Bernhard
Peter
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Photos schöner alter Wappen Nr. 2884
Lengfurt (zu Triefenstein, Landkreis Main-Spessart)
Die Pfarrkirche St. Jakobus der Ältere in Lengfurt
Die katholische Pfarrkirche St. Jakobus der Ältere steht etwas abgesetzt vom historischen Ortszentrum (Marktplatz) von Lengfurt, einerseits freistehend auf dem Kirchplatz und andererseits doch zugleich in dichter benachbarter Bebauung zwischen Fahrstraße und Adolf-Kolping-Straße. Lengfurt entwickelte sich, wie der Name nahelegt, an einem wichtigen Mainübergang gegenüber von Kloster Triefenstein an der Fernverbindung zwischen Mainz und Frankfurt einerseits und Würzburg und Bamberg andererseits. Deshalb ist die Kirche in Lengfurt dem hl. Jakobus geweiht, dem Heiligen der Straßen, der Pilgerwege und der Flußübergänge. Die alte Kirche St. Jakobus wurde bis zur Reformation durch die Augustiner-Chorherren des Klosters Triefenstein betreut.
Nachdem die Grafen von Wertheim die Reformation im Ort eingeführt hatten, wurde die bestehende Kirche von den Protestanten genutzt (betreut von lutherischen Predigern aus Marktheidenfeld), während die Katholiken die Leutkirche in Triefenstein aufsuchen mußten. Als die Grafen von Wertheim 1556 erloschen, kam Lengfurt als Teil eines Lehens an den Remlinger Wilhelm von Kriechingen und dessen Ehefrau Elisabeth. Nach dem Tod der Inhaber dieses Teils der Grafschaft Wertheim zog der Würzburger Fürstbischof 1612 Lengfurt als erledigtes Lehen ein, wie andere erledigte Lehen der Wertheimer auch. Die fast ein Jahrhundert währende konfessionelle Spaltung Lengfurts endete damit, denn am 30.9.1612 wurde der evangelische Status beendet, und der Ort wurde mit Hilfe des damit beauftragten bischöflichen Kaplans und Hofpredigers Dr. Jodokus Wagenhauber rekatholisiert. Die Einwohner Lengfurts hatten die Wahl: In Lengfurt bleiben und katholisch werden oder protestantisch bleiben und ins evangelische Wertheim auswandern. Die Rekatholiserung ging in Lengfurt reibungslos vonstatten. Kurz nach Rückgewinnung des Ortes wurde der Grundstein zur neuen Pfarrkirche St. Jakobus gelegt, wodurch diese in besonderer Weise zum Zeugnis erfolgreicher Gegenreformation wurde. Denn die bisherige Kirche St. Jakobus war zu klein, zu baufällig, außerdem bringt eine neue Kirche positive Impulse, Arbeitsplätze und ein neues Wir-Gefühl der Gemeinde. Nicht zuletzt war es eine Art Belohnung für die Bürger, sofern sie sich für den aus Sicht des Landesherrn richtigen Weg entschieden hatten. Am 7.9.1614 konnte die neue Kirche durch Eucharius Sang geweiht werden.
Es wurde eine einschiffige Kirche mit drei Fensterachsen und zusätzlichem Emporenjoch im Westen. Die Fenster sind spitzbogig, zweibahnig und weisen interessantes Maßwerk auf. Das bauzeitliche Portal auf der Südseite liegt in der zweiten Fensterachse und ist spitzbogig mit gestäbtem Gewände. Die Stäbe des Profils durchdringen sich gegenseitig am Übergang von der Vertikalen zum Bogen und oben an der Spitze. Über diesem Portal ist die Bauinschrift in einem prunkvollen architektonischen Rahmen angebracht, der zwei weit vorspringenden Volutenkonsolen aufliegt und oben mit einem Segmentbogengiebel abgeschlossen wird, in dem die Jahreszahl 1613 innerhalb des Beschlagwerks mit seitlichen Schneckenornamenten zu lesen ist. Seitlich bilden zwei S-förmige Voluten den Übergang zur tragenden Konsole. Wegen der Größe dieser Konstruktion ist das in dieser Achse befindliche Fenster nur ca. 3/5 so hoch wie die benachbarten Fenster.
Im Rechteckfeld ist zu lesen: "Der Thodtfall macht diß Dorff vermanth / Bischoff Juliuß Aus Echters Stam / Nimbt Sich des An Vnd Bedenckt darbei / Das Vornembste Die Seelsorg Seye / Pflantzt Der Wegen Ein Die Religion / Vnd Weil Im Volgt Sein Vnderthon / Dotirt Er Pfarrn Baut Kirchen New / Dessen Gott Ewig Schützer Seye" (bei Schock-Werner unpräzise wiedergegeben).
Auch diese Inschrift folgt dem Grundtenor all dieser Bautafeln: Bischof Julius Echter von Mespelbrunn treibt die Gegenreformation und Katholisierung voran, indem er sich besonders der Seelsorge vor Ort annimmt und die Gemeinden durch den Bau von Kirchen stärkt. Seelsorge funktioniert durch die (richtige) Religion, und zur Belohnung dessen, daß seine Untertanen ihm wieder folgen, dotiert er Pfarreien und baut neue Kirchen. Lengfurt war besonders problemlos zu rekatholisieren, wofür die Einwohner sehr gelobt wurden. Die Baukosten betrugen im Falle der neuen Kirche Lengfurts 2739 fl.
Oben ist am Portal das Wappen des Würzburger Fürstbischofs Julius Echter von Mespelbrunn (18.3.1545-13.9.1617, amtierte 1573-1617) angebracht, dieses ist geviert, Feld 1: "Fränkischer Rechen" = von Rot und Silber mit drei aufsteigenden Spitzen geteilt (hier die Spitzen unvollständig), Herzogtum zu Franken, Feld 2 und 3: in Blau ein silberner Schrägbalken, belegt mit drei blauen Ringen, Stammwappen der Echter von Mespelbrunn, Feld 4: "Rennfähnlein" = in Blau eine rot-silbern gevierte, an den beiden senkrechten Seiten je zweimal eingekerbte, schräggestellte Standarte mit goldenem Schaft, Hochstift Würzburg.
Besonders originell ist die Anbringung der Wappenkartusche am Scheitel des Spitzbogens: An der obersten Portalspitze ist ein Loch gehauen, aus dem eine Seilschlaufe hervorkommt, die rings um die Kartusche mit zwei Kugeln oben, Laubgebinde an den Zwischenstücken und an den Kardinalpunkten rechts, links und unten mit Früchten wie Birnen, Granatäpfeln etc. bestückt ist. Neben dem Befestigungsloch biegt sich die Portalrahmung zu zwei kleinen Rollwerkelementen nach vorne. Auch auf der Nordseite gab es einmal ein solches Portal, das ist aber nachträglich vermauert worden. Die gekürzte Fensterbahn verrät aber nach wie vor seinen Standort, und auch am geflickten Putz erkennt man die Spuren.
Eine zweite Bautafel rechterhand des dritten Langhausfensters datiert den Bau auf 1613 und nennt die Namen derer, die sich vor Ort um den Neubau gekümmert haben, und die die Handwerker bezahlt haben: "ANNO 1613 / KELLER ZV HOMBVRG ADAM OTTH / BAVMEISTER DER KIRCHEN GE/NADT GOTT / SEBASTIAN DECHANT ZV / TRIEFFENSTAIN / MIT CLES ROSMAN ZV LENG/FVRTH AM MAIN / BEZAHLTEN DIE HANDWE/RCKER MIT TREW / DENEN AVCH GOTT WOLL / GENEDIG SEY AMEN" (Schock-Werner liest "Adam Motth", obwohl nur ein einziges "M" vorhanden ist, außerdem ist Adam Ott in Trennfeld am sog. Beinhaus belegt und mit Wappen vertreten. Auch der weitere Verlauf der Lesung in ihrem Standardwerk zu den Bauten unter Julius Echter ist unpräzise). Diese rechteckige Tafel trägt am oberen Rand mittig ein Steinmetzzeichen.
Im frühen 18. Jh. wurde die Kirche umgebaut, in der Hauptsache war das eine Verlängerung des Langhauses nach Osten. Die Vergrößerung war notwendig geworden, weil der Verkehr an der Fernstraße und an dem Mainübergang zugenommen hatte und viele Besucher brachte. Außerdem kamen am jeweiligen Skapulierfest der Lengfurter Bruderschaft viele Fremde in den Ort. Von der Erweiterung 1700-1702 zeugt das Wappen des Würzburger Fürstbischofs Johann Philipp von Greiffenclau-Vollraths (13.2.1652-3.8.1719, regierte 1699-1719) über dem Westportal. Die hier kreisrunde Wappenkartusche ist geviert, Feld 1: "Fränkischer Rechen" = von Rot und Silber mit drei aufsteigenden Spitzen geteilt, Herzogtum zu Franken, Feld 2 und 3: erneut geviert: Feld a und d: silbern-blau geteilt, darüber ein goldenes Glevenrad, Stammwappen der von Greiffenclau-Vollraths, Feld b und c: in Schwarz ein silberner Schräglinksbalken, Herrschaft Ippelbrunn (Eppelborn), Feld 4: "Rennfähnlein" = in Blau eine (von der Stange aus gesehen) rot-silbern gevierte, schräggestellte und an den beiden senkrechten Seiten je zweimal eingekerbte Standarte mit goldenem Schaft, Hochstift Würzburg. Der Schild wird hier ohne weitere Amtszeichen geführt, weder mit Krummstab oder Schwert noch mit Fürstenhut, sondern ist einfach von einem Perlkranz umrandet in eine oben und unten sowie rechts und links zu einem Rollwerkelement ausgezogene Kartusche gesetzt. Doch hier stimmt etwas stilistisch nicht: Das Portal selbst ist Echter-zeitlich, wie man an dem Stabwerk, der spitzbogigen Form und dem Rollwerk der Wappenkartusche sieht. Hier ließ der Bauherr der Ost-Erweiterung also das Echter-Wappen abtragen und durch sein eigenes ersetzen, deshalb ist das Relief auch etwas flach. Ein zweites Wappen dieses Fürstbischofs ist innen am Chorbogen angebracht (ohne Abb.), seine farbliche Fassung ist völlig falsch: Es müssen die oben angegebenen Farben sein, nicht die bei der letzten Renovierung irrtümlicherweise gewählten.
Die Erweiterung der Kirche fand jedoch in Richtung Osten statt, wie man deutlich an den östlichen barocken Rechteckfenstern mit Segmentbogengiebel im Kontrast zu den westlichen, nachgotischen, spitzbogigen Maßwerkfenstern der Echter-Zeit sieht. Der alte, Echter-zeitliche Kirchturm wurde 1704 abgebrochen; der neue mit welscher Haube wurde nördlich neben den neuen Chor gesetzt (der Turm wurde 2019-2020 saniert). Nach dem Umbau wurde die Kirche am 30.7.1707 eingeweiht.
Auch die Ausstattung ist später: 1722 stellte der Lengfurter Schreinermeister Kaspar Bretträger die Seitenaltäre her. Der linke Seitenaltar zeigt auf dem Altarblatt das Martyrium der Frankenapostel Kilian, Totnan und Kolonat. Das Herz Jesu darüber stammt vermutlich erst aus dem 19. Jh. Der rechte Seitenaltar stellt die Legende des Brandes in Lengfurt dar und hat eine enge Verbindung zur Lengfurter Skapulierbruderschaft. Das obere Bild zeigt Maria mit einem Dolche und wurde vermutlich auch erst im 19. Jh. dort eingefügt. Von 1773 stammt der geschnitzte Orgelprospekt im Stil des Rokoko. Die Orgel selbst wurde zwischenzeitlich mehrfach renoviert und modernisiert. Der Hochaltar ist ein Werk des fränkischen Hofbildhauers Johann Peter Wagner. Er wurde nicht für Lengfurt hergestellt, sondern für das Würzburger Juliusspital und fand erst 1807 seinen Weg in die Kirche, eine Überlassung des Großherzogs Ferdinand von Toscana. Das Motiv ist die Taufe Jesu, darüber der Heilige Geist als Taube und in einer Wolkenglorie Gottvater. Seitlich sieht man den hl. Nikolaus und die hl. Elisabeth, welche beide die Patrone des Würzburger Juliusspitals waren. Die stilistisch auffällige Empire-Kanzel stammt von 1811 und ist eine Arbeit des Schreinermeisters Kühlsheimer aus Bronnbach. Die unter der Girlande angebrachten Reliefmedaillons des Kanzelkorbes stellen Moses, Christus als Sämann und Christus Salvator dar. Der Schalldeckel mit gerafften Vorhängen trägt vier Engel mit den Gebotstafeln und ein Relief des guten Hirten. An der Kirchendecke sind drei Gemälde zu sehen, den hl. Jakobus mit Pilgerhut und Pilgerflasche, die Aufnahme Mariens in den Himmel und die Trinität darstellend. Das mittlere Bild wird von den vier Evangelisten in Medaillons umgeben.
Die Pfarrei Lengfurt gehört heute mit Erlenbach (St. Burkard), Tiefenthal (St. Ägidius), Homburg (St. Burkard), Trennfeld (St. Georg) und Rettersheim (St. Ulrich) zur Pfarreiengemeinschaft Erlenbach-Triefenstein.
Literatur,
Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@49.8101494,9.6036772,20z - https://www.google.de/maps/@49.8101394,9.6037562,84m/data=!3m1!1e3
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Johann Philipp von Greiffenclau-Vollraths in Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Philipp_von_Greiffenclau_zu_Vollraths
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Kirchen in Triefenstein: https://www.tourismus-triefenstein.de/natur-kultur/historische-relikte/kirchen/
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