Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1981
Kiedrich (Rheingau-Taunus-Kreis)

Schloß Groenesteyn

An der Nordostseite der Suttonstraße steht in Kiedrich das Schloß Groenesteyn. Es handelt sich um eine mehrflügelige Anlage. Der zentrale Korpus ist ein zwölfachsiger Bau mit erhöhtem Mittelrisalit, der allein die Hälfte der Achsen umfaßt. Durch die vertikale Gliederung entstehen vier Einheiten zu je drei Achsen, von denen die beiden zentralen Einheiten den mit einem Walmdach abgeschlossenen Mittelbau bilden. Nach rückwärts zum Park hin umschließen zwei niedrigere Seitenflügel einen nach Nordosten offenen Hof. An den linken Seitenflügel schließt sich ein langrechteckiger, von vier Flügeln umgebener Wirtschaftshof mit eigenem straßenseitigen Tor an. Die wahre Größe nimmt man kaum wahr, weil man sich auf der abschüssigen Backhausstraße aus erhöhter Position dem Schloß nähert, und erst beim Näherkommen ragt dieser groß dimensionierte Adelssitz immer höher über dem Nahenden auf, eine geschickte Ausnutzung der Geländesituation.

Das Gelände war zuerst Besitz der Herren von Hohenstein, die sich nach der katzenelnbogischen, ab 1479 hessischen Burg Hohenstein im Aartal im Taunus nannten. Danach kam der Besitz durch Erbschaft an die Herren von Schwalbach. Vom alten Schwalbacher Hof ist jedoch nichts mehr erhalten, denn wiederum durch Erbheirat kam der Hof an die von Ritter zu Groenesteyn, in deren Besitz der Hof dann blieb. Zwei Generationen lang wurde wenig verändert, doch dann fügte es sich, daß der Enkel des ersten von Ritter zu Groenesteyn selbst ein Architekt war, der, nachdem er 1729 das Erbe bezüglich des Kiedricher Besitzes von seinem Vater übernommen hatte, um 1732 kurzerhand den Schwalbacherhof abreißen ließ, um Platz zu machen für ein äußerst repräsentatives Barockpalais. Anselm Franz Anton Freiherr v. Ritter zu Groenesteyn (15.9.1692-31.5.1765), der für Kurfürsten baute, wandte sein ganzes Können auch für seine private Residenz auf, und bei der Innengestaltung war der Mainzer Stukkateur Georg Hennicke beteiligt.

 

Anselm Franz Anton Freiherr v. Ritter zu Groenesteyn (15.9.1692-31.5.1765) war der Sohn von Caspar Wilhelm Reichsfreiherr von Ritter zu Groenesteyn (-11.4.1729), 1674 kurmainzischer Hofgerichtspräsident und 1691 Geheimer Rat, und dessen Frau Odilia Anna Maria von Spieß zu Büllesheim. Er studierte ab 1706 in Mainz, aber es war die Jurisprudenz, in der er seinen Abschluß bekam und auch seine Promotion 1714 befaßte sich mit Rechtsfragen des Lotteriewesens. Anläßlich einer Kavalierstour 1716-1717 durch Europa lernte er die zeitgenössische, insbesondere französische Architektur des Barocks kennen, und so bildete er die Basis für sein späteres Schaffen. Wieder zurück im Kurstaat Mainz, trat er in fürstbischöfliche Dienste, zunächst entsprechend seiner juristischen Ausbildung. Unter Lothar Franz von Schönborn wurde er am 14.5.1718 wirklicher Kämmerer, am 18.4.1719 kam er in den Hofrat und an das Hofgericht. Doch der Kurfürst wäre kein echter Schönborn gewesen, wenn nicht der Funke zwischen den beiden Baubegeisterten übergesprungen wäre, und so mehrten sich die kurfürstlichen Bauaufträge. Zu seinen Arbeiten gehören Tätigkeiten auf vielen Großbaustellen in den Schönborn-Fürstbistümern: Deutschordenshaus in Mainz, Adelspalais in Mainz wie der Bassenheimer Hof und der Stadioner Hof, Lustschloß Favorite in Mainz, Porzellanhaus in Mainz, Umbauten am kurfürstlichen Schloß in Mainz, Inneneinrichtung von Schloß Pommersfelden, das Schloß der Speyerer Fürstbischöfe in Bruchsal, Ausbau des Wormser Bischofshofes, und er wirkte auch an der Umarbeitung der Pläne für die Würzburger Residenz mit. Die Kirchen der Klöster Amorbach und Banz sowie das Kloster in Gößweinstein und die Schlösser Bönnigheim und Jägersburg bei Eggolsheim gehen auch auf sein Konto. Eine Anerkennung des Geleisteten, das ihn zu dem führenden Baumeister des Spätbarocks im rheinisch-fränkischen Gebiet ("Schönbornland") machte, erfuhr Anselm Franz Anton Freiherr v. Ritter zu Groenesteyn durch die Ernennung zum Oberbaudirektor von Kurmainz durch Fürstbischof Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg am 30.1.1730. Mit dem allerhöchsten Wohlwollen des Landesherrn und dem Kiedricher Erbe ausgestattet, machte er sich 1732 daran, das Schloß zu erbauen. 1740 wurde er Amtmann von Hausen und Amtmann von Orb, 1741 wurde er Oberhofmarschall und Geheimer Rat. 1750 wurde er Vizedom im Rheingau. Privat hatte er jedoch kein Glück, seine erste Frau starb bei der Geburt des ersten Kindes, seine zweite Frau lebte nur noch wenige Monate nach der Hochzeit, und alle Kinder aus der dritten Ehe starben früh.

 

Auf der dem Schloß gegenüberliegenden Straßenseite befinden sich zwei Familienwappen. Das erste befindet sich an einem barocken Rundbogen-Portal aus rotem Sandstein an der Backhausstraße, welches zu einem Clos (ummauerter Garten) führt. Unter dem Gesims ist eine verwitterte, unleserlich gewordene Inschriftentafel. Die Pracht des Portals mit den kapitellbekrönten Pilastern rechts und links des profilierten Bogens steht heute in Widerspruch zu den etwas vernachlässigten Grünanlagen dahinter.

Das Wappen der von Ritter zu Groenesteyn ist geviert, Feld 1 und 4: von Gold und Grün geteilt, unten sechs (3:2:1) silberne Kugeln, Feld 2 und 3: in Rot eine goldene, gequaderte Zinnenmauer. Hier wird die Kartusche in barockem Stil von einer Krone überhöht, und zwei widersehende Greifen dienen als Schildhalter. Das Wappen wird beschrieben im Siebmacher Band: He Seite: 23 Tafel: 25, Band: Pr Seite: 60 Tafel: 77 und Band: Bay Seite: 54 Tafel: 55.

Das hier nicht dargestellte Oberwappen wären zwei Helme: Helm 1 (rechts): auf dem Helm mit grün-goldenen Decken ein wachsender, grün bekleideter Arm, dessen Ärmel mit sechs (3:2:1) silbernen Kugeln belegt ist und der eine weitere silberne Kugel auf der offenen Handfläche trägt, Helm 2 (links): Auf dem Helm mit rot-goldenen Decken je nach Quelle fünf oder sechs Straußenfedern, abwechselnd rot und golden tingiert.

 

Ein weiteres Wappen finden wir direkt an der Ecke zwischen Backhausstraße und Suttonstraße. An der mit einem horizontal durch Fugen gegliederten Sandsteinpodest abgeschnitten Ecke befindet sich eine weitere Darstellung des Familienwappens wie beschrieben auf einem Statuenpodest.

Nun zu den Wappen des Haupthauses: Zwei Wappensteine sind an der Westfassade zur Straße hin sichtbar. Der dreistöckige Mittelbau wird durch sieben, die beiden oberen Etagen optisch zusammenfassende Kolossalpilaster in sechs Achsen gegliedert. Das mit Horizontalfugen versehene Erdgeschoß weist nur drei gliedernde Pilaster auf, zwei an den Seiten und einer in der Mitte. Diese beiden so entstandenen Gliederungshälften sind ganz unterschiedlich behandelt worden. Der linke Teil besitzt drei den darüberliegenden Achsen entsprechende, annähernd quadratische Fenster, und über dem mittleren Fenster dieser linken Hälfte befindet sich der anschließend beschriebene Wappenstein direkt unterhalb des Gesimses. Die rechte Hälfte des Mitteltraktes weist hingegen ein großes, rundbogiges Einfahrtstor auf, flankiert von zwei Fenstern wie beschrieben. Hier befindet sich der Wappenstein oben am Bogenscheitel. Dieses Wappen wird zuletzt beschrieben. Vom inhaltlichen Programm nimmt das erste Allianzwappen Bezug auf den Beginn der Familie in Kiedrich, der zweite auf den gegenwärtigen Bauherrn zur Zeit der Anbringung des Steines.

Dieses im barocken Stil ausgeführte Wappen steht rückwirkend für Stefan de Ridder van Groenesteyn (Stefan von Ritter zu Groenesteyn) (-29.10,1657), kaiserlicher Rittmeister in der Leibgarde des Mainzer Kurfürsten, seit 23.11.1648 Mitglied der rheinischen Reichsritterschaft, am 26.2.1653 Erhebung in den Reichsfreiherrnstand, vermählt am 20.1.1640 mit Anna Ursula von Schwalbach, Erbtochter von Wolff Adam Freiherr von Schwalbach und dessen Frau Anna Juliana Gräfin von Eltz. Dieser Stefan war es, der die Familie im kurmainzischen Raum etablierte, denn er trat in kaiserliche Militärdienste und wurde Rittmeister in der Leibgarde des Mainzer Kurfürsten. Heraldisch rechts ist wieder das Wappen der von Ritter zu Groenesteyn, heraldisch links das seiner Frau, das der hessischen von Schwalbach (Burgsitz in Kleinschwalbach bei Königstein); es zeigt in Rot schrägrechtsbalkenweise drei silberne Ringe. Das hier nicht dargestellte Kleinod wären zwei oben silberne, unten schwarze Büffelhörner zwischen zwei roten, mit je drei silbernen Ringen belegten Ohren. Die gleichfalls hier fehlenden Helmdecken wären rot-silbern. Das Wappen wird beschrieben im Siebmacher Band: NaA Seite: 37 Tafel: 60, Band: PrA Seite: 83 Tafel: 61, sowie Band: OstN Seite: 194 Tafel: 130 und im Aschaffenburger Wappenbuch und bei Gruber. Die Familie erlosch mit Wolff Adam Freiherr von Schwalbach, und die Schwalbacher Güter, darunter der Kiedricher Besitz, kamen so an die von Ritter zu Groenesteyn.

Auszug aus der Genealogie:

Ein zweiter, ebenfalls im barocken Stil ausgeführter Wappenstein befindet sich über der Toreinfahrt. Er besteht ebenfalls aus zwei einander zugeneigten Wappenkartuschen unter einer gemeinsamen Krone. Dieser Stein steht für Carl Adolph Friedrich Constantin Philipp Freiherr v. Ritter zu Grünstein (3.6.1830-14.3.1895), Kgl. bayer. Kammerherr, und seine 1861 geehelichte Frau Maria Isabelle Wilhelmine Georgine Luise Elise von Preen (10.1.1843-26.11.1922), Tochter von Friedrich Christian Theodor von Preen (22.5.1787-19.3.1856), herzoglich nassauischer Kammerherr, Flügeladjutant und Generalleutnant, und dessen Frau Auguste von Dungern (1801-1868). Marie hatte noch drei Schwestern, wovon Therese Adolfine mit dem herzoglich nassauischen Kammerherrn und Regierungspräsidenten zu Wiesbaden, Freiherr Heinrich von Wintzingerode, vermählt war. Heraldisch links ist hier das Wappen der von Preen, einem mecklenburgischen Adelsgeschlecht, zu sehen, in Silber drei fächerförmig zusammengestellte rote Pfriemen (Zeltnägel). Die hier nicht dargestellte Helmzier wäre auf dem gekrönten Helm mit rot-silbernen Decken ein roter Pfriem (Zeltnagel) vor einem Pfauenspiegel. Den Nagel, der zuweilen auch fehlt, umgibt ein Kranz von mehreren silbernen Kugeln. Für die Helmzier werden farbliche Varianten mit roten Kugeln beschrieben, auch solche ohne Pfauenstoß. Die Anzahl der Kugeln (auch als Münzen bezeichnet) wird je nach Quelle mit 6, 7, 9 oder auch 13 angegeben. Das Wappen wird beschrieben im Siebmacher Band: Bad Seite: 122 Tafel: 72, Band: Pr Seite: 306 Tafel: 359, Band: BraA Seite: 69 Tafel: 41, Band: Me Seite: 16 Tafel: 14, Band: Na Seite: 8 Tafel: 9, Band: OstN Seite: 155 Tafel: 100-101, Band: PoA Seite: 72 Tafel: 45 und Band: Pr Seite: 306 Tafel: 359. Preine oder Preene soll Pfriemen bedeuten.

Auszug aus der Genealogie:

Literatur, Links und Quellen:
Hinweistafel des Fördervereins Kiedricher Geschichts- und Kulturzeugen e. V. am Gebäude
Wolfgang Einsingbach, Kiedrich im Rheingau, Rheinische Kunststätten, Heft 4/1973, herausgegeben vom Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz.
Kiedrich:
http://de.wikipedia.org/wiki/Kiedrich
Schloß Groenesteyn: http://www.kiedrich-geschichte.de/cms/front_content.php?idcatart=76&lang=1&client=1
Anselm Franz von Ritter zu Groenesteyn:
http://de.wikipedia.org/wiki/Anselm_Franz_von_Ritter_zu_Groenesteyn
Gunther Jahn, der kurmainzische Hofkavalierarchitekt Anselm Franz Reichsfreiherr von Ritter zu Groenesteyn, Dissertation 1977
Bauwerke von Anselm Franz von Ritter zu Groenesteyn:
http://deu.archinform.net/arch/5992.htm
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Große Bayerische Biographische Enzyklopädie, von Hans-Michael Körner und Bruno Jahn, K. G. Saur Verlag GmbH
von Preen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Christian_Theodor_von_Preen und http://de.wikipedia.org/wiki/Preen_%28Adelsgeschlecht%29

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