Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 3024
Geisenheim (Rheingau-Taunus-Kreis)

Pfarrkirche Heilig Kreuz ("Rheingauer Dom"): Johann Franz Heinrich Carl Sebastian Graf von Ostein

An der Nordwand des Chores hängt oberhalb des Chorgestühls ein Epitaph für Johann Franz Heinrich Carl Sebastian Graf von Ostein (2.2.1693-29.4.1742). Dieses Epitaph hängt mit vier anderen Grabdenkmälern an und in der Kirche jeweils um mehrere Ecken zusammen: Schräg gegenüber befindet sich an der Südwand des Chors das Epitaph für seinen Urgroßvater, für Philipp Erwein Freiherr von Schönborn (1607-4.11.1668). Für diesen und seine Ehefrau Maria Ursula von Greiffenclau-Vollraths (15.7.1612-28.8.1682) gibt es weiterhin eine Grabplatte außen an der Kirche. An der südlichen Außenwand befindet sich weiterhin eine Grabplatte für seinen Schwiegervater, für Sittich Herbold Graf von Berlepsch (3.1.1673-30.3.1712). Und genau gegenüber im Chor befindet sich ein zweites Epitaph der Familie von Ostein.

Die äußerst ausführliche lateinische Inschrift zeichnet den Lebenslauf des Grafen nach ("STA ET MIRARE VIATOR / SUB PARVO HOC LAPIDE MAGNUS QUIESCIT OSTEIN / IOANNES HENRICUS CAROLUS / in quo omnia erant praefer aetatem / Anno 1693 natus est ex illustrissima familia Comitum ab OSTEIN / nobilitas sanguinis Musae & Virtutes / hunc Lapidem caelarunt ut aurum"). Der in Amorbach geborene Johann Franz Heinrich Carl Sebastian Graf von Ostein war Jurist ("1723 Assessor"), kaiserlicher Kammerrat und Hof-Lehn-Rechtsbeisitzer in Böhmen, 1723 Wirklicher Kämmerer, wurde 1726 Reichshofrat ("1726 in Collegium Consil(iariorum) Imper(atori) cooptatus"), wurde kaiserlicher Wirklicher Geheimer Rat und war zeitweise kaiserlicher Botschafter für Karl VI., war 1734-1739 kaiserlicher Gesandter beim russischen Hof in St. Petersburg ("1734 Russiam petiit Minister plenipotent: Caesareae Maiestatis / sed / Novi anni 1735 auspicia revocarunt"), war Bevollmächtigter auf dem Frieden von Niemerow, dann 1740-1741 Gesandter beim englischen Hof, erst in Hannover ("Annus 1740 semel Hannov:"), dann in London. Kurz vor seinem Tod wurde er 1742 Reichshofratspräsident für Kaiser Karl VII. Der Reichshofrat stellte eines der beiden höchsten Gerichte im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation dar, das zweite war das Reichskammergericht. Oberster Gerichtsherr war der Kaiser. Der Reichshofrat war zuständig für die Reichslehen und die kaiserlichen Privilegien. Johann Franz Heinrich Carl Sebastian Graf von Ostein war seit 1718 Herr der böhmischen Herrschaft Maleschau (Maselow), die sein Vater 1710 für 400000 fl. zusammen mit Schloß Maselow und dem Jagdschloß Roztez gekauft hatte. Am 8.4.1728 kaufte er die in Mähren gelegene Herrschaft Datschitz nebst Markwaretz und Wollschau für 426000 fl. und 4000 fl. Schlüsselgeld vom Grafen Wenzel Adalbert von Würben-Freudenthal. Er verstarb in Frankfurt am Main im Alter von 49 Jahren ("A(nn)o 1742 hunc lapidem construerit columnam" und "A(nn)o 1742 excisus est hic Lapis mortuus est hic magnus Ostein aet. Ao 49 / In constantia Aprilis evertit hanc Columnam"), als er in der Position des Reichshofratspräsidents und kaiserlichen Geheimen Konferenzministers war ("dum Consilii Aul: Imper: Praesidem & intimum Conferentiarum Ministrum / constituit").

 

Oben in der Mitte ist das Familienwappen der von Ostein angebracht, in Blau ein aufspringender goldener Windhund. Die hier nicht verwendete Helmzier würde zu blau-goldenen Decken das Schildmotiv wiederholen. Die üppig ornamental verzierte Kartusche ist gräflich gekrönt, darüber erscheint als Memento mori ein Totenschädel zwischen zwei Fledermausflügeln. Das Wappen ist aus weißem Marmor gemeißelt und hebt sich wie die anderen Dekorationselemente wirkungsvoll von dem schwarzen, leicht gebänderten Marmor des Trägersteines ab.

Die lateinische Inschrift verrät noch mehr: Johann Franz Heinrich Carl Sebastian Graf von Ostein (2.2.1693-23.4.1742) war zweimal verheiratet ("Duas duxit Gemmas / Aviti sanguinis propagandi Socias"). Er heiratete in erster Ehe 1733 (Eheabredung am 25.11.1732) in Datschitz die ca. 14 Jahre jüngere Maria Carolina Josepha Anna Johanna von Berlepsch (22.8.1707-9.4.1737), für die es die zweite Ehe nach einer kinderlosen Erstehe mit ihrem Vetter war ("Unam A(nn)o 1733 CAROLINAM ex Illustriss(ima) Familia Comit(orum) De BERLEPSCH"). Seine Frau war die Tochter von Sittich Herbold Graf von Berlepsch (3.1.1673-30.3.1712) und Maria Maximiliana Augusta Gräfin von Stadion (4.2.1681-24.2.1744), und sie war die Erbin der Herrschaft Mylendonck und des Gutes in Geisenheim. Mit ihr hatte er drei Kinder ("ex qua duos genuit filios unamque filiam"), Maria Charlotte Ferdinande Catharina von Ostein (25.11.1733-), die 1755 in Mainz Carl Friedrich Anton Graf von Hatzfeld und Gleichen (14.9.1718-5.9.1793) heiratete, Johann Friedrich Carl Maximilian Graf von Ostein (12.4.1735-25.4.1809), welcher Maria Anna Luise Sophie Walburgis Kämmerer von Worms gen. von Dalberg (8.8.1739-29.3.1805) heiratete und eine als Kleinkind verstorbene Tochter hatte, und den kurz nach der Geburt verstorbenen Johann Carl Franz Hugo Maria von Ostein (1736-1736). Die erste Ehefrau starb kurz nach der Geburt des dritten Kindes in St. Petersburg ("sed Petersburgi / secundum genitum prius tum & gemmiferam matrem / Coelo donavit"). In zweiter Ehe heiratete er am 25.5.1741 Maria Clara Elisabeth Gräfin von Eltz-Kempenich (11.10.1720-13.6.1786), mit der er einen postum geborenen Sohn hatte ("Altera huic Lapidi pretioso desponsata Gemma A(nn)o 1741 erat ex Nobiliss(ima) Famil(ia) / Com(itorum) ab ELZ KEMPENICH CLARA ELISABETHA / ex qua posthumum reliquit loco demortui / Unionem"), Philipp Carl Franz Georg Heinrich Johann Nepomuk von Ostein (22.6.1742-7.7.1766), der eine geistliche Laufbahn einschlug, sich 1755 beim Domkapitel zu Trier präsentierte, Domicellar zu Mainz und Würzburg sowie Stiftsherr des Ritterstifts St. Alban in Mainz und am 7.1.1763 Propst des Stifts St. Bartholomäus in Frankfurt a. M. wurde. Er wurde nur 24 Jahre alt. Die Familie der von Ostein insgesamt erlosch mit dem älteren Sohn, Johann Friedrich Carl Maximilian Graf von Ostein, königlich-kaiserlicher Wirklicher Geheimer Rat, kurmainzischer Kämmerer, Herr der Herrschaften Mylendonck, Datschitz, Markwaretz in Mähren, Maleschau und Scudol in Böhmen, zu Geisenheim usw., seit 1766 Mitglied im Westfälischen Grafenkollegium, dem Erbauer des Palais Ostein in Geisenheim, im Jahre 1809.

 

An den beiden eingebogenen Flanken des Epitaphs ist die aus 8 Schilden bestehende Ahnenprobe des Johann Franz Heinrich Carl Sebastian Graf von Ostein angebracht; auch diese acht beschrifteten Wappenschilds sind aus weißem Marmor aufgesetzt, genau wie das Hauptwappen oben in der Mitte. Die Eltern des Probanden waren Johann Franz Sebastian Freiherr von Ostein (4.11.1652-24.6.1718), kurmainzischer Geheimrat und Kämmerer, Oberamtmann zu Amorbach, Buchen, Walldürn und Seligenstadt, 1698 Besitzer von Gütern zu Wollenberg und Gottenheim im Elsaß, 1698 Erbe des Ritterguts Ebersberg von seinem Bruder, 19.7.1698 Verkauf von Ebersberg für 12400 fl. an den Abt und den Konvent des Klosters Schönthal, und Anna Carolina (Charlotta) Maria von Schönborn (3.10.1671-7.2.1716). Entsprechend beginnt die Ahnenprobe heraldisch oben rechts mit der Wiederholung des Wappens der von Ostein, in Blau ein aufspringender goldener Windhund, aus Courtoisie einwärts gewendet, und oben links mit dem Wappen der von Schönborn, geviert mit Herzschild, Feld 1 und 4: in Rot drei (2:1) silberne Schildchen, reichsständische Herrschaft Reichelsberg, Feld 2 und 3: in Blau ein silberner Balken, begleitet von 3 (2:1) silbernen Rauten. Herrschaft Heppenheim, von Heppenheim genannt von Saal, Herzschild: in Rot auf drei silbernen Spitzen ein schreitender goldener Löwe mit blauer Krone, Stammwappen der Grafen von Schönborn.

Die vier Großeltern waren Johann Jakob II. von Ostein (-13.11.1664), fürstbischöflich-baselscher Geheimer Rat und Landhofmeister zu Pruntrut (Porrentruy), Obervogt, und seine Frau, Anna Magdalena Kämmerer von Worms gen. von Dalberg (-7.4.1672), väterlicherseits, und mütterlicherseits Melchior Friedrich Graf von Schönborn (16.3.1644-19.5.1717), am 5.8.1701 Reichsgraf, seit dem 19.2.1711 von Schönborn-Buchheim, auf Pommersfelden, Weiler und Gaibach, auf Wolfsthal und Parsberg, Heppenheim, Heusenstamm, seit 1671 in Reichelsberg, seit dem 5.8.1701 Graf mit Sitz und Stimme im Fränkischen Reichsgrafenkollegium, kaiserlicher Wirklicher Geheimer Rat und Kämmerer, kurmainzischer Staatsminister und Vicedom zu Aschaffenburg, Oberhofmarschall, Erbschenk von Mainz, Erbtruchseß von Würzburg, und dessen Frau, Maria Anna Sophia Johanna Freiin von Boineburg-Lengsfeld (1652-11.4.1726), deren Ehewappen am Schönborner Hof in Aschaffenburg angebracht ist. Entsprechend finden wir in der zweiten Reihe heraldisch rechts das Wappen der Kämmerer von Worms gen. von Dalberg, geviert, Feld 1 und 4: unter einem mit drei Spitzen abgeteilten goldenen Schildhaupt in Blau 6 (3:2:1) silberne Lilien (Kämmerer von Worms), Feld 2 und 3: in Gold ein schwarzes Ankerkreuz (Dalberg), und das Wappen der von Boineburg-Lengsfeld, schwarz-silbern geviert (die Bordierung der Felder ist eine ästhetische Frage und entspringt dem horror vacui; sie ist nicht heraldisch signifikant).

 

Die acht Urgroßeltern des verstorbenen Grafen waren Johann Georg von Ostein (-1635), österreichischer Statthalter zu Ensisheim im Breisgau, und seine Frau, Agnes Faust von Stromberg, Hans (Johann) Georg Kämmerer von Worms gen. von Dalberg (-1644) und seine Frau, Barbara von Cronberg (-1621), Philipp Erwein Freiherr von Schönborn (1607-4.11.1668) und seine Frau, Maria Ursula von Greiffenclau-Vollraths (15.7.1612-28.8.1682), deren Epitaph und Grabplatte ebenfalls in und an dieser Kirche zu sehen sind, Johann Christian Graf von Boineburg und Lengsfeld (1622-1672), kaiserlicher und kurmainzischer Geheimer Rat, Obermarschall und Staatsmann, und seine Frau, Anna Christina Schütz von Holzhausen. Entsprechend finden wir in der dritten Reihe heraldisch rechts das Wappen der Faust von Stromberg, golden-rot geschacht, im ersten Feld ein schwarzer, sechszackiger Stern, und gegenüber dasjenige der von Greiffenclau-Vollraths, geviert: Feld 1 und 4: silbern-blau geteilt, darüber ein goldenes Glevenrad, Stammwappen der von Greiffenclau-Vollraths, Feld 2 und 3: in Schwarz ein silberner Schräglinksbalken, Herrschaft Ippelbrunn (Eppelborn), und in der vierten und letzten Reihe das Wappen der von Cronberg des Kronenstammes, geviert, Feld 1: in Rot eine goldene Krone, Feld 2 und 3: in Silber 4 (2:2) blaue Eisenhütlein (silbern-blauer pfahlförmig angeordneter Eisenhutfeh), Feld 4: ledig und rot, und gegenüber das Wappen der Schütz von Holzhausen, in Gold drei (2:1) schwarze Eisenhüte mit Band, wobei das Band hier mißverstanden wurde, so daß der vom Band umschlossene Leerraum hier eigene Körperlichkeit bekommt.

Noch eine Generation weiter zurück wären die 16 Ururgroßeltern gemäß einer Ahnenprobe im Hessischen Staatsarchiv Jakob von Ostein und Apollonia von Hallwyl, Valentin Faust von Stromberg und Magdalena von Schönau, Damian Kämmerer von Worms gen. von Dalberg und Katharina von der Leyen, Hartmut XV. von Cronberg (-1611), Vicedomus in Aschaffenburg, kurmainzischer Rat, und Magdalena Brendel von Homburg, Georg von Schönborn und Maria Barbara von der Leyen, Heinrich von Greiffenclau zu Vollraths und Maria von Eltz, Johann Berthold von Boyneburg und Barbara Sibylla von Buttlar, sowie Cuno Quirin Schütz von Holzhausen und Maria Eva von Dorfelden.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@49.9827454,7.9674183,20.46z - https://www.google.de/maps/@49.9827454,7.9674183,81m/data=!3m1!1e3
Kirchenwebseite:
https://heilig-kreuz-rheingau.de/
Manfred Laufs, Elisabeth Will-Kihm: Der Rheingauer Dom Geisenheim, Kirchenführer, hrsg. von dem kath. Pfarramt Hl. Kreuz Geisenheim, Geisenheim 2008
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Johann Franz Heinrich Carl Sebastian Graf von Ostein:
https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Franz_Heinrich_Carl_von_Ostein
Familie von Ostein:
https://de.wikipedia.org/wiki/Ostein_(Adelsgeschlecht)
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Familie von Schönborn:
https://de.wikipedia.org/wiki/Schönborn_(Adelsgeschlecht)
Familie von Greiffenclau-Vollraths:
https://de.wikipedia.org/wiki/Greiffenclau
Familie Kämmerer von Worms:
https://de.wikipedia.org/wiki/Dalberg_(Adelsgeschlecht) - https://de.wikipedia.org/wiki/Kämmerer_von_Worms
Familie von Boineburg:
https://de.wikipedia.org/wiki/Boyneburg_(Adelsgeschlecht)
Familie von Cronberg:
https://de.wikipedia.org/wiki/Cronberg_(Adelsgeschlecht)
Johann Franz Henrich Carl Sebastian Graf von Ostein, in: Hessische Biographie
https://www.lagis-hessen.de/pnd/137994885
Johann Franz Sebastian Freiherr von Ostein, in: Hessische Biographie
https://www.lagis-hessen.de/pnd/1104515083
Johann Friedrich Carl Maximilian Graf von Ostein, in: Hessische Biographie
https://www.lagis-hessen.de/pnd/1046319922
Philipp Karl Franz Georg Heinrich Graf von Ostein, in: Hessische Biographie
https://www.lagis-hessen.de/pnd/1104272229
Ahnenprobe des Johann Franz Heinrich von Ostein, Hessisches Staatsarchiv Darmstadt, A 12, 283:
https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/EJR6QGHVHQ55GOSPP2O6YA75EN2HIVZL

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