Bernhard
Peter
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Photos schöner alter Wappen Nr. 308
Mainz -
Erzbischöfe, Kurfürsten, Adelspaläste
Das Schloß in Mainz - Teil (1): Baugeschichte
Das Mainzer Schloß besteht aus zwei rechtwinklig aufeinanderstoßenden Flügeln, die ungleich lang und ungleich breit sind, aber dennoch aufgrund ihrer einheitlichen Gestaltung harmonisch wirken. Beide Flügel sind dreigeschossig und tragen ein hohes Walmdach. Der Ostflügel steht parallel zum Rhein und ist 75 m lang und 15 m breit. Der Nordflügel ist 84,5 m lang und 18 m breit. Wo er auf den Rheinflügel trifft, springt er risalitartig zum Rheinufer hin vor. Der Ostflügel mißt 16 Fensterachsen Länge, der Nordflügel besitzt eine zusätzliche Fensterachse. Die Schmalseiten sind dreiachsig. Ein besonders schöner Bauschmuck sind die beiden typischen Erker am Kopfende des Ostflügels, wie man sie häufig in der Mainzer Stadtarchitektur sieht: übereck gestellte Rechteckerker. Das ganze Schloß weist einen roten Anstrich auf, der zu den zahlreich verbauten Schmuckelementen aus rotem Sandstein paßt.
Abb.: Rheinflügel (Ostflügel), links südlicher Abschluß, rechts erste Fensterachsen auf der Rheinseite
Ganz früher residierten die Mainzer Erzbischöfe in der Nähe des Domes. So ist dort noch eine Privatkapelle von ca. 1137 zu sehen. Die nachfolgende Residenz der Erzbischöfe war die Martinsburg in der Nordostecke der Stadt direkt am Rheinufer, von Erzbischof Diether von Isenburg angelegt, 1478-1481 während seiner zweiten Regierungszeit (er war in der Tat einer der wenigen Erzbischöfe, die nicht durch Tod aus dem Amt schieden, wenigstens nicht beim ersten Mal) durch Henne Moor erbaut. Der Bau einer Burg war Teil einer Abmachung zwischen ihm, der Stadt und dem Domkapitel im Vorfeld seiner Wiederwahl. Die Martinsburg wurde nach Schäden 1552 im Stile der Renaissance restauriert und später noch erweitert. Erst 1807-1809 wurde die Martinsburg mit Erweiterungsbauten unter Napoléon Bonaparte während der französischen Besetzung der Stadt (1798 - 1814) abgerissen. Reste der Fundamente und Gräben kann man noch auf der Rheinseite des heutigen Schlosses erkennen.
Abb.: Rheinflügel (Ostflügel), links südlicher Abschluß, rechts Erkerunterbau
Soweit zum Vorgängerbau, der durchaus noch parallel genutzt wurde, während man am Mainzer Schloß baute. Die Funktion der Martinsburg sollte das neue Schloß im Stile der Renaissance übernehmen. Weiterhin stand den Mainzer Erzbischöfen noch eine weitere Residenz zur Verfügung, nämlich das Schloß zu Aschaffenburg, welches auch ausgiebig genutzt wurde. Also ganz obdachlos waren die Erzbischöfe nicht, während 125 Jahre lang an dem neuen Mainzer Schloß in der Dieter-von-Isenburg-Straße gebaut wurde. Das neue Schloß von Mainz, so harmonisch es auch heute sich dem Auge des Betrachters präsentiert, war aber in der Tat eine echte Schwergeburt:
Abb.: Rheinflügel (Ostflügel), Innenhofseite, Markierung der Bauphasen
Rheinflügel: Die ältesten Teile des Schlosses sind am Rheinflügel die acht südlichen Achsen. Sie wurden 1627 als Erweiterungsbau der Martinsburg begonnen, im dreißigjährigen Krieg, Bauherr war der Erzbischof Georg Friedrich von Greiffenclau (1626-1629). Man hatte andere Sorgen, und es sollte das einzige in der Kriegszeit begonnene Großprojekt des Kurstaates sein. Dieser Rheinflügel sollte die Martinsburg mit dem 1555-57 erbauten Kanzleigebäude und der 1570-81 errichteten Gangolfkapelle verbinden. Greiffenclau erlebte aber die Fertigstellung nicht mehr. Den Baufortschritt bis zu seinem Tod markieren die vorhandenen Wappen, die sich im Sockelmauerwerk finden lassen, ferner das Glevenrad in den Metopenfeldern der Gebälkzone des Erdgeschosses; bis zu dieser Höhe war man gekommen.
Danach gab es eine größere Lücke: Sein Nachfolger, Anselm Casimir Wambolt von Umstadt (1629-1647), baute weiter, konnte den Bau aber auch nicht vollenden, vielmehr mußte er das halbfertige Gebäude zurücklassen und 1631 vor den Schweden im 30jährigen Krieg fliehen. Den Baufortschritt unter diesem Fürstbischof kann man gut nachvollziehen; seine Wappen, die Initialen AC und die Datierungen 1629 und 1631 in den Brüstungsfeldern der Erker bis zum Hauptgesims markieren den Zuwachs während seiner Regierungszeit. Ab 1631 wurde nichts mehr gemacht.
Abb.: Rheinflügel (Ostflügel), Innenhofseite, Markierung der Bauphasen
Desgleichen kam man weder unter Johann Philipp von Schönborn (1647-1673) noch unter Lothar Friedrich von Metternich-Burscheid (1673-1675) zu einem Ende. Erst unter Damian Hartard von der Leyen (1675-1678) konnte für diesen Teil 1678 Richtfest gefeiert werden. Baumeister Matthias von Saarburg hatte diesen Teilbau inzwischen vollendet. Am Kranzgesims sind die von der Leyen-Wappen und markieren die Erreichung der vollständigen Höhe unter diesem Fürstbischof.
Nun wird der Bau nach Norden um weitere acht Achsen verlängert, noch in der Regierungszeit von Damian Hartard von der Leyen. Die alte Martinsburg stand dabei noch im Weg, so daß die Ostseite eine Hofwand der Martinsburg bildete, folglich wurde zuerst die stadtseitige Fassade errichtet, dann kam die rheinseitige Wand dran. An der Nordseite wurde eine dreischiffige Torhalle als Abschluß gebaut. Aus schwarzem Nassauer Marmor gefertigte Portale werden dem Bau aus rotem Sandstein auf seiner stadtseitigen Westseite vorgesetzt. Die Türen werden von je einem Säulenpaar mit Kompositkapitell flankiert.
Alle drei Geschosse des Rheinflügels sind gleich hoch und werden von kraftvoll profilierten Gesimsen voneinander getrennt. Die Wand wird rhythmisiert durch die Portalachsen, die als Pilastertravéen ausgebildet sind, also verbreitert, leicht vorgezogen, durch Pilaster eingefaßt und mit Balkonen in jedem Obergeschoß hervorgehoben sind. Die ganze Fassade wird so durch Pilaster kanonischer Ordnung vertikal gegliedert. Unter jedem Gesims verlaufen die Friese dieser Ordnung mit den heraldisch genutzten Metopen. Die Giebel der Fenster sind unterschiedlich ausgeführt: Im Erdgeschoß sehen wir gesprengte Segmentbogengiebel, darüber sind es gesprengte Schweifgiebel, und im obersten Geschoß gesprengte Dreiecksgiebel über den Steinkreuzfenstern.
Abb.: Nordflügel, Innenhofseite, Markierung der Bauphasen
Nordflügel: Der rechtwinklig angebaute Nordflügel wird danach unter Anselm Franz von Ingelheim (1679-1695) in den Jahren 1687/88 in Angriff genommen. Seine Wappen sind an der Westseite des Sockels zu finden. Doch wieder kommt es zu einer unfreiwilligen Unterbrechung der Bauarbeiten, und die Kurfürsten (zwei weitere folgten in der Zwischenzeit auf dem Erzbischofsthron) konnten ihren Repräsentationsbau immer noch nicht wie geplant vollenden. Vielleicht schon zu Anfang, spätestens aber ab dem Ende des 17. Jh. verfolgte man die Idee, das Schloß insgesamt dreiflügelig mit einem großen Ehrenhof zu konzipieren, doch dazu sollte es nie kommen. Denn 1688 besetzten die Franzosen Mainz (Pfälzischer Erbfolgekrieg), und man hatte andere Sorgen.
Fürstbischof Johann Friedrich Karl von Ostein (1743-1763) vollendete den Außenbau des Nordflügels in den Jahren 1750-1752. Der Entwurf stammt von Anselm Franz Freiherr von Ritter zu Grünstein, der den Nordflügel auf bereits bestehendem Sockel aufführte. Dabei wurde auch die rheinseitige Baulücke am Ostflügel unter Beibehaltung des vorgegebenen Gliederungs- und Schmuckschemas geschlossen, die von der Leyen nicht vollendet hatte, so daß die Fassade nun rheinseitig komplett war. Die Hoffassade greift die durch den Ostflügel vorgegebene Gestaltung weitgehend auf. Die Nordfassade weicht hingegen ab: Nicht nur treten hier zwei Eckpavillons aus Hausteinen hervor, sondern auch stilistisch mehr dem damaligen Zeitgeschmack entsprechend und insgesamt ruhiger. Die Schmalseiten haben eine doppelte Pilasterstellung als äußere Rahmung; die mittlere Achse ist leicht vorgezogen und trägt oben eine kleine Attika. Die dreibogige Durchfahrt am nördlichen Kopfende des Ostflügels wurde geschlossen; nur der mittlere Durchfahrtsbogen blieb, und hier wurde ein neues Treppenhaus am nördlichen Ende des Ostflügels eingebaut. Das wurde erst 1807 beseitigt. 1910-13 wurde hier eine dreischiffige, gewölbte Torhalle gebaut.
Abb.: Rheinflügel (Ostflügel), Außenseite (Rheinseite), Markierung der Bauphasen
Nach fünf (!) weiteren Kurfürsten konnte endlich der letzte von ihnen, Friedrich Karl Joseph von Erthal (1774-1802), den Bau auch innen vollenden. Nach der Fertigstellung 1752 erfolgte die Innenausstattung, 1775/76 erst wird der große Akademiesaal im Nordflügel eingebaut. Bis in napoleonische Zeit bestand der kurfürstliche Residenzkomplex aus Schloß, Martinsburg, Kanzleigebäude und Schloßkapelle. Erst 1807 wurde das Schloß baulich freigestellt.
Unfaßbar: Ab Grundsteinlegung waren runde 150 Jahre vergangen, 13 Kurfürsten hatten daran gebaut. Was würden wir erwarten? Ein Potpourri aus Stilen und Modeerscheinungen, ein riesiges Mischmasch in der Architektur? Nichts dergleichen. Und das ist das eigentliche Faszinierende an diesem Schloß: Die lange Bauzeit, die ständig wechselnden Bauherren, die politischen und militärischen Wirren, all das ist ohne Einfluß auf die Formen geblieben, das Schloß ist eine klare Einheit und ist im Sinne und Stile der Renaissance bis zuletzt zu Ende gebaut worden und wirkt daher wie aus einem Guß, selbst als die Stadt außenherum mit Eifer barockisiert wurde und die Architektur mit der Zeit ging. Einziger Tribut an die schleppende Baugeschichte: Es kann nur gemutmaßt werden, daß ursprünglich eine Dreiflügelanlage oder gar wie in Aschaffenburg eine Vierflügelanlage entstehen sollte, wovon letztendlich nur zwei Flügel unterschiedlicher Länge realisiert wurden. Das tut der Schönheit der vorhandenen Flügel aber keinen Abbruch. Und gut, ab und zu gibt es mal eine Kartusche am Nordflügel, die Rocaille-Formen hat, als kleinen Tribut an die barocke Zeit.
Doch warum die lange Bauzeit? Es waren nicht nur die militärischen und politischen Wirren. Zum einen war man eigentlich mit Residenzkapazität versorgt, man hatte die Martinsburg, von der man sich nicht radikal durch Abriß trennen wollte, man hatte Aschaffenburg. Zusätzlich investierte man Anstrengung und Ressourcen in die Ausstattung der Stadt mit repräsentativen Adelshöfen und freute sich an neuen Palais im Stile der Zeit. Und last but not least baute der Kurfürst ab ca. 1700 Schloß Favorite vor der Stadt gegenüber der Mainmündung (1793 bei der Belagerung durch die preußische Armee zerstört).
Abb.: Rheinflügel (Ostflügel), nördlicher Abschluß0 und Detail der zentralen Fensterachse
Lange konnte sich Friedrich Karl Joseph von Erthal (1774-1802) nicht an seinem fertigen Schloß erfreuen: Nur ein Vierteljahrhundert später schon werden die Kurfürsten vertrieben, der Kurstaat säkularisiert, und der schöne dreigeschossige Bau aus rotem Sandstein wird geplündert und als Kaserne, als Lazarett, als Zollmagazin und Zollbehörde und als Lagerhalle genutzt. 1792 tagte hier der Jakobinerklub während der Mainzer Republik. Ab 1842 diente das Schloß kulturellen Zwecken als Gemäldegalerie, Antikenmuseum und Stadtbibliothek. 1903-1925 wurde das Schloß restauriert. Das Wüten der Revolutionäre hatte böse Spuren am Dekor hinterlassen, und bei dieser Restaurierung wurden u. a. die Kurhüte an den gesprengten Giebelverdachungen wiederhergestellt und die Portraitbüsten an den Verdachungen der Obergeschosse sinngemäß durch solche von wichtigen Persönlichkeiten der Stadt- und Territorialgeschichte ersetzt. Das Schloß wurde im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt und brannte 1942 aus, wurde 1948-50 im Äußeren originalgetreu, im Inneren zweckmäßig wiederhergestellt. Heute sind im Ostflügel Teile des Römisch-Germanischen Zentralmuseums untergebracht, einige wiederhergestellte Säle dienen repräsentativen Anlässen.
Abb.: Rheinflügel (Ostflügel), Außenseite
Das Schloß ist außen überreich mit heraldischen Symbolen ausgestattet. Zum einen haben wir die klassischen farbig gefaßten Wappenschilde, in Giebeln, über Portalen, an Balkongeländern etc. Zum andern haben wir wie in Aschaffenburg in den plastischen Bauschmuck eingearbeitete Motive, an Sockeln, über Fenstern, in Kartuschen. Dabei geht der Charakter des Wappens als solches zugunsten des Ornaments verloren; heraldische Motive sind willkommene Füllungen für von Ornamenten gerahmte Felder. Der Rheinflügel wird geprägt von Wappen von Greiffenclau und Wambolt von Umstadt, erstere am Sockel und im Erdgeschoß, letztere im ersten Stock. Die Bauten aus der Zwischenzeit zeigen das von-der-Leyen-Wappen. Der Nordflügel wird dominiert von den Wappen von Ingelheim und von Ostein, dazu ein Breidbach-Wappen am Balkon. Somit wird das schleppende und phasenweise Fortschreiten des Bauprozesses an den einzelnen Wappen ablesbar.
Zur Übersicht ein Ausschnitt aus der Liste der Mainzer Erzbischöfe und Kurfürsten:
In der Liste sind alle Kurfürsten, die heraldische Spuren am Schloß hinterlassen haben, dunkelrot markiert. Die früheren Kurfürsten finden wir eher am Rheinflügel, die späteren am Nordflügel, die früheren am Sockel bzw. im Erdgeschoß, die späteren in den oberen Etagen bzw. Giebeln. Das Mainzer Rad finden wir ubiquitär. Der Vollender des Innenausbaus, Friedrich Karl Joseph von Erthal (1774-1802), ist an den Fassaden nicht heraldisch vertreten.
Berthold von Henneberg
(1484-1504)
Jakob von Liebenstein (1504-1508)
Uriel von Gemmingen (1508-1514)
Kardinal Albrecht von Brandenburg (1514-1545)
Sebastian von Heusenstamm (1545-1555)
Daniel Brendel von Homburg (1555-1582)
Wolfgang von Dalberg
(1582-1601)
Johann Adam von Bicken (1601-1604)
Johann Schweikhard von Kronberg
(1604-1626) - Erbauer der Aschaffenburger Residenz
Georg Friedrich
von Greiffenclau (1626-1629)
- Beginn Rheinflügel, Sockel und Erdgeschoß
Anselm Casimir Wambolt von Umstadt (1629-1647) - 1. Stock Rheinflügel
Johann Philipp von Schönborn
(1647-1673)
Lothar Friedrich von Metternich-Burscheid (1673-1675)
Damian Hartard
von der Leyen (1675-1678)
- Vollendung Rheinflügel und Verlängerung
Karl Heinrich von
Metternich-Winneburg (1679-1679)
Anselm Franz
von Ingelheim (1679-1695) -
Beginn Nordflügel
Lothar Franz von Schönborn
(1695-1729)
Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg (1729-1732)
Philipp Karl von Eltz (1732-1743)
Johann
Friedrich Karl von Ostein (1743-1763) - Vollendung Nordflügel
Emmerich Joseph von Breidbach zu Bürresheim (1763-1774) - Ausbau Nordflügel
Friedrich Karl Joseph von
Erthal (1774-1802) - Vollendung Ausbau Nordflügel
Literatur:
Baedeker: Mainz, Karl
Baedeker-Verlag, 2004. ISBN 3-87954-074-8
Werner Schäfke: Der Rhein von Mainz bis Köln, eine Reise durch
das romantische Rheintal, DuMont Kunstreiseführer, DuMont
Verlag, Köln 2006, ISBN 978-3-7701-4799-1
Siebmachers Wappenbuch.
Otto Gruber: Wappen des
mittelrheinisch-moselländischen Adels, Trier 1962-1965, incl.
Nachtrag Trier 1967, ebenfalls veröffentlicht in verschiedenen
Jahrgängen der "landeskundlichen
Vierteljahresblätter".
http://www.ccmainz.de/cms/index.php?id=51
Denkmaltopographie Bundesrepublik
Deutschland, Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz, Stadt Mainz,
Band 2.2: Altstadt, bearb. von Ewald Wegner, hrsg. vom Landesamt
für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz 1988, Wernersche
Verlagsgesellschaft Worms, 3. Auflage 1997, ISBN 3-88462-139-4,
S. 164-169
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