Bernhard Peter und Dominik Smasal
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1002
Heidelberg

Heidelberger Schloß (5): Gläserner Saalbau

Mit dem sog. Gläsernen Saalbau springen wir in der Geschichte von Ludwig V zu einem neuen Kurfürsten, zu Friedrich II. (9.12.1482 - 26.2.1556), gen. der Weise (Sapiens), neunter Kurfürst v. der Pfalz, der 1544 die Nachfolge antrat, als sein Bruder Ludwig V. (2.7.1478 - 1544) sowohl mit Sibille v. Bayern (16.6.1489 - 18.4.1519) als auch mit Margarete v. d. Leyen (- 1563) keinen Stammhalter bekam. Es ist der einzige Bau seiner Regierungszeit, daneben datieren nur noch einige Verstärkungen am Glockenturm aus seiner Regierungszeit. Aber dennoch ist die Architektur ein konzeptioneller Wandel: Aus der Festung wurde ein Höhenschloß. Stand bisher der Verteidigungszweck im Vordergrund der Bemühungen seines Vorgängers, so wurde das Heidelberger Schloß nun durch "schöne" Bauten aufgewertet. Genau hier tritt der Wandel zur Renaissance ein. Ausgedehnte Reisen hatten Friedrich II mit dem Kunstschaffen jenseits der Alpen vertraut gemacht. Von der Hofseite aus fällt insbesondere die dreigeschossige Loggia auf, im Erdgeschoß mit zwei großen Bögen, in den beiden Obergeschossen mit jeweils vier Bögen.

Rechterhand führt ein Portal in den Treppenturm, der den Gläsernen Saalbau weit überragt, im linken Bogen liegt der Eingang zum Inneren, das den namengebenden Festsaal enthielt. Auf der Brüstung der untersten Zone befinden sich drei Wappen. Alle drei sind von einem runden Lorbeerkranz umgeben, die beiden äußeren Wappen sind jedoch quasi halbiert, aber doch mit vollständigem Schild abgebildet.

Mittleres Wappen (Wappen 6)
Das mittlere Wappen ist das einzige mit vollständigem Lorbeerkranz. Drei Schilde werden unter einem einzigen Helm mit der Pfälzer Stammhelmzier (ein sitzender goldener, rot gekrönter Löwe) vereinigt. Die Helmzier blickt hier frontal den Betrachter an. Vordergründig sieht es genauso aus wie die Vorgängerwappen von Ludwig V, aber die entscheidende Änderung ist: Jetzt enthält der mittlere Schild den Reichsapfel! Es wird nicht mehr wie vorher der Regalienschild, rot eingefärbt, abgebildet, sondern der Schild, der die bevorzugte Stellung im Heiligen Römischen Reich zum Ausdruck bringt.

Pfälzische Erzämter
Erzämter bzw. Reichserzämter sind Hofämter des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation (936-1806). In der Regel war ein Erzamt an die Kurwürde geknüpft. Jeder Kurfürst hatte ein Erzamt inne. Ab dem späten Mittelalter waren es rein symbolische Amtstitel, mit denen nur noch zeremonielle Tätigkeiten und Verpflichtungen verbunden waren. Die Ämter waren mit der Kurwürde verbunden, wurden in den weltlichen Kurfürstentümern vererbt und in den geistlichen Kurfürstentümern an den gewählten Nachfolger übertragen. Die Ämter und ihre Vergabe unter den sieben Kurfürsten wurden unter Kaiser Karl IV. in der Goldenen Bulle von 1356 festgelegt. Die Pfalzgrafen bei Rhein hatten das Amt des Erztruchsesses (Archidapifer) inne. Das heraldische Symbol dieses Erzamtes war in Rot ein goldener Reichsapfel. Die ursprüngliche Aufgabe eines Truchseß war die Fürsorge für die kaiserliche Tafel und die kaiserliche Hofhaltung. Der Erztruchseß hatte die erste Schüssel auf die Tafel des Kaisers zu setzen.

1623 wurde die pfälzische Kurwürde (Erztruchsessenamt) an die Herzöge von Bayern übertragen. Hintergrund war das unglückliche Handeln von Friedrich V. von der Pfalz (26.08.1596 - 29.11.1632). Er regierte 1610 - 1623 als Kurfürst von der Pfalz. In den frühen Jahren des Dreißigjährigen Krieges verstrickte er sich in antikaiserlicher Politik, nahm die böhmische Königskrone an (als Friedrich I. 1619 - 1620 König von Böhmen), was aber nur kurz währte und ihn unter dem Spottnamen "Winterkönig" in die Geschichte eingehen ließ. Dieses Handeln hatte eine erhebliche Ausweitung des Krieges zur Folge und war verheerend für Europa, denn zwischen Böhmen und Habsburg war der Konflikt unausweichlich geworden. In der Schlacht am Weißen Berge wurde er am 8.11.1620 von der kaisertreuen katholischen Liga geschlagen. Als Kurfürst, der sich gegen Kaiser und Reich gestellt hatte, war er untragbar: Er verlor alles: Herrschaft, Kurwürde, Titel und verfiel der Reichsacht.

1648 bekamen die Pfalzgrafen im Westfälischen Frieden das neu geschaffene Amt des Erzschatzmeisters (8. Kurwürde), de facto 1652. Das heraldische Symbol dieses Erzamtes war in Rot die goldene Reichskrone (sog. Krone Karls des Großen)

1706 Bayern verliert die Kurwürde zur Strafe für das Engagement im Spanischen Erbfolgekrieg, die Pfalzgrafen bekommen wieder das Erztruchsessenamt, Hannover bekommt das Erzschatzmeisteramt.

1714 wurde Bayern von der Geschichte verziehen, sie bekamen die Kurwürde zurück. Sie forderten ihr altes Amt zurück und bekamen es 1744 wieder, nicht unangefochten, was sich 1777 nach langem Streit aber von selbst erledigte, als die Pfälzer Wittelsbacher die bayrische Linie beerbten.

Zusammenfassung: Die Pfalzgrafen waren Erztruchsessen bis 1623, sowie 1706-1744. Sie waren 1648 bis 1706 Inhaber des Erzschatzmeisteramtes. In Zeiten, in denen den Pfalzgrafen die Nutzung des Reichsapfelschildes versagt blieb, griffen sie ersatzweise auf den Regalienschild zurück.

Reichsvikariat
Genauso wie die Vergabe der Reichserzämter legte die Goldene Bulle von 1356 auch das Reichsvikariat fest: Wer sollte den Kaiser vertreten, z. B. in dessen Abwesenheit oder in Zeiten eines Interregnums? Denn das war die Aufgabe eines Reichsvikars (vicarius imperii oder provisor imperii). Die Goldene Bulle legte fest: Der Kurfürst von der Pfalz war Reichsvikar für die Gebiete, in denen das fränkische Recht Gültigkeit hatte, und der Kurfürst von Sachsen war Reichsvikar für die Gebiete, in denen das sächsische Recht galt. Einige Mischgebiete waren umstritten. Wie oben erwähnt, hatte der "Winterkönig" als Oberhaupt des Hauses von der Pfalz gehörig "Mist gebaut" und ging sämtlicher Ämter und Titel verlustig. Die Würde des Reichsvikars ging natürlich 1623 ebenso verloren wie die Kurwürde. Nachfolger wurde auch hier Bayern. Nur zwischen 1708 und 1714 ging das Amt wieder an den Pfalzgrafen zurück. 1724 schloß man einen Vertrag zwischen Pfalz und Bayern, in dem man festlegte, die Aufgabe gemeinsam zu übernehmen, was der Reichstag nicht akzeptierte. So legte man fest, das Reichsvikariat ab 1745 abwechselnd zu übernehmen, zuerst von Bayern. Diese Regelung fand 1752 auf dem Reichstag Billigung. 1777 war die Regelung hinfällig, als die Pfälzer Wittelsbacher die bayrische Linie beerbten.

Orden
Um den mittleren Schild rankt sich die Ordenskette des Ordens vom Goldenen Vlies, dem habsburgischen Hausorden, dessen Kette aus Feuerstählen zusammengesetzt ist und dessen Symbol das goldene Schafsfell ist, welches hier auf dem Lorbeerkranz zu liegen kommt. Friedrich II war Mitglied des 18. Kapitels zu Brüssel 1515.

Optisch linkes Wappen (Wappen 5)
Das optisch linke Wappen ist eng in den Winkel zum vorspringenden Vorbau gequetscht, zusätzlich beeinträchtigt durch das dort verlaufende Regenrohr. Hier begegnet uns eine ganz neue Anordnung: Es wird erstmalig Abschied genommen von den drei zusammengestellten Schilden, und alle drei Komponenten werden in einem gevierten Wappen mit Herzschild vereinigt. Statt einer Helmzier taucht erstmalig der Kurhut auf. Die Schildform mit den symmetrischen Einbuchtungen ohne funktionellen Hintergrund und mit den eingerollten Ecken weist schon deutlich die Formensprache der Renaissance auf.

Genealogie zum Bauwerk (1)
Friedrich II (Abstammung siehe früheres Kapitel), hatte ein Problem, nämlich keinen männlichen Nachkommen, Erben und Stammhalter. Aus demselben Grunde war er schon seinem Bruder in der Thronfolge nachgerückt, aber jetzt war das Problem wesentlich ernster: An wen sollte die Pfalz nach ihm gehen? Den Verwandten in Bayern hätte die Nachfolge gut gefallen, doch das wollte man gerade nicht. Schließlich wurde die Erbnachfolge von Friedrichs Neffen aus dem Hause Pfalz-Neuburg für gültig erklärt. Das ist Ottheinrich, dessen architektonischen Spuren am Heidelberger Schloß wir auf der nächsten Seite begegnen.

Genealogie zum Bauwerk (2)
Friedrich II (Abstammung siehe früheres Kapitel), hatte am 26.9.1535 in Heidelberg Dorothea Prinzessin von Dänemark (10.11.1520 - 1580) geheiratet:

Optisch rechtes Wappen (Wappen 7)
Das optisch rechte Wappen ist ebenfalls eng in den Winkel zum vorspringenden polygonalen Treppenturm gequetscht. Es ist das Wappen der Könige von Dänemark, wie es unter König Christian II verwendet wurde. Im Gegensatz zum letzten Aufriß von Christian I taucht erstmals Stormarn auf. Über dem Schild die Laubkrone. Hier, bei seiner Tochter, fehlt die Ordenskette des Ordens vom Goldenen Vlies, ansonsten ist es identisch mit dem Wappen des Vaters. Friedrich I änderte das Wappen wieder.

Abb.: Ausschnittsvergrößerung des königlich dänischen Wappens

Abb.: Position der besprochenen Wappen am Heidelberger Schloß

Literatur, Links und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher, insbesondere Band Landesfürsten
Rudolf Haas, Hansjörg Probst: Die Pfalz am Rhein: 2000 Jahre Landes-, Kultur- u. Wirtschaftsgeschichte. Südwestdeutsche Verlagsanstalt, Mannheim 1984, ISBN 3-87804-159-4
Meinrad Schaab: Geschichte der Kurpfalz. Bd. 1: Mittelalter. Kohlhammer, Stuttgart 1999, ISBN 3-17-015673-X, Bd. 2: Neuzeit. Kohlhammer, Stuttgart 1992, ISBN 3-17-009877-2
Alexander Schweickert: Kurpfalz. Kohlhammer, Stuttgart 1997, ISBN 3-17-014038-8
Gerhard Köbler: Historisches Lexikon der deutschen Länder - die deutschen Territorien vom Mittelalter bis zur Gegenwart. C. H. Beck Verlag München 7. Auflage 2007, ISBN 978-3-406-54986-1
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Schloßführer: Wolfgang Wiese, Karin Stober, Schloß Heidelberg, Deutscher Kunstverlag München Berlin, 2005, ISBN 3-422-03107-3
Adolf von Oechelhäuser: Das Heidelberger Schloss. Verlag Brigitte Guderjahn, Heidelberg, 9. Aufl. 1998 (unveränderter Nachdruck der 8. Aufl. von 1987, bearb. von Joachim Göricke).
Burkhard Pape: Die Befestigungen am Heidelberger Schloss. Bau, Architektur und Funktion der Fortifikationen und die Geschichte der Belagerungen. Verlag Stefan Wiltschko, Neckargemünd-Dilsberg 2006, ISBN 3-00-017727-2
Franz Schlechter, Hanns Hubach, Volker Sellin: Heidelberg: Das Schloß. Umschau Buchverlag, 2001, ISBN 3894661445
Schloß Heidelberg:
http://www.schloss-heidelberg.de/de/schloss-heidelberg/Schloss/238149.html

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