Bernhard Peter, Gernot Ramsauer und Alex Hoffmann
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1465
Nürnberg (Mittelfranken)

St. Sebald in Nürnberg (17), Glasfenster
Pömer-Fenster

Das jeweils zweite Seitenschiffjoch des Langhauses (von Westen gezählt) hat im Norden und Süden jeweils nur ein kleines, sehr hoch ansetzendes Fenster, weil in diesem Joch jeweils ein Portal den Großteil der Wandfläche beansprucht. Auf der südlichen Seite ist es das sog. Pömer-Fenster, und das darunter liegende Portal ist das Weltengerichtsportal. Es besteht nur aus einem einzigen Rechteckfeld und einem Spitzbogenfeld, ist 1,70 m hoch und 1 m breit. Das Fenster wurde von Wolf II. Pömer (gest. 1523) gestiftet, dem Ratsherrn, der durch den Ritterschlag Kaiser Maximilians geadelt wurde. Interessant ist, daß er selber gar nicht in Erscheinung tritt, sondern die bildlichen Darstellungen ganz seinen Vorfahren widmet. Man beachte die enge räumliche Nähe des Fensters zur Pömer-Grablege und zum Pömer-Epitaph an der Außenseite der Kirche, die das Fenster in einen Stiftungskomplex rund um die Südwestecke der Kirche einbindet. Wahrscheinlich nahm der Stifter die Standeserhöhung und den Ansehenszuwachs der Familie zum Anlaß, den gesamten Stiftungskomplex zu aktualisieren und gestalterisch abzurunden. Das Fenster entstand zwar anläßlich der Erneuerung im Jahr 1520, die Formensprache ist aber bewußt altmodisch: Kübelhelme und die altertümliche, ungezaddelte, vielmehr hochgeraffte Helmdeckenform sowie die einfachen Halbrundschilde weisen bewußt in die Zeit vor 1520 und unterstreichen so, daß es sich um eine Gedächtnisstiftung handelt.

Im Spitzbogenfeld ist ein einziges großes Wappen der Pömer (Pömer von Diepoltsdorf), der Schild ist schrägrechts geteilt, oben von Rot und Silber dreimal schräggeteilt, unten schwarz. Im oberen Teil findet man auch die umgekehrte Reihenfolge. Das Wappen findet sich bei Schöler, Tafel 16, S. 82, dort ist das oberste Feld silbern, und im Siebmacher Band: BayA1 Seite: 53 Tafel: 50, dort ist das oberste Feld rot wie hier. In Nürnbergs Kirchen finden sich für beide Varianten hinreichend Belege, um diese Variabilität einfach zu akzeptieren. Nach der Farbregel ist diese hier verwendete Form sogar korrekter. Auf dem Helm mit rot-silbernen Decken führt die Familie einen wachsenden Rumpf einer Mohrin oder eines Mohren, mit einem silbernen Kopftuch und einer rot-silbernen Stirnbinde mit abfliegenden roten und silbernen Enden. Das Wappen ist hier sehr dekorativ zwischen zwei silbernen, rot umwundenen Säulen mit goldenen Basen und Kapitellen mit beiderseits hochgerafften Helmdecken aufgespannt.

Die Symmetrie wird nur für den Beischild verlassen, der ist rot mit einem silbernen Schrägbalken, das ist das Wappen der Zenner, denn die Inschrift nennt einen bestimmten Vorfahren der Stifter: "Heinrich Pömer, starb Anno 1331", und dieser war mit Mechthild Zenner (gest. 1357) verheiratet. Das Fenster selber erinnert nur an Heinrich II. Pömer, denn es wurde 1520 komplett neu gemacht. Heinrich II. Pömer und Mechthild Zenner sind die Eltern der im unteren Feld (s. u.) dargestellten Personen. Die Zenner waren ebenfalls ein ratsfähiges Geschlecht der Stadt Nürnberg. Im Schöler, Tafel 17, wird das Schildbild jedoch abweichend angegeben, der Schrägbalken mit einer schwarzen Leiste belegt, dito im Siebmacher Band: BayA1 Seite: 64 Tafel: 64, wo die Helmzier zu rot-silbernen Decken als ein wie der Schild bez. Flügel angegeben wird. Dieses Wappen wird hier im Fenster abweichend wiedergegeben. Die Familie Zenner trägt ihren Namen nach dem fränkischen Ort Zenn oder Langenzenn. Sie etablierte sich im 14. Jh. in Nürnberg als Kaufleute und waren im Handel von Barchent und Buntmetall über Mailand und die Lombardei aktiv. Konrad Zenner, gest. 1382, wurde 1360 als Genannter in den Größeren Rat aufgenommen. Bis Ende des 15. Jh. ist die Familie Zenner in Nürnberg präsent und erlosch dort 1489 mit Dr. Johann Zenner und endgültig mit dem nach Lindau ausgewanderten Peter Zenner. Heinrich II. Pömer hatte in St. Sebald eine Pfründe auf den St. Johannesaltar gestiftet.

Das Rechteckfeld darunter ist durch einen Doppelbogen gegliedert. Zwei männliche Personen sind in der Mitte rechts und links der zentralen eckigen Säule einander kniend im Gebet zugewandt, die linke barhäuptig, die rechte mit einer Pelzmütze, beide fast spiegelbildlich mit einem Rosenkranz zwischen den gefalteten Händen. Hinter jedem von den beiden ist das individuelle Wappen in Profildarstellung aufgestellt, mit einwärts geneigtem Schild und einwärts gedrehter Helmzier. Hinter beiden bildet eine braune, schwarz gefugte Mauer mit zwei hohen, bis an den Bogen reichenden Zinnen den Hintergrund.

Der linke von beiden ist, wie die Inschrift darunter verrät, Friedrich Pömer, Sohn des oben erwähnten Heinrich II. Pömer. Sein Wappen ist ein individuelles Wappen, das seine ganz besondere, nur für ihn zutreffende familiäre Situation wiedergibt, es ist ein in einem einzigen Schild zusammengeschobenes Wappen mit seinen beiden Ehen: Der Schild ist komplett gewendet, nicht nur die Inhalte, sondern auch die Felder und die Deskriptoren, und geviert: Feld 1 und 4: schrägrechts geteilt, oben von Rot und Silber dreimal schräggeteilt, unten schwarz (Stammwappen Pömer), Feld 2: in Silber auf einem goldenen Dreiberg ein aus einem eigentlich roten Kreuz hervorwachsender grüner Lindenzweig (Lindenbaum), das ist das Wappen der Groß, Feld 4: in Silber ein zu einer Acht verschlungener roter Lindenzweig mit nach außen gekehrten Blättern, vier auf jeder Seite, das ist das Wappen der v. Seckendorff. Es handelt sich also um eine personenbezogene, temporäre Vereinigung der Schildbilder in einem gemeinsamen gevierten Schild, vereinigt unter der alleinigen Helmzier des Mannes, auf dem Helm mit rot-silbernen Decken ein wachsender Rumpf einer Mohrin, mit einem silbernen Kopftuch und einer rot-silbernen Stirnbinde mit abfliegenden roten und silbernen Enden. In dieser Form konnte das Wappen nur von einer einzigen Person geführt werden, nämlich von Friedrich I. Pömer, gest. 1378, verheiratet in erster Ehe mit Anna Groß und in zweiter Ehe mit Katharina von Seckendorff. Die Aufnahme der Wappen Groß und Seckendorff ist allein aus Gründen der Illustration der ehelichen Verflechtung erfolgt, denn beide Geschlechter erfreuten sich damals bester Gesundheit und waren weit davon entfernt, dauerhaft Aufnahme in das Pömer-Wappen zu finden, eine rein persönliche Konstellation also, die noch nicht einmal in dieser Form von seinem Sohn Stefan, gest. 1395, oder seinem Enkel Sebald I., gest. 1452, geführt werden konnte. Der Ratsherr Wolf II. Pömer, der Stifter des Fensters, ist übrigens der Ururenkel des Dargestellten.

Der rechte von beiden ist, wie die Inschrift darunter besagt, Konrad Pömer, Bruder des Vorgenannten und ebenfalls Sohn des oben erwähnten Heinrich II. Pömer. Auch sein Wappen ist ein rein persönliches, das ein in einem einzigen gevierten Schild zusammengeschobenes Ehewappen darstellt. Der Schild ist geviert: Feld 1 und 4: schrägrechts geteilt, oben von Rot und Silber dreimal schräggeteilt, unten schwarz (Stammwappen Pömer), Feld 2 und 3: golden-schwarz geteilt (Geuschmid/Pfinzing). Diese Wappenbildkombination paßt zu Konrad Pömer, gest. 1361, und seiner Frau Anna Pfinzing. Auch diese Kombination ist kein an die Söhne weitergebbares Wappen, sondern ein nur für diese eheliche Konstellation zutreffendes Symbol, vereinigt unter der Pömer-Helmzier, auf dem Helm mit rot-silbernen Decken ein wachsender Rumpf einer Mohrin, mit einem silbernen Kopftuch und einer rot-silbernen Stirnbinde mit abfliegenden roten und silbernen Enden. Also weder sein Sohn Georg I. Pömer, gest. 1396, noch sein Enkel, Hans I. Pömer, gest. 1464, konnten es in dieser Form führen.

Literatur, Links und Quellen:
Veröffentlichung der Innenaufnahmen aus St. Sebald mit freundlicher Erlaubnis von Herrn Pfarrer Dr. Axel Töllner und Herrn Pfarrer Gerhard Schorr vom 12.7.2010, wofür ihnen an dieser Stelle ganz herzlich gedankt sei.
Hartmut Scholz, St. Sebald in Nürnberg, Meisterwerke der Glasmalerei, Band 3, Verlag Schnell Steiner GmbH Regensburg 2007, ISBN 978-3-7954-1846-5
St. Sebald: http://www.sebalduskirche.de/
3D-Panorama St. Sebald:
http://www.sebalduskirche.de/fileadmin/Bildmaterial/Atuelles/Sebalduskirche_02c.mov
Siebmachers Wappenbücher, insbesondere der Band Bayern
Eugen Schöler, Historische Familienwappen in Franken, Verlag Degener / Bauer Raspe, Neustadt an der Aisch, 3. Aufl. 1999, Nachdruck 2002, ISBN 3-87947-112-6

Peter Fleischmann, Rat und Patriziat in Nürnberg. Nürnberger Forschungen, Einzelarbeiten zur Nürnberger Geschichte, herausgegeben vom Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg. Bände 31/1, 31/2, 21/3 (Stammbäume) und 31/4. VDS Verlagsdruckerei Schmidt, Neustadt an der Aisch. ISBN 978-3-87191-333-4.
Hartmut Scholz: Corpus Vitrearum Medii Aevi Deutschland Bd. X, 2, die mittelalterlichen Glasmalereien in Nürnberg, St. Sebalder Stadtseite, Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, Berlin 2013, 712 S., ISBN 978-3-87157-236-4, S. 287 ff,
http://www.corpusvitrearum.de/projekt/publikationen/cvma-x-2.html, pdf: http://www.corpusvitrearum.de/fileadmin/user_upload/PDF/CVMA_X_2_Nuerrnberg_Sebalder_Stadtseite.pdf

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