Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 3026
Geisenheim
(Rheingau-Taunus-Kreis)
Pfarrkirche Heilig Kreuz ("Rheingauer Dom"): Friedrich von Stockheim und Irmel von Carben
Mit dem im Chor linkerhand an der Nordseite zwischen Hochaltar und Chorgestühl aufgestellten, 4,00 m hohen und 1,80 m breiten Epitaph kommen wir zu einer weiteren in Geisenheim auf Adelshöfen ansässigen Familie, denn ausweislich ihres dort angebrachten Wappens gehörte den von Stockheim sowohl das Schloß Schönborn als auch der Zwierleinshof. Dieses gemäß zweimal vorhandener Datierung, einmal erhaben, einmal vertieft, und davon einmal mit vertauschten Ziffern, 1536 aufgestellte Epitaph ist für Friedrich d. Ä. von Stockheim (ca. 1462-28.7.1528) und seine Frau, Irmel von Carben (ca. 1484-10.6.1529).
Die in der Sockelzone des in drei Zonen gegliederten Grabdenkmals angebrachte Inschrift verrät: "ANNO D(OMI)NI M D XXVIII DEN XXVIII DAG IVLII IST VER/SCHEIDEN DER EDEL VND E(H)R(E)NFEST FRIEDERICH VO(N) STOCK/HEIM DER (A)ELTER(E) SEIN(E)S ALTERS IM 66 IA(H)R DE(M) GOT(T) GENAD / ANNO CHRISTI M D XXIX DEN X DAG IVNII STARB / DIE EDEL VND DVGENTSAME FRAW IRMEL VON CAR/BEN IM XXXXV IA(H)R I(H)RES ALTERS VND IM XXVIII / IA(H)R I(H)RES E(HE)LICHEN STANTS SEIN E(HE)LICHER GEMAHEL DIESER VND / ALLER C(H)RISTGLA(E)VBIGEN SE(E)LEN GOT(T) GENEDIG VND BARMHERTZIG SIE".
Die beiden seitlichen Pilaster und der Architrav sind mit fein reliefierten Ornamenten (florales Rankenwerk mit eingearbeiteten Drolerien) belegt, wobei das Material dieser fein geschnittenen Verzierung entgegenkommt, denn es handelt sich um bemalten Gipsmörtel, also um Stuck. In der Mitte bildet oben ein halbrunder Aufsatz mit einer Muschellünette den Abschluß, an den Seiten mit je einem kleinen gestürzten Delphin besetzt und ganz oben in der Mitte von einer gestielten Schale mit Früchten und Blättern. Die Inschrift auf dem Rand lautet: "RO 6 WIR MIT CHR(IST)O GESTORB(EN) GLAVB WERD AVCH MIT I(H)M LEB(EN)" - in flüssigerer Lesung lautet Römer 6,8: Sind wir nun mit Christus gestorben, so glauben wir, daß wir auch mit ihm leben werden. Die Inschrift ist nicht nur stark abgekürzt, sondern drei Buchstaben sind klein in die benachbarten runden Buchstaben hineingesetzt, und das Wort "AVCH" ist wohl erst vergessen worden und ganz klein auf dem Rand nachgetragen worden. Jedenfalls betont diese Inschrift, im Gegensatz zur biographischen Inschrift im Sockelbereich, die Gemeinschaft der Getauften mit Christus vor dem Tod und nach dem Tod. Die Meisterfrage des Epitaphs ist bis heute nicht eindeutig geklärt, es mangelt in der Literatur aber nicht an Zuweisungen.
In der kastenartig eingetieften Mittelzone sind die beiden Ehepartner fast lebensgroß dargestellt. Friedrich von Stockheim, erst Vogt des Klosters Arnstein, seit 1502 Amtmann im Amt Idstein, dann 1505-1521 Vicedom des Rheingaus und Oberschultheiß in Lorch, und danach kurmainzischer Rat, 1520-1525 Mainzer Amtmann auf Burg Wildenburg, ist vollständig gerüstet, nur den Helm hat er neben sich abgestellt. In der Rechten hält er eine Lanze, die behandschuhte Linke ruht am Schwertgriff. Den Blick hat er leicht gesenkt, den Kopf nach links zu seiner Frau gedreht, die gänzlich frontal mit zum Gebet vor der Brust zusammengelegten Händen steht, aus denen ein Rosenkranz herabfällt. Der Kopf ist leicht nach rechts geneigt, aber nicht eingedreht, dafür ist der Blick aus leicht geschlossenen Lidern schräg aufwärts gerichtet. Sie trägt eine bis auf Gesicht und Hände alles verhüllende Witwentracht, weil sie ihren Mann um ein knappes Jahr überlebt hat. Das Paar hatte 1501 geheiratet, er war damals 39 Jahre alt, sie erst 17 Jahre alt. Die beiden hatten sechs Kinder, die Söhne Karl, Philipp, Johann, Friedrich d. J. und Adolf sowie die Tochter Clara, vermählt mit Albrecht von Dienheim. Friedrich d. J. (1509-1556) war erst Mainzer Domherr, resignierte 1526 und übernahm nach seinem Vater 1544 das Amts des Vicedoms im Rheingau; er war zweimal verheiratet. Adolf wurde Mainzer Domherr. Irmel von Carben entstammte der älteren, Rupertischen Linie der Familie.
Vier Wappen in den vier Ecken des Epitaphs bilden die Ahnenprobe, aufgrund des Materials kommt es bei allzu filigranen Partien wie den oben herausragenden Büffelhörnern zu Füllungen, um die Stabilität zu erhöhen. Gänzlich eigen- und einzigartig ist die Positionierung der beiden unteren Wappen, deren Helmzier das Basisgesims des Hauptfeldes durchstößt und darüber weitergeht. Heraldisch oben rechts sehen wir das Wappen der von Stockheim ("STOCKHEIM"), unter einem goldenen Schildhaupt in Schwarz ein goldenes, verflochtenes Schräggitter, auf dem Helm mit schwarz-goldenen Decken ein golden-schwarz im Zackenschnitt geteiltes Paar Büffelhörner. Gegenüber ist das Wappen der von Carben ("CARBEN") angebracht, geteilt, oben in Gold ein aus der Teilung wachsender roter Löwe, unten in Blau eine silberne Lilie, auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken ein schwarzer, silbern aufgeschlagener Turnierhut, oben mit einem schwarzen Hahnenfederbusch an silberner Kugel besteckt. Die von Carben erloschen endgültig 1729 Franz Emmerich Lothar Burkhard Adolf von Carben. 1775 erfolgte mit kaiserlicher Genehmigung die Übernahme des Wappens durch Frobenius Ferdinand Josef Freiherr von Wetzel, Neffe des Vorgenannten, dessen Familie sich seitdem von Wetzel, genannt von Carben nennt und ein vereinigtes Wappen führt.
Unten rechts befindet sich das Wappen der von Bellersheim ("BELLERSHEIM"), in rotem, mit silbernen Steckkreuzchen bestreutem Feld ein silberner Gürtel mit goldenen Beschlägen, auf dem Helm mit silbern-roten Decken ein wachsender silberner, rotgezungter Einhornrumpf. Das vierte und letzte Wappen ist das der Rüdt von Collenberg ("RVEDENN") unten links, in Rot Kopf und Hals eines silbernen (hier falsch schwarzen) Rüden mit normalerweise schwarzem, hier goldenen Stachelkettenhalsband, auf dem Helm mit rot-silbernen Decken wachsend Kopf und Hals des Rüden wie beschrieben (die aus dem Kopf zu sprießen scheinenden Ornamente gehören schon zum Dekor, nicht zum Wappen). Die Eltern des Ehemannes waren Philipp von Stockheim (-1477) und Katharina von Bellersheim (-1480), so auch in Humbrachts Tafeln. Nach Möller, Stammtafeln AF II Taf. LXXXI. war die Ehefrau die Tochter von Hermanns von Carben und Magdalenas Rüdt von Collenberg. Ebenso ist es in Humbrachts genealogischen Tafeln gelistet. Tatsächlich war ihr Vater jedoch nach DI 43 und anderen neueren Quellen Karl von Carben, die Mutter bleibt wie angegeben.
Die Großeltern des Ehemannes waren Heinrich von Stockheim und Hildegard von Trohe sowie Hartmann von Bellersheim und Catharina von Rheinberg (Truchseß von Rheinberg). Die Großeltern der Ehefrau waren Karl von Carben und Lise von Schönborn sowie Eberhard Rüdt von Collenberg und Gisela von Elm.
Literatur,
Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@49.9827454,7.9674183,20.46z - https://www.google.de/maps/@49.9827454,7.9674183,81m/data=!3m1!1e3
Kirchenwebseite: https://heilig-kreuz-rheingau.de/
Manfred Laufs, Elisabeth Will-Kihm: Der Rheingauer Dom
Geisenheim, Kirchenführer, hrsg. von dem kath. Pfarramt Hl.
Kreuz Geisenheim, Geisenheim 2008
Friedrich von Stockheim: https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_von_Stockheim_(1462%E2%80%931528)
Familie von Carben: https://de.wikipedia.org/wiki/Carben_(Adelsgeschlecht)
Deutsche Inschriften 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 410 (Yvonne
Monsees), in: www.inschriften.net, https://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0238-di043mz05k0041002
Friedrich von Stockheim und seine Frau Irmel von Karben
(1528/1529) 1536, Geisenheim, in: Grabdenkmäler https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/gdm/id/1989
Verwendung der Innenaufnahmen mit freundlicher Erlaubnis von Frau Ursula Semmler,
Verwaltungsleitung, vom 1.9.2022,
wofür ihr an dieser Stelle herzlich gedankt sei.
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