Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 522
Bischofsstadt Eichstätt

Eichstätt: Das Mortuarium - Teil (1): Deckenfelder 1-5

Das Mortuarium des Eichstätter Domes ist, wie der Name "den Toten gehörend" ankündigt, die Grablege der adeligen Angehörigen des Domkapitels. Dabei ist der Ausdruck "Mortuarium" erst seit dem 18. Jh. geläufig, früher nannte man den Raum einfach "Grebnus" o.ä. Das Mortuarium liegt südöstlich des Domes, man betritt es entweder aus Richtung Residenzplatz von außen oder durch einen Durchgang (Portal wohl noch aus dem 11. Jh.) aus der Ostwand des südlichen Querschiffs, am Fuße des dortigen Südturmes vorbei. Mit einem Schlag betritt man eine andere Welt, nicht nur eine Welt der Erinnerung, sondern auch eine lichte Welt spätgotischer Raumgestaltung, die ihresgleichen sucht. Es ist eine lichte zweischiffige Halle, die zusammen mit drei Kreuzgangflügeln einen kleinen Hof umschließt. Von der Idee her hat der Bau seine Wurzeln in der Klosterkultur, was auf die Ursprünge Eichstätts als Benediktinerkloster und später Domstift verweist. Das Mortuarium wurde ca. 1481-1502 erbaut und ersetzte eine früher dort befindliche Afra-Kapelle.

7 Säulen tragen das Rippengewölbe, abwechselnd rund und achteckig; die beiden äußersten Säulen sind besonders schmuckvoll gearbeitet, wovon die nördliche, die sog. Schöne Säule, das absolute Prunkstück ist, in sich gedreht und mit parallelen schraubenförmig umlaufenden Bändern tief floral verziert. Belaubtes und verdorrtes Astwerk windet sich um die Säule, wodurch sie den Charakter eines Lebensbaumes erhält und zugleich auf die Vergänglichkeit allen irdischen Daseins verweist, desgleichen ein Inschriftenband, das das Weihedatum 1489 nennt und dazu bittet: "Wer hier vorbeigeht, möge für die Seelen beten, daß sie in Frieden ruhen". Am Sockel die Symbole Löwe, Greif, Bär und Hund. Die südliche Säule ist weniger aufwendig, es ist die sog. "Gewundene Säule".

In der Mitte des Raumes liegen rechts und links der Mittelachse die Grabplatten der Mitglieder des Domkapitels durch die Jahrhunderte, manifeste Geschichte vom 15. bis zum 18. Jh., desgleichen entlang der Wände. Rindsum die Wände sind voller Epitaphien, der Kreuzgang genauso. Der Raum erhält sein Licht durch insgesamt 10 Maßwerkfenster, davon 5 mit Farbglasbildern (auf der Ostseite: Maria mit dem Hl. Johannes und Willibald, Schutzmantelmadonna, Kreuzigungsgruppe, Jüngstes Gericht). Das Rippennetz mit Rippen erster und zweiter Ordnung spannt das reich strukturierte Gewölbe auf, an den Hauptkreuzungspunkten sind 16 bemalte Schlußsteine.

In der Mitte verebben die Rippen ohne Absatz durch Übergang in die tragenden Säulen, an den Außenwänden enden sie auf reich gestalteten Konsolen mit menschlichen Darstellungen, denen ein Exkurs auf der sechsten Seite dieser Serie gewidmet ist.

Das Eichstätter Mortuarium zählt mit seinen harmonischen Proportionen, seiner trotz des Totengedenkens heiter-gelassenen Atmosphäre und mit den wunderbaren bildhauerischen Details zu den schönsten Anlagen dieser Art in ganz Süddeutschland, wenn nicht die schönste überhaupt.

Das eigentliche heraldische Highlight ist aber die Decke: Die jeweils beiden einem der 16 Schlußsteine benachbarten Gewölbekappen im Scheitel der beiden Hallenschiffe sind mit Wappendarstellungen ausgemalt, immer ein Vollwappen in der Mitte, rechts und links jeweils von zwei weiteren Wappenschilden begleitet (4er Ahnenprobe), insgesamt haben wir damit 28 Vollwappen und 112 begleitende Wappenschilde, also zusammen 140 Darstellungen. Dadurch wird die Decke nicht nur bildgewordene Geschichte der zeitgenössischen (1592) adeligen Mitglieder des Eichstätter Domkapitels, sondern auch zum Armorial, zum Who's who des süddeutschen stiftsfähigen Adels.


Gewölbefeld 1:

Zu dieser Ahnenprobe paßt der Domherr Reichard Gottfried von Wirsberg. Er hatte auch noch seit dem 31.8.1585 eine Dompräbende in Würzburg, die er aber 1594 verlassen hat. Er war der Sohn von Christoph Sigmund von Wirsberg und Sophia von Rosenberg (- 10.7.1589). Ersterer war der Sohn von Willibald von Wirsberg und Barbara von Künsberg. Letztere war die Tochter von Friedrich Zeisolf von Rosenberg (- 1576) und Anna von der Kehr. Die Ahnenprobe ist bei Salver gelistet.


Gewölbefeld 2:

Diese Ahnenprobe paßt vermutlich zu Christoph von Stain (-3.5.1604), der seit 1579 auch noch Domherr in Würzburg und seit 1594 Würzburger Kapitelmitglied war. Seine Eltern waren Georg von Stain und Anna von Helmstatt. Die Großeltern väterlicherseits waren Eberhard von Stain und Anna von Freyberg. Die Großeltern mütterlicherseits waren Eberhard von Helmstatt und Anna Ottilie von Flersheim. In der Logik der anderen Ahnenproben müßten die Wappen Flersheim und Helmstatt vertauscht sein. Die Ahnenprobe ist bei Salver gelistet.


Gewölbefeld 3:

Bei diesem Domherrn handelt es sich um Georg Melchior von Ow-Wachendorf zu Eutingerthal (ca. 1570-26.7.1604). Er war der Sohn von Johann (Hans) Ernst von Ow-Wachendorf zu Eutingerthal (-1595) zu Eutingertal aus der Linie Wachendorf und Barbara von Neuenhaus (Salver falsch: Neuhausen). Die Großeltern väterlicherseits waren Johann Erhard von Ow und Magdalena von Wernau, die Tochter von Veit von Wernau und Gertraud von Ehingen. Die Großeltern mütterlicherseits waren Philipp von Neuenhaus (-1566) und Burgisinda von Rossau (27.11.1518-, Heirat ca. 1541, gestorben nach 1568). Georg Melchior von Ow wurde am 28.8.1582 in Eichstätt Domizellar. Drei Jahre später wurde er auch in Augsburg Domherr. Er studierte ab 1586 in Ingolstadt und danach in Dole. Am 16.8.1594 wurde er Kanoniker in Ellwangen. In Eichstätt wurde er am 23.6.1595 Kapitelmitglied, in Ellwangen desgleichen im Jahre 1597. Von der Stelle in Ellwangen resignierte er am 24.8.1603. Vom 28.6.1596 bis zum 20.6.1597 war er in Eichstätt Capallanus Honoris. Am 14.10.1598 wurde er Kapitelspfleger, was am 1.8.1600 noch einmal um zwei Jahre verlängert wurde. In Eichstätt wurde er am 18.9.1601 Custos und am 7.8.1602 Domdechant. 1603 wurde er Ritterkaplan bei St. Paul. Für diesen Domherrn, der nur 34 Jahre alt wurde, gibt es auch ein Epitaph im Eichstätter Dom.

Die selten anzutreffende Familie von Neuenhaus gehört zur Gruppe der von Gemmingen und von Massenbach, die alle eines Wappens und auch eines Stammes sind. Die von Neuenhaus sind eine Seitenlinie der von Massenbach, die sich nach ihrem Sitz, Burg Neuenhaus bei Ehrstädt, nannten. Berthold von Massenbach hatte 1333 von Graf Ulrich von Württemberg die halbe Burg Neuenhaus zu Lehen erhalten; die andere Hälfte hatten die von Gemmingen inne. Philipp von Neuenhaus konnte 1541 durch Gütertausch die gesamte Burg erlangen. Der genannte Philipp von Neuenhaus saß auf Burg Neuenhaus, war 1556 Amtmann zu Möckmühl, und er stritt sich jahrelang in Prozessen mit dem Hochstift Speyer. Für Philipp von Neuenhaus war die Heirat mit Burgisinda von Rossau die zweite Ehe. In erster Ehe hatte er Katharina von Lier (-19.3.1540) geheiratet. Aus dieser Ehe gab es einen Sohn, Ludwig von Neuenhaus. Dieser heiratete Brigitta von Neipperg. Er endete 1573, als er im Wirtshaus zur Krone in Wimpfen in Streit mit zwei Brüdern aus der Familie von Helmstatt geriet und von diesen erstochen wurde. Er hinterließ einen Sohn, Johann Philipp von Neuenhaus, der sich 1580 das Leben nahm und damit die Geschichte der Familie von Neuenhaus abschloß: Er war der Letzte der Familie. Philipp von Neuenhaus hatte mit Burgisinda von Rossau insgesamt 6 Kinder. Sohn David starb als Kind 1569. Barbara von Neuenhaus war die älteste Tochter.


Gewölbefeld 4:

Bei diesem Domherrn handelt es sich um Eberhard von Hausen (-1595). Nach den lückenhaften und immer mit Vorsicht zu genießenden Angaben bei Biedermann hat ein Georg von Hausen eine Elisabetha von Freyberg geheiratet. Ihr Sohn war Veit Georg von Hausen, der eine Anna Margaretha von Horben geheiratet hatte, Tochter von Christoph von Horben zu Ringenberg und einer hier nicht passenden Ehefrau des Letzteren. Braun gibt die Genealogie plausibler wie folgt an: Eltern: Joachim von Hausen zu Hausen und Stetten am kalten Markt und Sibylla von Freyberg; die Beiden hatten am 10.7.1566 in Waldsee geheiratet. Die Großeltern väterlicherseits waren damit Sixt von Hausen und Anna Margaretha von Horben zu Ringenberg, die Großmutter mütterlicherseits war Anna von Stain. Eberhard von Hausen taucht 1582 als Rektor der Universität Dole auf. Am 10.1.1586 immatrikulierte er sich in Dillingen. In Eichstätt wurde er am 7.4.1587 Domizellar. Er resignierte sein Kanonikat am 22.8.1595 zugunsten von Johann Joachim Hundbiß von Waltrams.


Gewölbefeld 5:

Diese Kombination steht für Martin von Schaumberg (1550-1613), Domkapitular in Würzburg, Bamberg und Eichstätt und Verwandter des namensgleichen Fürstbischofs. Dieser Martin von Schaumberg hier war der Sohn von Johann Ludwig von Schaumberg (-1584), Burggraf auf dem Rothenberg, und dessen Frau Amalia von Wiesenthau, die nach Salver (S. 483) eine Tochter von Wolf Christoph von Wiesenthau (Sohn von Wilhelm von Wiesenthau und Anna Förtsch von Thurnau) und Sibylla von Bibra (Tochter von Valentin von Bibra und Brigitta von Herbilstatt) war. Die Eltern des Johann Ludwig von Schaumberg waren Egenolf von Schaumberg zu Schaumberg, ansbachischer Amtmann zu Cadolzburg, und Gertrud von Redwitz. Die Großeltern waren Georg von Schaumberg, Anna von Redwitz, Martin von Redwitz und Margareth von Eyb. Diese Abfolge von Ahnen entspricht der Darstellung auf dem Epitaph des Martin von Schaumberg in der Nagelkapelle des Bamberger Domes.

Der gleichnamige Fürstbischof (1523-1590) hatte hingegen Kaspar von Schaumberg (-1536), fürstbischöflicher Pfleger in Burg Nassenfels im Hochstift Eichstätt, später würzburg. Amtmann zu Volkach) und Margarethe von Waldenfels (-1540) als Eltern. Seine Mutter war die Tochter von Balthasar von Waldenfels (gest. ca. 1533), markgräflicher Amtmann zu Mittelberg, und dessen Frau, Margarethe Marschalk von Ebneth.


Literatur, Quellen und Links:
Siebmachers Wappenbücher, bes. Band Bistümer
Eugen Schöler, Historische Familienwappen in Franken, Verlag Degener 3. Aufl. 1999
Aschaffenburger Wappenbuch
Otto Gruber: Wappen des mittelrheinisch-moselländischen Adels, Trier 1962-1965, incl. Nachtrag Trier 1967, ebenfalls veröffentlicht in verschiedenen Jahrgängen der "landeskundlichen Vierteljahresblätter".
Knetschke, Genealogisches Handbuch des Adels, Band V, 1984
Anton P. Rahrbach, Reichsritter in Mainfranken. Zu Wappen und Geschichte fränkischer Adelsfamilien. Bauer & Raspe Verlag - Die Siebmacherschen Wappenbücher, die Familienwappen deutscher Landschaften und Regionen, Band 2, 2003, ISBN 3-87947-113-4
Dr. Claudia Grund, Der Dom zu Eichstätt, Hrsg. Domkapitel Eichstätt, Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg, 2007, ISBN 978-3-89870-293-5
http://www.bistum-eichstaett.de
http://www.bistum-eichstaett.de/dom/domfuehrung/mortuarium.htm
Johann Heinrichs von Falckenstein: Antiquitates Nordgavienses oder Nordgauische Alterthümer und Merckwürdigkeiten, aufgesucht in der Aureatensischen Kirche, oder Hochfürstl. Hochstifft Eichstett, 2. Teil, Lochner, Frankfurt und Leipzig 1733 -
https://books.google.de/books?id=fwZDAAAAcAAJ
Blätter für fränkische Familienkunde, Band 26 (2003), S. 67: Die Herren von Rossau.
Wappen v. Rossau: Karl von Neuenstein, Wappen aus dem Lehensbuche Ludwig V. von der Pfalz, Karlsruhe 1892, Selbstverlag
Wappen v. Rossau:
Geschlechtsregister der fränkischen Familie von Russaw (Rossau), begonnen 1491 - Cod.hist.qt.420 in der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart http://digital.wlb-stuttgart.de/digitale-sammlungen/titeldaten/?no_cache=1&IDDOC=1000730
Wappen v. Rossau: persönliche Mitteilung von Frau Dr. S. Buchner, ein herzliches Dankeschön
persönliche Mitteilung von Herrn Ph. Frhr. v. Hutten, ein herzliches Dankeschön
persönliche Mitteilung von Herrn D. Frhr. v. Künßberg, ein herzliches Dankeschön
Joh. Octavian Salver, Proben des hohen deutschen Reichs Adels oder Sammlungen alter Denkmäler
http://books.google.de/books?id=ZONWAAAAcAAJ S. 483 u.v.a.m.
Hugo A. Braun: Das Domkapitel zu Eichstätt von der Reformationszeit bis zur Säkularisation (1535-1806). Verfassung und Personalgeschichte (Beiträge zur Geschichte der Reichskirche in der Neuzeit 13), Stuttgart 1991
Ein herzliches Dankeschön an Frau Siglinde Buchner für die Lösung etlicher Ahnenproben und unermüdliche Ergänzung der Daten

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Veröffentlichung der Innenaufnahmen aus dem Mortuarium mit freundlicher Erlaubnis des Herrn Domkapitular Manfred Winter, Summus Custos, als Vertreter des Bischöflichen Ordinariats Eichstätt, vom 07.05.2007, wofür ihm an dieser Stelle herzlich gedankt sei.

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