Bernhard Peter, Gernot Ramsauer und Alex Hoffmann
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1446
Nürnberg (Mittelfranken)

St. Sebald in Nürnberg (21), Glasfenster
Grundherr-Fenster

Das Grundherr-Fenster von St. Sebald ist ein Fenster am Anfang des Hallenchores, auf der Nordseite über der Pfinzing-Kapelle zu finden, ein Joch vor der Nordsakristei. Drei Scheiben in der Stifterzone, der untersten Scheibenreihe, sind heraldischen Inhalts. In der linken Scheibe ist das Vollwappen der Grundherr (Grundherr von Altenthann und Weiherhaus) zu sehen, sie führen in Rot einen oberhalben, golden gekrönten, silbernen Löwen, auf dem Helm mit rot-silbernen (hier nur roten) Decken der silberne, golden gekrönte Löwe wachsend (Schöler S. 51, Tafel 82, Siebmacher Band: Bay Seite: 80 Tafel: 92). Die zweite Scheibe daneben ist ohne heraldische Inhalte (ohne Abb.), die beiden rechten Scheiben tragen drei Wappenschilde, einer ist in der dritten Scheibe, zwei sind in der vierten Scheibe ganz rechts.

Hier gehören das große Wappen in der ersten Scheibe (Abb. links) und der Schild in der dritten Scheibe (Abb. Mitte) zusammen, für Heinrich I. Grundherr, gest. 1351, und seine 1319 geehelichte Frau Kunigunde Gletzelmann (in Rot ein silberner Balken, begleitet von drei (2:1) silbernen Objekten, die einmal Rosen waren, durch den Abtrag der Bemalung aber nun wie Scheiben oder Kugeln wirken, vgl. Schöler Tafel 53 und Siebmacher Band: Bg1 Seite: 36 Tafel: 46). Die hier nicht abgebildete Helmzier wäre zu rot-silbernen Decken ein beiderseits wie der Schild bez. Flug.

Heinrich I. Grundherr (gest. 1351) und Kunigunde Gletzelmann (gest. 1344) sind die Eltern des Fensterstifters, des 1388 gestorbenen Ratsherrn Michael I. Grundherr, der seinen Eltern hier ein heraldisches Gedächtnis setzte. Heinrich I. Grundherr war aber zweimal verheiratet; seine erste Frau war Gerhaus Lesemeister. Sie ist hier nicht heraldisch vertreten, was aber nicht verwundert, weil es sich nicht um eine Stiftung des Vaters, der natürlich seine beiden Ehefrauen dargestellt hätte, sondern um eine Stiftung des Sohnes handelt, den logischerweise nur seine Eltern interessieren. So wird klar, daß bei einer Gedächtnisstiftung nur die echten Vorfahren auftauchen, während bei einer Eigenstiftung alle Frauen Erwähnung finden. Für den Wohlstand der Familie war die zweite Ehefrau wesentlich wichtiger, denn durch die 1319 erfolgte Heirat mit Kunigunde wurde Heinrich sehr, sehr wohlhabend: Er kaufte Lehen und Grundstücke im Nürnberger Umland. In Nürnberg gehörte ihm das Haus zum Goldenen Schild. Er war so reich, daß er Großbankier der Wittelsbacher wurde und in einem Atemzug mit Konrad Groß genannt wird.

In der rechten Scheibe mit dem knienden Michael Grundherr ist der linke Schild wieder ein reichlich mitgenommener Grundherr-Schild; der rechte Schild zeigt das Wappenbild der Laufenholz, Lauffenholz oder Laufamholz, geteilt, oben golden und ledig, unten in drei Reihen blau-silbern geschacht (Schöler S. 68, Tafel 13, Siebmacher Band: BayA1 Seite: 47). Diese 1568 mit Adam v. Laufenholz erloschene Familie hatte ihren Stammsitz in Unterbürg bei Laufamholz und besaß auch Weingartsreuth sowie Unter- und Ober-Melsendorf und Bernrod und einen Anteil an Burg Liesberg. Die hier nicht dargestellte Helmzier wäre zu blau-goldenen Decken ein wachsender, blau gekleideter Mannesrumpf mit golden aufgeschlagenem blauem rundem Hut. Diese Kombination paßt zu Heinrichs Sohn, Michael I. Grundherr, gest. 1388, der in erster Ehe Juliana v. Laufenholz geheiratet hatte, in einer zweiten Eheschließung, die zeitlich nach der Fensterstiftung liegen muß, sich dann mit Katharina Schopper verband, denn ihr Wappen ist nicht vertreten. Michael Grundherr, Ratsherr und Sebalder Kirchenpfleger, hat dieses Fenster also ca. 1379-1388, aber noch vor seiner Wiederheirat, für sich und zu Ehren seiner Eltern gestiftet, wobei er letzteren den Ehrenplatz einräumte.

Ein Ausschnitt des Grundherr-Fensters mit den Scheiben der zweiten und dritten Reihe von unten zeigt die gestalterische Besonderheit dieses Fensters: Während die äußeren Scheiben jeweils einen Ornamentrand mit Rautenmotiven haben, so bilden die jeweils mittleren Scheiben eine Gesamtstruktur aus fünf miteinander verketteten Medaillons in Form jeweils einer Vierpaßraute. In der unteren Reihe ist zwischen den Figuren von Petrus mit dem Schlüssel und Paulus mit dem Schwert die Zurückweisung des Opfers von Joachim dargestellt, in der oberen Reihe die Verkündigung an Joachim zwischen den Figuren der Apostel Matthäus und Thomas links und Judas Thaddäus und Simon rechts (Name auf Schriftband). In der nächsthöheren Reihe (ohne Abb.) folgen die Apostel Bartholomäus und Johannes, die zwischen sich die Szene der Verkündigung an Anna und die Begegnung an der Goldenen Pforte einrahmen.

Literatur, Links und Quellen:
Veröffentlichung der Innenaufnahmen aus St. Sebald mit freundlicher Erlaubnis von Herrn Pfarrer Dr. Axel Töllner und Herrn Pfarrer Gerhard Schorr vom 12.7.2010, wofür ihnen an dieser Stelle ganz herzlich gedankt sei.
Hartmut Scholz, St. Sebald in Nürnberg, Meisterwerke der Glasmalerei, Band 3, Verlag Schnell Steiner GmbH Regensburg 2007, ISBN 978-3-7954-1846-5
St. Sebald: http://www.sebalduskirche.de/
3D-Panorama St. Sebald:
http://www.sebalduskirche.de/fileadmin/Bildmaterial/Atuelles/Sebalduskirche_02c.mov
Siebmachers Wappenbücher, insbesondere der Band Bayern
Eugen Schöler, Historische Familienwappen in Franken, Verlag Degener / Bauer Raspe, Neustadt an der Aisch, 3. Aufl. 1999, Nachdruck 2002, ISBN 3-87947-112-6

Peter Fleischmann, Rat und Patriziat in Nürnberg. Nürnberger Forschungen, Einzelarbeiten zur Nürnberger Geschichte, herausgegeben vom Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg. Bände 31/1, 31/2, 21/3 (Stammbäume) und 31/4. VDS Verlagsdruckerei Schmidt, Neustadt an der Aisch. ISBN 978-3-87191-333-4.
Hartmut Scholz: Corpus Vitrearum Medii Aevi Deutschland Bd. X, 2, die mittelalterlichen Glasmalereien in Nürnberg, St. Sebalder Stadtseite, Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, Berlin 2013, 712 S., ISBN 978-3-87157-236-4, S. 165 ff,
http://www.corpusvitrearum.de/projekt/publikationen/cvma-x-2.html, pdf: http://www.corpusvitrearum.de/fileadmin/user_upload/PDF/CVMA_X_2_Nuerrnberg_Sebalder_Stadtseite.pdf

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