Bernhard Peter und Dominik Smasal
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1003
Heidelberg

Heidelberger Schloß (6): Ottheinrichsbau

Mit dem Ottheinrichsbau wird ein ganz neues Kapitel in der Kunstgeschichte des Schlosses aufgeschlagen: Der vermutlich erst von Hans Engelhardt, dann von Caspar Vischer errichtete Bau ist Renaissance-Prunkentfaltung pur, üppigste Repräsentationsarchitektur in einem strengen und reich gegliederten Rahmen aus Ornament und Skulptur, der sich an italienischen Vorbildern orientiert. Eigentlich war der Bauherr nur drei Jahre Kurfürst in Heidelberg, und doch schaffte er es, in dieser kurzen Zeitspanne ein Meisterwerk der Renaissance errichten zu lassen, das dem ganzen Schloß einen so unverwechselbaren wie kunstvollen Akzent gibt. Um Platz für diesen neuen Gebäudetrakt zu schaffen, wurde der Ludwigsbau bis an den Treppenturm heran verkürzt. So konnte der neue Flügel zwischen Gläsernem Saalbau und Ludwigsbau (bzw. dessen Rest) eingepaßt werden. Die Fassade auf hohem Sockel wird durch Gurtgesimse in drei zehnachsige Horizontalabschnitte gegliedert. Pilaster und Nischen mit Statuen wechseln sich rhythmisch zwischen den Fenstern ab. Über den Statuen ragen jeweils skulptierte Balkenköpfe unter dem Sims heraus. Die Mittelpfosten der Fenster tragen Hermenfiguren. Die Farbe des Mauerwerks ist roter Sandstein, die figürlichen Darstellungen und Schmucksteine sind aus honigfarbenem Werksandstein. Jede Fenstergruppe ist durch eine Säulen- bzw. Pfeilervorlage von der nächsten getrennt, ganz unten im Hochparterre sind es rustizierte Pfeilervorlagen mit ionischen Kapitellen, im 1. Obergeschoß sind es flächige Pfeilervorlagen mit Rankenrelief und korinthischen Kapitellen, im 2. Obergeschoß halbrund vorspringende kanellierte Halbsäulenvorlagen mit Kompositkapitellen. So modern die Fassade auch war, im Innern folgte der Bau konzeptionell noch althergebrachten Schemata, so wurden die Obergeschosse nicht durch ein grandioses zentrales Treppenhaus erschlossen, das man hinter dem zentralen Portal vermuten könnte, sondern weiterhin über die beiden flankierenden polygonalen Treppentürme. Entsprechend seiner kurzen Regierungszeit hat Ottheinrich die Vollendung des Baues nicht mehr erlebt. Nach seinem Tod kam es zu Änderungen am Bauplan unter Kurfürst Friedrich III, was zu zwei unpassenden Doppelgiebeln führte, die Karl Ludwig später wieder abänderte. 1764 brannte das Schloß infolge Blitzschlages aus, und der Ottheinrichsbau wurde in Schutt und Asche gelegt. Nur die Fassade und einige Räume im Erdgeschoß blieben erhalten, so daß man heute durch die leeren Fensteröffnungen in den blauen Himmel schaut.

Wappen über dem Portal (Wappen 8)
Dieser Flügel weist einen großen Wappenstein über dem Haupteingang auf. Derselbe liegt relativ hoch, entsprechend dem hohen Sockelgeschoß, und zwei Freitreppen führen zu beiden Seiten hoch. Über dem Wappen befindet sich ein Medaillon mit dem Portrait des Bauherrn. Drei Schilde stehen gereiht nebeneinander, aber - und das ist ein weiterer Fortschritt in der Entwicklung pfalzgräflicher Wappen - alle als Vollwappen mit eigener Helmzier dargestellt. Oben hinter den Helmkleinoden verläuft ein Inschriftenband mit den Initialen O H P C - Otto Henricus Palatinus Comes. Die Schildformen sind üppige Renaissanceformen mit mehrfach nach innen und außen eingerollten Rändern, wobei insbesondere die Verschränkungszone zwischen jeweils zwei Schilden interessant ist, weil die Ränder abwechselnd nach hinten und nach vorne eingerollt sind und die Schilde so miteinander verzahnen.

Drei Helmzieren zeigen dreimal den Pfälzer Löwen in jeweils unterschiedlicher Komposition:

Der mittlere ist der Stammhelm, die beiden anderen Löwen sind dem kombinierten herzoglich-bayrischen Wappen entnommen, welches auf zwei verschiedene Arten und Weisen die Wittelsbacher Rauten mit dem Pfälzer Löwen kombiniert hatten, einmal dienen die Hörner als Hilfskleinod, einmal der Adlerflug. Zwischen dem optisch linken und dem mittleren Löwen befindet sich ein schönes Steinmetzzeichen.

Detail: Mittlerer Schild. Gut zu erkennen die technisch meisterhafte Arbeit, die üppige Verzierung des Reichsapfelkreuzes und die miteinander verschränkten Schildränder. Der Hintergrund ist damasziert.

Genealogie zum Bauwerk

Figurenprogramm der Fassade
Die Fassade weist ein beachtliches Figurenprogramm auf. Vier Figuren zieren das Portal, jeweils mit Kapitell auf dem Kopf, die beiden Obergeschosse haben je 5 Statuen in Nischen, alternierend mit Halbsäulen zwischen den Zwillingsfenstern, im Hauptgeschoß sind es vier Statuen, und auf dem obersten Sims stehen noch zwei Figuren, alles zusammen 20 Statuen. Im wesentlichen handelt es sich um allegorische Darstellungen sowie um Figuren aus der antiken Mythologie und dem Alten Testament. Im Hauptgeschoß finden sich Helden der Antike: Herkules, David, Samson, Josua und römische Kaiser. Portraits berühmter Römer zieren die Medaillons in den Dreiecksgiebeln.

Das erste Obergeschoß ist fünf Tugenden gewidmet: Stärke, Glaube, Liebe, Hoffnung und Gerechtigkeit. Das zweite Obergeschoß steht im Zeichen der Planeten, hier finden wir die allegorischen Darstellungen von Saturn, Mars, Venus, Merkur, Jupiter sowie von Sonne und Mond. Sol und Jupiter stehen ganz oben. Insgesamt entsteht so eine figürliche Weltordnung: Basis der pfalzgräflichen Macht ist Heldentum, Mut, Kraft und Stärke (wie bei den Vorbildern im Hauptgeschoß), ausgeübt wird die Regierung mit den klassischen Tugenden eines Herrschers (dargestellt im ersten Obergeschoß), und dann befindet sich die Regierung auch in Einklang mit der Weltordnung (Gestirne), und zuoberst finden sich die Spitzen der antiken Götterordnung (Jupiter) und der Beherrscher des Sonnensystems (Sol).

Abb.: Position des besprochenen Wappens am Heidelberger Schloß

Literatur, Links und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher, insbesondere Band Landesfürsten
Rudolf Haas, Hansjörg Probst: Die Pfalz am Rhein: 2000 Jahre Landes-, Kultur- u. Wirtschaftsgeschichte. Südwestdeutsche Verlagsanstalt, Mannheim 1984, ISBN 3-87804-159-4
Meinrad Schaab: Geschichte der Kurpfalz. Bd. 1: Mittelalter. Kohlhammer, Stuttgart 1999, ISBN 3-17-015673-X, Bd. 2: Neuzeit. Kohlhammer, Stuttgart 1992, ISBN 3-17-009877-2
Alexander Schweickert: Kurpfalz. Kohlhammer, Stuttgart 1997, ISBN 3-17-014038-8
Gerhard Köbler: Historisches Lexikon der deutschen Länder - die deutschen Territorien vom Mittelalter bis zur Gegenwart. C. H. Beck Verlag München 7. Auflage 2007, ISBN 978-3-406-54986-1
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Schloßführer: Wolfgang Wiese, Karin Stober, Schloß Heidelberg, Deutscher Kunstverlag München Berlin, 2005, ISBN 3-422-03107-3
Adolf von Oechelhäuser: Das Heidelberger Schloss. Verlag Brigitte Guderjahn, Heidelberg, 9. Aufl. 1998 (unveränderter Nachdruck der 8. Aufl. von 1987, bearb. von Joachim Göricke).
Burkhard Pape: Die Befestigungen am Heidelberger Schloss. Bau, Architektur und Funktion der Fortifikationen und die Geschichte der Belagerungen. Verlag Stefan Wiltschko, Neckargemünd-Dilsberg 2006, ISBN 3-00-017727-2
Franz Schlechter, Hanns Hubach, Volker Sellin: Heidelberg: Das Schloß. Umschau Buchverlag, 2001, ISBN 3894661445
Schloß Heidelberg:
http://www.schloss-heidelberg.de/de/schloss-heidelberg/Schloss/238149.html

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