Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2879
Marktsteinach (zu Schonungen, Landkreis Schweinfurt)

Die Pfarrkirche St. Bartholomäus in Marktsteinach

Die Pfarrkirche St. Bartholomäus in Marktsteinach ist eine typisch Echter-zeitliche Kirche: Chorturmkirche, quadratischer Kirchturm mit Spitzhelm, rechteckiges, einschiffiges Langhaus, spitzbogige Portale und Fenster mit nachgotischen Formen. Der axial angeordnete Turm ist ohne Gliederung, dreistöckig aufgebaut und birgt in seinem unteren Geschoß den quadratischen, kreuzgratgewölbten Chor, der nur auf der Südseite ein großes, zweibahniges Fenster besitzt. Auch die Schallöffnungen oben sind zweibahnig. Die Basis bildete eine ältere Kirche, die unter Julius Echter von Mespelbrunn umgebaut wurde. Der Turm wurde 1611-1612 aufgestockt. Das flach gedeckte Langhaus entstand 1614-1615 und besitzt zwei dreibahnige Fenster mit sehr gutem Maßwerk; der linke (westliche) Teil ist fensterlos, weil sich dort das Emporenjoch befindet. Die südwestliche Giebelwand besitzt vier kleine ovale bzw. runde Fenster übereinander, wobei die beiden unteren, querovalen Fenster den doppelstöckigen Emporen Licht geben.

Das älteste Stück der Ausstattung ist ein achteckiger Taufstein aus dem Jahr 1616. Die andere Ausstattung wurde in der Mitte des 18. Jh. erneuert, deshalb sind der Hochaltar und die beiden Seitenaltäre mit Gemälden von Johann Peter Herrlein (1722-1799, rechts: Martyrium des Bartholomäus, links: Mariae Himmelfahrt) im Stil des Rokoko gehalten. Auch die Orgel stammt aus dem Rokoko und ist ein Werk des Würzburger Orgelbaumeisters Johann Philipp Seuffert (1693-1780). Ebenfalls aus dem 18. Jh. stammen die Kirchenbänke und ein Stück Chorgestühl unter der Westempore, letzteres datiert auf 1720. Diese Stücke wurden nicht original für diese Kirche angefertigt, sondern stammen aus der Versteigerung des Inventars der abgerissenen Klosterkirche der säkularisierten Benediktinerabtei Obertheres, deren Ausstattung in alle Winde zerstreut wurde. Aus dem 19. Jh. stammen hingegen das Altarblatt des Hochaltars, das Tabernakel und die Statuen des hl. Kilian und des hl. Bonifatius. Im Osten wurde 1968-1969 an die alte Kirche die neue mit dem Pfarrzentrum angebaut. Die alte Kirche wurde gleichzeitig innen und außen renoviert. Das Kirchendach erfuhr 1991 eine Renovierung.

In der Kirche befindet sich eine typisch Echter-zeitliche Bautafel mit Rollwerkrahmung und mit folgender Inschrift: "Bischoff Julius hat Regirt / Viertzig Jar vnd die pfarr dotirt / Baut Kirch pfarr schuelhauß fest als neu / Nach volget mehr auß vatters treuw / Bflantzt ein die alt Religion / Darzu hilfft Ihm sein vnderthon / Wündscht derwege nur diesen Segen / Daß vleißig volg ohn strefflich leben / Bleib bei diesr ganzen herth / Mit rechtem eiffer vnuerkerth / 1614" (unpräzise Lesung bei Schock-Werner). Wie so viele andere Bautafeln dieses Typs beschwört auch diese den "Handel" zwischen Fürstbischof und Untertanen: Ersterer tut alles in seiner Macht Stehende, um seinen Untertanen eine gute Infrastruktur mit Kirchen, Pfarrhäusern, Schulen, Krankenhäusern, Speichergebäuden etc. zu bauen, und dafür mögen letztere doch tunlichst zur alten Religion zurückfinden und ein sündenfreies Leben führen. Das ist erfolgreiche Gegenreformation, denn die Gemeinden sollen auch was davon haben, wenn sie dem religiösen Kurs des Landesherrn wieder folgen. Diese Inschriftentafel befand sich früher außen an der Südostwand, wurde aber zu ihrem Schutz nach innen versetzt und ist heute neben dem Südportal an der Innenraumwand befestigt. Eine inhaltlich ganz ähnliche Bauinschrift ist an der Pfarrkirche in Trennfeld angebracht.

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Oberhalb der rechteckigen Inschriftenfläche befindet sich das Wappen des Würzburger Fürstbischofs Julius Echter von Mespelbrunn (18.3.1545-13.9.1617, amtierte 1573-1617). Es ist in einer ovalen Kartusche angebracht und geviert, Feld 1: "Fränkischer Rechen" = von Rot und Silber mit drei aufsteigenden Spitzen geteilt, Herzogtum zu Franken, Feld 2 und 3: in Blau ein silberner Schrägbalken, belegt mit drei blauen Ringen, Stammwappen der Echter von Mespelbrunn, Feld 4: "Rennfähnlein" = in Blau eine rot-silbern gevierte, an den beiden senkrechten Seiten je zweimal eingekerbte, schräggestellte Standarte mit goldenem Schaft, Hochstift Würzburg. Die ovale Zierkartusche wird von zwei geflügelten Engelsköpfen flankiert. Marktsteinach war zunächst Besitz des Klosters Fulda und kam dann an die Grafen von Henneberg. Das Hochstift Würzburg erwarb 1354 die Burg (erbaut von den Herren von Steinach, dann hennebergische "Veste Steynach", 1525 zerstört, Reste heute zu einem Wohnhaus verbaut) und den Ort und kaufte 1584 auch noch den hennebergischen Anteil der Zent hinzu. Das Hochstift Würzburg hatte bis zum Ende des Alten Reichs die Orts- und Landesherrschaft in Marktsteinach inne.

Ein zweites Wappen ist außen über dem Eingangsportal auf der südöstlichen Langhauswand angebracht, es ist inhaltlich gleich, aber farbig gefaßt. Das Portal selbst ist spitzbogig und besitzt Stabwerkrahmung. Die Stäbe der Laibung durchdringen sich an der Spitze gegenseitig, ebenso im Kämpferbereich. Rechts und links der Wappenkartusche befindet sich die Datierung auf das Jahr 1605/1615 in ungewöhnlicher Schreibweise, wobei die rechte Ziffer 1 nicht authentisch ist, wie der Vergleich mit der linken zeigt. Früher gab es ein ebensolches, aber wesentlich einfacheres Spitzbogenportal auch auf der Nordwestseite, das ist heute vermauert.

Die Pfarrei Marktsteinach bildet heute zusammen mit Löffelsterz (St. Ägidius, seit 1569 Filialkirche von Marktsteinach), Albersfeld (Hl. Dreikönig), Rednershof (Kapelle Maria Heimsuchung) und Waldsachsen (St. Laurentius) die Pfarreiengemeinschaft Maria Königin vom Kolben und wird gemeinsam seelsorgerisch betreut.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@50.0694899,10.3452922,20z - https://www.google.de/maps/@50.0694899,10.3452922,81m/data=!3m1!1e3
Siebmachers Wappenbücher, insbesondere Band Bistümer
Peter Kolb: Die Wappen der Würzburger Fürstbischöfe, hrsg. vom Bezirk Unterfranken, Freunde Mainfränkischer Kunst und Geschichte e.V. und Würzburger Diözesangeschichtsverein, Würzburg, 1974, 192 S.
Julius Echter von Mespelbrunn in Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Julius_Echter_von_Mespelbrunn
Julius Echter von Mespelbrunn im Würzburg-Wiki:
https://wuerzburgwiki.de/wiki/Julius_Echter_von_Mespelbrunn
Rainer Leng: Julius Echter von Mespelbrunn, Fürstbischof von Würzburg, hrsg. vom Mainfränkischen Museum, Würzburg 2013, ISBN 978-3-932461-35-4
Rainer Leng, Wolfgang Schneider, Stefanie Weidmann (Hrsg.): Julius Echter 1573-1617, der umstrittene Fürstbischof, eine Ausstellung nach 400 Jahren,  Quellen und Forschungen zur Geschichte von Bistum und Hochstift Würzburg, Echter Verlag, Würzburg 2017, ISBN 978-3429043261
Götz Freiherr von Pölnitz: Julius Echter von Mespelbrunn, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 10, Duncker & Humblot, Berlin 1974, ISBN 3-428-00191-5, S. 655 f. -
https://www.deutsche-biographie.de/gnd118528696.html#ndbcontent - https://daten.digitale-sammlungen.de/0001/bsb00016327/images/index.html?seite=669
Alfred Wendehorst (Bearb.): Das Bistum Würzburg 3: Die Bischofsreihe von 1455 bis 1617, Germania Sacra Neue Folge Nr. 13, De Gruyter, Berlin/New York 1978, ISBN: 978-3-11-007475-8 -
https://rep.adw-goe.de/handle/11858/00-001S-0000-0003-16E3-3 - https://rep.adw-goe.de/bitstream/handle/11858/00-001S-0000-0003-16E3-3/NF%2013%20Wendehorst%20W%c3%bcrzb.%20Bfsreihe%201455%e2%80%931617.pdf?sequence=1&isAllowed=y
Barbara Schock-Werner: Die Bauten im Fürstbistum Würzburg unter Julius Echter von Mespelbrunn, Struktur, Organisation, Finanzierung und künstlerische Bewertung, Verlag Schnell & Steiner, Regensburg 2005, ISBN 978-3795416232, S. 248-249
Geschichte der Pfarreien:
https://pg-marktsteinach.de/pfarreien
Pfarreiengemeinschaft Maria Königin vom Kolben:
https://www.pg-marktsteinach.de/
Geschichte von Marktsteinach in Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Marktsteinach#Geschichte

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