Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 442
Haßfurt in
Franken
Die Ritterkapelle (Marienkapelle) in Haßfurt, Teil (1)
Ein
Meisterwerk der Spätgotik
In Haßfurt steht im Osten der
historischen Altstadt eines der bedeutendsten und
bemerkenswertesten Baudenkmäler im östlichen Franken: Die
Ritterkapelle oder Marienkapelle. Von der Konzeption her gibt es
etwas Vergleichbares höchstens noch in Ansbach mit der
Schwanenritterkapelle, aber ohne den architektonisch
einzigartigen Rahmen. Die Ritterkapelle von Haßfurt gilt als
eines der wichtigsten spätgotischen Bauwerke des östlichen
Frankens.
Genauer: Ein Vorgängerbau wurde im 14. Jh. als Gemeindezentrum bedeutungslos, als er durch die neu erbaute Pfarrkirche ersetzt wurde. Hier entstand statt dessen mit dem Neubau ein Zentrum der Marienverehrung. Die Grundsteinlegung zum Chor erfolgte um ca. 1390, wobei der Entwurf aufgrund der Steinmetzzeichen Niklas von Schaffhausen zugeschrieben wird, das Langhaus folgte später, eine Bauinschrift auf einer Tafel an der Südseite nennt 1431 als Baubeginn. Das Gewölbe des hohen und lichten Chores wurde wahrscheinlich während der Regierungszeit des Würzburger Fürstbischofs Johann III. von Grumbach (14551466) geschlossen, weil sein Wappen einen Schlußstein des inneren Gewölbes ziert, und die Weihe konnte schließlich 1465 stattfinden, hier also war der gesamte Bau vollendet.
Ein
dreifacher Wappenfries
Ihre herausragende heraldische
Bedeutung erhält die Ritterkapelle im Außenbau durch den
Wappenfries, der oben über den maßwerkgeschmückten
Spitzbogenfenstern den gesamten Chor umzieht. Der Chor ist
dreijochig und wird mit drei Flächen polygonal geschlossen.
Außen wird er durch zehn schlanke Strebepfeiler gegliedert, die
durch übereinander liegende, fialenbekrönte Skulpturennischen
verziert werden. Der Fries zieht sich um den gesamten Chor. Er
ist dreiteilig aufgebaut; oben direkt unter dem Sims sind
aufrechte Schilde dicht an dicht angeordnet, wegen der Vorkragung
des Simses sind die Wappenschilde stark konkav gekrümmt, was
aber den Vorteil hat, daß man sie vom Erdboden aus relativ
authentisch wahrnehmen kann, denn das Problem ist die große
Höhe der Anbringung, ca. 20 m über dem Boden, wobei die
einzelnen Schilde kaum noch zu erkennen sind. Unter diesem oberen
Fries sind geneigte Schilde versetzt in zwei Ebenen in das
Maßwerk eingebaut. Insgesamt (mit denen im Innern) kommen 276
Schilde zusammen, außen 248 Schilde, innen nochmal 28 Wappen,
die sich zum Teil mit denen außen decken, und, weil es
Vollwappen sind, die Zuordnung erleichtern. Außen haben wir in
dem obersten Fries, wo die Schilde senkrecht dicht an dicht
angebracht sind, 151 Schilde umlaufend, in der zweiten Reihe 49
und in der dritten Reihe 48 Schilde, wobei die Schilde der beiden
letzten Gruppen geneigt sind.
Who's who
der fränkischen Ritterschaft
Die Wappen spiegeln das
Whos who der damaligen Ritterschaft Süddeutschlands
wieder, mit nur ganz wenigen norddeutschen Ausnahmen. Man muß
zum Verständnis des Baues hervorheben, daß das Hinterland von
Haßfurt, die Haßberge, die Heimat vieler alteingesessener
Adelsfamilien, insbesondere der Reichsritterschaft war, die in
ihrem kulturellen Zentrum Haßfurt über beträchtlichen Einfluß
verfügten und auch den Bau finanziell förderten. Es besteht
vermutlich auch ein Zusammenhang zu einer religiösen
Bruderschaft, die vom Würzburger Generalvikar und Haßfurter
Oberpfarrer Dr. Johannes Ambundii und dem Ritter Dietrich Fuchs
von Wallburg gegründet und 1406 vom Würzburger Bischof
bestätigt wurde. Diese Bruderschaft vereinte sowohl geistliche
Mitglieder als auch adelige Laien und könnte Stifter oder
zumindest Mitstifter der Ritterkapelle gewesen sein, was auch die
Konzeption und den starken Einfluß der fränkischen
Adelsfamilien erklären würde.
Die Deutungen der Wappenschilde gehen im wesentlichen auf Forschungen von Heideloff zurück, der anscheinend bei der Restaurierung einige Wappen auch in seinem Sinne "verdeutlichte", so daß der Fries nicht mehr hundertprozentig als authentisch angesehen werden kann. Die Originale wurden jedenfalls im 19. Jh. bei der Restaurierung nicht streng kopiert, so daß bei den Darstellungen der Zustand des ausgehenden 14. Jh. nicht verbürgt werden kann, obwohl man ihn hätte bewahren können, aber es war eben damals eine Zeit, in der man noch nicht von denkmalpflegerischer Originaltreue ausgehen kann.
Bauliche
Veränderungen
Später wurde die
Ritterkapelle noch einmal baulich verändert: Unter dem
Würzburger Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn wurde das
Langhaus in den Jahren 1603-05 erhöht und mit einem eleganten
Kreuzrippengewölbe neu eingewölbt, was sich aber nicht
unharmonisch macht, denn die sog. Echtergotik fand
zwar zu einer Zeit statt, in der das Gedankengut der Renaissance
woanders blühte, ist aber von der Formensprache und die
Bevorzugung traditioneller Bauformen eine Form der Nachgotik,
eigentlich ein Anachronismus. Diese bauliche Maßnahme
beeinflußte die Statik jedoch negativ, und die Südwand drohte
immer wieder umzufallen. Interessant ist der stilistische
Gegensatz zwischen der schichten Einfachheit des Langhauses
dem Bürger-Raum, und der kunstvollen Gliederung des
Chores Raum des Adels.
Eine
gestoppte Katastrophe
Im 19. Jh. sollte die
Ritterkapelle neugotisch umgeformt werden, zum Glück ist das nur
zum Teil vollendet worden. Treibende Kräfte waren der 1853
gegründete Verein zu Restaurierung der Ritterkapelle
einerseits und der Architekt und Denkmalpfleger Carl
Alexander Heideloff andererseits. Im Stile seiner Zeit, der
romantisierenden Umformung altüberlieferter Bauwerke, sollte
auch die Ritterkapelle idealisiert werden. Wer
Heideloffs Werk Burg Lichtenstein auf der Schwäbischen Alb
kennt, weiß, welche Art von Romantik und Verfälschung uns hier
zum Glück erspart geblieben ist. Insbesondere sollte das
Langschiff zur dreischiffigen Halle erweitert werden, und am
Choransatz sollten zwei mächtige Flankierungstürme entstehen,
Zutaten, die rein der Phantasie Heideloffs entsprungen sind. 1856
begann er mit der Wiederherstellung des Chores, z. B. geht die
Maßwerkgalerie mit den überhohen Filialen über dem Wappenfries
auf ihn zurück, sie ist nicht authentisch. Heideloff konnte aber
glücklicherweise seine weiteren Ausbaupläne aufgrund heftigen
Protestes nicht umsetzen, nur im Norden ist ein Stumpf einer der
geplanten Türme zu sehen. Die schildhaltenden Engelsfiguren auf
den Strebepfeilern gehen auch auf Heideloff zurück.
Eine noch
zu stoppende Katastrophe
Das Meisterwerk ist stark
gefährdet. Die Oberflächen des Mauerwerks sind stark von der
Luftverschmutzung angegriffen, statt glatter Flächen sind die
Schilde aus der Nähe leider rieselnder Brösel, weshalb die
Ritterkapelle derzeit (März/April 2007) einer gründlichen
Außen- und Innenrestaurierung unterzogen wird. Zur Zeit ist
insbesondere an der Nordseite schon deutliche Zerstörung zu
sehen, Farbschichten blättern ab, ganze Schilde sind ihrer Farbe
und manchmal auch ihrer plastischen Details verlustig gegangen,
der Sandstein ist bröselig, Algen überziehen grün das aufgrund
des schadhaften Daches das feuchte Maßwerk an einigen Stellen.
Ich habe hier nur einen kleinen Teil der aus nächster Nähe
aufgenommenen Photos eingestellt, nicht zuletzt, weil viele so
starke Schäden zeigen, daß sie eher ein Bild des Jammers als
der Schönheit sind. Es bleibt zu hoffen, daß die Schönheit des
dreifachen Wappenfrieses im Rahmen der anstehenden Restaurierung
wieder hergestellt und der Stein dauerhaft versiegelt und
konserviert wird.
Aber es gibt vor allem auch statische Probleme. Seit der Errichtung um 1390 wurde die Kapelle mehrfach erweitert und nach wiederholt auftretenden Schäden über die Jahrhunderte mehrmals statisch ertüchtigt, jedoch ohne durchgreifenden und nachhaltigen Erfolg, zu problematisch ist der Horizontalschub aus dem Deckengewölbe, wo auch nachträglich angebrachte Pfeilervorlagen zur Aufnahme des Schubes nicht ausreichten. Nun erfolgt bei der Restaurierung eine Verdübelung mittels Stahlbetonkernen, sodaß die Einzelquerschnitte zu einem ausreichend tragfähigen Gesamtpfeiler zusammengefaßt werden, der auch im Fundamentbereich verstärkt werden muß.
Wappen des mittleren Frieses:
Burggrafen von Nürnberg (innerhalb eines silbern-rot gestückten Bordes in Gold ein schwarzer doppelschwänziger Löwe, rot gekrönt); von Lichtenstein (von Rot und Silber im Zackenschnitt quadriert. Helmzier zwei rote Büffelhörner, die außen, manchmal auch in den Öffnungen, mit je 3-5 Straußenfedern besteckt sind. Helmdecken rot und silbern.)
Grafen von Henneberg (in Gold auf grünem Dreiberg eine schwarze Henne mit rotem Kamm und ebensolchem Kehllappen); Grafen von Henneberg-Schleusingen (geviert, Felder 1 und 4: Geteilt, oben in Gold ein wachsender schwarzer Doppeladler, unten rot-silbern geschacht. Felder 2 und 3: in Gold auf grünem Dreiberg eine schwarze Henne mit rotem Kamm und ebensolchem Kehllappen. Helm 1: Ein roter, hermelingestulpter Hut, mit zwei schwarzen, gespreizten Rohrkolben besteckt. Helm 2: Ein rotgewandeter Frauenrumpf mit Zopf, mit Spitzhut, letzterer unten mit Krone, oben mit Pfauenfedern besteckt. Helmdecken rechts schwarz-golden, links rot-silbern)
von Gumppenberg (in Rot ein silberner Schrägbalken, belegt mit drei kleeblattförmig ausgeschlagenen grünen Seeblättern, Helmzier zwei silberne, schwarz gefleckte Büffelhörner, dazu je ein anhängendes Ohr, rot bzw. außen silbern, innen rot, Helmdecken rot-silbern); Grafen von Hanau (in Gold drei rote Sparren, Helmzier ein silberner auffliegender Schwan, rot bewehrt und gezungt, Helmdecken rot-silbern (Scheiblersches Wappenbuch) oder rot-golden).
Schenk von Limpurg (geviert, Feld 1 und 4: In Rot vier aufsteigende silberne Spitzen, Feld 2 und 3: In Blau 5 (3:2) aufrechte silberne Heerkolben, Helmzier zwei im Spitzenschnitt rot-silbern geteilte Büffelhörner, Helmdecken rot-silbern, Büffelhörner ggf. in de Mündung mit Fähnchen besteckt, als 2. Helmzier der goldene Schenkenbecher, derselbe auch zwischen den Hörnern als Kombinationshelmzier vorkommend); Gottfried Schenk von Limpurg, Bischof von Würzburg (Geviert: Feld 1: Fränkischer Rechen, in Rot drei aufsteigende silberne Spitzen, Feld 2: In Blau 5 (3:2) aufrechte silberne Heerkolben, Feld 3: Rennfähnlein, Feld 4: In Rot vier aufsteigende silberne Spitzen)
von Wiesenfeld (geteilt, oben ein aus der Teilung wachsender schwarzer Löwe, rot gezungt und golden bekrönt, unten von Silber und Rot geweckt (schräg geschacht), Helmzier ein wachsender schwarzer Löwe, golden gekrönt, Helmdecken schwarz-silbern, ein Geschlecht aus der Karlstadter Gegend in Unterfranken), von Hirschberg (in Silber ein roter springender Hirsch, Helmzier ein rot-silbern abwechselnd gestücktes Hirschgeweih, Geschlecht aus der Oberpfalz, Helmdecken rot-silbern)
von Finsterlohe (von Rot und Silber im einfachen Stufenschnitt geteilt. Helmzier zwei silbern-rot geteilte Büffelhörner (auch andere bekannt). Helmdecken rot-silbern. Fränkischer Uradel), Grafen von Württemberg (in Gold drei schwarze liegende Hirschstangen übereinander, Helmzier ein rotes Jagdhorn (Hifthorn) mit goldenem Band und goldenen Beschlägen, später mit drei Straußenfedern (blau-silbern-rot) im Mundloch)
von Bickenbach (In Rot zwei aus silbernen Rauten gebildete Schrägbalken bzw. zwei schrägrechts gestellte Reihen silberner Rauten, wobei sich die Rauten an den Spitzen berühren. Helmzier ein wie der Schild bez. Adlerflug, dazwischen ein silbernes sitzendes Pferd oder Hund, das Ganze sowohl auf einem Hut als auch ohne vorkommend. Helmdecken rot-silbern. Hessisches Herrengeschlecht), Voit von Rieneck (in Rot ein silberner schreitender Widder, Helmzier auf einem roten, silbern gestulpten Hut der silberne Widder schreitend, Helmdecken rot-silbern. Stammwappen des fränkischen Adels)
von Virneburg (in Gold 7 rote Wecken in zwei Reihen (4:3), Helmzier zwei schwarze, außen mit silbernen Kugeln besteckte Büffelhörner, dazwischen der Schild, Helmdecken rot-golden, rheinisches Geschlecht), von Bobenhausen (in Rot ein goldener Fuchs, der eine silberne Gans im Maul hält, Helmzier der Fuchs mit Gans wachsend, Helmdecken rot-golden; uradeliges fränkisches und schwäbisches Geschlecht)
Literatur:
Anton P. Rahrbach,
Reichsritter in Mainfranken. Zu Wappen und Geschichte
fränkischer Adelsfamilien. Bauer & Raspe Verlag - Die
Siebmacherschen Wappenbücher, die Familienwappen deutscher
Landschaften und Regionen, Band 2, 2003, ISBN 3-87947-113-4
Deutsches Fürsten- und Ritter-Album
der marianischen Ritterkapelle in Haßfurt mit genealogischen
Notizen und Vorrede, von Carl Alexander von Heideloff, Stuttgart
1868, Verfügbar im Web als Übersicht:
http://kirchenbuch.dyndns.org/index/pubbuecher/index.pl?ID=_HI1868W einzelne
Seiten beginnend mit
http://kirchenbuch.dyndns.org/index/pubbuecher/seite.pl?ID=_HI1868W+SEITE=a0001 und
folgende
Siebmachers Wappenbücher
Hugo Gerard Ströhl, Deutsche
Wappenrolle, Reprint von 1897, Komet Verlag Köln, ISBN
3-89836-545-X
Aschaffenburger Wappenbuch
Eugen Schöler, Historische
Familienwappen in Franken, Verlag Degener 3. Aufl. 1999
Carl Alexander von Heideloff, Deutsches
Fürsten- und Ritter-Album der Marianischen Ritterkapelle in
Haßfurt (1868) http://www.bsb-muenchen-digital.de/~web/web1033/bsb10333183/images/index.html
Hassfurt (Franken): Ritterkapelle (1) - Ritterkapelle (2) - Ritterkapelle (3) - Ritterkapelle (4)
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