Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 1980
Kiedrich (Rheingau-Taunus-Kreis)
Das Kiedricher Rathaus
Kiedrich hatte seit 1393 ein Rathaus. Das alte Rathaus befand sich ungefähr dort, wo heute der Marktbrunnen nach seiner Restaurierung seinen neuen Platz gefunden hat. In der Renaissance wurde ein Neubau in Angriff genommen, und als Bauplatz wurde eine Stelle an der Westseite des Marktplatzes gewählt, wo vorher ein mittelalterliches Pilgerhospital stand. Der Neubau wurde 1585-1586 errichtet. Es ist eines der schönsten und repräsentativsten erhaltenen alten Rathäuser im Rheingau: An den beiden Seiten hat der zweistöckige, traufständige Bau je einen Erker im Obergeschoß auf je drei Konsolen, 1 + 3 + 1 Rechteckfenstern und darüber zwei durch ein Doppelsims separierte Rundfenster übereinander. Die beiden geschweiften Giebel geben der durch viele Gauben reich gegliederten Dachlandschaft zusätzliche Akzente. Vier Zwillingsrechteckfenster verbinden die Fensterfronten der Erker im Obergeschoß. Im Erdgeschoß ist das Gliederungskonzept asymmetrisch, linkerhand befindet sich die große, offene Wagendurchfahrt, rechts daneben befinden sich ein großer, verfensterter Bogen und ein niedrigerer Bogeneingang in das Gebäude, rechts daneben sind zwei weitere Zwillingsfenster zu sehen. Auf der Rückseite ist ein Treppenturm mit einer Schneckenspindel angebaut.
Über dem besagten Eingang ist in die Brüstungszone des Obergeschosses eine Wappentafel eingelassen. In einem von zwei Pilastern eingefaßten Rechteckfeld stehen zwei Wappenschilde ohne Oberwappen nebeneinander. Heraldisch rechts ist das Wappen des Landesherrn zu sehen, das des Mainzer Fürstbischofs Wolfgang von Dalberg (amtierte 1582-1601), aber in schlechter Ausführung, weil das abgesetzte Spitzenschildhaupt in den Feldern 2 und 3 fehlt, und noch schlechterer Farbfassung, weil von allen Farben eigentlich nur das Rot für das Feld des Mainzer Rades richtig ist.
Richtiggestellt müßte das Wappen wie folgt aussehen: Geviert, Feld 1 und 4: in Rot ein silbernes, sechsspeichiges Rad (Erzstift Mainz), Feld 2 und 3: unter einem mit drei Spitzen abgeteilten goldenen Schildhaupt in Blau 6 (3:2:1) silberne Lilien (Stammwappen der Kämmerer von Worms, genannt von Dalberg. Hier sind noch nicht einmal die fürstbischöflichen Insignien, Inful, Schwert und Krummstab dargestellt, vermutlich, weil das Stadtwappen hierbei nicht hätte mitziehen können, so daß man über letzteren einen leeren Raum hätte hinnehmen müssen - dann lieber eine einheitliche Fassung beider Schilde.
Der andere Schild auf der heraldisch linken Seite zeigt das Ortswappen von Kiedrich in seiner alten Form, in rotem Feld rechts ein silberner Zinnenturm und links ein silbernes, pfahlweise gestelltes, mit einem Kreuz verbundenes Doppelrad. Silber ist die korrekte Tingierung, nicht das fehlfarbige Gold des aktuellen Anstrichs. Beide Objekte haben die gleiche Feldfarbe, und die optische Trennung durch die Spaltlinie und Verwendung inverser Farbschemata rechts und links dieser Trennlinie existiert noch nicht. Und die beiden gemeinen Figuren haben im neuen Ortswappen die Seiten gewechselt. Man beachte, daß hier am Rathaus der Turm heraldisch rechts steht, wie auch in Gerichtssiegeln von ca. 1420 und von 1581 und in einem Gemeindesiegel von 1641. Im Gemeindekontext wird der Turm häufiger rechts angetroffen, im Umfeld der Kirche hingegen oft links, je nachdem, ob der Ort Kiedrich oder Mainz in den Vordergrund gerückt werden sollte.
Zum Vergleich dazu weht am Rathaus die Ortsflagge mit dem aktuellen Gemeindewappen, wie es am 29.10.1979 neu genehmigt wurde, das der rot-silbernen Flagge aufgelegt ist. Es ist gespalten, rechts in Silber ein roter Zinnenturm, links in Rot ein silbernes, pfahlweise gestelltes, mit einem Kreuz verbundenes Doppelrad. Im Bild hat der Wind die Bannerflagge gedreht, so daß wir in der Abb. oben rechts die Rückseite sehen, in der Abb. unten links die hochgewehte Vorderseite.
Literatur,
Links und Quellen:
Hinweistafel des
Fördervereins Kiedricher Geschichts- und Kulturzeugen e. V. am
Gebäude
Wolfgang Einsingbach, Kiedrich im Rheingau, Rheinische
Kunststätten, Heft 4/1973, herausgegeben vom Rheinischen Verein
für Denkmalpflege und Landschaftsschutz.
Kiedrich: http://de.wikipedia.org/wiki/Kiedrich
Gemeindewappen und Siegel: http://www.kiedrich-geschichte.de/cms/front_content.php?idcat=29
Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler,
Hessen II, Regierungsbezirk Darmstadt, bearb. von Folkhard
Cremer, Deutscher Kunstverlag, München 2008, ISBN
978-3-422-03117-3, S. 507 u. 508.
Rathaus: http://www.kiedrich-geschichte.de/cms/front_content.php?idcatart=52&lang=1&client=1
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Die Wappen der Erzbischöfe und Kurfürsten von Mainz - Teil (1) - Teil (2) - Teil (3) - Teil (4)
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