Bernhard Peter, Gernot Ramsauer und Alex Hoffmann
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1425
Nürnberg (Mittelfranken)

St. Lorenz in Nürnberg (11)
Kaiser-Fenster

Das Kaiserfenster liegt in der Mittelachse der Kirche und bildet das zentrale Chorfenster, genau wie auch das Kaiserfenster von St. Sebald diesen Ehrenplatz einnimmt. Es ist in den Jahren 1476-1477 entstanden und ist ein Werk von Michael Wolgemut und seiner Werkstatt. Da die Weihe des Chores von St. Lorenz 1477 stattfand, dürfte die Fertigstellung etwa zeitgleich anzusetzen sein. Das Fenster besteht aus sechs Reihen zu je sechs Scheiben, darüber die Maßwerkzone. In den beiden prominentesten Feldern, den mittleren Feldern der zweiten Reihe, sind Kaiser und Kaiserin selbst dargestellt, ihre Wappen nehmen die beiden Felder rechts und links daneben ein, also das zweite und fünfte Feld der zweiten Reihe. Die gesamte unterste Reihe enthält Wappen der habsburgischen Besitzungen mit Schildhaltern, insgesamt zwölf Schilde. Über dem Kaiserpaar enthalten vier Felder, die jeweils mittleren Felder der dritten und vierten Reihe, ausschließlich Architektur mit Wimpergen und Baldachinen, die beiden darunter liegenden Felder dadurch besonders betonend.

Zweite Reihe, 2. Scheibe von links: Das Wappen zeigt in Gold einen doppelköpfigen, golden bewehrten und gekrönten schwarzen Adler des Heiligen Römischen Reiches, belegt mit einem Herzschild der Herzöge von Österreich, in Rot ein silberner Balken. Auf dem gekrönten Helm mit schwarz-goldenen Decken ein schwarzer, mit hier silbernen gestürzten Lindenblättchen bestreuter Flug. Dieses Wappen gehört zu Kaiser Friedrich III. (21.9.1415 - 19.8.1493), Sohn von Ernst Herzog v. Österreich (gest. 10.6.1424, Ernst der Eiserne) und Cimburka (Cimburgis) v. Masowien (gest. 28.9.1429) und Enkel von Leopold III. Herzog v. Österreich (1.11.1351 - 9.7.1386) und dessen Frau Verde (Viridis) Visconti.

Friedrich III. wurde, da sein Vater bereits früh verstorben war, als er 9 Jahre alt war, von seinem Onkel Friedrich v. Tirol erzogen. 1424 wurde er Herzog von Kärnten, 1439 Herzog von Österreich. 1439-1444 herrschte er in Vorderösterreich. Am 2.2.1440 wurde er in Frankfurt zum römisch-deutschen König gewählt, aber erst am 17.6.1442 in Aachen und am 19.3.1452 in Rom gekrönt. In seiner Regierungszeit versuchte er sich aus Sicht des Reiches an Nebenschauplätzen der Politik (die eher seine persönlichen, habsburgischen Interessen waren), wie der vergeblichen Zurückeroberung der habsburgischen Besitzungen in der Schweiz, schwächte aber dadurch den Westen des Reiches, was ihm 1444 auf dem Nürnberger Reichstag Ablehnung und Kritik einbrachte, worauf sich Friedrich beleidigt zurückzog und etliche Jahre lang nicht um Deutschland kümmerte. Nürnberg wurde von ihm jedoch mehrfach, 1444, 1456, 1471, 1481, 1485 und 1487 besucht, was auf ein gutes Verhältnis hindeutete, das auch die Fensterstiftung erklärt. Zurück zum Reich: Eine dringend nötige Reichsreform blieb aus, die Mäuse tanzten auf dem Tisch, will heißen: Im Reich kämpften Fürsten und Städte untereinander und gegeneinander um Territorien und Privilegien, während sich der beleidigte Friedrich um seine eigenen Interessen kümmerte, nämlich der Sicherung und dem Ausbau seines Habsburger Hausbesitzes. Ebenso ließ er die Chance einer echten Kirchenreform ungenutzt, als die Sache zwischen Papst Eugen IV. und Gegenpapst Felix V. wieder durch Voranstellung persönlicher Interessen entschieden wurde. Der Deal (vgl. Wiener Konkordat 1448, das die Beziehungen des Hauses Habsburg mit dem Papst regelte) war: Eugen IV. bekam seine Anerkennung durch Friedrich III., Friedrich unterstützt ihn bei anstehenden Streitpunkten und Machtfragen wie Stellung der Konzilien etc. dafür zahlt Eugen IV. an Friedrich Geld und garantiert ihm die anstehende Kaiserkrönung, die dann am 19.3.1452 durch Papst Nikolaus V. als letzte päpstliche Kaiserkrönung in Rom stattfand. Nach ihm ließ sich nur noch Karl V. vom Papst krönen, das aber nicht in Rom, sondern in Bologna. Diese Krönung in Rom war drei Tage nach seiner Hochzeit. Übrigens wurde die Delegation, die die Reichskleinodien zu diesem Anlaß nach Rom brachte, von dem Nürnberger Nikolaus Muffel geleitet. Nach dieser Krönungsreise beanspruchte Friedrich III. die Regierung in Österreich, am 6.1.1453 wurde er Erzherzog (zur Verwirrung unter anderer Zählung, nämlich als Friedrich IV.), zunächst nicht unangefochten, sein eigener Bruder belagerte ihn in seiner Wiener Burg. 1463 löste sich auch dieses Problem durch Albrechts Tod, und Friedrich III. war Alleinherrscher Österreichs, Kärntens und der Steiermark. Wieder kümmerte sich Friedrich mehr um seine Stammländer, mußte sich gegen Überfälle und Eroberungen durch Matthias Corvinus (König von Ungarn und Teilkönig von Böhmen) wehren, der sogar zeitweise von Wien aus regierte. Seine eigenen Bemühungen um die Herrschaft in Böhmen und Ungarn schlugen fehl. In dieser Situation, auf einmal, suchte Friedrich Zuflucht im Reich. Doch die Kurfürsten, die schon einmal seine Abwahl und die Wahl eines Gegenkönigs erwogen hatten, hatten endgültig die Nase voll von seiner glanzlosen und desinteressierten Politik (Spitzname "des Heiligen Römischen Reiches Erzschlafmütze") und wählten am 16.2.1486 seinen Sohn Maximilian zum römischen König, der den Vater nur dadurch beschwichtigen konnte, daß er schriftlich versprach, sich nicht in die Reichsgeschäfte einzumischen. Die Wogen glätteten sich, als am 6.4.1490 Friedrichs Widersacher Matthias Corvinus starb, die Gebiete zurückerobert werden konnten und auch noch die Abdankung des Erzherzogs Siegmund von Tirol erreicht werden konnte, wodurch Friedrich endlich Herr über alle habsburgischen Stammländer war. Das ist die letztendliche Bilanz seiner Regierung, daß er sich in den österreichischen Erblanden schließlich als alleiniger Herrscher durchzusetzen vermochte und damit die Basis für das Habsburgische Großreich legte, nicht zuletzt durch geschickte Verheiratung seines Sohnes mit der Erbin Karls des Kühnen, während er in der Reichspolitik eine Niete war. Er zog sich gegen Ende seines Lebens auf Schloß Linz zurück und pflegte seine Hobbies Alchimie und Astrologie.

Zweite Reihe, 2. Scheibe von rechts: Das Wappen zeigt innerhalb eines roten, mit neun goldenen Zinnentürmen belegten Bordes in Silber fünf (2:1:2) blaue Schildchen, das Wappen Portugals. Auf dem gekrönten Helm mit rot-silbernen Decken wachsend ein goldener Drache. Auch wenn hier die untere Gruppe der Zinnentürme silbern erscheint, die korrekte Farbe ist Gold. Hier sind es einfache Zinnentürme, in der heutigen Form des portugiesischen Staatswappens sind es dreitürmige Kastelle, und auch im historischen Livro do Armeiro-Mor sind sie als dreitürmige Kastelle dargestellt, ihre Anzahl ist im heutigen Staatswappen sieben, im Livro do Armeiro-Mor acht, und hier in St. Lorenz neun. Ähnliche Abweichungen im Detail gibt es bei den blauen Schildchen, heute und ebenso im Livro do Armeiro-Mor werden sie 1:3:1 kreuzförmig angeordnet, ferner sind sie jeweils mit 5 (2:1:2) silbernen Kugeln belegt.

Dieses Wappen gehört zu Leonor Helena de Portugal (18.9.1436 - 3.9.1467), die am 16.3.1452 in Rom den 21 Jahre älteren Kaiser Friedrich III. (1415 - 19.8.1493) 3 Tage vor dessen Kaiserkrönung durch den Papst geheiratet hatte. Ihre Eltern waren Dom Duarte König von Portugal (31.10.1391 - 9.9.1438) und Leonor Infantin von Aragón. Damit waren ihre Großeltern väterlicherseits Dom Joao I. König von Portugal (gest. 14.8.1433) und Philippa von Lancaster (31.3.1360 - 19.7.1415) und mütterlicherseits Don Fernando I. König von Aragón, Valencia, Corcega, Cerdena, Mallorca, Menorca, Sizilien und Jerusalem (27.11.1380 - 2.4.1416) und Leonor Urraca de Castilla Condesa de Alburquerque (1374 - 16.12.1435).

Leonor von Portugal und Kaiser Friedrich III. hatten zum Sohn den späteren Kaiser Maximilian I. (22.3.1459 - 12.1.1519), der sich am 20.8.1477 in Gent mit Maria Herzogin von Burgund verbinden sollte und Vater von Felipe I., König von Kastilien und León (22.6.1478 - 1506) wurde. Zwei weitere Söhne und eine Tochter starben als Kind, und eine weitere Tochter von Leonor und Friedrich war Kunigunde v. Österreich (16.3.1465 - 6.8.1520), die am 3.1.1487 in Innsbruck Albrecht IV. Herzog v. Bayern (15.12.1447 - 1508) heiratete. Diese Heirat war ein Politikum, denn Albrecht hatte dem Vater, Friedrich III, als Mitgift Reichslehen angeboten, die ihm de jure gar nicht gehörten. Friedrich widerrief seine Einwilligung, als Albrecht Regensburg einnahm, die Ehe war aber schon geschlossen und vollzogen, und ein Krieg zwischen Brautvater und Bräutigamsvater konnte nur mühsam verhindert werden.

Unterste Reihe, 4. Scheibe von links: Die anderen Scheiben des Fensters zeigen die Wappen der habsburgischen Länder, von den unterschiedlichsten Schildhaltern präsentiert. Abb. links: In Gold ein roter Löwe, Grafschaft Habsburg, in Rot zwei voneinander abgewandte goldene aufrechte Fische, Grafschaft Pfirt. Die Grafschaft Pfirt im Sundgau bzw. südlichen Oberelsaß (Elsässer Jura) mit dem Hauptort Pfirt (Ferrette) war durch Abtrennung von der Grafschaft Mömpelgard (Montbéliard) entstanden, daher die vertrauten Barben. Die Habsburger erwarben die Grafschaft (mit Thann) 1324 aufgrund einer Heirat, denn Herzog Albrecht II von Österreich hatte die Erbtochter Johanna von Pfirt geheiratet. Da der Lehnsherr eigentlich der Bischof von Basel war, wurden die Habsburger 1325 formell vom Bischof mit Pfirt belehnt. Unterste Reihe, Scheibe ganz rechts: ursprünglich in Gold, später in den Kompositwappen meist in Silber ein schwarzer windischer Hut mit Schnur, Windische Mark, daneben gespalten, vorne in Gold ein schwarzer Adler (eigentlich umgekehrt), hinten dreimal von Rot und Silber gespalten (eigentlich umgekehrt), Herzogtum Oberösterreich.

Unterste Reihe, 3. Scheibe von links: Der optisch linke Schild ist von Silber und Rot fünfmal schräglinks geteilt (hier gewendet) und mit einem goldenen Pfahl belegt, ehemalige Grafschaft Burgau, steht für die habsburgischen Gebiete im südlichen Schwaben. Der optisch rechte Schild zeigt über einem grünen Dreiberg in Rot (eigentlich einen silbernen Balken überdeckend) ein goldenes Tor mit geöffneten Türflügeln, Mark Portenau, Pordenone. Rechts eine Ausschnittsvergrößerung des als Schildhalter dienenden wilden Mannes mit Fell.

Unterste Reihe, 2. Scheibe von links: Der erste Schild zeigt in Rot (falsch, muß Silber sein) einen blauen Adler mit Brustspange (hier abweichend silbern, korrekt wäre rot-golden geschacht), Herzogtum Krain. 1278 kam die einst selbständige Grenzmark an Rudolf von Habsburg nach dessen Sieg auf dem Marchfeld. Als die Meinhardiner (Grafen von Görz) mit Heinrich von Kärnten 1335 ausstarben, konnte das Haus Habsburg Besitz ergreifen. 1364 wurde Krain zum Herzogtum, in zeitnahem Zusammenhang mit der Selbsterhebung der Herrscher von Österreich zu Erzherzögen. 1394 wurde es auch offiziell zum Herzogtum erhoben. Krain gehörte mit der Steiermark, Kärnten, Istrien, Görz und Triest zur Ländergruppe Innerösterreich. Der zweite Schild zeigt in Silber einen golden bewehrten, roten Adler, hier mit einer silbernen Spange, korrekterweise mit goldenen Kleestengeln, gefürstete Grafschaft Tirol. Unterste Reihe, Scheibe ganz links: Der erste Schild zeigt in Rot einen silbernen Balken für das Erzherzogtum Österreich, und der zweite Schild zeigt in Blau 5 (2:2:1) gestellte goldene Adler für Altösterreich, Niederösterreich. Ohne Abbildung: Unterste Reihe, 2. Scheibe von rechts, mit zwei weiteren Schilden habsburgischer Länder.

Literatur, Links und Quellen:
St. Lorenz, Nürnberg: http://www.lorenzkirche.citykirche-magazin.de/
Kunst in St. Lorenz:
http://www.lorenzkirche.citykirche-magazin.de/index.php.....=147
St. Lorenz, Nürnberg:
http://www.nuernberginfos.de/kirchen-nuernberg/lorenzkirche-nuernberg.html
Veröffentlichung der Bilder aus dem Innenraum von St. Lorenz in Nürnberg mit freundlicher Genehmigung von Herrn Marco Popp, Lorenzer Archiv,
wofür ihm an dieser Stelle ganz herzlich gedankt sei.
Veit Funk, Glasfensterkunst in St. Lorenz, Verlag A. Hofmann, Nürnberg 1995, ISBN 3-87191-200-X
Genealogien und Lebensläufe: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9

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