Bernhard
Peter, Gernot Ramsauer und Alex Hoffmann
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 1395
Nürnberg (Mittelfranken)
St.
Sebald in Nürnberg, Glasfenster (9)
Holzschuher-Fenster
Das Holzschuher-Fenster ist heute nur noch ein Rest dessen, was ursprünglich vorhanden war. Das Fenster ist vierbahnig und besitzt einschließlich der Kopfscheiben sechs Zeilen, zu zweimal zwei Lanzetten gruppiert. Es befindet sich im nördlichen Langhaus im vierten Joch von Westen gezählt. Hier mischen sich wenige Reste aus ganz unterschiedlichen Herstellungszeiten. Im Maßwerkabschluß (drei große Maßwerkfelder) befindet sich noch spätgotisches Material von 1480, darunter auch ein Engel im Maßwerkscheitel, der das Stammwappen der Familie Holzschuher hält. Dieses Feld wird von zwei Feldern mit einer Darstellung der Verkündigung an Maria flankiert (ohne Abb.).
Die dritte Fensterreihe von unten hat im linken Teil zwei Fensterteile, die ursprünglich nicht hier waren, sondern aus einem anderen, unbekannten Zusammenhang und aus der Zeit um 1450 stammen, sie zeigen die Wappen Grundherr und Stromer (Abb. nachfolgend) bzw. Grundherr und Haller (ohne Abb.). Besagte in Grisaille-Technik angefertigte Scheiben waren im 18. Jh. vorübergehend im Grundherr-Fenster im Chor "geparkt" und wurden erst in jüngster Zeit in das Holzschuher-Fenster umgesetzt. Sie haben nichts mit dem ursprünglichen Kontext zu tun. Vermutlich handelt es sich, wenn man den Stil zur Datierung heranzieht, um die Wappen von Paul I. Grundherr und dessen Frau, Agnes Stromer. Die Beiden hatten 1434 geheiratet. Deren Sohn Ulrich Grundherr hatte 1453 Anna Haller geheiratet, so daß die Genealogie zweier aufeinanderfolgender Generation schlüssig erscheint.
Der eigentliche Holzschuher-Anteil im Holzschuher-Fenster beschränkt sich damit neben der Maßwerkfüllung auf zwei ganze Scheiben, in der dritten Reihe von unten die beiden rechten Felder. Die beiden Fenster sind stilistisch einheitlich, inhaltlich ähnlich, sie tragen beide die Jahreszahl MDIII = 1503. Stilistisch sind sie aufgrund der opulenten Ausschmückung, des architektonisch-perspektivischen Rahmens und der reichen und detaillierten Malerei (siehe Detail-Vergrößerungen) sogar eher später anzusetzen, aber maximal 1547, denn in dem Jahr ist der auf dem einen Fenster genannte Wolf Holzschuher verstorben, also schätzen wir sie auf 1530-1547. Die Jahreszahl "1503" ist als Erinnerung an die Standeserhöhung, Wappenbesserung und Auszeichnung anzusehen, die Stiftung eines neuen Kirchenfensters war sowohl ein Akt der Dankbarkeit als auch ein Akt der Zurschaustellung der neuen Würde. Es ist nicht das Datum der Fensterstiftung.
Das Stammwappen der Holzschuher ist ein redendes Wappen, denn es zeigt in Gold einen schwarzen, oft auch rot gefütterten Holzschuh mit silberner Einfassung. Auf dem Helm mit rot-goldenen Decken wird ein wachsender, rot gekleideter Mohrenrumpf mit roter, golden gestulpter Mütze geführt. Hier sehen wir das vermehrte Wappen der Holzschuher von Harrlach, es wurde 1503 durch König Emanuel von Portugal (Manuel I. o Feliz) vermehrt. Es ist nun geviert, Feld 1 und 2: das Stammwappen, in Gold ein links gekehrter, schwarzer Holzschuh mit silberner Einfassung, Feld 2 und 3: in Blau das Brustbild eines silbernen, golden gewandeten Sarazenen (sog. weißen Mohren), auf der Herzstelle das silberne, rot gerandete Kreuz des portugiesischen Christus-Ordens (Ordem de Cavalaria de Nosso Senhor Jesus Cristo). Interessant ist hier, daß wir nebeneinander im selben Wappen "schwarze" und "weiße" Mohren haben, also Neger und Sarazenen, ein wohl einmaliger Fall. Auf dem Helm wird ein schwarzer Mohr geführt, der ist der ältere und gehört schon zum Stammwappen, und in den Felder 2 und 3 werden "weiße Mohren" in blauem Feld geführt, der Darstellung nach sind es Araber mit Vollbart und silberner Kufiya, sie kamen anläßlich der Wappenbesserung 1503 für den hier in der Inschrift genannten Wolf Holzschuher für seine Verdienste hinzu, der um 1500 in portugiesische Dienste trat und erfolgreich wider die Saracenen in Marokko kämpfte. Nach dem Ende seiner aktiven militärischen Karriere war er im Hofstaat von Kaiser Maximilian I. tätig, bis er 1514 nach Nürnberg zurückkam und heiratete; die Ehe blieb aber leider kinderlos. Der Nürnberger Rat setzte Wolf Holzschuher 1525 als Pfleger von Altdorf und der Haimburg bei Neumarkt ein.
Das Wappen wird durch eine massive Arkade eingefaßt, deren Rundbogen auf Pfeilern und vorgesetzten Balustersäulen mit Kapitellen und gewichtigen Postamenten. Da kein Beischild vorkommt, dürfte das Wappen keinen namentlich identifizierbaren Vertreter der Familie repräsentieren, sondern vielmehr die Wappenvermehrung und damit das Privileg des ganzen Geschlechts illustrieren.
Die Holzschuher hatten übrigens ein interessantes Farbsystem für die unterschiedlichen Linien, welches auf Veit Holzschuher zurückgeht, der 1565 ein Geschlechterbuch anfertigte und dieses übersichtliche Farbschema für die einzelnen Abkömmlinge von Karl I. Holzschuher (1332-1422) einführte. Dessen Sohn Berthold V. (gest. 1449) war der Begründer der blauen Linie, sein Bruder Karl II (gest. 1456) führte die rote Linie fort, ein weiterer Bruder, Paul (gest. 1447) wurde zum Begründer der braunen Linie und Friedrich VIII. (gest. 1431) schließlich war der Begründer der grünen Linie. Der Wolf Holzschuher (gest. 1547), um den es hier geht, war der Enkel von Paul Holzschuher (gest. 1447) und Klara Haller, und er war der Letzte der braunen Linie. Sein Vater war Friedrich Holzschuher (gest. 1511), seine Mutter war Barbara Kreß.
Das selbe Wappen wurde am 28.9.1547 dem Hieronymus Holzschuher für das ganze Geschlecht durch Kaiser Karl V bestätigt, mit den Worten (Siebmacher Band: Bay Seite: 40 Tafel: 38, Gatterer, hist. Holzschuheriana, Codex p. 244): "das ober vnd hinter feld golt, darin das anererbt holtzschucherisch wappen [ain goltfarben schildt, darinn ain schwartzer holländischer holtzschuch, Inwendig rot vnd ausswendig herumb mit weissen Portlin, den Spiz gegen den hintern tail des schilts kerend], das vndter vnd vorder Feldt darin eines weissen Moren Pildt biss zu halber Prost ohne Arm, gelb beklaidt mit ainem grawen Part habendt vmb sain haubt mit plaben vnd roten Laisten ain waissen morischen Pundt, hinten mit anhangenden endten, vnd in der Mitte auf der Quartirung ain rot Kreutz vnd darauv sin weiss Kreuz. Dazu das holtzschuecherisch kleinodt [ain Prustbildt ains Moren one Armb in ain r. klaidt mit silberfarbem vberschlag vnd kurzem krawsem haar, one Part, habend auf dem haubt ain roten hohen spitzigen huet mit ainem gelben für sich gespitztem veberstulp vnd oben zw End des huets mit fransen vnd darauf ain knopf, beids von roter Farb] vnd turniershelmb, auch goldtfarben vnd roter helmdecken......]". "eines weissen Moren Pildt biss zu halber Prost" - eines weißen Mohren Bild bis zu halber Brust, mit "ain waissen morischen Pundt", also mit einem Kopftuch - das ist ein echter Sarazene, und aufgrund der Vita des Begünstigten mit direktem Bezug zu den Arabern in Südwesteuropa und Nordwestafrika. Das Wappen wird im Siebmacher (Siebmacher Band: Bay Seite: 40 Tafel: 38, Band: ThüA Seite: 59 Tafel: 46, Band: Erg Seite: 31 Tafel: 14, Band: Erg Seite: 36 Tafel: 16, Band: Pr Seite: 46 Tafel: 59) beschrieben.
Abb. links: Das Wappen für Wolf Holzschuher hat einen silbern mit goldenen Verzierungen Geharnischten als Schildhalter, mit über die rechte Schulter gelegtem Schwert, mit goldenen Radsporen. Diese Rittergestalt steht wohl symbolisch für den Ritterschlag des Wolf Holzschuher durch den portugiesischen König. Abb. rechts: In der Vergrößerung erkennt man die Liebe zum Detail bei der Ausführung des Schildes. Das Kreuz des Christusordens an der Herzstelle steht für den Ordem de Cavalaria de Nosso Senhor Jesus Cristo, einen portugiesischen Ritterorden, dessen Mitgliedschaft für besondere Verdienste verliehen wurde. Hintergrund waren die Streitigkeiten um den Templerorden im 14. Jh. Die iberischen Königreiche beteiligten sich nicht an der Hatz auf die Templer wie z. B. Frankreich. In Opposition zu dem Anliegen von Papst Clemens stellte man in Portugal die Unschuld der Templer fest. Statt dessen wurden die Templergüter wieder in Kroneigentum überführt. Im restlichen Europa außer Portugal, Kastilien, Aragon und Mallorca wurden die Templergüter auf päpstliche Weisung in den Besitz des Johanniterordens überführt. Diese Situation ließ beim portugiesischen König den Wunsch nach einem nationalen, eigenen, von Rom unabhängigen Ritterorden entstehen, den der portugiesische Monarch ganz alleine und unabhängig einsetzen und führen konnte, insbesondere im Kampf gegen die nordafrikanischen Araber. So kam es 1319 zu folgendem Handel mit dem Papst Johannes XXII: Der Papst stimmt der Gründung des portugiesischen Christusordens zu. Der portugiesische König übergibt dem Orden seine Burg von Castro Marim an der Algarve, und die Templergüter werden an den neuen Orden übergeben. Und die Ritter des Ordens hatten nach der Calatrava-Regel zu leben (Gehorsam, Armut und Ehelosigkeit sowieso). Das Auftreten des Ordenskreuzes ist hier im Wappen der Holzschuher ein Gnadenzeichen.
Unter dem Holzschuher-Wappen sehen wir einen hochinteressanten Beischild: Wolf Holzschuher, gest. 1547, hatte 1514 Margarete Helchner geheiratet. Sie brachte ihm nicht nur als Erbin ein Drittel des Grundbesitzes in Gräfenberg mit in die Ehe, sondern auch eines der interessantesten Wappenbilder als Beischild (Siebmacher Band: Bg2 Seite: 3 Tafel: 5, Band: BayA1 Seite: 74 Tafel: 73, Schöler Tafel 91 und 156): Es ist im Löwenrachenschnitt silbern-rot gespalten. Mit nur einer einzigen Linie, die vom oberen Schildrand zum unteren Schildrand geht, sind eine komplexe Teilung und ein Schildbild mit Inversionszentrum und C2-Symmetrie entstanden, in dem sich die beiden Löwenköpfe wie Positiv und Negativ ergänzen und die Nase jeweils im aufgerissenen Rachen des Gegenstücks Platz findet. Im Siebmacher werden die Köpfe weiter ausgeformt, so daß Anfangs- und Endpunkt der Teilungslinie an den Seitenrändern sitzen, deswegen spricht er auch von "im Löwenrachenschnitt geteilt", nicht gespalten. Hier jedoch verläuft die entscheidende Linie eindeutig vertikal. Hier ist das Wappen ohne Kleinod abgebildet, die Helmzier wäre auf einem Helm mit rot-silbernen Decken ein das Schildbild wiederholender Flügel oder Flug.
Der untere Bereich des Fensters (ohne Abb.) läßt sich aufgrund von Abzeichnungen aus dem 18. Jh. rekonstruieren: Die unterste Zeile enthielt 4 einfache, d. h. nicht vermehrte Holzschuher-Wappen mit Oberwappen und Beischilden, die zweite Reihe hatte zwei in den mittleren beiden Bahnen, flankiert von zwei Feldern mit Heiligendarstellungen (Petrus und Sebaldus, die Patrone von St. Sebald). Aufgrund der Beischilde lassen sich alle sechs Wappen zuordnen. Sie repräsentierten in der ersten Reihe die vier Brüder Paul Holzschuher (gest. 1447), vermählt 1427 mit Klara Haller, Berthold V. Holzschuher (gest. 1449), vermählt 1424 mit Kunigunde Groland, Karl II. Holzschuher (gest. 1456), vermählt 1420 mit Barbara Rummel, und Friedrich VIII. Holzschuher (gest. 1431), vermählt 1413 mit Margarete Kress. Diese vier Brüder wurden die Stammeltern der unterschiedlichen Familienlinien. In der zweiten Reihe handelte es sich um deren Großvater, Friedrich V. Holzschuher (gest. 1357), vermählt mit Gerhaus Pömer, und um deren Vater, Karl I. Holzschuher (1332-1422), vermählt mit Felicitas von Ammerthal und danach mit Christina Pfinzing. Einige dieser Scheiben haben an anderer Stelle überlebt: Die Darstellungen der Heiligen Petrus und Sebald sind in St. Lorenz in Nürnberg in einem Chorfenster. In der Frauenkirche befinden sich das Wappen Holzschuher mit den Beiwappen Pfinzing (später eingeflickt) und Rummel, das Wappen Holzschuher mit den Beischilden Pfinzing und Ammerthal, das Wappen Holzschuher mit dem Beischild Pömer, das Wappen Holzschuher mit dem Beischild Haller sowie das Wappen Holzschuher mit falsch erneuerten Beischilden Tucher und Mielich (?), denn hier wären nur die Beischilde Groland oder Kress möglich gewesen. Von den acht Scheiben haben also sieben an zwei unterschiedlichen neuen Standorten überlebt, wobei der ursprüngliche Kontext der Beischilde in zwei Fällen erheblich verändert wurde.
Literatur,
Links und Quellen:
Veröffentlichung der
Innenaufnahmen aus St. Sebald mit freundlicher Erlaubnis von
Herrn Pfarrer Dr. Axel Töllner und Herrn Pfarrer Gerhard Schorr
vom 12.7.2010, wofür ihnen an dieser Stelle ganz herzlich
gedankt sei.
Siebmachers Wappenbücher, insbesondere der Band Bayern
Eugen Schöler, Historische Familienwappen in Franken, Verlag
Degener / Bauer Raspe, Neustadt an der Aisch, 3. Aufl. 1999,
Nachdruck 2002, ISBN 3-87947-112-6
Peter Fleischmann, Rat und Patriziat in Nürnberg. Nürnberger
Forschungen, Einzelarbeiten zur Nürnberger Geschichte,
herausgegeben vom Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg.
Bände 31/1, 31/2, 21/3 (Stammbäume) und 31/4. VDS
Verlagsdruckerei Schmidt, Neustadt an der Aisch. ISBN
978-3-87191-333-4.
Nürnberger Patriziat im Historischen Lexikon Bayerns: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_45240
St. Sebald: http://www.sebalduskirche.de/
3D-Panorama St. Sebald: http://www.sebalduskirche.de/fileadmin/Bildmaterial/Atuelles/Sebalduskirche_02c.mov
Virtueller Rundgang St. Sebald: http://www.sebalduskirche.de/index.php?id=16
Hartmut Scholz: Corpus Vitrearum Medii Aevi Deutschland Bd. X, 2,
die mittelalterlichen Glasmalereien in Nürnberg, St. Sebalder
Stadtseite, Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, Berlin 2013,
712 S., ISBN 978-3-87157-236-4, S. 267 ff, http://www.corpusvitrearum.de/projekt/publikationen/cvma-x-2.html, pdf: http://www.corpusvitrearum.de/fileadmin/user_upload/PDF/CVMA_X_2_Nuerrnberg_Sebalder_Stadtseite.pdf
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