Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 3161
Meisenheim (Landkreis Bad Kreuznach)

Die ev. Schloßkirche in Meisenheim: Johann Philipp Boos von Waldeck

Die nachfolgend beschriebene Kalksteinplatte erinnert an Johann Philipp Boos von Waldeck (6.6.1577-28.4.1632) zu Montfort und ist an der Nordwand der nördlichen Seitenkapelle angebracht; sie mißt 2,45 m Höhe und 1,12 m Breite. Der umlaufende Rand ist leistenförmig schmal, und die gesamte Platte ist von einem unglaublich inhaltsreichen Relief überzogen und ist wie von einem horror vacui beseelt gestaltet worden. Wir können die aus der Barockzeit stammende Platte optisch in eine breite Mittelspalte und zwei schmale Seitenspalten aufteilen, letztere mit der aus 16 einzelnen und jeweils mit einem Schriftband namentlich zugeordneten Vollwappen bestehenden Ahnenprobe des Verstorbenen, die vier Generationen seiner Vorfahren ab den Eltern abdeckt. Die breite Mittelspalte enthält in der Mitte das in einen runden Laubkranz einbeschriebene und aus zwei Vollwappen bestehende Ehewappen, oberhalb desselben unter einem geflügeltem Engelskopf eine rechteckige Rollwerktafel, die mit einem skulptierten Tuch an zwei Ringen aufgehängt ist und einen zehnzeiligen Bibelspruch trägt: "PSAL(M) 72 / HERR WAN(N) ICH NVR DICH / HAB(E) SO FRAG(E) ICH NICHTS / NACH HIMMEL VND ERDEN / WAN(N) MIR GLEICH LEIB / VND SEEL VERSCHMACHT / SO BIST( D)V DOCH GOTT / ALZEIT MEINES HERTZ=/ENS TROST VND / MEIN THEIL". Unter dem Ehewappen befindet sich eine weitere, gleich breite, aber längere Inschriftentafel mit ähnlichem Rollwerkrand, welche die 15zeilige Grabinschrift mit den biographischen Daten trägt: "ANNO DOMINI 1632 / DEN 28 APRILIS MOR=/GENS ZWISCHEN 1 VND / 2 VHREN IST DER WO(H)L=/EDEL VND GESTRENG(E) / IOHAN(N) PHILIPSZ BOOS / VON WALDECK ZV MONT=/FORT ALHIE(R) ZV MEISEN=/HEIM SELIGLICH IM HER(R)N / ENTSCHLAFFEN SEINES / ALTERS IM 55. IAHR / DEME GOTT GNADE, / VND EIN FRÖ(H)LICHE / AVFFERSTEHVNG / VERLEIHE".

 

Das zentrale Ehewappen zeigt heraldisch rechts das gewendete Wappen der Boos von Waldeck für den Ehemann, in Rot drei schrägbalkenweise aneinandergestellte, rautenförmige, silberne Gürtelschnallen (Rincke) mit Dorn, auf dem Helm mit rot-silbernen Decken ein schwarzer Flug, beiderseits belegt mit einer roten Scheibe mit den drei silbernen Gürtelschnallen, rechts schräglinksbalkenweise gelegt, links in Gegenrichtung. Johann Philipp Boos von Waldeck (6.6.1577-28.4.1632) zu Montfort hatte Anna Ursula von Cronberg (16.4.1585-) aus dem Kronenstamm geheiratet, die Tochter von Hartmut XVI, von Cronberg (-1608), welcher die Linie Iben-Hohlenfels begründete, und dessen Frau, Elisabeth von Mudersbach. Anna Ursulas Großeltern waren Walter X. von Cronberg (-14.3.1558) und Anna Riedesel von Eisenbach. Das Cronberg-Wappen ist seit der Standeserhebung in den Grafenstand geviert mit Herzschild, Feld 1 und 4: rot, darin eine goldene Krone, Feld 2 und 3: in Silber 4 (2:2) blaue Eisenhütlein, Herzschild: in Gold ein schwarzer, rot bewehrter, doppelköpfiger Reichsadler. Dazu werden ab 1617 (Bestätigung der Vereinigung anläßlich der Erhebung in den Reichsfreiherrenstand 1623) zwei Kleinode geführt, Helm 1 (rechts): zu blau-silbernen Decken ein schwarzer Federbusch, auch als eine schwarze Zirbelnuß interpretiert (Cronberg, Kronenstamm), Helm 2 (links): zu rot-silbernen Decken ein von Rot und Silber mit 4 (2:2) blauen Eisenhütlein gevierter Flug (Cronberg, Flügelstamm). Die gleiche Wappenkombination ist übrigens in Osterspai (Rheintal) zu finden, wenn auch in farblich schauderhaftem Zustand. In zum Vergleich herangezogenen illustrierten Ahnenproben wird das Wappen für Anna Ursula von Cronberg jedoch im Zustand vor der Grafenstandserhebung angegeben.

 

Abb. links: zentrales Ehewappen Boos von Waldeck / Cronberg. Abb. rechts: her. rechte Seite, die obersten drei Wappen 1, 2 und 3.

Johann Philipp Boos von Waldeck entstammte der Linie zu Montfort und war der einzige Sohn seiner Eltern. Seine Frau wuchs auf dem nahegelegenen Hof Iben bei Fürfeld auf. Johann Philipp fungierte als Erbamtmann zu Waldeck, dann nacheinander als kurfürstlich-trierischer Amtmann zu Wesel, zu Boppard und schließlich als kurfürstlich-pfälzischer Amtmann zu Meisenheim, wo die Familie einen Adelshof besaß. Er verstarb zwar schon am 28.4.1632, wurde aber erst am 9.5.1632 beerdigt. Johann Philipp und seine Frau hatten sechs Töchter und vier Söhne. Überblick über die Genealogie, auf der Basis von Humbrachts Tafeln:

Eltern (Heirat: 24.10.1565):
  • (1) Anton Boos von Waldeck (1541-13.2.1585) zu Montfort
  • (2) Elisabeth Boos von Waldeck zu Kobern (1539-2.2.1601)

Großeltern:

  • (1) Simon II. Boos von Waldeck (-1.11.1561), kurpfälzischer Erbamtmann zu Waldeck, kurfürstlich trierischer Amtmann zu Wesel, Boppard und Welmich, kurpfälzischer Amtmann in Meisenheim und Ritter
  • (3) Margaretha Katharina Cratz von Scharfenstein (-1553, zweite Ehefrau)
  • (2) Balthasar Boos von Waldeck zu Kobern (-1541)
  • (4) Anna von Kettig (-1541)

Urgroßeltern:

  • (1) Johann Boos von Waldeck
  • (5) Agnes von Waldeck zu Iben (Uben)
  • (3) Caspar Cratz von Scharfenstein (-1513)
  • (7) Agnes von Schönburg auf Wesel (1470-1511/1515)
  • (2) Philipp Boos von Waldeck (-1537)
  • (6) Adelheid von Rüdesheim
  • (4) Dieter / Dietrich von Kettig (1475-14.4.1527)
  • (8) Anna Katharina von Selbach genannt Lohe
  Ururgroßeltern:
  • (1) Simon I. Boos von Waldeck (-12.5.1502), Sohn von Johann VIII. Boos von Waldeck und Anna von Schöneck
  • (9) Catharina von Löwenstein, Tochter von Frank von Löwenstein und Schonette von Heimersdorf, Heirat 1464
  • (5) Philipp Marschall von Waldeck
  • (13) Anna Schenk von Schmidtburg
  • (3) Henrich / Heinrich Cratz von Scharfenstein (1444-1507)
  • (11) Margret von Soetern (-1495)
  • (7) Adam Anton von Schönburg auf Wesel (-1507)
  • (15) Gutta / Guda von Wallbrunn
  • (2) Johann Boos von Waldeck, Amtmann in Oppenheim
  • (10) Catharina Beußer / Büßer von Ingelheim
  • (6) Henrich von Rüdesheim
  • (14) Margret von Schwarzenberg
  • (4) Johann von Kettig
  • (12) Agnes von Vlatten, Mutter (28) war eine von Bulich / de Boulay
  • (8) Johann von Selbach genannt Lohe
  • (16) Anna von Ottenhein - paßt nicht zum Wappen

Im einzelnen sehen wir auf der Schwertseite (heraldisch rechte, optisch linke Spalte) die folgenden Wappen ungerader Zählung:

Abb. ganz links: her. rechte Seite, Wappen 4, 5 und 6. Abb. links: her. rechte Seite, Wappen 6, 7 und 8. Abb. Mitte: her. linke Seite, Wappen 1, 2 und 3. Abb. rechts: her. linke Seite, Wappen 4, 5 und 6. Abb. ganz rechts: her. linke Seite, Wappen 6, 7 und 8.

Im einzelnen sehen wir auf der Spindelseite (heraldisch links, optisch rechte Spalte) die folgenden Wappen gerader Zählung:

Es ist eine beachtliche Leistung und dem besondere genealogischen Interesse des Verstorbenen zu verdanken, daß wir hier vier Vorfahrengenerationen versammelt sehen, was insbesondere bei Vertretern des einfacheren regionalen Adels nicht einfach war zu jener Zeit. Es gibt dennoch dazu mehrere Anmerkungen:

Für den Vater des Verstorbenen existiert in der Meisenheimer Schloßkirche ein anderer Grabstein der Familie, dazu gibt es für diesen noch einen hölzernen Totenschild (siehe eigenes, nachfolgendes Kapitel). Auch für seinen Onkel Simon III. Boos von Waldeck gibt es in der Kirche einen Grabstein und ein Epitaph mit Ahnenprobe (siehe übernächstes Kapitel).

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@49.7052288,7.671852,19z?entry=ttu - https://www.google.de/maps/@49.7052213,7.671827,72m/data=!3m1!1e3?entry=ttu
Karl-Heinz Drescher und Günther Lenhoff: Die Schloßkirche zu Meisenheim, Rheinische Kunststätten, Heft 465, hrsg. vom Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz, Köln/Neuß, 1. Auflage 2002, ISBN 3-88094-882-8
1504-2004 Schloßkirche Meisenheim, bewegende Geschichte und lebendige Gegenwart eines einzigartigen Bauwerks, hrsg. von der Evangelischen Kirchengemeinde Meisenheim, Meisenheim 2003/2004, ISBN 3-00-011685-0, mit Beiträgen von Günter Anthes, Gustav Adolf Benrath, Otto Böcher, Hans Böker, Klaus Freckmann, Karen Groß, Martin Held, Günther Lenhoff, Karlheinz Nestle, Eberhard Nikitsch, Walter Rödel, Wolfgang Schmid, Werner Schnuchel und Rainer Voss.
Evangelische Johanniter-Kirchengemeinde:
https://nahe-glan.ekir.de/inhalt/johanniter-gemeinde-bva/
evangelische Schloßkirche auf der Webseite der Stadt:
http://www.stadt-meisenheim.de/historie/evangelische-schlosskirche/
Grabplatte: Deutsche Inschriften Bd. 34, Bad Kreuznach, Nr. 522 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di034mz03k0052200 -
https://www.inschriften.net/landkreis-bad-kreuznach/inschrift/nr/di034-0522.html
Grabplatte des Vaters: Deutsche Inschriften Bd. 34, Bad Kreuznach, Nr. 360 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di034mz03k0036000 -
https://www.inschriften.net/landkreis-bad-kreuznach/inschrift/nr/di034-0360.html
genealogische Tafeln von Humbracht
Günter Anthes: Beiträge zur Geschichte der Ritter Boos von Waldeck in Meisenheim und Umgebung, Reihe: Quellen zur Geschichte der Stadt und Verbandsgemeinde Meisenheim am Glan. Beiheft / 11, Meisenheim am Glan 1989
Verwendung der Innenaufnahmen mit
freundlicher Erlaubnis von Herrn Richard Held vom 16.1.2025, wofür ihm und dem Presbyterium der Johanniter-Gemeinde an dieser Stelle herzlich gedankt sei.

die evangelische Schloßkirche in Meisenheim - ev. Schloßkirche: Amtmann Daniel von Merlau und seine Frau - ev. Schloßkirche: Margaretha von Schwarzenberg - ev. Schloßkirche: Anton Boos von Waldeck - ev. Schloßkirche: Simon III. Boos von Waldeck - ev. Schloßkirche: Sebastian Werner von Kellenbach und Waldburg Marschall von Waldeck - ev. Schloßkirche: die Kinder des Friedrich von Castiglion - ev. Schloßkirche: Catharina von Bernstein/Bärenstein - ev. Schloßkirche: Johann Daniel und Carl Ludwig Schmidtmann - ev. Schloßkirche: Dorothea Ursula von Steinkallenfels und ihre Tochter, Juliana Magdalena von Kötteritz - ev. Schloßkirche: Grabkapelle (Gruftkapelle) der Pfalzgrafen

Ortsregister - Namensregister - Regional-Index
Zurück zur Übersicht Heraldik

Home

© Copyright / Urheberrecht an Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2025
Impressum