Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 459
Dettelbach (Landkreis
Kitzingen, Unterfranken)
Wallfahrtskirche Maria im Sand in Dettelbach (Unterfranken), Teil (1)
Eine
idyllische Wallfahrtskirche am Main in einem originellen
Zwischenstil
Die Wallfahrtskirche
Maria im Sand liegt etwas außerhalb in Dettelbach auf einer
sanften Anhöhe des östlichen Mainufers, früher idyllisch
inmitten der Weinberge gelegen, heute ringsum von den ausufernden
Neubausiedlungen Dettelbachs erfaßt. Es handelt sich um eine
kreuzförmig angelegte Kirche mit relativ großem und breitem
Querschiff, hinter dem der Bau ein Joch in der Breite des
Hauptschiffs weitergeführt wird, ehe der schmalere zweijochige
Chor mit dreiseitigem Abschluß anschließt. Der Chor ist der
ältere Teil, das Langschiff und Querhaus wurden später
angebaut. Entsprechend unterschiedlich sind die Kunststile, der
Chor mit seinen originellen Maßwerkfenstern wechselnder
Gestaltung noch der späten Gotik verhaftet, der Rest in
blühender Renaissance, insbesondere die Portale und Giebel. Die
Kirche erhält ihre besondere Bedeutung in kunstgeschichtlicher
Hinsicht durch genau diesen Mischstil, zumal in dem betreffenden
Jahrzehnt nur wenige Kirchen erbaut wurden und die vergleichbaren
stilistischen Belege eher rar sind. Auffallend ist vor allem die
riesige Vierung, unter der der groß dimensionierte Gnadenaltar
innerhalb einer vielfach geschwungenen Balustrade etwas seitlich
versetzt steht, was den Anforderungen der Wallfahrt Rechnung
trägt, aber dennoch ein bißchen den Blick auf den Hochaltar im
Chor freiläßt. Die Kirche ist in tadellosem Zustand und eine
Augenweide.
Die
Marienwallfahrt blüht auf
Hier wurde schon
gegen Ende des Mittelalters eine spätgotische Pietà verehrt.
Ihr wird ein Wunder zugeschrieben, nämlich die plötzliche
Gesundung des Nikolaus Lemmerer aus Melkendorf bei Bamberg im
Jahre 1504/5, verletzt bei einer Messerstecherei. Berichte
darüber, daß Gebete auf wundersame Weise erhört wurden,
mehrten sich, und so wurde 1506 eine erste steinerne Kirche
errichtet, die einen hölzernen Vorgängerbau ersetzte. Im Jahre
1523 wurde ein steinernes Rippengewölbe eingebaut. Die Wände
des Chores werden durch sich überschneidende Rippen gegliedert,
was einen Effekt eines wie aus dem Boden sprießenden und die
Wände hochlaufenden Netzes hervorruft. Die Wände und Decke zu
einem einheitlichen Ganzen verschmelzende Komposition ist
bemerkenswert. Im 16. Jh. blühte die Wallfahrt richtig auf.
Selbst der Herzog von Bayern, Wilhelm V, besuchte den Ort der
Gnade höchstpersönlich, und viele taten es ihm gleich, so daß
bald ein größerer Raum notwendig wurde.
Vergrößerung
in der Renaissance
Ab 1608 entstanden
Langschiff und Querschiff. Den alten Chor behielt man bei, das
eine angrenzende Joch konnte nach Erhöhung auch übernommen
werden, ebenfalls ein Turmgeschoß. Neu erbaut wurde das Langhaus
und vor allem der groß dimensionierte Querarm (1610 durch den
Stadtmaurer Lazaro Agostino). Im Jahre 1611-12 konnte gewölbt
werden, allerdings nicht ohne Zwischenfälle, denn die
weitgespannte Decke stürzte nach Fertigstellung 1612 ein und
mußte von Adam Zwinger aus Iphofen, verantwortlicher Steinmetz
und Maurer, auf eigene Kosten nachgebessert werden. Das Gewölbe
hat Rippen aus leicht grünlichem Sandstein. Die Kirche hat drei
Renaissance-Giebel, einen prachtvollen jeweils im Westen (1612,
Peter Meurer aus Kitzingen) und Süden (ebenfalls Peter Meurer)
und einen einfachen im Norden (von Adam Zwinger). 1613 konnte
schließlich der Neubau geweiht werden. Das war ein etwas
größeres Ereignis, das zeigt, wie beliebt die Marienwallfahrt
mittlerweile war, denn die Quellen sprechen von 4000 Wallfahrern,
die der Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn aus diesem
Anlaß in 7 Festzelten bewirten ließ.
Ausstattung
Das früheste und
interessanteste große Einrichtungs-Stück ist die Kanzel von ca.
1626, mit dem Stammbaum Jesu als einheitlichem Thema für
Kanzelbrüstung und Schalldeckel mit alles umwuchernden Ästen
des bildlich dargestellten Stammbaums. Die Innenausstattung ist
ansonsten im wesentlichen im Stile des Barocks und des Rokoko:
1666 gab es einen neuen Hochaltar und zwei neue Seitenaltäre,
1688-90 kam ein Gnadenaltar hinzu. Um 1700 wurde von Johann
Philipp von Greiffenclau, neuer Fürstbischof in Würzburg, ein
silberner Thron für das Gnadenbild gespendet. 1778-79 gab es
wieder einen neuen Gnadenaltar aus rotbraun marmoriertem
Stuckmarmor im Stil des späten Rokoko mit ersten auf den
Frühklassizismus weisenden Elementen wie Kränzen, Vasen,
Lorbeerstäben etc. , gefertigt von Agostino Bossi aus der
berühmten Künstlerfamilie aus Porto Ceresio bei Lugano.
Agostino Bossi ist übrigens der Enkel von Antonio Guiseppe
Bossi, der an der Würzburger Residenz tätig war. Neugotische
Zutaten wurden 1892-97 eingebaut, aber 1956-58 anläßlich einer
Renovierung als unpassend wieder herausgeworfen.
Das
Westportal
Das Westportal im
Stil der Renaissance stammt aus den Jahren 1612-1613 und wurde
von Michael Kern und seiner Werkstatt angefertigt. Er gilt als
der führende Bildhauer der Renaissance im Würzburger Raum.
Weiterhin war Peter Meurer als Steinmetz beteilgt; er lieferte
die architektonisch tragenden Teile und errichtete das Portal,
die Figuren und Ornamente selbst stammen natürlich von Michael
Kern. Interessanterweise ist das Portal mit seinen verschiedenen
Ebenen wie ein Altar derselben Zeit aufgebaut: Auf der untersten
Ebene finden wir in den Nischen rechts und links des Eingangs
Statuen der Apostelfürsten Petrus und Paulus jeweils zwischen
einem Säulenpaar. Über dem Portal ein Stockwerk höher ist eine
Verkündigungsgruppe zu sehen, eine Figur rechts, eine links,
dazwischen das Stifterwappen. Im dritten Stockwerk über dem
Wappen ist die Anbetung durch die Hl. drei Könige zu sehen. Ganz
oben sind die Heiligen St. Burkard und St. Kilian, beide wichtig
für Franken und Würzburg. Dazwischen Maria mit dem Kind,
schließlich ist das hier eine Marienkirche. Ganz obendrüber
befindet sich eine Maßwerkrosette, die noch den gotischen Formen
verhaftet ist. Der Stilmischmasch ist recht interessant, denn die
abschließenden Volutenbögen haben schon etwas Frühbarockes an
sich. Und dennoch ist das Portal ein einheitlicher großer Wurf
geworden, der überraschend glücklich proportioniert ist und ein
wirkungsvoller Rahmen für den Eintritt in die Kirche ist. Rechts
und links des Portals befinden sich zwei Renaissance-Kartuschen,
die die Geschichte des Ortes und der Wallfahrt berichten. Sie
wurden von Peter Meurer 1614 geschaffen.
Die
Wappen des Westportals
Über dem
Haupteingang befindet sich das Wappen des Stifters, des Würzburger
Fürstbischofs Julius Echter von Mespelbrunn (18.3.1545-13.9.1617, amtierte 1573-1617). Das Wappen ist
geviert, Feld 1: "Fränkischer Rechen" = von Rot und
Silber mit drei aufsteigenden Spitzen geteilt, Herzogtum zu
Franken, Feld 2 und 3: In Blau ein silberner Schrägbalken,
belegt mit drei blauen Ringen. Stammwappen Echter von
Mespelbrunn, Feld 4: "Rennfähnlein"
= in Blau eine rot-silbern gevierte, an
den beiden senkrechten Seiten je zweimal eingekerbte,
schräggestellte Standarte mit goldenem Schaft, Hochstift Würzburg.
Zum Wappen gehören drei Helme, Helm 1: Ein Paar blauer Büffelhörner, jeweils belegt mit einem silbernen Schrägbalken, der wiederum mit drei blauen Ringen belegt ist. Stammwappen Echter von Mespelbrunn, Helm 2: Ein Paar Büffelhörner, jeweils im Spitzenschnitt rot-silbern geteilt. Herzogtum zu Franken, Helm 3: Drei Straußenfedern in den Farben Silber, Rot und Blau zwischen zwei rot-silbern gevierten Standarten mit goldenem Schaft, Hochstift Würzburg.
Literatur,
Quellen und Links:
Lokalisierung auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@49.8049632,10.1704138,20z - https://www.google.de/maps/@49.8049632,10.1704138,84m/data=!3m1!1e3
Pfarreiengemeinschaft Maria im Sand: https://pfarreiengemeinschaft-dettelbach.de/ - Wallfahrt: https://pfarreiengemeinschaft-dettelbach.de/wallfahrt
Hugo Schnell, Wallfahrtskirche
Maria im Sand Dettelbach am Main, Schnell Kunstführer Nr. 679,
Verlag Schnell & Steiner GmbH Regensburg, 10. Auflage 2005
http://www.datenmatrix.de/projekte/hdbg/gemeinden/cgi-local/detail.cgi?gkz=9675117
Barbara Schock-Werner, Die Bauten im
Fürstbistum Würzburg unter Julius Echter von Mespelbrunn, 536
S., Schnell & Steiner Verlag 2005, ISBN-10: 379541623X,
ISBN-13: 978-3795416232, S. 100-132.
Wallfahrtskirche bei Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Wallfahrtskirche_Maria_im_Sand_(Dettelbach)
Wallfahrten Bistum Würzburg: https://wallfahrt.bistum-wuerzburg.de/wallfahrtsorte/region-kitzingen/dettelbach/
Franziskanerkloster Dettelbach: https://de.wikipedia.org/wiki/Franziskanerkloster_Dettelbach
Peter Kolb: Die Wappen der Würzburger Fürstbischöfe.
Herausgegeben vom Bezirk Unterfranken, Freunde Mainfränkischer
Kunst und Geschichte e.V. und Würzburger
Diözesangeschichtsverein. Würzburg, 1974. 192 Seiten.
Wallfahrtskirche Maria im Sand Teil (1) - Teil (2) - Teil (3)
Die Wappen der Fürstbischöfe von
Würzburg - Teil (1) - Teil (2) - Teil
(3) - Teil
(4)
Der Fränkische Rechen - Das
Rennfähnlein
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