Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 219
Ellingen - Stadt des fränkischen Barocks und des Deutschen Ordens

Ellingen (Teil 1)
Wappen an der Hauptfassade des Deutschordens-Schlosses in Ellingen

Das barocke Schloß in Ellingen bei Weissenburg in Bayern war Sitz des Landkomturs der Ballei (Ordensprovinz) Franken. Von den ursprünglich 13 Balleien des Deutschen Ordens auf dem Territorium des Heiligen Römischen Reiches war Franken die reichste. Sie übertraf alle anderen an territorialem Umfang und politischem Gewicht. Der Landkomtur unterstand dem Hoch- und Deutschmeister in Mergentheim, andererseits unterstanden ihm die einzelnen im Frankenland verteilt liegenden Kommenden mit ihren Vogteien. Das Barockschloß und die angrenzende barocke Stadt ist das Werk von folgenden Bauherren und Landkomturen:

Das Wappen des Hochmeisters im Hauptgiebel

Ganz oben im dreieckigen Giebelfeld des Mittelpavillons des Südfügels befindet sich das Wappen des zur Erbauungszeit amtierenden Hoch- und Deutschmeisters: Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg, Pfalzgraf bei Rhein, Fürstbischof von Trier und Mainz, Fürstbischof von Breslau, Bischof von Worms (geb. 1664, Hochmeister 1694–1732). Das Wappen wurde vom Ellinger Bildhauer Johann Friedrich Maucher angefertigt. Man beachte die "Kriegstrophäen" als Dekoration, Trommeln, Fahnen mit Deutschordenskreuzen, Feldzeichen, zwei gefangene und an den Schild mit echten Ketten gefesselte "Türkensklaven", Schwerter. Diese martialische Dekoration ist plastisches Programm, auch an den Gebäudeecken finden sich solche Elemente ("Kriegspyramiden"), selbst die Verdachungen der Halbgeschoßfenster sind am Eckpavillon als Kanone mit Bedienungsgerät gestaltet. Ein heraldischer Gitterhelm ist unter den Schild versetzt worden in ganz und gar heraldisch unüblicher Position, während oben der hermelinverbrämte Fürstenhut auf der barocken Kartusche ruht. Das Wappen ist begleitet von den allegorischen Figuren Justitia (Mitte), Caritas und Fides auf dem dreieckigen Giebel.

Die einzelnen Bestandteile sind bei Bad Mergentheim und Trier jeweils in Farbe erklärt, desgleichen ist dort sein Lebenslauf kurz erläutert. Hier ist die Variante als Erzbischof von Mainz (kleines aufgelegtes Herzschildchen mit dem Mainzer Rad) zur Darstellung gewählt. Der Südflügel der Residenz wurde zwar schon 1720 fertiggestellt, doch da Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg erst 1729 seine Trierer Erzbischofswürde für die ebensolche in Mainz aufgab, muß das Wappen erst ein paar Jahre nach dem Bau entstanden sein, also frühestens 1729. Es erscheint einem zwar sehr aufwendig, hierfür noch einmal ein paar Jahre nach Vollendung wieder Hebevorrichtungen etc. zu installieren, so daß auch die These vertreten wird, dieses Wappen sei nachträglich angepaßt und umgearbeitet worden. Dagegen spricht, daß wir hier eindeutig in Feld 4 des Mittelschildes den Wormser Schlüssel sehen. In seiner Trierer Zeit wäre hier das Prümer Lamm gewesen. Wenn das Wappen umgearbeitet worden wäre, hätte das ganze Lamm abgehauen werden müssen, und dann noch einmal der Schlüssel herausgearbeitet werden müssen, wodurch das Ganze wesentlich tiefer liegen müßte wegen des Substanzverlustes, und das ist nicht der Fall. Das spricht insgesamt für eine nachträgliche Anbringung und gegen eine oberflächliche Umarbeitung nur des Herzschildes. Möglich ist hingegen, daß der komplette Mittelteil ausgetauscht wurde, also alles innerhalb des Ovals - um das zu bestätigen, müßte man die Baufugen aus der Nähe sehen. Zur Territorialgeschichte der einzelnen Komponenten des Wappens existiert ein eigener Artikel (ehem. Pfarrhaus Ellwangen).

Eigentlich erinnern in Ellingen nur diese Hochmeister-Wappen daran, daß der Herr dieser Residenz jeweils noch einen Herrn über sich hatte - denn ansonsten steckte er hinsichtlich baulicher und sonstiger Selbstdarstellung und barocker Repräsentation die biedere Zentrale in Mergentheim allemal in die Tasche. Auch entwickelte die Herrschaft in Ellingen unter diesem Landkomtur und folgenden ein Selbstbewußtsein und eine Eigenständigkeit, die von Mergentheim gewiß nicht geschätzt wurden.

Das Wappen des Landkomturs

Das Wappen von Carl Heinrich Freiherr von Hornstein, Landkomtur der Ballei Franken, früher Komtur zu Ellingen und Würzburg, Deutschordensritter, dazu Geheimrat des Clemens August von Bayern, Erzbischof und Kurfürst von Köln, befindet sich ebenfalls am Mittelpavillon der Südseite, hoch über dem dreiteiligen Mittelfenster, aber wesentlich tiefer als das Wappen des Hoch- und Deutschmeisters. Das Wappen zeigt einen gevierten Schild, Feld 1 und 4 in Silber ein durchgehendes schwarzes Kreuz (Deutschordenskreuz), Felder 2 und 3: In Blau über einer goldenen Krone eine halbkreisförmig gebogene silberne Hirschstange. Dieser Schild ist zusätzlich von einem zweiten Schild mit dem schwarzen Deutschordenskreuz in Silber unterlegt. Interessant ist die Gestaltung der Helmzier, die hier aus einer dünnen geschmiedeten metallenen gebogenen und vergoldeten Hirschstange besteht, also ein Vollwappen in Komposit-Technik.

Südfassade in der Novembersonne

An dieser Fassade wird auch deutlich, welches architektonische Konzept der Bauherr verfolgte. Er verzichtete auf die traditionelle, gerade auf das Hauptportal hinführende Achse, die hier durch ein Gartenparterre von Süden nach Norden direkt auf diese Fassade geführt hätte. Im Gegenteil, Hauptachse wurde unter Landkomtur von Hornstein die West-Ost Achse, parallel zum Hauptflügel des Schlosses. Gerade mit Errichtung der dieser Hauptfassade gegenüberliegenden Brauerei wurde ein neues Raumgefühl erschaffen, nämlich die Erweiterung der West-Ost-Achse zu einem Ehrenhof, wobei sich erst in diesem Hof das Umknicken der Wegrichtung um 90 Grad auf das Hauptportal hin vollzieht. Baumeister war Franz Keller (1682-1724). Erst nach dessen Tod war für die späteren Bauten unter Landkomtur von Hornstein Franz Joseph Roth verantwortlich. 1718 wurde der repräsentative Südflügel (hier im Bild) begonnen, 1720 wurde er fertiggestellt. Im gleichen Jahr noch begannen die Arbeiten für den Westflügel, dieser wurde nur ein Jahr später vollendet. Zeitgleich wurde die Innenausstattung ausgeführt, z. B. durch den Hof-Stuckateur Franz Joseph Roth, der nach Kellers Tod zum verantwortlichen Baumeister avancierte. Die 21 Achsen der dreigeschossigen Hauptfassade sind im Rhythmus 4-4-5-4-4 angeordnet. Die relativ dicht stehenden Pavillons verdichten die Gesamtwirkung und setzen kräftige Akzente in der gravitätisch wirkenden Fassade.

Blick von Südosten

Auf dieser Aufnahme wird deutlich, wie in der Ellinger Residenz das französische Pavillon-System rezipiert wurde, wie die Fassade in Mittelrisalit und Eckrisalite gegliedert und dynamisiert wurde. Die Fassadengestaltung selbst ist aber für barocke Verhältnisse von geringer Tiefenstaffelung und relativ einfach gehalten, desgleichen ist das System der Raumfluchten im Innern noch relativ traditionell und wenig originell. Der hier rechts im Bild sichtbare Ostflügel war der erste, der erbaut wurde, noch unter der Ära von Hornsteins Vorgänger. Im Zuge der weitreichenden Neubauten der Ära Hornstein wurde der Flügel den neueren wiederum angepaßt, besonders hinsichtlich der einheitlichen Dachlandschaft.

Die Ellinger Residenz ist auch sichtbarer Ausdruck einer totalen Wandlung des Deutschen Ordens - der Absolutismus hielt auch hier Einzug. Das Rittertum und der ursprüngliche Auftrag traten zurück, immer weniger Deutschordensritter waren präsent, der Landkomtur sah sich zunehmend als Fürst, den benachbarten katholischen und protestantischen Fürsten ebenbürtig und mit ihnen hinsichtlich Bauleidenschaft und Repräsentation konkurrierend.

Nicht nur wegen seiner riesigen Baumasse ist das Ellinger Schloß eines der wichtigsten barocken Baudenkmäler, sondern vor allem wegen der exemplarisch nachvollziehbaren Auseinandersetzung der Bauherren mit barocken Raumkonzepten. In keinem anderen süddeutschen Barockschloß ist die Vierflügelanlage so originell mit der Kirche als Quertrakt zwischen zwei Durchgängen und mittigem Turm gelöst worden, ferner wurde hier eines der frühesten Paradetreppenhäuser Frankens in die Residenz eingebaut. Auch wurde hier ein sehr interessanter Kompromiß zwischen Vierflügelanlage und Schaufront im Pavillonsystem gefunden, der im Vergleich zu französischen Vorbildern die Risalite dichter aneinander rückt und dadurch weniger elegant, dafür aber viel gravitätischer wirkt. Gemessen am Datum seiner Fertigstellung war das Ellinger Schloß seinerzeit architektonische Avantgarde bezüglich der räumlichen Kontraste und theatralischer Inszenierung. Und im Laufe seiner Geschichte wurde es ein mustergültiges Beispiel für die Planung nicht nur eines isolierten Baukörpers, sondern einer ganzen Schloßlandschaft, die Natur und Stadt mit einbezieht, rythmisiert, aufeinander bezieht, gestaltet, unterordnet.

Literatur:
Die Hochmeister der Residenz Mergentheim, Heft 15 der Schriftenreihe der Vereinigung zur Förderung der wissenschaftlichen Erforschung der Geschichte des Deutschen Ordens e.V. und der Historischen Deutschordens-Compagnie Bad Mergentheim e.V., 1997
http://www.heraldique-europeenne.org/Armoriaux/Teutonique/index.html
http://www.people.freenet.de/heckmann.werder/Wappen.htm
Eugen Schöler, Historische Familienwappen in Franken, Verlag Degener 3. Aufl. 1999
Harald Bodenschatz und Johannes Geisenhof, Deutschordensresidenz Ellingen: Visionen, Pläne und Bauten einer barocken Schloßlandschaft, Schriftenreihe "Stadterneuerung" der Stadt Ellingen, Heft 3, Verlag Buchdruckerei W. Lühker GmbH, Weißenburg in Bayern, Ellingen/Weißenburg 1990, ISBN 3-921-354-22-6
Residenz Ellingen, amtlicher Führer, bearbeitet von Christoph Graf Pfeil, Hrsg. Bayerische Schlösserverwaltung, 8. Auflage, München 2005, ISBN 3-932982-59-2
http://www.barockverein.de, http://www.barockverein.de/Denkmaehler/index.htm

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