Bernhard Peter, Gernot Ramsauer und Alex Hoffmann
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1421
Nürnberg (Mittelfranken)

St. Lorenz in Nürnberg (7)
Fenster mit Patrizierwappen auf der Südseite, 2. Teil

Hier wird der zweite Teil der Rechteck-Scheiben des sechsten (von Westen gezählt) Fensters im südlichen Langhaus-Seitenschiff vorgestellt, mit Scheiben aus der zweiten und der dritten Reihe. Im Bild sind die zweite und die dritte Reihe des Fensters, aus dem hier die obere Reihe komplett und das mittlere Paar der unteren Reihe einzeln vorgestellt werden.

Abb. unten links: 2. Reihe des Fensters, 3. Scheibe von links: Wappen der Familie Sigwein, in rot-silbern geteiltem Schild ein Steinbockshorn in verwechselten Farben, auf dem Helm mit rot-silbernen Decken ein silbern-rot geteiltes Steinbockshorn wachsend (Schöler Tafel 100, Siebmacher Band: Bg1 Seite: 67 Tafel: 97 und besser in Band: BayA3 Seite: 84 Tafel: 52). Es handelt sich um ein Ehrbares Geschlecht der Reichsstadt, das nicht zum Rat zählte. Die Familienmitglieder waren im Tuchhandel aktiv. Johannes Sigwein bekam von Kaiser Sigismund in Siena im Jahre 1432 einen Wappenbestätigungsbrief. Diese Scheibe befand sich ehemals in der von Herdegen I. Valzner gestifteten Zwölfbotenkapelle und war Teil einer gläsernen Ahnenprobe des Stifters. Damit bezieht sich das um 1410 entstandene Wappen wahrscheinlich auf die Gemahlin von Peter Valzner (gest. 1367), die eine geborene Sigwein war.

Abb. oben rechts: 2. Reihe des Fensters, 4. Scheibe von links: Wappen der Familie Pirckheimer, in einem von Gold und Rot geteilten Schild eine silberne Birke mit Wurzeln (oder allg. ein ausgerissener Baum). Auf dem Helm mit rot-goldenen Decken ein wachsender rot mit goldenem Kragen gekleideter Mannesrumpf mit goldenen Haaren und drei um den Kopf geflochtenen Birkenblättern über der Stirn (Siebmacher Band: BayA1 Seite: 53 Tafel: 51, Band: BayA3 Seite: 12 Tafel: 7). Dieses Wappen kann über das Beiwappen wie das Gegenstück in St. Sebald im Grabner-Paumgärtner-Fenster konkret dem humanistischen Universalgelehrten Willibald Pirckheimer zugeordnet werden (zu dessen Leben siehe bei St. Sebald, Grabner-Paumgärtner-Fenster). Er vermählte sich 1495 mit Crescentia Rieter, gest. 1505, deren Beischild schwarz-golden geteilt ist mit einer golden gekrönten, hier noch silbern, später rot gekleideten Melusine (Siebmacher Band: BayA1 Seite: 106 Tafel: 105, Band: BayA3 Seite: 42 Tafel: 27). Die Scheibe ist auf 1512 datiert und stammt aus der Hirsvogel-Werkstatt, Willibald Pirckheimer lebte bis 1530. Diese Scheibe war einst wie die anderen auch im Heiliggeistspital, wobei diese hier sich zusammen mit vier Imhoff-Wappen in einem Fenster des südlichen Seitenschiffs der Spitalkirche befand.

Details aus dem Pirckheimer-Wappen, links die Helmzier, rechts der Helm.

Details aus dem Pirckheimer-Wappen, links der Schild mit der Birke, rechts der Beischild Rieter.

Abb. links: 3. Reihe des Fensters, 3. Scheibe von links: Wappen der Familie Oertel. Das ist ein ganz besonders harmonisches, einfaches und doch eingängiges Motiv, eine so in sich verzahnte Schildteilung, daß mit einer einzigen von Schildrand zu Schildrand gehenden Linie ein inverssymmetrisches Bild erzeugt wird. Das Wappen ist gewendet, also spiegelbildlich. Deswegen wird es blasoniert als silbern-rot mit eineinhalb Schrägzinnen schräggeteilt, oder als silbern-rot mit einer Gegenschrägzinne schräggeteilt, alternativ auch als silbern-rot mit zwei gegeneinandergekehrten Schrägzinnen schräggeteilt. Auf dem Helm mit rot-silbernen Decken ein geschlossener, beiderseits wie der Schild bez. Flug. Das Wappen wird beschrieben im Schöler, Tafel 18, und im Siebmacher Band: BayA1 Seite: 51 Tafel: 50. Mit dieser Schildteilung gibt es nur wenige Wappen, das seitenverkehrte Bild in den Farben Silber und Schwarz führen beispielsweise die v. Wendelstein aus Schwabach (Siebmacher Band: BayA1 Seite: 61 Tafel: 58). Der Beischild ist der der Familie Groß, in Silber auf einem goldenen Dreiberg ein aus einem roten Kreuz hervorwachsender grüner Lindenzweig (Lindenbaum), hier sehr stark ausgeblichen. Damit läßt sich diese Scheibe zuordnen, sie gehört vermutlich zu Sigmund Oertel (gest. 1525) und seiner Frau Margaretha Groß (gest. 1512), die zusammen 15 Kinder hatten, darunter einen Sohn Florentin. Die um 1500/10 wahrscheinlich in der Hirsvogel-Werkstatt entstandene Scheibe befand sich ehemals im ersten, westlichsten Fenster des südlichen Seitenschiffs der Spitalkirche.

Abb. rechts: 3. Reihe des Fensters, 4. Scheibe von links: Noch ein Wappen der Familie Oertel, dieses Mal in normaler Stellung. Das Beiwappen verweist auf die Familie Gruber, in golden-blau gespaltenem Schild ein Sparren in verwechselten Farben, vermutlich aber hier gewendet dargestellt (Schöler Tafel 23). Die um 1500/10 in der Hirsvogel-Werkstatt entstandene Scheibe befand sich ehemals im ersten, westlichsten Fenster des südlichen Seitenschiffs der Spitalkirche.

Das Wappen der Nürnberger Familie Oertel ist übrigens 1762 einer von Kaiser Franz I. geadelten gleichnamigen Familie verliehen worden. Es handelt sich um die Oertel auf Güntersbühl, die - genealogisch nicht verwandt - nun einen gevierten Schild führten, Feld 1 und 4: in Blau eine silberne Lilie, Feld 2 und 3 das Wappen des ausgestorbenen Nürnberger Geschlechtes. Auf dem Helm mit rechts blau-silbernen und links rot-silbernen Decken ein von den Motiven der Felder 1/4 und der Felder 2/3 übereck geteilter Flug (Siebmacher Band: Bay Seite: 101 Tafel: 121).

Abb. links: 3. Reihe des Fensters, 3. Scheibe von links: Diese Scheibe aus der Hirsvogel-Werkstatt ist sogar beschriftet mit dem Namen "Gabriel nitzl Anno domini 1504". Es ist das Wappen der Familie Nützel, in Rot ein gestürztes silbernes Dreieck, an den Spitzen mit halben silbernen Lilien besteckt, auf dem Helm mit rot-silbernen Decken auf einem roten Kissen ein silberner Glevenstab (Stab mit einer oberhalben Lilie). Zwei Beiwappen begleiten das Nützel-Vollwappen, heraldisch rechts der Schild der Fürer, gespalten, vorne in Rot eine halbe silberne Lilie am Spalt, hinten in Silber ein halbes rotes Rad am Spalt, heraldisch links der Schild der Groß, in Silber auf einem goldenen Dreiberg ein aus einem eigentlich roten Kreuz hervorwachsender eigentlich grüner Lindenzweig (Lindenbaum). Es handelt sich hier um den Ratsherrn Gabriel II. Nützel (1480-1533), der 1499 Katharina Groß (gest. 1505) geheiratet hatte und 1506/07 Christina Fürer (1487-1520). Er war der Sohn von Gabriel I. und Vater von Gabriel III. sowie Großvater des kaiserlichen Rates Karl I. Nützel. Das Fürer-Beiwappen wurde nachträglich eingefügt, weil die Hochzeit nach der Datierung des Fensters stattfand.

Abb. rechts: 3. Reihe des Fensters, 4. Scheibe von links: Wappen genau wie zuvor beschrieben, beschriftet mit "Caspar nitzel Anno domini 1504". Der Beischild verweist auf die Held gen. Hagelsheimer bzw. Held von Hagelsheim, in Schwarz ein silberner Schrägbalken, mit einem nach der Figur gelegten roten (hier ausgeblichen) Pfeil belegt (Schöler S. 56, Tafel 148, Siebmacher Band: SchlA3 Seite: 85 Tafel: 53, vgl. auch Band: Pr Seite: 163 Tafel: 212). Der Ratsherr Kaspar I. Nützel (um 1471-1529) war der Bruder des vorgenannten Gabriel II. Er hatte 1499 Klara Held (gest. 1547) geheiratet.

Abb. links: 3. Reihe des Fensters, 2. Scheibe von rechts: Gewendetes Stammwappen der Patrizierfamilie Behaim, von Rot und Silber gespalten, belegt mit einem schräglinken schwarzen Wellenbalken (hier komplett gewendet). Auf dem Helm mit rot-silbernen Decken ein auffliegender silberner Adler mit einer schwarzen Krone um den Hals. Das Beiwappen verweist auf die Familie Volckamer, es ist von Silber und Blau geteilt, oben ein halbes rotes Rad mit drei Speichen, unten eine silberne Lilie (wird beim Volckamer-Fenster von St. Sebald genauer besprochen). Diese Kombination paßt zu Leonhard Behaim, geb. 1433, gest. 1486, vermählt 1455 mit Kunigunde Volckamer, geb. 1433, gest. 1496, Tochter von Georg Volckamer und Katharina Münzmeister. Es handelt sich bei der von der Hirsvogel-Werkstatt geschaffenen Scheibe um eine Gedächtnissstiftung aus dem Jahr 1504 (vgl. nachfolgende, hierzu passende Scheibe) im Auftrag von Michael VII. Behaim für seine Eltern.

Abb. rechts: 3. Reihe des Fensters, Scheibe ganz rechts: Wappen genau wie zuvor beschrieben, aber dieses Mal in normaler Stellung und auch auf 1504 datiert, also spiegelbildlich zum ersten Bild. Auch diese Scheibe stammt aus der Hirsvogel-Werkstatt. Diesmal verweist der Beischild auf die Familie Winter, er zeigt in blau-golden geteiltem Schild ein aufspringendes Einhorn in verwechselten Farben (Siebmacher Band: BayA3 Seite: 143 Tafel: 98). Die hier nicht abgebildete Helmzier wäre auf dem blau-golden bewulsteten Helm mit ebensolchen Decken ein goldenes Einhorn wachsend. Diese Konstellation paßt zu Michael VII. Behaim, geb. 9.7.1459, gest. 24.10.1511, Ratsherr und 1502-1511 Ratsbaumeister, vermählt mit Margareta Winter (gest. 1519), einer Tochter des Augsburger Kaufmanns Hans Winter. Er ist der Sohn des oben erwähnten Leonhard Behaim. Beide Beiwappen begegnen uns übrigens wieder in St. Sebald auf dem gemalten Behaim-Stammbaum.

Literatur, Links und Quellen:
St. Lorenz, Nürnberg: http://www.lorenzkirche.citykirche-magazin.de/
Kunst in St. Lorenz:
http://www.lorenzkirche.citykirche-magazin.de/index.php.....=147
St. Lorenz, Nürnberg:
http://www.nuernberginfos.de/kirchen-nuernberg/lorenzkirche-nuernberg.html
Veröffentlichung der Bilder aus dem Innenraum von St. Lorenz in Nürnberg mit freundlicher Genehmigung von Herrn Marco Popp, Lorenzer Archiv,
wofür ihm an dieser Stelle ganz herzlich gedankt sei.
Siebmachers Wappenbücher, insbesondere der Band Bayern
Eugen Schöler, Historische Familienwappen in Franken, Verlag Degener / Bauer Raspe, Neustadt an der Aisch, 3. Aufl. 1999, Nachdruck 2002, ISBN 3-87947-112-6

Peter Fleischmann, Rat und Patriziat in Nürnberg. Nürnberger Forschungen, Einzelarbeiten zur Nürnberger Geschichte, herausgegeben vom Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg. Bände 31/1, 31/2, 21/3 (Stammbäume) und 31/4. VDS Verlagsdruckerei Schmidt, Neustadt an der Aisch. ISBN 978-3-87191-333-4.
Veit Funk, Glasfensterkunst in St. Lorenz, Verlag A. Hofmann, Nürnberg 1995, ISBN 3-87191-200-X
Hartmut Scholz: Corpus Vitrearum Medii Aevi Deutschland Bd. X, 2, die mittelalterlichen Glasmalereien in Nürnberg, St. Sebalder Stadtseite, Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, Berlin 2013, 712 S., ISBN 978-3-87157-236-4, S. 460 ff.,
http://www.corpusvitrearum.de/projekt/publikationen/cvma-x-2.html, pdf: http://www.corpusvitrearum.de/fileadmin/user_upload/PDF/CVMA_X_2_Nuerrnberg_Sebalder_Stadtseite.pdf

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