Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 689
Fränkische Schweiz: Gößweinstein

Gößweinstein: Eingang zur Wallfahrtsbasilika

Wallfahrt in Gößweinstein
Gößweinstein, ein kleiner Ort der fränkischen Schweiz zwischen Ebermannstadt und Pottenstein, dessen Name sich vermutlich von einem Grafen namens Gozwin ableitet, wird von zwei Bauten beherrscht: Von der Burg und fast noch dominanter von der Wallfahrtskirche aus gelbem Sandstein. Wie zwei Gegenpole ragen sie über dem Ort auf, dort der fortifikatorische, hier der sakrale Fokus. Die Wallfahrtskirche ist eine der bedeutendsten Schöpfungen des Barocks in Franken.

Eine erste Kirche soll im Ort um 1240 entstanden sein, damals war Gößweinstein Besitz der Schlüsselberger, einem der wichtigsten Adelsgeschlechter Frankens. 1308 wird diese Kirche erstmals urkundlich erwähnt. Die romanische Kirche wird in der Spätgotik umgebaut und erweitert. Alte Abbildungen zeigen diese Vorgängerkirche mit dreijochigem Langhaus, zweijochigem Chor, dreiseitigem Abschluß, gotischen Strebepfeilern und viergeschossigem Turm aus dem 16. Jh.

Den Beginn der Wallfahrt setzten verschiedene Überlieferungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten an. Wann auch immer sie begann, in der Mitte des 15. Jh. dürfte sie eine nennenswerte Größe erreicht haben. Und im 16. Jh. wurde Gößweinstein zum bedeutendsten Wallfahrtsort zur Hl. Dreifaltigkeit. Diese Verehrung ersetzte eine frühere Marienverehrung, die Gründe dürften sowohl in einer katholischen Gegenströmung zur Reformation liegen oder im allgemeinen Zeitgeist, der eine Zunahme der Dreifaltigkeitsverehrung im 16. Jh. sieht. Gefördert wurde diese Wallfahrt nach Gößweinstein durch einen besonderen Ablaß, der Gößweinstein von Papst Julius II gewährt wurde. Der gewaltige Ansturm der Pilger machte im frühen 18. Jh. dringend einen Neubau notwendig. Auch heute noch zählt Gößweinstein mit Vierzehnheiligen zu den beliebtesten Wallfahrtsorten Frankens.

Ein grandioser Neubau von Balthasar Neumann
Erste Entwürfe für einen Neubau fertigte 1715 Johann Dientzenhofer an. Seine Idee war ein Zentralbau mit 9 Kapellen und 3 Türmen, die sich aber nicht durchsetzen konnte. Johann Dientzenhofer reichte in der Folgezeit noch einen zweiten Entwurf ein, desgleichen Franz Anselm Freiherr von Ritter zu Grünstein. Alle wurden, damals noch unter Fürstbischof Lothar Franz von Schönborn, aus Kostengründen abgelehnt.

Die Pfarr- und Wallfahrtskirche in Gößweinstein wurde schließlich 1730 unter Fürstbischof Friedrich Carl von Schönborn am 3.6. mit der Grundsteinlegung begonnen und 1733 im Rohbau fertiggestellt. 1734 stehen die beiden Türme; die Fassade wird 1735-36 errichtet, und gleichzeitig wird der Kirchenraum eingewölbt. Am 14.5.1739 wird die Kirche geweiht. Der Architekt ist kein Geringerer als Balthasar Neumann (1687-1753); es ist nach Münsterschwarzach sein zweiter großer Sakralbau. Auch er reussierte nicht gleich mit seinem ersten Entwurf, insgesamt legte er sieben Entwürfe vor. Als Grundriß wählt er ein lateinisches Kreuz. Dabei fließen aber schon die Raumkompartimente zusammen: Das zweijochige Langhaus, Chor, Vierung, Querarme werden in den Gesamtraum flüssig integriert. Wie sehr die basilikale Idee zu einem Gesamtkonzept wird, sieht man im Langhaus: Aus der Idee der Seitenschiffe sind schmale Anräume zwischen den Wandpfeilern geworden, die mit Durchgängen hinter diesen verbunden sind. Aus einem Seitenschiff sind Wandpfeilerkapellen geworden, der Durchschlupf hinter den Pfeilern ist die letzte Erinnerung an ältere basilikale Konzepte. Die Nebenräume sind so schmal, daß man sie nicht als eigenständige Raumkompartimente wahrnimmt, was durch die Art der Wölbung noch unterstützt wird. Dadurch wirkt das Langhaus vorwiegend breit und weniger betont lang, eine Idee, die sich in seinen späteren Werken mutiger fortsetzen wird. Die beiden Arme des Querhauses und der Chor verlieren dadurch an Eigenständigkeit, daß sie nach außen jeweils dreiseitig gebrochen sind und innen mit Halbkuppeln gewöbt sind, in die Stichkappen einschneiden. Dadurch werden sie zu Erweiterungen der Vierung, die von einer Kugelkalotte auf durch ein Kransgesims abgetrennten Pendentifs gekrönt ist. Insgesamt entsteht ein barockes Dreikonchenkonzept. In der Tat ist die Kalotte der Vierung so markant, daß sich alle anderen Teile ihrer zentralisierenden Wirkung unterzuordnen scheinen. Dieser Raumzusammenhang aus den drei Halbkuppeln um die Vierung wird als Symbol der Dreifaltigkeit aufgefaßt, der die Wallfahrtskirche geweiht ist. Die Gesamtwirkung ist eine Art Verschmelzung von einem Langhausgedanken mit einem Zentralbaukonzept. Die Innenausstattung war zum Zeitpunkt der Weihe noch nicht gänzlich fertiggestellt, das dauerte noch bis 1768, Altäre und Kanzel wurden im wesentlichen von J. J. M. Küchel unter der Leitung von B. Neumann gestaltet.

Das Fassadenkonzept
Die Fassade aus honigtonigen Sandstein zeigt einen zweigeschossigen Unterbau mit zwei 56 m hohen Türmen, deren geschweift glockenförmige Helme mit offenen Laternen auf achteckigem Unterbau die Fläche nach oben auflösen. Insgesamt haben wir eine zweimalige Horizontalteilung und eine zweimalige Vertikalteilung als Raster über der Fassade liegen. Die Fassade ist relativ schmal, das mittlere Joch ist kaum breiter als die Türme, denn im Grundriß stehen beide Türme nicht neben dem Schiff, sondern sind in dieses eingerückt und stehen zu weniger als der Hälfte außen seitlich vor. Die Fassade wird im wesentlichen durch Pilaster gegliedert. Die Mittelachse mit dem Haupteingang wird durch Dreiviertelsäulen mit Kompositkapitellen hervorgehoben. Mit sparsamen Mitteln wird der Baukörper klar gegliedert und proportioniert, einer der lobenswertesten Züge Neumann'scher Architekturkonzepte. Hier im mittleren Teil der Fassade konzentriert sich der plastische Schmuck, über dem Portal das Schönborn-Wappen, über dem mächtigen Gesims eine Darstellung der Hl. Dreifaltigkeit von der Hand des Bildhauers Franz Anton Schlott (1697-1736), die wie ein kleiner Giebel über den beiden Dreiviertelsäulen ruht. Das Relief zeigt Gottvater und Christus über einer Weltkugel, darüber die Taube des Heiligen Geistes. Zwei Fassadennischen an den Turmvorderseiten enthalten Statuen von Kaiser Heinrich mit goldenem Szepter in der rechten Hand und Kaiserin Kunigunde mit der Lilie als Reinheitssymbol, beide kaiserlich gekrönt mit einer speziellen Krone, die wir auch auf vielen Wappen der Bamberger Fürstbischöfe wiederfinden. Beide sind die Gründer des Bistums Bamberg, zu dem Gößweinstein gehört. Sie wurden von Franz Perchol gefertigt, einem Gesellen Schlotts. Im Vergleich zu anderen barocken Schöpfungen überzeugt die klare Gliederung, fast Rasterung der Fassade, in die der Bauschmuck sparsam, aber wirkungsvoll integriert ist, weit entfernt von jener rauschhaften Üppigkeit, zu der barocke Architektur auch in der Lage ist. Das ist ein typisches Merkmal für die Architektur von Balthasar Neumann: Bauplastik ist eingebunden in ein übergreifendes architektonisches Gliederungssystem. 1755 wurde von Johann Jacob Michael Küchel (1703-1769) eine wirkungsvolle Terrasse hinzugefügt, die die Wirkung der Fassade noch wesentlich steigert. Küchel entwarf übrigens auch den angrenzenden Pfarrhof.

Das Hauptportal
Das Portal ist nach einem Entwurf von Balthasar Neumanns Hand gestaltet. Freistehende Säulen tragen das schwere Gebälk. Es sind die einzigen freistehenden Säulen der Fassade. Zwischen Mittelteil und Seitenteilen befinden sich nur Dreiviertelsäulen, und weiter außen wird die Fassade nur noch von flachen Pilastern gerahmt - eine klimatische Steigerung der Dreidimensionalität zum zentralen Eingang hin. Das Portal ist aber auch Bestandteil eines anderen Rhythmus, der aus den beiden relativ kleinen Säulen des Portals, den beiden im Vergleich dazu riesigen Dreiviertelsäulen und schließlich den beiden Türmen gebildet wird und eine ungeheure Dynamik zwischen dem freien Raum und der Tür aufspannt. Die Kapitelle tragen Voluten über Akanthusblättern. Auf den nach vorne laufenden Teilen des Gebälks stehen zwei Urnen, aus denen vergoldete Flammen lodern. Zwei widersehende Löwen halten den Wappenschild des Fürstbischofs. Über dem Wappenschild ist die Kaiserkrone als Zeichen dafür, daß es sich beim Fürstbistum Bamberg um eine kaiserliche Stiftung handelt. Schwert und Krummstab als Insignien weltlicher und geistlicher Macht im Fürstbistum sind hinter der ovalen Kartusche schräggekreuzt. Alles wird überragt von einem goldenen Vortragekreuz senkrecht hinter dem Wappen.

Das komplexe Wappen von Friedrich Carl von Schönborn als Bischof von Würzburg und Bamberg (es gibt nur Wappen mit beiden Bistümern, da die Regierungszeiten deckungsgleich sind) zeigt folgende Elemente:

Optisch linke, heraldisch rechte Spalte, von oben nach unten:

Mittlere Spalte, von oben nach unten:

Optisch rechte, heraldisch linke Spalte, von oben nach unten:

Literatur, Quellen und Links:
Siebmachers Wappenbücher.
Peter Kolb: Die Wappen der Würzburger Fürstbischöfe. Herausgegeben vom Bezirk Unterfranken, Freunde Mainfränkischer Kunst und Geschichte e.V. und Würzburger Diözesangeschichtsverein. Würzburg, 1974. 192 Seiten.
Fritz Kestel: Die Wallfahrtsbasilika Gößweinstein, BVB Bayerische Verlagsanstalt Bamberg, 2. Auflage 2003, ISBN 3-89889-027-9
Ursula Pechloff: Wallfahrtsbasilika Gößweinstein, Herausgeber: Kath. Pfarramt Gößweinstein, Peda-Kunstführer Nr. 146/2002, ISBN 3-930102-51-X
Reclams Kunstführer Bayern, Philipp Reclam Verlag Stuttgart, 1956
Wilfried Hansmann: Balthasar Neumann - Leben und Werk, DuMont Taschenbücher, 184, Köln 1986, ISBN 3-7701-1714-6
Anton P. Rahrbach, Reichsritter in Mainfranken. Zu Wappen und Geschichte fränkischer Adelsfamilien. Bauer & Raspe Verlag - Die Siebmacherschen Wappenbücher, die Familienwappen deutscher Landschaften und Regionen, Band 2, 2003, ISBN 3-87947-113-4
Eugen Schöler, Historische Familienwappen in Franken, Verlag Degener 3. Aufl. 1999

Portal der Wallfahrtskirche - Pfarrhaus - Franziskanerkloster - Wappentafel im Ort - Basilica minor - Mengersdorf-Epitaph 1. Teil - Mengersdorf-Epitaph 2. Teil

Die Wappen der Fürstbischöfe von Würzburg - Teil (1) - Teil (2) - Teil (3) - Teil (4)
Die Wappen der Fürstbischöfe von Bamberg - Teil (1) - Teil (2) - Teil (3) - Teil (4)
Der Fränkische Rechen - Das Rennfähnlein - Der Bamberger Löwe

Die Entwicklung des Wappens der von Schönborn

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