Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 2133
Lorch (Rheingau-Taunus-Kreis)
St. Martin, Johann von Eschbach und Anna von Rossau
Dieses aus rötlichem Sandstein gehauene und 2.17 m x 1.35 m messende Epitaph ist an der Südwand des Presberger Schiffes der katholischen Pfarrkirche St. Martin aufgestellt und erinnert an Johann von Eschbach und Anna von Rossau. Es wird durch die Inschrift auf das Jahr 1496 datiert. Die umlaufende, aber nur zum Teil ausgeführte Inschrift in gotischen Minuskeln lautet in den vorhandenen Fragmenten: "der vest johan(n) von eschbach den got(t) gnade ame(n - anno domi)ni M cccc xcvi (ge)sto(r)be(n) dyse veste anna vo(n) eszbach gebor(e)n(e) vo(n) Rossaw". Johann hatte eine Frau aus einem selten auftretenden, ursprünglich nordfränkischen Geschlecht geheiratet, welches sich in zwei Zweige geteilt hatte, einen zu Obermögersheim in Mittelfranken und einen Obrigheim am Neckar, und welches Anfang des 17. Jh. erloschen ist.
Die Inschrift ist sehr unvollständig, aber nur an einer Stelle optisch links oben beschädigt; für die Frau existiert immerhin das Jahr ihres Ablebens, aber nicht das genaue Datum, und für den Ehemann haben wir gar keine Daten, vermutlich wurden sie später einfach nicht mehr nachgetragen, als er seiner Frau folgte. Jedenfalls lebte der Ehemann länger als seine Frau, denn im Jahr 1512 hatte er noch das Lorcher Schultheißenamt inne. Sehr schön ist die Darstellung der beiden Eheleute, die sich einander zuwenden. Der Mann in seiner Rüstung mit Schaller und hochgeklapptem Visier, mit geschulterter Streitkeule (Morgenstern) in der Rechten und mit der Linken am Griff des großen Zweihänderschwertes, steht etwas steif, während seine Ehefrau sich ihm in lebhafter Geste mit wie abwehrend erhobenen Händen zuwendet und zudem ihren rechten Fuß auf seinen linken stellt, eine bemerkenswerte und seltene Pose, als wolle sie ihn mit allen Mitteln zurückhalten. Eine große, ovale Haube bedeckt ihren Kopf, und unter dieser quellen seitlich die von kreuzförmig geflochtenen Bändern zusammengehaltenen Haare hervor.
Die vier nach innen geneigten Wappenschilde in den vier Ecken stehen für folgende Familien: Oben rechts ist der gewendete Schild der von Eschbach (in Silber ein schwarzer, schrägrechter Wellenbalken, die nicht dargestellte Helmzier wäre auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken ein silberner Flügel), oben links ist der Schild der von Rossau (mit zwei Zinnen golden-rot geteilt, die nicht dargestellte Helmzier wäre ein wie der Schild geteiltes Paar Büffelhörner zu rot-goldenen Decken).
Unten rechts ist der gewendete Schild der Specht von Bubenheim (in Gold ein silbern gegitterter, schwarzer Balken, darüber ein roter Specht, das nicht dargestellte Kleinod wäre zu schwarz-goldenen Decken ein wachsender Jüngling in schwarzem Gewand, ein aufgeklapptes Spielbrett haltend) und unten links ist der Schild der von Elm (in Gold drei rote Schrägrechtsbalken; die hier nicht dargestellte Helmzier wäre ein goldener, rot gestulpter Turnierhut mit einem rechts goldenen und links roten Flug zu rot-goldenen Decken). Das Wappen der im Ritterkanton Rhön-Werra beheimateten und 1444 mit Wilhelm erloschenen von Elm ist im Scheiblerschen Wappenbuch und danach im Siebmacher nicht korrekt wiedergegeben (dort in Gold zwei blaue Querbalken). Der namengebende Ort Elm gehört heute zu Schlüchtern.
Es gibt zwei weitere Quellen, die die hier genannte Genealogie verifizieren. Zum einen wird die eheliche Verbindung zwischen den von Eschbach und den von Rossau auch durch ein Epitaph in Stockheim, Wasserburg Leustadt, belegt, es ist für Wolf von Wolfskehl, gestorben 1554, und seine 1543 verstorbene Frau, und an diesem Epitaph werden die beiden Wappen in der Ahnenprobe einander zugeordnet. Zum anderen gibt es mehrere passende Abbildungen im Geschlechtsregister der Familie Rossau in der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart (Cod.hist.qt.420). Dieses wurde im Auftrag von Annas Bruder Philipp von Rossau ab 1491 angelegt. Ihrer beider Eltern waren Erhard von Rossau (-1485) und dessen erste Ehefrau Kunigunde von Elm (Tochter von Wilhelm von Elm und Susanne von Brunn). Aus dieser Ehe entsproß auch ein Sohn Philipp. Erhard von Rossau hatte in zweiter Ehe eine Gulpen genannt von Heddesheim geheiratet, und dieser Ehe entsproß ein Sohn, der ebenfalls Erhard genannt wurde.
Anm.: In der Literatur wird "Rossau" leider als "Passau" gelesen, was bei flüchtigem Hinsehen durchaus gesehen werden kann, aber keinen Sinn ergibt, weil es eine solche Familie mit einem solchen Wappen nicht gab, während die Lesung "Rossau" zum abgebildeten Wappen und zu den genannten anderen Quellen paßt. In der älteren Literatur (Walter Möller, Stammtafeln westdeutscher Adelsgeschlechter, Bd. 1, Darmstadt 1922, Tafel XXXXIII, August Demmin 1891) wird der Name noch korrekt gelesen, und dann pflanzt sich eine fehlerhafte Lesung immer weiter in der Literatur fort. Ebenso falsch ist die zu findende Zuordnung des Wappens zu einer Familie Dipperg (Georg Helwich), diese Familie hat zwar ein ähnliches, aber nicht gleiches Wappen (in Rot eine silberne Zinnenmauer mit drei Zinnen, beschrieben im Gruber), aber eine solche Verbindung liegt nicht vor. Ebenso falsch ist die Zuordnung des Elm-Wappens zu den von Reiffenberg. Die Ursache für diese vielen fehlerhaften Zuordnungen ist wohl, daß diese Heirat ein Mitglied der Familie von Rossau weit außerhalb ihres sonstigen Lebenskreises geführt hat und hier verzweifelt mittelrheinische Familien als Ersatz gesucht wurden. Die Darlegungen von Siglinde Buchner und Sebastian Parzer belegen jedoch klar die zutreffenden familiären Zusammenhänge.
Literatur,
Links und Quellen:
Otto Gruber: Wappen
des mittelrheinisch-moselländischen Adels, Trier 1962-1965,
incl. Nachtrag Trier 1967, ebenfalls veröffentlicht in
verschiedenen Jahrgängen der "landeskundlichen
Vierteljahresblätter".
Jürgen Kaiser, St. Martin, Lorch am Rhein, Verlag Schnell &
Steiner GmbH Regensburg, 1. Auflage 2000, ISBN 3-7954-6303-3
Veröffentlichung der
Innenaufnahmen mit freundlicher Genehmigung von Herrn Pfarrer H.
Daniel, Kath. Pfarramt St. Martin, vom 10.11.07, wofür ihm an
dieser Stelle herzlich gedankt sei.
Die Inschriften des
Rheingau-Taunus-Kreises. Gesammelt und bearbeitet von Yvonne
Monsees (Die Deutschen Inschriften 43), 1997, S. 249, Nr. 294.
Johann von Eschbach und Anna von Passau 1496, Lorch,
in: Grabdenkmäler http://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/gdm/id/1954 (Stand: 4.10.2006), vgl. Diskussion oben im letzten
Abschnitt
Wolf von Wolfskehlen 1554 und Frau 1543, Stockheim,
in: Grabdenkmäler http://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/gdm/id/636 (Stand: 28.1.2006)
Wappen Eschbach: Alfred F. Wolfert, Aschaffenburger Wappenbuch,
Veröffentlichung des Geschichts- und Kunstvereins Aschaffenburg
e. V., Aschaffenburg 1983, Tafel 15 Seite 212
Wappen von Rossau: Zobel, Tafel 280, und Geschlechtsregister der
fränkischen Familie von Russaw (Rossaw), begonnen 1491 -
Cod.hist.qt.420 http://digital.wlb-stuttgart.de/purl/bsz312521359 - http://digital.wlb-stuttgart.de/digitale-sammlungen/seitenansicht/?no_cache=1&tx_dlf[id]=104&tx_dlf[page]=1 - daraus z. B. http://digital.wlb-stuttgart.de/filegroups/gescderhf_312521359/min/00000006.jpg - http://digital.wlb-stuttgart.de/filegroups/gescderhf_312521359/min/00000007.jpg - insbesondere: http://digital.wlb-stuttgart.de/filegroups/gescderhf_312521359/min/00000014.jpg
http://de.wikipedia.org/wiki/Rossau_(Adelsgeschlecht)
Wappen der von Elm: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/7/71/E-Scheibler236ps.jpg (Balken dort abweichend gerade, nicht schräg, nur
zwei)
Walter Möller, Stammtafeln westdeutscher Adelsgeschlechter, Bd.
1, Darmstadt 1922, Tafel XXXXIII
Siglinde Buchner und Sebastian Parzer: Wer war Anna, die Ehefrau
von Johann von Eschbach, dargestellt auf einem Grabmal in der
Lorcher St. Martinskirche?
Siglinde Buchner, Die Herren von Rossau oder die Suche nach der
Herkunft eines vergessenen Herrengeschlechts, in: Blätter für
fränkische Familienkunde, Band 26, Neustadt/Aisch 2003, S.
67-77.
Siglinde Buchner und Sebastian Parzer, Erhard II. von Rossau auf
Schloß Neuburg und seine 14 Kinder, in: Der Odenwald,
Zeitschrift des Breuberg-Bundes, 51. Jahrgang, Heft 4, 2004, S.
150 f.
Siglinde Buchner, Anna von Rossau und Bischof Johann von Brunn
Georg Helwich, Syntagma, in: F. W. E. Roth, Geschichtsquellen des
Niederrheingaus, Bd. 3, Wiesbaden 1880, S. 303.
August Demmin, Die Kriegswaffen, 5. Auflage, Gera-Untermhaus,
1891, S. 421
Wappen Specht von Bubenheim: Scheiblersches Wappenbuch
(Bayerische Staatsbibliothek Cod.icon. 312 c), Folio 412, auch
Zobel Tafel 53
Rolf Zobel: Wappen an
Mittelrhein und Mosel, Books on Demands GmbH, Norderstedt 2009,
ISBN 978-3-8370-5292-3, 527 S.
Alfred F. Wolfert, Aschaffenburger Wappenbuch, Veröffentlichung
des Geschichts- und Kunstvereins Aschaffenburg e. V.,
Aschaffenburg 1983
ein herzliches Dankeschön an Frau Siglinde Buchner für
wertvolle Hinweise
St. Martin, Vorhalle - St. Martin, Schlußsteine der Vorhalle - St. Martin, Johann Hilchen II. von Lorch und Elisabeth von Walderdorff - Philipp IV. Hilchen von Lorch und Elisabeth von Bicken - Johann III. Marschall von Waldeck - Johann von Breidbach und Loretta von Schöneck - Marquard vom Stein - Carl Heinrich Frhr. v. Hausen - Hilchenhaus
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