Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 2849
Baden-Baden (Regierungsbezirk Karlsruhe)
Unteres Schloß Neuweier
Schloß Neuweier liegt im gleichnamigen Stadtteil von Baden-Baden am Fuß der Weinberge nördlich der Mauerbergstraße. Der Komplex gliedert sich in drei Baugruppen: Ein großer, mauerumgebener, cum grano salis viereckiger Trockengraben umgibt das eigentliche Schloß, das mit seiner Hauptfassade nach Nordwesten ausgerichtet ist, wo auch der Zugang zum Tor über die den Graben überspannende Brücke verläuft. Diese Schloßansicht ist die regelmäßigste, mit einem von zwei Türmen flankierten Torbau in der Mitte der symmetrischen Fassade und zwei weiteren Türmen an den Gebäudeecken. Hier kann man nachvollziehen, daß die Wurzeln des Schlosses von einer wehrfähigen Wasserburg des 13. Jh. gebildet werden. Die dahinterliegenden Bauten sind eher unregelmäßig angeordnet. Der Südwest- und der Südostflügel sind die beiden hauptsächlichen Wohnbauten, und in deren hofseitigem Winkel steht ein Treppenturm. Der Innenhof, in dem sich auch ein rund gemauerter Ziehbrunnen aus dem Jahr 1562 befindet, ist heute mit einem Glasdach versehen. An der Nordseite des Schlosses, wo sich früher der Rittersaal befand, ist heute eine überdachte Terrasse. Auf der Südostseite des Kernschlosses sind ein weiterer Turm und Anbauten angefügt. Dort führt auch eine zweite Brücke über den Graben zu einem abgesetzt außerhalb stehenden Wohnbau. Im Nordwesten liegt der von drei Seiten umbaute große Hof der Vorburg, in deren Südwestflügel die Einfahrt liegt. Im Schloß selbst ist das Restaurant "Goldenes Loch", während die gesamte Vorburg zum Weingut gehört mit Herstellung und Vertrieb.
Am Torerker des Schlosses ist jenseits der Grabenbrücke ein auf das Jahr 1548 datierter sandsteinerner Wappenstein mit einem Ehewappen an der Brüstung angebracht. Die Tafel mißt ca. 86 x 86 cm. Heraldisch rechts ist das Wappen der Kämmerer von Worms gen. von Dalberg zu sehen, unter einem mit drei Spitzen abgeteilten goldenen Schildhaupt in Blau 6 (3:2:1) silberne Lilien, auf dem ungekrönten Helm mit blau-goldenen Decken ein Flug, unter einem mit drei Spitzen abgeteilten goldenen Haupt in Blau 6 (3:2:1) silberne Lilien (Siebmacher Band: Bad Seite: 47 Tafel: 28, Band: Bay Seite: 30 Tafel: 27, Band: Bö Seite: 56 Tafel: 40, Band: FstC Seite: 78 Tafel: 118-119, Band: He Seite: 7 Tafel: 6, Band: Mä Seite: 22 Tafel: 15, Band: NÖ1 Seite: 62 Tafel: 32, Band: Pr Seite: 39 Tafel: 47, Band: Na Seite: 5 Tafel: 6, Rahrbach S. 41-44, Schöler S. 37, T. 14). Gegenüber ist das Wappen der von Cronberg in der Variante des Flügelstammes zu sehen, geviert, Feld 1 und 4 rot und ledig, Feld 2 und 3: in Silber vier (2:2) blaue Eisenhütlein (Eisenhutfeh), auf dem ungekrönten Helm mit rot-silbernen Decken ein insgesamt mit dem Schildbild belegter Flug, der rechte Flügel geteilt, oben rot und ledig, unten in Silber vier (2:2) blaue Eisenhütlein (Eisenhutfeh), der linke Flügel umgekehrt (Siebmacher Band: NaA Seite: 4 Tafel: 4, Band: GfA Seite: 6 Tafel: 6, Münchener Kalender 1936).
Das sind beides rheinische Familien, und dieser südlich des üblichen Verbreitungsgebietes liegende Besitz kam durch Erbschaft von den von Bach, die ihren Stammsitz zwischen Bühl und Kappelwindeck hatten und das Schloß Neuweier seit 1311 besaßen, an die von Cronberg und dann an die Kämmerer von Worms. Beginnen wir mit dem Großvater der Ehefrau des Allianzwappens: Johann VI. von Cronberg (1426-1488), Amtmann zu Oppenheim, war vermählt in erster Ehe mit Margarete von Erlenbach-Wilbach, in zweiter Ehe mit Klara von Langenau und in dritter Ehe mit Katharina von Reifenberg. Er hatte vier Kinder, 1.) Katharina von Cronberg (-1510), 2.) Walter von Cronberg (1477-4.4.1543), Hochmeister des Deutschen Ordens, 3.) Johann von Cronberg (1487-1505), Domherr in Mainz, 4.) Philipp VI. von Cronberg (1485-1510), kurpfälzischer, dann kurmainzischer Marschall, Amtmann zu Oppenheim. Dieser Philipp war verheiratet mit Katharina von Bach-Bintzburg, der Erbin des Unteren Schlosses zu Neuweier von ihrem Bruder Georg von Bach (-1538). Dieses Paar hatte drei Kinder, 1.) Veronica von Cronberg, gest. vor 1538, 2.) Anna von Cronberg, gest. am 14.4.1551, verheiratet mit Hartmut von Cronberg aus dem Kronenstamm, und 3.) die hier relevante Katharina von Cronberg (1503-26.3.1563), Erbin ihres Onkels, verheiratet in erster Ehe mit ihrem Verwandten Kaspar von Cronberg (-1521), ebenfalls aus dem Flügelstamm, danach 1521 in zweiter Ehe mit Philipp II. (IV.) Kämmerer von Worms gen. von Dalberg (1490/1491-13.1.1533), und genau dieses Paar wird durch den Wappenstein repräsentiert.
Genaugenommen wurde das Schloß aber von deren Sohn errichtet, Philipp V. Kämmerer von Worms gen. von Dalberg zu Neuweier (1529/1530-6.9.1590). Der war zu diesem Zeitpunkt noch nicht verheiratet und nahm hier die Wappen seiner Eltern bzw. von sich und seiner Mutter, weil sein Vater zu dem Zeitpunkt schon verstorben war. Erst später heiratete Philipp V. in erster Ehe Helma Roeder von Rodeck, die Tochter von Johann Heinrich Roeder von Rodeck und Agatha von Weiler. Nachdem seine erste Frau 1564 gestorben war, heiratete er 1565 Anna von Handschuhsheim (1545-9.10.1612), die Tochter von Damian II. von Handschuhsheim und Ursula von Fleckenstein.
Ein Schlußstein mit Steinmetzzeichen unter einem reliefierten Schriftband datiert das Kreuzrippengewölbe der Eingangshalle ebenfalls auch das Jahr 1548. Das Steinmetzzeichen ist vermutlich dasjenige des aus Tirol stammenden und in der Stadt Baden ansässigen Baumeisters Lux Rengolstein, der in verschiedenen Schreibweisen als Baumeister des Schlosses überliefert ist.
Genau die gleiche Wappenkombination wie über dem Tor für die selben Personen ist am Treppenturm im Innenhof des Kernschlosses über dem flachbogigen Portal angebracht, aber ein Jahr später, nämlich auf 1549 datiert. Die querrechteckige Tafel wird von zwei Balustern mit Blattkapitellen flankiert. Die zugehörige zweizeilige Inschrift ist auf dem Rand des das gesamte Portal überfangenden Muschelbogensturzes zwischen zwei Leistenprofilen eingehauen und lautet: "PHILIPS KEMERER VON WORMS GNANT VON DALBERG HAYS ICH IM IAR 1549 BAVT ICH DIS DAMIT MEIN / ZV GEDENCKEN LIS ICH HAWEN DISEN MEIN VND MEINER MVttER KATERINA GEBORN VON CRONBERG SCHILT VND // HELM GOtt ICH VNSER BEYDER SELEN BEVELE / ZEYT BRINGT ROSEN". Der letzte Teil der Inschrift ist in den Muschelbogen gehauen worden, weil oben der Platz nicht ausreichte. Diese Inschrift ist der Beleg dafür, daß mit den beiden Wappenpaaren nicht die Eltern, sondern Mutter und Sohn gemeint sind.
In der Vorhalle des Tores zum Hochschloß ist noch eine Spolie angebracht, für den Eichstätter Fürstbischof Johann Anton I. Knebel von Katzenelnbogen (regierte 1705-1725). Unten steht auf dem Schriftband: "IO(H)ANN ANTON D(EI) G(RATIA) S(ACRI) R(OMANI) I(MPERII) P(RINCEPS) E(PISCOPVS) E(YSTETTENSIS)". Das Wappen ist geviert, Feld 1 und 4: in Rot ein silberner aufrechter Krummstab (Bischofsstab), Hochstift Eichstätt, Feld 2 und 3: in Silber ein rotes Schildchen, im rechten Obereck begleitet von einem schwarzen Ring, Stammwappen der Knebel von Katzenelnbogen. Dazu werden drei Helme geführt, Helm 1 (Mitte): auf einem roten, bequasteten Kissen eine Inful, Helm 2 (rechts): zu rot-silbernen Decken ein wachsender behandschuhter Arm, in der Faust einen silbernen Krummstab haltend (Hochstift Eichstätt), Helm 3 (links): zu rot-silbernen Decken ein rotes und ein silbernes Eselsohr, Stammkleinod der Knebel von Katzenelnbogen.
Dieser Wappenstein kam auf folgendem Weg hierhin: Philipp V. hatte aus seiner ersten Ehe einen Sohn, Philipp Friedrich I. Kämmerer von Worms gen. Dalberg (1560-16.11.1589, vermählt, aber ohne Nachkommen), und eine Tochter, Anna Kämmerer von Worms gen. Dalberg (1562-6.2.1626), letztere vermählt in erster Ehe 1583 mit Johann Bock von Gerstheim und in zweiter Ehe 1588 mit Philipp Knebel von Katzenelnbogen (-1619). Aus der zweiten Ehe entstammten die Kinder Barbara (1570-2.5.1583), Maria (1571-4.12.1619), und letztere heiratete in erster Ehe 1589 Georg Philipp von Dalberg und in zweiter Ehe 1593 Johann Wolfgang von und zu Eltz (-1619). Dazu gab es aus zweiter Ehe noch den Sohn Eberhard II., genannt zu Herrnsheim (1574-1614), vermählt, aber ohne Kinder. Als der Erbfall eintrat, ging das Schloß Neuweier 1615 an die Gatten der überlebenden Töchter, also an die Freiherren von Eltz und an die Freiherren Knebel von Katzenelnbogen. Die zweitgenannte Familie brachte nicht nur den Riesling aus Franken mit, sondern auch den Bocksbeutel. Fortan wurde auf dem Mauerberg Riesling kultiviert. Das Schloß wurde mehrmals durch Kriege in Mitleidenschaft gezogen, im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648), im Pfälzisch-Orléanschen Erbfolgekrieg (1690), im Spanischen Erbfolgekrieg, vor allem nach dem Tod des Markgrafen Ludwig Wilhelm von Baden ("Türkenlouis" 1707). Im Jahre 1725 übernahm Franz Ludwig Knebel von Katzenelnbogen auch den Anteil von der Familie von Eltz von den Erben des Eberhard von Eltz, und fortan war der Besitz wieder in einer Hand. Der letzte Besitzer von Schloß Neuweier aus der Familie war Franz Philipp Knebel von Katzenelnbogen (1736-1816), k.k. Kämmerer und 1772-1778 österreichischer Gesandter in Sachsen. Nach seinem Ausscheiden aus dem diplomatischen Dienst widmete er sich ganz dem Weinbau auf dem Mauerberg, wo er erst zusätzlich und dann anstelle der bisherigen Rebsorten Elblinger und Ortlieber auch Niersteiner und Laubenheimer Reben kultivierte.
Nach dem letzten adeligen Besitzer kam Schloß Neuweier an wechselnde Besitzer. 1869 kam das Anwesen an die Familie Rößler aus Baden-Baden, die den Weinbau fortführte. Mehrere Umbauten folgten, u. a. wurde der zerstörte Nordflügel im Jahre 1909 wieder aufgebaut. Das Schloß erhielt wieder ungefähr sein ursprüngliches Aussehen. 1976 wurde das Restaurant an den Gastronomen Walter Fritz verpachtet. 1984 stand der Besitz nach dem Tod von Jacoba Stoltenberg-Rößler abermals zur Disposition, doch 9 Jahre lang war kein Interessent zu finden. 1992 ging das Anwesen an Gisela und Helmut Willy Joos (12.3.1935-26.2.2018), letzterer ein bekannter und erfolgreicher Frankfurter Architekt. Die gesamte Anlage, an der jahrzehntelang nur das Notwendigste getan worden war, wurde bis 2009 generalsaniert, ein Glücksfall für die Erhaltung des Schlosses. Dann landete das Anwesen in der Konkursmasse der Dachgesellschaft JSK internationale Generalplanung/Projektsteuerung GmbH, deren finanzielle Schieflage ein Kollateralschaden des Baus des Flughafens Berlin-Brandenburg International war, wo der Gesellschaft fristlos gekündigt worden war, als Sündenbock. Heutiger Besitzer ist seit 2012 die Familie Schätzle, die das Schloß komplett sanierte und den Gastronomie- und Weinbaubetrieb ganz neu aufzog. Dipl. Ing. Robert Schätzle ist selbst Winzer, Biotechnologe und Oenologe. Das Restaurant wurde 1983-2002 von der Familie Beck und 2004-2020 von Armin Röttele und seiner Familie geführt.
Literatur,
Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@48.724322,8.1764286,18z - https://www.google.de/maps/@48.7242631,8.1773134,152m/data=!3m1!1e3
Deutsche Inschriften Bd. 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis
Rastatt, Nr. 267 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net,
urn: nbn:de:0238-di078h017k0026707 - https://www.inschriften.net/baden-baden-und-landkreis-rastatt/inschrift/nr/di078-0267.html
Deutsche Inschriften Bd. 78, Stadt
Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 266 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net,
urn: nbn:de:0238-di078h017k0026600 - https://www.inschriften.net/baden-baden-und-landkreis-rastatt/inschrift/nr/di078-0266.html
Deutsche Inschriften Bd. 78, Stadt
Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 274 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net,
urn: nbn:de:0238-di078h017k0027402 - https://www.inschriften.net/baden-baden-und-landkreis-rastatt/inschrift/nr/di078-0274.html
Schloß Neuweier auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Schloss_Neuweier
Karl Reinfried: Das untere Schloß
zu Neuweier, Amt Bühl, nebst einem Regesten-Anhang über das
ehemalige obere Schloß daselbst, in: Die Ortenau, Zeitschrift
des Historischen Vereins für Mittelbaden, Heft 3 (1912), S. 1-23
- http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1912/0023
Ortsgeschichte, Seiten des
Historischen Vereins: https://historischer-verein-yburg.de/Orts-Geschichte
Schloß Neuweier: https://www.schwarzwald-informationen.de/schloss-neuweier.html
Schloß Neuweier, eigene Webseite: https://schloss-neuweier.de/geschichte/
Stammliste Dalberg auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Stammliste_des_Adelsgeschlechts_Dalberg
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