Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 225
Ellingen - Stadt des fränkischen Barocks und des Deutschen Ordens

Ellingen (Teil 7)
Rathaus in Ellingen

Das spätbarocke Rathaus von Ellingen ist eines der schönsten Rathäuser von Deutschland, vor allem, weil es absolut stilrein ist und wie aus einem Guß erbaut ist. Die Bauzeit ist 1744-1747, es wurde im Auftrag des Deutschen Orden nach Plänen von Franz Joseph Roth errichtet. Von seiner Funktion her war das Gebäude nicht nur Rathaus, sondern auch Obergerichtsverwalterei. Ursprünglich waren hier neben dem Versammlungsraum für die Ratsherren und den Schreibstuben der Verwaltung noch eine Bäckerei, eine Apotheke, eine Bürgerstube und Gefängnis untergebracht. An der Südwestecke befand sich einst der Pranger zur öffentlichen Zuschaustellung von Missetätern.

Das Wappen im dreieckigen Giebelfeld ist das des Deutsch- und Hochmeisters Clemens August Herzog von Bayern (geb. 16.8.1700 in Brüssel, Sohn des Kurfürsten Maximilian Emanuel von Bayern und der polnischen Prinzessin Sobieska, damit Enkel des Königs Johann von Polen, Priesterweihe 1727, Inhaber diverser Bistümer, reg. 17.7.1732-6.2.1761 als Hochmeister in Mergentheim, gest. 6.2.1761 in Koblenz-Ehrenbreitstein). Ein ähnliches Wappen befindet sich an der Fassade der Schloßkirche von Ellingen, nur mit anderem, korrektem Herzschild (Wittelsbacher Rauten geviert mit Pfälzer Löwen, Näheres siehe dort).

Im Detail drückt dieses Prunkwappen weitere Würden dieses Hochmeisters aus: Erzbischof von Köln (1723-1761), Bischof/Erzbischof von Münster (1719-1761), Osnabrück (1728-1761), Hildesheim (1724-1761) und Paderborn (1719-1761). Man beachte die Vielzahl kriegerischen Geräts und den stattlichen Vorrat an Kanonenkugeln auf dem Gesims. Dem Hauptschild liegt das Hochmeisterkreuz auf, darauf liegt noch einmal ein kleiner Herzschild, und hier stimmt etwas nicht, denn hier ist er nicht mit dem gevierten Inhalt der Herzöge von Bayern versehen, sondern mit einem Rad. Das eigentliche Stammwappen taucht hier überhaupt nicht auf, es ist durch und durch ein Funktionswappen, das aber in seiner typischen Konstellation genau diese eine Person zu definieren dennoch geeignet ist. Ein Rad taucht sehr wohl in diesem Wappen für Osnabrück auf, das ist auch korrekt. Nur im Herzschild hat es nichts zu suchen, denn eine so herausgehobene Stellung im Vergleich zu den anderen vier wäre durch nichts legitimiert. Andererseits fehlt eine Familienkomponente dadurch gänzlich, auch dies ein absolut unplausibler Zustand. Es steht zu vermuten, daß hier bei der einer Rekonstruktion gleichkommenden Wiederherstellung 1950 ein schwerer Fehler passiert ist, indem man sich am Wappen von St. Georg orientierte, nur dort hat das Rad im Herzschild eine gänzlich andere Bedeutung und ist berechtigt, hier jedoch nicht.

Der gevierte Hauptschild enthält im Detail seine fünf geistlichen Ämter wie folgt:

Über dem mittleren der drei großen Fenster mit Oberlichtern des Ratssaales im ersten Obergeschoß befindet sich das Wappen des Landkomturs Franz Sigismund Friedrich Graf von Satzenhofen (1744-1748), flankiert von weiteren Deutschordenswappen. Die von Satzenhofen (Sazenhofen) sind alter bayerischer Adel. Ihr Stammwappen hat in Silber drei rote Balken und ist im Herzschild verwirklicht. Das Wappen hat hier drei Schilde übereinandergelegt, der unterste nur das Deutschordenskreuz tragend, der oberste das Stammwappen.

Das Oberwappen ist typisch barock, ohne Rücksichtnahme auf heraldische Regeln und Traditionen, Heraldik in ihrer Verfallszeit, zur repräsentativen Dekoration verkommen, wie die meisten Wappen in Ellingen. Über dem "Schild-Stapel" eine Laubkrone, darüber ein mickriger Helm mit einer mittlerweile zerstörten Helmzier. Was im Oberwappen schiefläuft, wird unten mit militärischen Dekorationen "wiedergutgemacht". Detailvergrößerung vom Wappen des Landkomturs Franz Sigismund Friedrich Graf von Satzenhofen (1744-1748):

Detail von der östlichen Ratauswand mit spätbarocken Fenster-Dekorationen:

Literatur:
Die Hochmeister der Residenz Mergentheim, Heft 15 der Schriftenreihe der Vereinigung zur Förderung der wissenschaftlichen Erforschung der Geschichte des Deutschen Ordens e.V. und der Historischen Deutschordens-Compagnie Bad Mergentheim e.V., 1997
http://www.heraldique-europeenne.org/Armoriaux/Teutonique/index.html
http://www.people.freenet.de/heckmann.werder/Wappen.htm
Eugen Schöler, Historische Familienwappen in Franken, Verlag Degener 3. Aufl. 1999
Harald Bodenschatz und Johannes Geisenhof, Deutschordensresidenz Ellingen: Visionen, Pläne und Bauten einer barocken Schloßlandschaft, Schriftenreihe "Stadterneuerung" der Stadt Ellingen, Heft 3, Verlag Buchdruckerei W. Lühker GmbH, Weißenburg in Bayern, Ellingen/Weißenburg 1990, ISBN 3-921-354-22-6
Residenz Ellingen, amtlicher Führer, bearbeitet von Christoph Graf Pfeil, Hrsg. Bayerische Schlösserverwaltung, 8. Auflage, München 2005, ISBN 3-932982-59-2
http://www.barockverein.de, http://www.barockverein.de/Denkmaehler/index.htm

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