Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 123
Würzburg - ein heraldischer Leckerbissen

Dom zu Würzburg, Kenotaph für Neidhardt von Thüngen

An der Westwand des Querschiffs befindet sich im Kiliansdom ein Kenotaph für den in Würzburg verstorbenen Bamberger Fürstbischof Neidhardt von Thüngen (1.5.1545-26.12.1598). Begonnen hatte der Fürstbischof seine Karriere am 21.2.1553 als Domizellar in Würzburg. Die Übernahme der Pfründe wurde möglich, weil Johann Konrad von Thüngen ausschied und die Präbende freimachte. 1561 ist er an der Universität Köln, 1562 an der Universität Freiburg i. Br. immatrikuliert, 1564 an der Universität Leuven. 1569 ging er zu Kapitel, d. h. er wurde Domkapitular. Hier in Würzburg stieg Neidhardt von Thüngen auch in weitere Kirchenämter auf, wurde am 11.9.1571 Domscholaster und 1574 Domdekan (Domdechant). Und er wurde am 1.4.1574 Propst des Stifts Neumünster (gegen den von der römischen Kurie empfohlenen Gebhard Truchseß von Waldburg, dem späteren Erzbischof von Köln) sowie 1591 Propst des Ritterstifts St. Burkard in Würzburg. 1591 bekam er auch die Propstei St. Jakob in Bamberg. 1574 immatrikulierte er sich in der Universität Siena. 1583 wurde er unter Julius Echter von Mespelbrunn Dompropst in Würzburg. Er wurde auch 1585/86 Rektor der Würzburger Universität. Eine Vakanz des Würzburger Bischofsstuhls erlebte er nicht mehr, denn Julius Echter lebte bis 1617. Deshalb war es gut, im Hochstift Bamberg noch ein zweites Eisen im Feuer zu haben: 1572 wurde er Domizellar in Bamberg, 1591 stieg er zum Domdekan auf. Und als Ernst von Mengersdorf das Zeitliche segnete, war Neidhardts Stunde gekommen, und er wurde am 14.11.1591 in Bamberg zum Bischof gewählt. Die Neumünsterpropstei behielt er auch als Bischof bei. Mit seinem Amtskollegen Julius Echter von Mespelbrunn verstand er sich nach wie vor prächtig, und gemeinsam betrieben sie die Gegenreformation und Rekatholisierung in beiden Hochstiften. Er verstarb zwar in Würzburg, doch er wurde nach Bamberg in den Dom zur Beerdigung gebracht. In der Klosterkirche auf dem Michaelsberg ist ein weiteres Epitaph für ihn. Das Würzburger Kenotaph zeigt den Bischof im Chormantel kniend vor dem Kruzifix.

 

Im Aufsatz ist das Amtswappen des Fürstbischofs Neidhardt von Thüngen (Bischof von Bamberg 1591-1598) zu sehen. Der Wappenschild ist geviert: Feld 1 und 4: in Gold ein rotbewehrter und rotgezungter, schwarzer Löwe, überdeckt von einer silbernen Schrägleiste, Hochstift Bamberg, Feld 2 und 3: in Silber ein mit drei goldenen Wellenpfählen belegter roter Balken, Familienwappen der von Thüngen. In der Mitte ruht auf dem Schild die Kaiserkrone, und dahinter sind Schwert und Krummstab zu sehen. Dazu gehören zwei Kleinode: Helm 1 (rechts): ein rundes, goldenes, ringsum pfauenfederbestecktes Schirmbrett, auf dem sich der schwarze Löwe mit der silbernen Schrägrechtsleiste vom Schildbild wiederholt, Helmdecken schwarz-golden, Hochstift Bamberg, Helm 2 (links): ein wachsender Männerrumpf ohne Arme, rot gewandet, mit silbernem Kragenaufschlag, bärtig, mit einem roten Hut mit silbernem Aufschlag, besteckt mit einem schwarzen Hahnenfederbusch, Helmdecken rot-silbern, Stammkleinod der von Thüngen.

Die Ahnenprobe besteht aus acht Wappenschilden für die acht Urgroßeltern. Dabei sind diese Schilde, von denen einer fehlt, wie folgt angeordnet: Rings um das zentrale Feld mit der Darstellung des Bischofs sind die Wappen der vier Großeltern bzw. der vier Urgroßväter (ohne Detail-Abb., siehe Übersichtsaufnahme). Die beiden oberen Schilde werden von Engeln gehalten, die beiden unteren von Löwen. Dabei folgen diese der klassischen Anordnung: Der Schild für den Großvater väterlicherseits sollte heraldisch rechts oben sein, das ist der für Kaspar von Thüngen (in Silber ein mit drei goldenen Wellenpfählen belegter roter Balken). Der Schild für die Großmutter väterlicherseits ist heraldisch rechts unten, das ist der für Agnes Riedesel von Eisenbach (in Gold ein schwarzer, hersehender Eselskopf mit drei grünen Blättern im Maul). Der Schild für den Großvater mütterlicherseits sollte heraldisch links oben sein, das ist der für Balthasar von Steinau gen. Steinrück (in Silber drei (2:1) schwarze Räder). Doch in der Realität fehlt genau dieses Wappen, und der Thüngen-Schild wurde bei einer Reparatur auf der falschen Seite angebracht! Und der Schild für die Großmutter mütterlicherseits befindet sich heraldisch links unten, das ist der für Apollonia von Ebersberg genannt Weyhers (in Blau eine silberne Lilie). Mit diesen vier Schilden sind zugleich die vier Urgroßväter abgedeckt, Einhard von Thüngen, Hermann Riedesel von Eisenbach, Hildenbrand von Steinau gen. Steinrück und Philipp von Ebersberg genannt Weyhers.

Die Ahnenprobe wird erweitert durch vier nebeneinandergestellte und in der Mitte durch eine Löwenmaske getrennte Wappenschilde auf dem oberen Fries. Diese vier Wappenschilde stehen für die vier Urgroßmütter, wobei heraldisch rechts der Mitte (Abb. oben) diejenigen stehen, die den geringsten Abstand zum Mannes- und Namensstamm haben. Dabei ist immer die Person aus der Familie des Vaters des Probanden rechts, die aus der Familie der Mutter des Bischofs heraldisch links. Wenn wir die acht Urgroßeltern, immer zuerst Mann, dann Ehefrau, von 1-8 durchnumerieren, ist die Abfolge auf dem Sims von optisch links nach rechts 2 - 6 - 4 - 8. Die Positionen 1, 3, 5 und 7 bildeten ja bereits die vier Ecken rings um das Zentralfeld des Epitaphs. Optisch ganz links auf dem Gesims, also heraldisch ganz rechts, steht der Schild für die Urgroßmutter Margareth von Heßler (hier blau-golden schräggeviert, vgl. Aschaffenburger Wappenbuch, dort umgekehrt) aus der Thüngen-Seite (Ziffer 2), gefolgt von dem für Margareth von Hatzfeld (geviert, hier Feld 1 und 4: in Silber drei (2:1) rote Rosen oder Mispelblüten, Feld 2 und 3: in Gold ein hier roter, normalerweise schwarzer Maueranker; Anordnung normalerweise andersherum, Maueranker in Feld 1 und 4) aus der Steinau-Seite (Ziffer 6).

Heraldisch links der Mitte (Abb. oben) folgen die beiden Schilde für die zwei Urgroßmütter, die den weitesten Abstand zum jeweiligen Mannes- und Namensstamm haben. Dabei ist die Dame aus der Familie des Vaters des Probanden rechts, die aus der Familie der Mutter des Bischofs heraldisch links. Optisch links, also heraldisch rechts sehen wir den Schild für die Urgroßmutter Agnes von Hopfgarten / Hopffgarten (in Silber zwei schräggekreuzte, schwarze, dreizinkige Streitgabeln) aus der Thüngen-Seite (Ziffer 4). Optisch rechts, also heraldisch ganz links sehen wir den Schild für die Urgroßmutter Eva Erlein (Erlin) von Rohrburg aus der Steinau-Seite (Ziffer 8). Lt. Siebmacher Band: Els Seite: 7 Tafel: 9 führt diese elsässische, insbesondere straßburgische Familie in Blau einen gekrönten, goldenen Jungfrauenadler, auf dem Helm zu blau-goldenen Decken wird ein gekrönter, goldener Jungfrauenadler geführt. Die Tinkturen werden durch Rietstap bestätigt. Hier ist jedoch die Feldfarbe Rot, das wären aber die hessischen von Mörlau oder von Merlau. Da letzteres Wappen in Franken geläufiger sein dürfte, ist von einer Verwechslung und Fehltingierung auszugehen.

Übersicht über die Vorfahren von Neidhardt von Thüngen mit Bezifferung:

Eltern:
  • Karl von Thüngen zu Wüstensachsen und Greifenstein, würzburgischer Amtmann zu Homburg/Wern und Fladungen (1)
  • Elisabeth von Steinau gen. Steinrück (5)

Großeltern:

  • Kaspar von Thüngen (-1530) zu Reußenberg (1)
  • Agnes Riedesel von Eisenbach (3)
  • Balthasar von Steinau gen. Steinrück zu Poppenhausen (5)
  • Apollonia von Ebersberg genannt Weyhers (7)
  Urgroßeltern:
  • Einhard von Thüngen (1)
  • Margareth von Heßler (2)
  • Hermann Riedesel von Eisenbach (3)
  • Agnes von Hopfgarten (4)
  • Hildenbrand von Steinau gen. Steinrück (5)
  • Margareth von Hatzfeld (6)
  • Philipp von Ebersberg genannt Weyhers (7)
  • Eva Erlein (Erlin) von Rohrburg (8)

Zur Übersicht ein Ausschnitt aus der Liste der Bamberger Fürstbischöfe:

Georg II. Marschall von Ebnet (1503-1505)
Georg III. Erbschenk von Limburg (1505-1522)
Weigand von Redwitz (1522-1556)
Georg IV. von Rügheim (1556-1561)
Veit II. von Würtzburg (1561-1577)
Johann Georg I. Zobel von Giebelstadt (1577-1580)
Martin von Eyb (1580-1583)
Ernst von Mengersdorf (1583-1591)
Neidhardt von Thüngen (1591-1598)
Johann Philipp von Gebsattel (1599-1609)
Johann Gottfried I. von Aschhausen (1609-1622)
Johann Georg II. Fuchs von Dornheim (1623-1633)
Franz von Hatzfeld (1633-1642)
Melchior Otto Voit von Salzburg (1642-1653)
Philipp Valentin Voit von Rieneck (1653-1672)
Peter Philipp von Dernbach (1672-1683)
Marquard Sebastian Schenk von Stauffenberg (1683-1693)
Lothar Franz von Schönborn (1693-1729)
Friedrich Carl von Schönborn (1729-1746)
Johann Philipp Anton Freiherr von Franckenstein (1746-1753)
Franz Konrad Graf von Stadion und Thannhausen (1753-1757)
Adam Friedrich von Seinsheim (1757-1779)
Franz Ludwig von Erthal (1779-1795)

Literatur, Links und Quellen:
Bistum Würzburg: http://www.bistum-wuerzburg.de/
Bistum Würzburg bei Wikipedia:
http://de.wikipedia.org/wiki/Bistum_W%C3%BCrzburg
St. Kilians-Dom:
http://www.dom-wuerzburg.de/index.php?r=t/
Der Dom zu Würzburg, Schnell Kunstführer Nr. 232, 11. Auflage 1997, Verlag Schnell & Steiner GmbH Regensburg, ISBN 3-7954-4194-3.
Beschreibung dieses Epitaphs in: Joh. Octavian Salver, Proben des hohen deutschen Reichs Adels oder Sammlungen alter Denkmäler http://books.google.de/books?id=ZONWAAAAcAAJ S. 435-347
Genealogie der von Thüngen: Biedermann, Geschlechtsregister Der Reichsfrey unmittelbaren Ritterschaft Landes zu Franken Löblichen Orts Rhön und Werra
http://books.google.de/books?id=j9JDAAAAcAAJ
Neidhardt von Thüngen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Neidhardt_von_Th%C3%BCngen
Dieter J. Weiß, Neithard v. Thüngen, in: Neue Deutsche Biographie, Band 19, Duncker & Humblot, Berlin 1999, ISBN 3-428-00200-8, S. 54 f., online:
http://www.deutsche-biographie.de/xsfz71013.html
Alfred Wendehorst, das Bistum Würzburg 4: Das Stift Neumünster in Würzburg, Germania Sacra NF 26, Berlin/New York 1989, online:
http://rep.adw-goe.de/handle/11858/00-001S-0000-0003-16EF-B bzw. http://rep.adw-goe.de/bitstream/handle/11858/00-001S-0000-0003-16EF-B/NF%2026 Wendehorst%20Stift Neumünster Würzburg.pdf S. 318-319.

Dom, Moritz von Hutten - Dom, Erasmus Neustetter gen. Stürmer - Dom, Veit Gottfried von Wernau - Dom, Richard von der Kere - Dom, Albert von Bibra - Dom, Johannes von Guttenberg - Dom, Petrus von Aufseß - Dom, Georg von Giech - Dom, Johann Konrad Kottwitz von Aulenbach - Dom, Franz Ludwig Faust von Stromberg - Dom, Georg Heinrich von Stadion - Dom, Konrad Friedrich von Thüngen

Die Wappen der Fürstbischöfe von Bamberg - Teil (1) - Teil (2) - Teil (3) - Teil (4)
Der Bamberger Löwe

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