Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 2882
Wipfeld (Landkreis Schweinfurt)
Das Würzburger Amtshaus in Wipfeld
Dieser den Rathausplatz beherrschende Massivbau auf trapezförmigem Grundriß im Wipfelder Zentrum ist das älteste und das einzige erhaltene Steinhaus seiner Zeit im Ort. Es handelt sich um das unter Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn 1580-1583 errichtete Würzburger Amtshaus. Die beiden nicht parallel stehenden Treppengiebel und die profilierten Fensterrahmungen aus Sandstein sind nachgotisch. Das Gebäude wurde in späteren Zeiten überformt, insbesondere die Fenster. In den Fassadennischen sind auf der dem Platz zugewandten Giebelseite eine barocke Immaculata-Figur und am Anbau links um die Ecke eine Nepomuk-Figur aus der Mitte des 18. Jh. angebracht. An den Bau grenzt eine Fachwerkscheune aus dem 18./19. Jh. an. Wipfeld war zunächst seit einer Schenkung im Jahre 918 Besitz der Abtei Münsterschwarzach, kam aber dann an das Hochstift Würzburg. Es gab im Ort einen Vorgängerbau, der wurde jedoch im Zuge des Markgräflerkrieges bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Unter Fürstbischof Julius Echter wurde diese neue Amtskellerei erbaut; die Baukosten beliefen sich auf 2288 fl.
In der Mittelachse der breit gelagerten Giebelfassade mit unregelmäßig angeordneten Fenstern ist die typische Bautafel angebracht mit folgendem Wortlaut der Inschrift: "Joseph erhöcht zum Fürsten stand / Baut Scheuren in egipten Land / Damit dz volckh in hungers noth / Darauß mögt han nahrung vnd brot / Dies ambthaus vnd viel andre mehr / Baut Julius Bischoff hin vnd her / Dem armen vnderthon Zu nutz / Gott helt dieser Joseph in sein Schutz /1615" (die Lesung bei Schock-Werner ist nicht präzise). Das muß man Julius Echter wirklich lassen: Er stattete sein Hochstift auf das reichhaltigste mit baulicher Infrastruktur aus, und seine Fürsorge für sein Volk war wirklich groß. Überall entstanden im Hochstift Kirchen, Pfarrhäuser, Spitäler, Getreidespeicher, Amtshäuser, Rathäuser und Schulen, so daß diese Bautafeln und das Echter-Wappen Unterfranken wie ein Netz überziehen und das Echter-Wappen das im Hochstift am häufigsten gesehene ist.
Zu Recht kann der Fürstbischof stolz auf seine Leistungen sein. Aber hier war er offensichtlich so stolz, daß er sich mit dem biblischen Joseph, Sohn des Jakob, vergleicht (Genesis Kap. 37-50). Josef war dort nach seiner Verschleppung nach Ägypten infolge seiner Deutung der Träume des Pharao zum Vizekönig erhoben worden und hatte wegen der vorhergesehenen Hungersnöte Vorratsspeicher anlegen lassen. Die Versorgungslage war dank seiner Vorkehrungen so gut, daß seine eigenen Brüder aus Palästina zum Getreidekauf nach Ägypten zogen. Joseph wird in Ägypten als Retter gefeiert, weil seine drastischen Maßnahmen die eskalierende Hungersnot bewältigt werden konnte. Die Gestaltung der Tafel entspricht der so vieler anderer, rechteckiges Inschriftenfeld mit Rollwerkornamenten außenherum, oben die von zwei geflügelten Engelsköpfen flankierte, ovale Wappenkartusche. Die mit Rollwerkelementen ringsum verzierte Tafel ist deutlich jünger als die angegebenen Baudaten, so daß sie erst nachträglich angebracht worden ist, ebenso wie an vielen anderen Stellen. Die Häufung der angegebenen Jahreszahlen 1614 und 1615 spricht auch für eine eigene Bautafel-Aktion in diesem Zeitraum unabhängig vom tatsächlichen Baujahr.
Im Aufsatz ist das Wappen des Würzburger Fürstbischofs Julius Echter von Mespelbrunn (18.3.1545-13.9.1617, amtierte 1573-1617) in einer ovalen Schmuckkartusche zu sehen, dieses ist geviert, Feld 1: "Fränkischer Rechen" = von Rot und Silber mit drei aufsteigenden Spitzen geteilt, Herzogtum zu Franken, Feld 2 und 3: in Blau ein silberner Schrägbalken, belegt mit drei blauen Ringen, Stammwappen der Echter von Mespelbrunn, Feld 4: "Rennfähnlein" = in Blau eine rot-silbern gevierte, an den beiden senkrechten Seiten je zweimal eingekerbte, schräggestellte Standarte mit goldenem Schaft, Hochstift Würzburg. Zwei geflügelte Engelsköpfe begleiten beiderseits die Kartusche.
Ein modern nachgebildetes Echter-Wappen befindet sich an dem rückwärtigen Torbogen an der Eulogius-Schneider-Straße zum dem Amtshaus zugehörigen Hof, dort sind beide Jahreszahlen eingehauen, 1580 für das Original und 1997 für den Nachbau. Die Wiederaufmauerung ist so neu, daß das umgebende Mauerwerk 2022 noch nicht verputzt ist.
Literatur,
Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@49.921325,10.1776437,21z - https://www.google.de/maps/@49.921325,10.1776437,42m/data=!3m1!1e3
Siebmachers Wappenbücher, insbesondere Band Bistümer
Peter Kolb: Die Wappen der Würzburger Fürstbischöfe, hrsg. vom
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Alfred Wendehorst (Bearb.): Das Bistum Würzburg 3: Die
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Barbara Schock-Werner: Die Bauten im Fürstbistum Würzburg unter
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Finanzierung und künstlerische Bewertung, Verlag Schnell &
Steiner, Regensburg 2005, ISBN 978-3795416232, S. 332
Stadtrundgang in Wipfeld: https://www.wipfeld.de/celtis_3_0_kkrolle5ba7.html?kkview_download_p_offset=0
Hinweistafel am Gebäude
Wipfeld auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Wipfeld
Chronik: 1100 Jahre Wipfeld 918-2018, hrsg. von der Gemeinde
Wipfeld 2018
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