Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 2145
Lorch (Rheingau-Taunus-Kreis)
Das Hilchenhaus in Lorch - ein in letzter Sekunde gerettetes Baudenkmal
Das Hilchenhaus ist ein mit seiner sieben Achsen breiten Giebelfassade die Rheinfront des Ortes bestimmender Adelshof und einer der schönsten Renaissancebauten des Rheintales. Neben der Kirche ist es ein zweiter identitätsbestimmender historischer Bau der Stadt Lorch. Während normalerweise Fachwerkbauweise zumindest in den Obergeschossen die Höfe der Rheinorte bestimmt, ist dieses Haus bis oben massiv aus Stein errichtet. Das Haus ist dreigeschossig, der mit Voluten und Lünetten reichgeschmückte Staffelgiebel ist vierstöckig. Der Giebel wird durch schmale, in Füllungen gesetzte Lisenen mit darum verkröpften, horizontalen Gesimsbändern gegliedert. Die einzelnen Stufen des Staffelgiebels werden oben mit halbkreisförmigen Muschelaufsätzen abgeschlossen, die etwas nach außen gerückt sind. Nach außen bilden Steinkugeln über den Lisenenenden den Abschluß, nach innen leiten freistehende Voluten zur jeweils nächsten Staffel über, insgesamt dreimal auf jeder Seite. Der obere Abschluß der mittleren Achse wird durch einen großen, fast über die ganze Breite reichenden Muschelgiebelaufsatz zwischen zwei Steinkugeln gebildet. Die Fenster haben steinerne Kreuzstöcke.
Ein seitlicher Treppenturm gewährt Zugang zu den Obergeschossen. Das auf die Terrasse führende Portal ist im Sturz auf 1548 datiert. Unter dem Balkon führt auf der linken Seite ein Portal in eine kleine, unter dem Haus hindurchführende Gasse. Das Sandsteinportal wird von zwei etwas grobschlächtig ausgeführten Kandelabersäulchen flankiert. Im Türsturz sind zwei oberhalbe Personen dargestellt, links ein junger, modisch gekleideter Mann mit federbestecktem Hütchen, rechts ein älterer Herr mit Schaube und Kappe, ersterem etwas reichend. Im Hintergrund ist eine Säule zu sehen. Ein weiterer Zugang zum Haus befindet sich von Westen in Höhe des ersten Obergeschosses von der Terrasse aus mit einem ungewöhnlichen Relief auf dem Türsturz (Abb. unten).
Bauherr des Hauses war Johann III. Hilchen von Lorch (15.4.1484-15.4.1548), Gefährte des Reichsritters Franz von Sickingen und später kaiserlicher Feldmarschall, dessen prunkvolles Epitaph mit acht Ahnenwappen in der Pfarrkirche St. Martin zu sehen ist. Er war zu dem Zeitpunkt bereits betagt und von Schicksalsschlägen heimgesucht, denn in einem einzigen Jahr, 1512, hatte er seine beiden Eltern und seine Frau verloren, die er am 25.11.1507 geheiratet hatte. Sein verbliebenes Familienglück war seine einzige Tochter Maria. 1546 wurde der direkt neben dem alten, in Fachwerk ausgeführten Hilchenhaus (1885 abgebrochen) errichtete Neubau begonnen, aber die Fertigstellung des von ihm selbst nie genutzten Hauses erlebte der Bauherr nicht mehr, vielmehr vollendete seine Tochter Maria den Bau, die zu dem Zeitpunkt bereits seit 8 Jahren verwitwet war.
Maria Veronika Hilchen von Lorch (1510-5.10.1561) hatte 1529 Adam III. Vogt von Hunoldstein zu Züsch (1505-26.7.1540) geheiratet, Sohn von Adam II. Vogt von Hunoldstein und Elisabeth von Rathsamhausen (Tochter von Egenolf II. von Rathsamhausen und Margaretha von Leoncourt). Deshalb ist der Bauschmuck der Balustrade auch ganz auf sie bezogen. Aber auch sie erlebte die Fertigstellung nicht mehr. Beide, Adam und Maria, liegen in Merxheim an der Nahe begraben, wo auch Maria ihren Witwensitz hatte, nachdem ihr Mann vermutlich einem Giftanschlag auf Schloß Homburg/Saar zum Opfer gefallen war. Nach ihrem eigenen Ableben 1561 folgte ihr Sohn, Johann IV. Vogt von Hunoldstein (ca. 1530-1579), als Bauherr, und unter ihm wurde schließlich 1573 der Giebel fertiggestellt. Deshalb wurde das Haus zu der Zeit auch Hunoldsteiner Hof genannt, und bis 1716 gehörte es dieser Familie.
Das schönste Bauteil an der rheinseitigen Monumentalfassade ist der Erker mit dem auf zwei mächtigen toskanischen Steinsäulen ruhenden Balkon im ersten Stock, der um den kräftig hervortretenden, zweistöckigen Erker herumläuft und mit seiner wappengeschmückten Brüstung der Stolz seiner Bewohner war. Einst lief die Balkonbrüstung die ganze Rheinfront entlang, sie wurde aber, wie durch das Fehlen einer Rand-Platte und mangelnde Paßform einer anderen Platte deutlich wird, nachträglich verkürzt. Lange Zeit waren die verwitterten Platten des baufälligen Balkons abgenommen. Anfang der 1990er Jahre sollten sie in einer Steinmetzwerkstatt aufgearbeitet werden, und es wurden auch Kopien gemacht. Alles zusammen lagerte 15 Jahre lang in einem Lager der Bäckerei Laquai. Später stellte sich heraus, daß die zum Zwecke der Wiederanbringung angefertigten Kopien nicht wetterfest waren. Für rund 20 000 Euro wurden neue Kopien angefertigt, und die sind jetzt nach der Restaurierung 2010 ff. am ursprünglichen Ort angebracht.
Nach den Vögten von Hunoldstein wechselten die Besitzer mehrfach: Es kam 1716 für wenige Jahre an die damals äußerst klammen Freiherren Eckbrecht von Dürkheim, die es 1722 an Freiherr Anton von Sohlern verkauften, um ihre finanziellen Löcher zu stopfen. Anton von Sohlern war kurtrierischer geheimer Hofrat, Amtsverwalter zu Boppard und Montabaur, und 1675 wurde er Hofgerichtsdirektor und 1711 Hofkanzler und verfügte so über das zum Erwerb nötige Kapital. Eine erkleckliche Summe bekam er außerdem von Hannover, das ihm für seinen Einsatz bei der Erhebung zum Kurfürstentum, insbesondere beim "Weichkochen" des Trierer Fürstbischofs für seine Zustimmung, äußerst dankbar war. Die Lorcher Linie der von Sohlern erlosch 1821 mit Freiherr Franz Georg von Sohlern, und über dessen Schwester Maria kam das Hilchenhaus an ihren Ehemann, Freiherr Carl Heinrich von Hausen, kurtrierischer Kammerherr und Jägerhauptmann. Es folgten die Grafen von Walderdorff als Besitzer, schließlich 1926 durch Verkauf Albrecht Graf von Kanitz, der schon seit längerer Zeit das links anschließende Gelände besaß und so sein Betriebsgelände des Weingutes vergrößern konnte.
Zur Genealogie, die zum Verständnis der Wappengalerie an der Balkonbrüstung benötigt wird, bezogen auf Maria Hilchen von Lorch:
Eltern:
Großeltern:
Urgroßeltern:
|
Ururgroßeltern:
|
Insgesamt sind an der Balkonbrüstung 14 Wappen zu sehen. Es war wohl ursprünglich eine 16er Ahnenprobe, wovon aber zwei Wappen verlorengegangen sind. Insgesamt sind vier Flächen mit Wappendarstellungen ausgestattet, der zurückspringende, schmale linke Balkonteil mit vier Wappen auf der Südseite und der Hauptbalkon mit je vier auf der Süd- und Ostseite und zwei auf der Westseite. Das Zentrum der Ahnenprobe ist die Portraitdarstellung in der Mitte des großen Balkons. Optisch links davon sind die väterlichen Vorfahren Marias, abgeschlossen mit einer Ritterfigur im Harnisch, optisch rechts davon die mütterlichen Vorfahren Marias. Je wichtiger in der Ahnentafel eine Familie ist bzw. je näher dran an der Probandin, desto näher zur Mitte steht sie. Bei den Urgroßeltern fern des Hauptstammes gilt die Familie mit weniger Zwischenschritten als vorrangig. Außen stehen dadurch die weiblichen Urgroßeltern zusammen, innen die männlichen. Somit ergibt sich anhand der obigen Ahnenliste folgende Reihenfolge der Ururgroßeltern von optisch links nach rechts: Martha Kolbe von Wilnsdorff, Liebmuth von Rheinberg, Margaretha von Schönburg, Metze Kroppe von Bellersheim, Friedrich III. Hilchen von Lorch, Otto d. J. von Dietz, Wilderich II. von Walderdorff, Philipp II. Hilchen von Lorch, Ulrich von Rüdesheim, Johann VIII. Boos von Waldeck, ein Herr von Wachenheim, Frank von Löwenstein, Gertrud von Eltz, eine unbekannte Ururgroßmutter, Schonette von Heimersdorf und Anna von Schöneck. Davon sind die ersten 14 Personen mit ihrem Vollwappen vertreten, die letzten beiden, eine noch nicht identifizierte Person und Anna von Schöneck, fehlen in der Galerie, ebenso die entsprechende Abschlußfigur, die der auf der linken Seite entsprechen würde.
Abb.: Süd-Brüstung des schmalen Balkonteiles über dem Eingang, linker Teil mit zwei von vier Wappen. Optisch links ist das Wappen der Kolbe von Wilnsdorff (Willensdorf), es ist schwarz-silbern geteilt und viermal gespalten, als Helmzier zu schwarz-silbernen Decken ein Paar schwarz-silbern gevierte Büffelhörner (nach Zobel Tafel 371, vgl. die v. Wilnsdorf auch im Siebmacher Band: NaA Seite: 42 Tafel: 70 mit einem wie der Schild bez. Schirmbrett als früheres Motiv, später wurden die Büffelhörner verwendet). Daneben ist das Wappen der von Rheinberg, in Silber ein roter Balken (nur die untere Teilungslinie ist erhalten), auf dem Helm mit rot-silbernen Decken ein silbernes Paar Büffelhörner, jeweils belegt mit einem roten Balken. Das Wappen wird beschrieben im Gruber und bei Zobel auf Tafel 273.
Abb.: Süd-Brüstung des schmalen Balkonteiles über dem Eingang, rechter Teil mit zwei von vier Wappen. Optisch links ist das Wappen der von Schönburg, von den einst sechs (3:2:1) Schildchen sind noch drei zu sehen, gut hingegen ist der Flug des Kleinods erhalten. Das variantenreiche Wappen wird beschrieben im Gruber und bei Zobel auf Tafel 300-301. Hier handelt es sich um ein Mitglied des Stammes VI nach Möller, um die sog. Reide-Linie, mit dem Wappen der Schönburg auf Wesel vom Typ Ic: In Gold sechs (3:2:1) rote Schildchen, Helmzier ein sitzender silberner Hund zwischen einem roten Flug, so wie es auch am Epitaph des Johann Hilchen von Lorch in St. Martin zu sehen ist, optisch rechts, zweites Wappen von oben der Ahnenprobe. Daneben ist das Wappen der Kroppe von Bellersheim, mit fast vollständig verwittertem Schildbild, das einst einen Gürtel oder Schwertgurt zeigte, gut hingegen zu erkennen ist der wachsende Einhornrumpf der Helmzier, auch wenn das schräg nach unten gerichtete Stirnhorn gelitten hat. Das Wappen wird beschrieben im Gruber und bei Zobel Tafel 23. Die Farben der Hauptlinie sind rot-silbern, andere Linien haben Schwarz als Feldfarbe, und so ist es auch in der Ahnenprobe am väterlichen Epitaph in der Kirche St. Martin.
Abb.: West-Brüstung des breiten Hauptbalkons, Seitenteil mit zwei Wappen. Optisch links ist das Wappen der Hilchen von Lorch, in Schwarz ein silberner Balken, beiderseits von goldenen Lilien begleitet. Hier ist die Anzahl der Lilien 7 (4:3). Die Helmzier ist zu schwarz-silbernen Decken ein schwarzer, silbern gestulpter Hut, oben mit einer hahnenfederbesteckten, silbernen Kugel besetzt. Der Stulp des Hutes ist hier noch einmal mit einer Lilie belegt. Das Wappen wird beschrieben im Gruber, bei Zobel auf Tafel 207-208, im Siebmacher Band: NaA Seite: 30 Tafel: 49 und im Münchener Kalender 1934. Daneben ist das Wappen der Niederadeligen von Dietz, innerhalb eines silbernen Bordes (hier nicht abgesetzt) in Rot ein silberner Löwe, auf dem Helm mit rot-silbernen Decken ein wachsender, rot mit silbernen Aufschlägen und ebensolchem Hut gekleideter Mannesrumpf. Das Wappen wird beschrieben im Siebmacher Band: NaA Seite: 20 Tafel: 29, bei Wolfert Tafel 39 Seite 124, 53 und bei Zobel Tafel 77-78.
Abb.: Süd-Brüstung des breiten Hauptbalkons, linker Abschnitt mit zwei von vier Wappen. Optisch links ist das Wappen der von Walderdorff, in Schwarz ein golden gekrönter, golden oder rot bewehrter, rot-silbern geteilter, doppelschwänziger Löwe, auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken ein schwarzer Flug, beiderseits belegt mit einem golden gekrönten und ebenso bewehrten, rot-silbern geteilten Löwen. Das Wappen wird beschrieben im Gruber, bei Zobel auf Tafel 357 und im Siebmacher Band: He Seite: 29 Tafel: 33, Band: Bay Seite: 24b Tafel: 19 und Band: Na Seite: 4 Tafel: 4. Daneben ist das Wappen der Hilchen von Lorch wie zuvor beschrieben, aber diesmal für eine andere Person der Ahnenliste.
Abb.: Süd-Brüstung des breiten Hauptbalkons, mittlerer Abschnitt mit der Portraitdarstellung zwischen zwei Lilienpaaren. Diese Darstellung trennt die Wappenreliefs in einen Bereich in Bezug auf Maria Hilchen von Lorch (1510-5.10.1561) väterlicher Ahnen links davon und einen Bereich mütterlicher Ahnen rechts davon.
Abb.: Süd-Brüstung des breiten Hauptbalkons, rechter Abschnitt mit zwei von vier Wappen. Optisch links ist das Wappen der von Rüdesheim, und zwar von der Hauptlinie, die normalerweise unter einem goldenen Schildhaupt in Blau sechs (3:2:1) goldene Lilien führte, im Gegensatz zu der Nebenlinie der Brömser von Rüdesheim, die die Tinkturen Schwarz und Silber hatte, sich aber als die langlebigere Linie erwies und erstere beerbte. Hier ist nur ein mit drei Lilien belegter Balken zu sehen, was wohl eine nachträgliche, nicht authentische Veränderung ist, insbesondere weil dieses Wappen noch einmal richtig am seitlichen Treppenturm auftaucht. Auf dem Helm wird von den Herren von Rüdesheim zu blau-goldenen Decken ein schwarzer, rot gestulpter Turnierhut geführt, der mit zwei silbernen Federstößen besteckt ist. Das Wappen wird beschrieben bei Zobel auf Tafel 282, im Gruber und bei Wolfert. Daneben ist das Wappen der Boos von Waldeck, in Rot drei schrägrechtsbalkenweise aneinandergereihte, silberne Rincke, auf dem Helm mit rot-silbernen Decken ein schwarzer Flug beiderseits, hier beiderseits mit einem Schildchen wie beschrieben belegt (meistens ist es eine Scheibe, hier hat sie Schildform). Das Wappen wird beschrieben im Gruber, bei Zobel Tafel 41 und bei Wolfert.
Abb.: Ost-Brüstung des breiten Hauptbalkons, linker Abschnitt mit zwei von vier Wappen. Optisch links ist das Wappen der von Wachenheim, zweimal geteilt von Gold, Rot und Silber, oben im goldenen Platz drei schwarze Vögel nebeneinander, auf dem Helm mit gänzlich rot-silbernen oder rechts rot-goldenen und links rot-silbernen Decken ein zweimal von Gold, Rot und Silber geteilter Flug. Das Wappen wird beschrieben im Gruber, bei Wolfert und bei Zobel Tafel 350. Daneben ist das Wappen der von Löwenstein, in Schwarz ein silberner, gekrönter Löwe, auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken der Löwe sitzend. Das mit den unterschiedlichsten Beizeichen und Kleinoden vorkommende Wappen wird beschrieben bei Zobel Tafel 210-211, bei Gruber und im Siebmacher Band: NaA Seite: 30 Tafel: 47.
Abb.: Süd-Brüstung des breiten Hauptbalkons, rechter Abschnitt mit zwei von vier Wappen. Optisch links ist das Wappen der Grafen von Eltz, rot-silbern geteilt, oben - kaum noch zu erkennen - wachsend ein goldener Löwe, auf dem Helm mit rot-silbernen Decken ein roter Turnierhut, darauf der goldene Löwe wachsend zwischen einem mit silbernen (auch als golden beschrieben) Lindenblättern bestreuten roten Flug. Das Wappen wird beschrieben im Siebmacher Band: Na Seite: 6 Tafel: 6, Band: He Seite: 8 Tafel: 7 und im Band: OÖ Seite: 38 Tafel: 18, weiterhin im Münchener Kalender 1904, bei Gruber und bei Wolfert. Daneben wäre das Wappen für eine noch nicht identifizierte Ururgroßmutter, von deren Wappen allein der Flug als Kleinod erhalten ist (Hinweise willkommen).
Dieses Paar Wappenschilde (Abb. oben, Detailausschnitt unten) befindet sich am Treppenturm der Westseite am auf die Hochterrasse führenden Ausgang, auf 1548 datiert, also noch zu Lebzeiten des Feldmarschalls. Die beiden Schilde zeigen die bereits zuvor beschriebenen Wappen der Hilchen von Lorch und der von Rüdesheim. Sie stehen für Johann III. Hilchen von Lorch (15.4.1484-15.4.1548), unter dem der Bau begonnen wurde, und seine damals längst verstorbene Frau, Dorothea von Rüdesheim (1485-1512).
Daß das Hilchenhaus dem Grafen von Kanitz gehört, sieht man am Wetterfähnchen (Abb. unten links), das in Form des Kanitz-Wappens durchbrochen ist; jenes zeigt in Silber ein rotes Andreaskreuz, das von vier roten Rosen bewinkelt ist. Der Stammhelm hat zu rot-silbernen Decken als Kleinod einen roten, mit Hermelin aufgeschlagenen Hut, auf dem ein goldenes Rad steht, welches mit acht goldenen Windlichtern bzw. Fackeln besteckt ist. Das gräfliche Wappen wird zu gleichem Schild mit drei Helmen geführt, Helm 1 (Mitte): ein schwarzer Adler mit goldener Krone und goldenen Kleestengeln (preußischer Adler ohne Zepter und Reichsapfel), Helm 2 (rechts): Stammkleinod, Helm 3 (links): ein in fünf Reihen rot-silbern geschachter, silbern aufgeschlagener Spitzhut, an der Spitze auf goldenem Knopf mit drei Straußenfedern besteckt in den Tinkturen Rot, Gold und Silber. Alle Decken sind rot-silbern. Das Wappen wird beschrieben im Siebmacher Band: Pr Seite: 14 Tafel: 15. Eine Farbabbildung des Wappens der Grafen von Kanitz findet man am neben dem Hilchenhaus gelegenen Weingut als Firmenschild (ohne Abb.).
Das Hilchenhaus war im 20. und frühen 21. Jh. ein bedrohtes Denkmal. 1930 fand eine Restaurierung der Rheinfassade statt, 1945 wurde das Haus durch einen Bombentreffer im Innern schwer beschädigt, nach dem Krieg wurde das Notwendigste geflickt, doch im Prinzip vergammelte das Haus seitdem vor sich hin. In den 70er Jahren restaurierte man wieder mal ein bißchen, nachdem die Nutzung der Räume in den oberen Geschossen zur Rebveredelung ihre Spuren hinterlassen hatte. Und wieder stand das einst stolze Haus lange leer. Baufällige Teile wurden abgenommen. Beinahe gäbe es dieses Baudenkmal nicht mehr. Ein Investor versprach Ende der 1990er Jahre der Stadt Lorch das Blaue vom Himmel, um die Genehmigung für einen Hotelneubau zu bekommen, der links neben dem Hilchenhaus errichtet werden sollte. Da damals das Mittelrheintal Weltkulturerbe werden sollte, wollten der Investor und die Stadt mit diesem zu erwartenden Prädikat große Kasse mit Tourismus machen. Das Hilchenhaus selbst, das Kriege und Revolutionen fast 500 Jahre lang überstanden und überlebt hatte, überlebte diesen Investor beinahe nicht. Es wurde bis auf die Außenmauern entkernt, viel alte Substanz ging dabei verloren. Der Neubau wurde als viergeschossiger Betontorso daneben hochgezogen, aber nie ausgebaut. Dann ging dem Investor das Geld aus, zugesagte Gelder fielen geringer aus, Teilhaber sprangen ab. Anstelle eines geplanten Vier-Sterne-Hauses namens "Victoria Grand Park Hotel" verschandelte nun eine häßliche Bauruine die ganze Ortsansicht vom Rhein aus und verdeckte den Kirchberg, überragte sogar den Kirchhof. Der Treppenweg zwischen Hilchenhaus und Kirchhof war unterbrochen. Eine historische Zehntscheune aus der Barockzeit hatten die geldgeilen Verantwortlichen schon dafür abreißen lassen, und das Denkmalamt hatte versagt und alles in fachlicher Agonie abgenickt anstatt einzugreifen. Die verrottende Bauruine reichte bis über das die Kirche umgebende Niveau hinaus. Kommunalpolitiker und Denkmalpfleger begriffen zu spät, daß sie eigentlich eiserne Regeln zu leichtfertig den Dollarzeichen in den Augen geopfert hatten. Sie bejubelten ein "Highlight des Regionalmarketings" und wußten nicht, was sie taten und aufs Spiel setzten. Nun hatten sie eine neue Ruine zusätzlich und aus dem Hilchenhaus eine Beinahe-Ruine, entkernt und nur durch Versprießungen im Gebäudeinneren gesichert, innen verwüstet, einsturzgefährdet, der Balkon mußte mit Stangen abgestützt werden, Öffnungen wurden verbrettert, unter dem Balkon wurde ein Auffangteller für herabfallende Steine eingezogen. Aus dem schönsten Renaissance-Adelssitz des Mittelrheintales war eine Ruine mit hübscher Fassade geworden. Lorch begann seine Karriere als Teils des Weltkulturerbes Mittelrheintal mit einem selbstverschuldeten und hausgemachten Schandfleck.
Die Rettung kam schließlich 2010 ff. einerseits durch eine aktive Bürgerinitiative, andererseits durch Mittel des Investitionsprogramms Nationale UNESCO-Welterbestätten. Das Gebäude gehörte zwar dem Grafen von Kanitz, aber die Stadt übernahm die Nutzung über einen auf 99 Jahre geschlossenen Erbpachtvertrag. UNESCO-Fördermittel von 5.2 Mio. Euro standen zur Rettung zur Verfügung, und auch das Land Hessen beteiligte sich. Eine halbe Million verschlang allein der Abriß des Schandfleckes, damit wenigstens die Hotelruine aus dem Ortsbild getilgt werden konnte. Der städtebaulich brutal in das historische Ortsbild geklotzte Bettenbautorso wurde mit Mitteln des Investitionsprogramms abgebrochen, nur der darunterliegende Keller wurde auf Erdgeschoßniveau belassen. 2010-2013 wurde dann das Hilchenhaus selbst gerettet und für eine langfristige öffentliche Nutzung umgebaut. Die Außenfassaden wurden historisch getreu wiederhergestellt, desgleichen die Gewölbe im untersten Geschoß, allein darüber war keine Rettung mehr möglich, weil der Bau bereits ausgekernt war, so daß der Innenausbau in den Obergeschossen modern ist. Der innen mit schönen Rippengewölben verzierte Erker trägt sich wieder selbst. Ein moderner Anbau im Osten enthält den Aufzug und sanitäre Anlagen. Der untere Bereich (Erdgeschoß) mit dem Hilchenkeller soll durch einen gastronomischen Betrieb genutzt werden, ebenso die Außenterrasse im 1. Stock, der obere Bereich mit dem im ersten Stock befindlichen Rittersaal als Raum für kulturelle Veranstaltungen und das zweite Stockwerk als Museum. Die angrenzenden Flächen sollen in Zukunft noch gärtnerisch gestaltet werden. Heute ist das Hilchenhaus ein Vorzeigeprojekt denkmalpflegerischer Instandsetzung und Modernisierung historischer Gebäude. Beinahe wäre es zu spät gewesen.
Einen weiteren Wappenstein mit einem Ehewappen findet man nur, wenn man es weiß: Von der Terrasse links neben dem Hilchenhaus aus führt ein einmal gewinkelter Treppenabgang hinunter zu einer auf die Straße führenden Pforte. Auf dem Treppenabsatz in der Mitte des Ganges stehend sieht man eine in die rückwärtige Wand eingelassene, undatierte Spolie, die vom Haus des Philipp Hilchen von Lorch stammt und beim Bau der Terrasse hier eingemauert wurde. Es handelt sich hier auf der optisch linken Seite um das Wappen von Philipp V. Hilchen von Lorch (-1581), Sohn von Adam Hilchen von Lorch und dessen Frau Anna von Allendorf. Philipp V. war vermählt mit Ursula von Walbrunn, der Tochter von Johann von Walbrunn und dessen Frau Elisabeth Hofwart. Philipp V. und Ursula hatten zwei Söhne namens Philipp und Johann Adam, die aber um 1600 bzw. 1606 kinderlos verstarben, so daß sich diese Linie der Hilchen von Lorch nicht weiter fortsetzte. Das Wappen der von Walbrunn auf der optisch rechten Seite zeigt in Blau drei (2:1) silberne Rauten. Auf dem Helm mit blau-silbernen Decken steht eine aufrechte silberne Raute zwischen zwei blauen, je mit einer silbernen Raute belegten Büffelhörnern (von diese beiden Rauten ist hier eine zerstört, die andere ist relativ weit oben zu erkennen).
Literatur,
Links und Quellen:
Otto
Gruber: Wappen
des mittelrheinisch-moselländischen Adels, Trier 1962-1965,
incl. Nachtrag Trier 1967, ebenfalls veröffentlicht in
verschiedenen Jahrgängen der "landeskundlichen
Vierteljahresblätter".
Jürgen Kaiser, St. Martin, Lorch am Rhein, Verlag Schnell
&
Steiner GmbH Regensburg, 1. Auflage 2000, ISBN 3-7954-6303-3
Rolf
Zobel: Wappen an
Mittelrhein und Mosel, Books on Demands GmbH, Norderstedt 2009,
ISBN 978-3-8370-5292-3, 527 S.
Alfred F. Wolfert, Aschaffenburger Wappenbuch,
Veröffentlichung
des Geschichts- und Kunstvereins Aschaffenburg e. V.,
Aschaffenburg 1983
Grabdenkmäler der
Hilchen von Lorch: http://lagis.online.uni-marburg.de/de/subjects/gsearch/mode/grid/setmode/grid/page/1/current/1/sn/gdm?q=Hilchen
Zu den verschiedenen Linien der von Rüdesheim: http://books.google.de/books?id=6VxNAAAAcAAJ S. 349.
von Rüdesheim und Brömser von Rüdesheim: http://de.wikipedia.org/wiki/Brömserburg
Maria Hilchen von Lorch: http://www.inschriften.net/landkreis-bad-kreuznach/inschrift/nr/di034-0287.html - Deutsche Inschriften 34, Bad Kreuznach, Nr.
287
(Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di034mz03k0028704
Genealogie: http://gw.geneanet.org/arni1311?lang=en;pz=niklas;nz=arnold;ocz=0;p=maria+veronika;n=hilchen+von+lorch
http://gw.geneanet.org/arni1311?lang=en;pz=niklas;nz=arnold;ocz=0;p=ursula;n=boos+von+waldeck - http://www.genealogieonline.nl/de/west-europese-adel/I1073848989.php- http://gw.geneanet.org/wailly?lang=nl&p=maria&n=hilchen+von+lorch
Johann III. Hilchen von Lorch: http://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Hilchen
Hilchenhaus: http://de.wikipedia.org/wiki/Hilchenhaus
Grafen von Kanitz: http://de.wikipedia.org/wiki/Kanitz_(Adelsgeschlecht)
Hilchenhaus und Wiederherstellung: http://www.stadt-lorch-rheingau.de/staticsite/staticsite.php?menuid=169&topmenu=41&keepmenu=inactive - Artikel in der Zeit: http://www.zeit.de/2005/32/Lsp_Hilchenhaus - http://www.welterbeprogramm.de/cln_033/nn_612670/INUW/DE/Projekte/Kommune/OBMRT/obmrt.html#doc614034bodyText13 - Grundriß: http://cgi-host.uni-marburg.de/~hlgl/plaene/id.cgi?id=Luthmer-Rheingau_111
Wiederherstellung: http://www.kulturportal-hessen.de/de/sparten/baukunst-schloesser-parks/aktuelle-nachrichten/4429-hilchenhaus-in-lorch-wieder-hergestellt - http://www.smp-architekten.de/de/referenzen/architektur/29-referenzen/architektur/kommunale-bauten/105-umbau-und-sanierung-hilchenhaus-lorch-unesco-weltkulturerbe-rueckbau-des-hotelrohbaus-teilprojekt-1.html
http://www.smp-architekten.de/de/referenzen/architektur/113-umbau-und-sanierung-hilchenhaus-lorch-unesco-weltkulturerbe-teilprojekt-2 - http://www.wiesbadener-kurier.de/lokales/rheingau/eltville/lorcher-hilchenhaus-beim-tag-der-architektur-geoeffnet_14263100.htm - http://www.wiesbadener-tagblatt.de/lokales/rheingau/lorch/sanierung-des-lorcher-hilchenhaus-abgeschlossen_13761641.htm -
http://www.faz.net/aktuell/rhein-main/region/lorch-hilchenhaus-als-standesamt-fuer-das-mittelrheintal-1921241.html - https://www.akh.de/baukultur/tag-der-architektur/programm-2014/detailansicht/1118/
http://www.nh-projektstadt.de/meta/presse/pressedetail/article/hilchenhaus-in-lorch-vorzeigeprojekt-im-unesco-weltkulturerbe-fertiggestellt/ - http://www.bauhandwerk.de/artikel/bhw_Rheingold_2017809.html - Zeitungsschau bzgl. Hotelneubau: http://www.voelcker-hospitality.de/downloads/07_VICTORIA_GRAND_PARK_LORCH_Hilchenhaus_1999_2001.pdf
Hilchenhaus: http://www.ms-visucom.de/cgi-bin/r20msvcshop_detail_anzeige.pl?&var_hauptpfad=../r20msvc_shop/&var_fa1_select=var_fa1_select||285|&var_te1=316
https://archive.org/stream/bauundkunstdenk00luthgoog/bauundkunstdenk00luthgoog_djvu.txt "Hilchenhaus"
Bauliche Konzeption: http://www.stadt-lorch-rheingau.de/pics/medien/1_1244290703/1-5Antrag_Hilchenhaus_NH12-03.pdf
Ein herzliches Dankeschön an Herrn Peter Fuchs aus Lorch
für
wertvolle Hinweise zum versteckten Wappenstein im Treppenaufgang.
Möller, Stammtafeln AF III Taf. CXIV.
Philipp V. Hilchen von Lorch: Die Inschriften des
Rheingau-Taunus-Kreises. Gesammelt und bearbeitet von Yvonne
Monsees (Die Deutschen Inschriften 43), 1997, S. 402 f., Nr. 499.
„Philipp V. Hilchen von Lorch 1581, Lorch“, in:
Grabdenkmäler http://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/gdm/id/2032 (Stand: 24.3.2006)
St. Martin, Vorhalle - St. Martin, Schlußsteine der Vorhalle - St. Martin, Johann Hilchen II. von Lorch und Elisabeth von Walderdorff - Philipp IV. Hilchen von Lorch und Elisabeth von Bicken - Johann von Eschbach und Anna von Rossau - Johann III. Marschall von Waldeck - Johann von Breidbach und Loretta von Schöneck - Marquard vom Stein - Carl Heinrich Frhr. v. Hausen
Ortsregister - Namensregister - Regional-Index
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