Bernhard
Peter
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Photos schöner alter Wappen Nr. 2035
Geldersheim (Landkreis Schweinfurt, Unterfranken)
Das Untertor in Geldersheim
Das Untertor befindet sich am östlichen Ende der Straße Unterdorf und öffnet sich dort auf die Untertorstraße. Dieses Tor mit steilem Walmdach, das im unteren Geschoß, welches die rundbogige Durchfahrt enthält, massiv gebaut wurde und im Obergeschoß aus Fachwerk besteht, führte in Richtung Schweinfurt. Eigentlich war Geldersheim im Mittelalter der bedeutendere Ort und Sitz einer Pfalz, doch der Aufstieg des benachbarten Schweinfurt lief ihm den Rang ab, und Geldersheim kam immer mehr unter die Herrschaft der Würzburger Fürstbischöfe, wurde aber immer wieder verpfändet, 1260 an die Grafen v. Henneberg, 1405 an Dietrich v. Bickenbach, 1445 an Michael v. Seinsheim-Schwarzenberg. Erst 1476 wurde Geldersheim von Fürstbischof Rudolf v. Scherenberg aus der Pfandschaft vollständig ausgelöst.
Die Befestigungsanlage Geldersheims hat eine komplizierte Geschichte im geschichtlichen Spannungsfeld an der einstigen Landesgrenze zwischen dem katholischen Geldersheim und dem protestantischen Schweinfurt, zwischen Hochstiftsbesitz und Reichsstadt. Ab 1593 wurde unter Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn, der dem Ort das Marktrecht verliehen hatte und hier ein Zentgericht eingerichtet hatte, eine Dorfbefestigung mit drei Stadttoren erbaut. Das Verhältnis war gespannt: Die Schweinfurter bemühten ein 1427 erlassenes Privileg Kaiser Siegmunds, nach dem niemand im Umkreis einer Meile um die Stadt Wehranlagen errichten durfte, und klagten sogar beim Reichskammergericht gegen die Dorfbefestigung, Protestanten zogen fort nach Schweinfurt, der Fürstbischof verbot in einer Handelssperre den Verkauf von Lebensmitteln nach Schweinfurt, Schweinfurt verbot den Transport von Baumaterial über reichsstädtisches Gebiet nach Geldersheim und andere "Spielchen" mehr. Dennoch nahm der Bau der Mauer seinen Fortgang, obwohl das Reichskammergericht die Forderung Schweinfurts nach Abbruch unterstützte, und 1602 war die Befestigung fertig. 1603 und 1604 wurde in Speyer immer noch um die Mauer prozessiert, doch sie blieb vorerst stehen, bis andere, größere Ereignisse über die Region hereinbrachen.
Diese neue Mauer mußte dann 1647/48 tatsächlich abgerissen werden, aber aus anderen Gründen, und das Material verwendete die Reichsstadt Schweinfurt ihrerseits für ihre eigene Stadtbefestigung. 1632 hatte König Gustav Adolf von Schweden das besetzte Geldersheim der Reichsstadt neben 17 weiteren Orten geschenkt, 1645 brandschatzte hier noch einmal der schwedische General v. Königsmarck, nicht ganz im Sinne der zuvor erwähnten Schenkung, und 1647 ließen die in Schweinfurt stationierten schwedischen Truppen die Ortsmauer von Geldersheim abreißen und das Baumaterial abtransportieren. Hier war nicht mehr viel zu schützen, denn gegen Ende des 30jährigen Krieges standen in Geldersheim nur noch wenige Häuser, die Angaben schwanken zwischen 15 und 30. Nur das Untertor ist übriggeblieben, und es wurde im Jahr 1700 erneuert; die Jahreszahl ist in den Bogen eingeschlagen.
An diesem Untertor, letztem Überbleibsel der Dorfbefestigung, sehen wir rechts des äußeren Torbogens ein Vollwappen des Würzburger Fürstbischofs Julius Echter von Mespelbrunn (amtierte 1573-1617), es ist geviert: Feld 1: "Fränkischer Rechen" = von Rot und Silber mit drei aufsteigenden Spitzen geteilt, für das Herzogtum zu Franken, Feld 2 und 3: in Blau ein silberner Schrägbalken, belegt mit drei blauen Ringen, Stammwappen der Echter von Mespelbrunn, Feld 4 (hier falschfarbig): "Rennfähnlein" = in Blau eine rot-silbern gevierte, an den beiden senkrechten Seiten je zweimal eingekerbte, schräggestellte Standarte mit goldenem Schaft, für das Hochstift Würzburg. Die drei Kleinode der Helme gingen verloren. Das gestürzte Schwert und der Krummstab sind schrägrechts resp. schräglinks hinter dem Wappen zu erkennen. Der Anbringungsort zeigt deutlich, daß es sich nicht um die ursprüngliche Position des Steines handelt.
Markant ist eine Fratze mit grotesken Ohren und herausgestreckter Zunge am Scheitel des Torbogens, der sog. Zungenblecker, der Böses von Geldersheim abwehren sollte; er bleckt bis heute in Richtung Schweinfurt. Erst als Geldersheim 1814 an das Königreich Bayern kam, war hier keine Landesgrenze mehr.
Literatur,
Links und Quellen:
Peter Kolb: Die Wappen der
Würzburger Fürstbischöfe. Herausgegeben vom Bezirk
Unterfranken, Freunde Mainfränkischer Kunst und Geschichte e.V.
und Würzburger Diözesangeschichtsverein. Würzburg, 1974, 192
Seiten.
Geldersheim stellt sich vor: http://www.total-lokal.de/pdf/97505_50_01_10_01.pdf
Verein für Heimat- und Brauchtumspflege: http://www.heimatverein-geldersheim.de/verein/heimat/
Geldersheim: http://www.landkreis-schweinfurt.de/Geldersheim_Geme......_p_anzahl=25
Gemeinde Geldersheim: http://www.geldersheim.de/index.php?seite=aeoeuess - Geschichte: http://www.geldersheim.de/index.php?seite=geschichte
Liste der Baudenkmäler: http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Baudenkmäler_in_Geldersheim
Geschichte von Geldersheim: http://www.schweinfurtfuehrer.de/stadtrandgemeinden/geldersheim/, darin zitiert: Erich Saffert, Die Reichsstadt
Schweinfurt von 1554 bis 1615, Anhang 49.
Barbara Schock-Werner, Die Bauten im Fürstbistum Würzburg unter
Julius Echter von Mespelbrunn, 536 S., Schnell & Steiner
Verlag 2005, ISBN-10: 379541623X, ISBN-13: 978-3795416232, S.
346.
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