ursprünglich von den Grafen von Veldenz erbaute Ganerbenburg, die bei Oberhausen an der Nahe in der Nähe des Lembergs lag, nordwestlich der Gemeinde Hallgarten. Im 15. Jh. war diese Burg zum Raubnest verkommen und wurde 1456 von Truppen des Mainzer Kurfürsten Diether und des Kurfürsten Friedrich I. von der Pfalz zerstört (Duchrother Krieg). Später wurde Montfort 1480 als mit Zubehör als pfalz-zweibrückisches Erblehen an Simon I. Boos von Waldeck gegeben, und die Familie, seit Ende des 14. Jh. anteiliger Mitbesitzer der Burg, erbaute zu Füßen des Burgbergs mit seiner Ruine den Montforter Hof im heutigen Duchroth. Die im Alter von 62 Jahren verstorbene Elisabeth Boos von Waldeck hatte früher eine eigene Grabplatte in der Schloßkirche, die aber verloren gegangen ist. Zuletzt wurde sie 1776 gesehen; sie hatte vier Ahnenwappen (oben Boos von Waldeck und Kettig, unten Rüdesheim und Selbach gen. Lohe).

Die beiden unteren Wappenschilde sind außerhalb der rechteckigen Zone unten drunter beschriftet, ebenfalls auf die Initialen reduziert. Der heraldisch rechte Schild ist mit " · S · B · V · W · " beschriftet, also S(IMON) B(OOS) V(ON) W(ALDECK), der andere Schild ist mit den Buchstaben " · M · K · G · K · V · S · " zugeordnet, was für M(ARGARETHA) K(ATHARINA) G(EBORENE) K(RATZ) V(ON) S(CHARFENSTEIN) steht. Diese Kombination stellt also das elterliche Wappenpaar dar, ist quasi eine auf eine einzige Generation reduzierte Ahnenprobe des Ehemannes, also des Verstorbenen. Seine Eltern waren Simon II. Boos von Waldeck (-1.11.1561), kurpfälzischer Erbamtmann zu Waldeck, kurfürstlich trierischer Amtmann zu Wesel, Boppard und Welmich, kurpfälzischer Amtmann in Meisenheim und Ritter, und Margaretha Katharina Cratz von Scharfenstein (-1553, seine zweite Ehefrau). Anton war einer der zahlreichen Söhne aus dieser zweiten Ehe. Das Wappen der Mutter zeigt in Silber einen roten Balken, begleitet von schwarzen, liegenden Schindeln (Steinen), oben sieben (4:3), unten sechs (3:2:1). Das hier nicht verwendete Kleinod auf dem Helm wäre zu schwarz-silbernen Decken ein silberner Flug, beiderseits belegt mit einem von schwarzen Schindeln (Steinen) begleiteten roten Balken.

Damit ergibt sich insgesamt eine ungewohnte Anordnung, denn man würde entweder oben Vater/Mutter und unten Großmutter/Großmutter erwarten oder alternativ oben Proband/Ehefrau und unten Mutter/Schwiegermutter. Hier aber wurde oben Proband/Ehefrau und unten Vater/Mutter gewählt, sehr ungewöhnlich. Und das führt zum dreimaligen Vorkommen des gleichen Wappenschildes. Übrigens - Anton Boos von Waldeck war kein unbeschriebenes Blatt, denn er beging mehrfach Waldfrevel in den Gemarkungen der Gemeinden Obermoschel und Duchroth und wurde deshalb 1577 vor das Hofgericht des Herzogs Johann I. von Pfalz-Zweibrücken zitiert und entsprechend zur Rechenschaft gezogen. Für den Sohn des Verstorbenen, Johann Philipp Boos von Waldeck, existiert in der Meisenheimer Schloßkirche ein weiterer Grabstein der Familie (siehe eigenes, vorheriges Kapitel). Auch für seinen Bruder Simon III. Boos von Waldeck gibt es in der Kirche einen Grabstein und ein Epitaph mit Ahnenprobe (siehe nächstes Kapitel).

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@49.7052288,7.671852,19z?entry=ttu - https://www.google.de/maps/@49.7052213,7.671827,72m/data=!3m1!1e3?entry=ttu
Karl-Heinz Drescher und Günther Lenhoff: Die Schloßkirche zu Meisenheim, Rheinische Kunststätten, Heft 465, hrsg. vom Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz, Köln/Neuß, 1. Auflage 2002, ISBN 3-88094-882-8
1504-2004 Schloßkirche Meisenheim, bewegende Geschichte und lebendige Gegenwart eines einzigartigen Bauwerks, hrsg. von der Evangelischen Kirchengemeinde Meisenheim, Meisenheim 2003/2004, ISBN 3-00-011685-0, mit Beiträgen von Günter Anthes, Gustav Adolf Benrath, Otto Böcher, Hans Böker, Klaus Freckmann, Karen Groß, Martin Held, Günther Lenhoff, Karlheinz Nestle, Eberhard Nikitsch, Walter Rödel, Wolfgang Schmid, Werner Schnuchel und Rainer Voss.
Evangelische Johanniter-Kirchengemeinde:
https://nahe-glan.ekir.de/inhalt/johanniter-gemeinde-bva/
evangelische Schloßkirche auf der Webseite der Stadt:
http://www.stadt-meisenheim.de/historie/evangelische-schlosskirche/
Grabplatte des Sohnes: Deutsche Inschriften Bd. 34, Bad Kreuznach, Nr. 522 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di034mz03k0052200 -
https://www.inschriften.net/landkreis-bad-kreuznach/inschrift/nr/di034-0522.html
Grabplatte: Deutsche Inschriften Bd. 34, Bad Kreuznach, Nr. 360 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di034mz03k0036000 -
https://www.inschriften.net/landkreis-bad-kreuznach/inschrift/nr/di034-0360.html
Totenschild: Deutsche Inschriften Bd. 34, Bad Kreuznach, Nr. 361 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di034mz03k0036108 -
https://www.inschriften.net/landkreis-bad-kreuznach/inschrift/nr/di034-0361.html
genealogische Tafeln von Humbracht
Günter Anthes: Beiträge zur Geschichte der Ritter Boos von Waldeck in Meisenheim und Umgebung, Reihe: Quellen zur Geschichte der Stadt und Verbandsgemeinde Meisenheim am Glan. Beiheft / 11, Meisenheim am Glan 1989
Verwendung der Innenaufnahmen mit
freundlicher Erlaubnis von Herrn Richard Held vom 16.1.2025, wofür ihm und dem Presbyterium der Johanniter-Gemeinde an dieser Stelle herzlich gedankt sei.

die evangelische Schloßkirche in Meisenheim - ev. Schloßkirche: Amtmann Daniel von Merlau und seine Frau - ev. Schloßkirche: Margaretha von Schwarzenberg - ev. Schloßkirche: Johann Philipp Boos von Waldeck - ev. Schloßkirche: Simon III. Boos von Waldeck - ev. Schloßkirche: Sebastian Werner von Kellenbach und Waldburg Marschall von Waldeck - ev. Schloßkirche: die Kinder des Friedrich von Castiglion - ev. Schloßkirche: Catharina von Bernstein/Bärenstein - ev. Schloßkirche: Johann Daniel und Carl Ludwig Schmidtmann - ev. Schloßkirche: Dorothea Ursula von Steinkallenfels und ihre Tochter, Juliana Magdalena von Kötteritz - ev. Schloßkirche: Grabkapelle (Gruftkapelle) der Pfalzgrafen

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