Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 3028
Geisenheim (Rheingau-Taunus-Kreis)

Pfarrkirche Heilig Kreuz ("Rheingauer Dom"): Dreikönigsaltar

Die Pfarrkirche Heilig Kreuz besitzt drei Altäre. Der Hauptaltar ist neugotisch und wurde 1886 aufgestellt. Den Mittelteil schnitzte der Nürnberger Bildhauer Jacob Rotermund. Daß dies einer der besten und stilistisch "am echtesten" wirkenden neugotischen Altäre ist, liegt daran, daß sich der Künstler den berühmten spätgotischen Hochaltar der Kirche St. Jakob in Rothenburg ob der Tauber zum Vorbild genommen hatte. Der gekreuzigte Christus wird im Mittelteil flankiert von sechs Heiligen, v. l. n. r. Bonifatius, Jacobus d. Ä., Maria, Johannes, Antonius d. Gr. und Helena. Oben wird der auferstandene Christus dargestellt. Dieses Figurenprogramm ist eine Anpassung des Rothenburger Vorbilds an hiesige Bedürfnisse. Die Predella, die eine getreue Kopie des Rothenburger Vorbilds ist, zeigt v. l. n. r. die Heiligen Matthäus, Simon Zelotes, Bartholomäus, Philippus, Jacobus d. Ä., Petrus, dann Christus als Weltenherrscher auf der Tabernakeltür, dann die Heiligen Johannes, Andreas, Thomas, Jacobus d. J., Judas Thaddäus und Matthias.

Der Altar im linken Seitenschiff, der Marienaltar, ist neugotisch und kopiert den Typus des gotischen Flügelaltars. Ihn schuf der Frankfurter Bildhauer Caspar Weis 1894. Zu sehen sind mittig Maria mit dem Kind, links die hl. Katharina, rechts die hl. Barbara, jeweils gekennzeichnet durch Rad und Turm als Attribute. Ganz oben ist St. Anna Selbdritt dargestellt. Die beiden Flügel zeigen vier Szenen aus dem Leben Marias, links oben die Verkündigung, links unten die Geburt Jesu, rechts oben die Heimsuchung und rechts unten die Präsentation des Kindes im Tempel. Außen sind rechts die hl. Elisabeth und links die hl. Hildegard von Bingen dargestellt.

 

Der Alter im rechten Seitenschiff, der Dreikönigsaltar (beide Abb. oben), ist der einzige wirklich spätgotische Altar der Kirche. Um genau diesen geht es hier, denn er ist der einzige Altar mit Wappendarstellungen. Er ist eine Arbeit des Südtiroler Bildschnitzers Hans Klocker und ist um 1480-1485 entstanden. Er ist ein einfacher, rechteckiger Flügelaltar mit der vollplastischen Szene der Anbetung der Könige im Hauptfeld. Die beiden Flügel sind bemalt und zeigen links innen den hl. Johannes und die hl. Katharina von Alexandrien, kenntlich durch den Kelch bzw. das Buch, das Schwert und das Rad als jeweilige Attribute, und rechts die hl. Margareta und den hl. Nikolaus, kenntlich durch einen kleinen Drachen an der Leine bzw. die Bischofskleidung und das Buch mit den drei goldenen Kugeln darauf als jeweilige Attribute. Außen wird Mariä Verkündigung thematisiert. Dieser Altar wurde im Jahr 1869 von der Familie der Grafen von Ingelheim der Kirche gestiftet, worauf eine Inschrift im Predella-Bereich hinweist. Diese Inschrift wird von zwei Wappen rechts und links abgeschlossen.

Bei den Stiftern dieses Altars handelt es sich Friedrich Carl Joseph Graf von Ingelheim gen. Echter von und zu Mespelbrunn (9.4.1777-17.10.1847) und seine Frau, Marie Antoinette Franziska Walburga Gertrudis Gräfin von Westphalen zu Fürstenberg (6.1.1785-15.12.1867). Er war der Sohn von Franz Carl Philipp Graf von Ingelheim gen. Echter von und zu Mespelbrunn (12.5.1738-20.10.1803), kurmainzischer Geheimrat, kurmainzischer Oberhofmarschall und Obristsilberkämmerer, Oberamtmann und Herr in Königstein, Ritterrat, und Franziska Romana Sophia Freiin von Breidbach-Bürresheim gen. vom Riedt (27.9.1751-13.12.1818). Die Ehefrau war die Tochter von Clemens August Wilhelm von Westphalen-Fürstenberg (12.1.1753-26.12.1818), der am 11.1.1792 Reichsgraf wurde, Burggraf von Friedberg, k. k. Geheimrat und Gesandter an den kurfürstlich kölnischen und trierischen Höfen war, und dessen erster Ehefrau, Maria Eleonora Antoinette Elisabeth Gräfin Waldbott von Bassenheim (21.11.1757-2.10.1786). Das Stifter-Ehepaar hatte am 20.4.1800 geheiratet. Die Großeltern väterlicherseits des Stifters sind übrigens an der Rokoko-Kanzel dieser Kirche heraldisch verewigt.

Entsprechend sehen wir heraldisch rechts auf dem Sockel das Wappen der Grafen von Ingelheim gen. Echter von Mespelbrunn, geviert, Feld 1 und 4: in Schwarz ein rot-golden geschachtes Kreuz, von Ingelheim, Feld 2 und 3: in Blau ein silberner Schrägbalken, belegt mit drei blauen Ringen, Echter von Mespelbrunn. Auf dem oberen Schildrand ist eine gräfliche Rangkrone angebracht. Dazu werden drei gekrönte Helme geführt, Helm 1 (Mitte): hier drei Straußenfedern, eine schwarze zwischen zwei goldenen (andere Varianten in der Lit.), Helm 2 (rechts): zu rot-goldenen Decken ein schwarzer, beiderseits mit einem rot-golden geschachten Kreuz belegter Flug, Helm 3 (links): zu blau-silbernen Decken ein Paar blauer Büffelhörner, jeweils mit einem silbernen Schrägbalken, belegt mit drei blauen Ringen, rechts schräglinks, links schrägrechts. Streng genommen müßte auch der mittlere Helm Decken haben, rechts in den Farben der rechten Decken, links in den Farben der linken Decken. Gegenüber sehen wir das leicht beschädigte Wappen der von Westphalen, in Silber ein hier erniedrigter roter Balken, darüber ein schwarzer, fünflätziger Turnierkragen. Auf dem oberen Schildrand ist eine gräfliche Rangkrone angebracht. Dazu werden zwei gekrönte Helme geführt, Helm 1 (rechts): zu rot-silbernen Decken drei goldene Rohrkolben, Helm 2 (links): hier ein silberner, mit einem roten Balken belegter Flug. Normalerweise führt die Familie auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken einen roten Hut mit zwei silbernen Fasanenfedern besteckt, dazwischen ein schwarzer, dreilätziger Turnierkragen. Deshalb ist das hier eine seltene Variante.

Friedrich Carl Joseph Graf von Ingelheim gen. Echter von und zu Mespelbrunn (9.4.1777-17.10.1847) war k. k. wirklicher Geheimer Rat sowie königlich-bayerischer Geheimer Rat, und er war herzoglich-nassauischer Erzkämmerer. Er war sowohl Ritter des Malteserordens als auch Ritter des St. Josephs-Ordens der Reichsburg Friedberg. Nach dem Ende des Alten Reiches und der politischen Neuordnung war er 1818-1824 gewähltes Mitglied und 1819-1824 Präsident der Herrenbank des Nassauischen Landtags. 1825 wurde er zwar wiedergewählt, schied aber aus dem Landtag aus. Erneut war er 1831-1832 Mitglied der Herrenbank des Nassauischen Landtags, nun aber als Vertreter des Erzherzogs Joseph von Österreich. Weiterhin war er Paladin von Ungarn. Er wurde am 18.4.1816 immatrikuliert in die Grafenklasse des Königreichs Bayern.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@49.9827454,7.9674183,20.46z - https://www.google.de/maps/@49.9827454,7.9674183,81m/data=!3m1!1e3
Kirchenwebseite:
https://heilig-kreuz-rheingau.de/
Manfred Laufs, Elisabeth Will-Kihm: Der Rheingauer Dom Geisenheim, Kirchenführer, hrsg. von dem kath. Pfarramt Hl. Kreuz Geisenheim, Geisenheim 2008
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Friedrich Carl Joseph Graf von Ingelheim gen. Echter von Mespelbrunn, in: Hessische Biographie
https://www.lagis-hessen.de/pnd/122967909
Friedrich Carl Joseph Graf von Ingelheim gen. Echter von Mespelbrunn, in: Parlamente Hessen
https://parlamente.hessen.de/abgeordnete/122967909
Verwendung der Innenaufnahmen mit
freundlicher Erlaubnis von Frau Ursula Semmler, Verwaltungsleitung, vom 1.9.2022, wofür ihr an dieser Stelle herzlich gedankt sei.

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