Bernhard Peter, Gernot Ramsauer und Alex Hoffmann
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1449
Nürnberg (Mittelfranken)

St. Sebald in Nürnberg (18), Glasfenster
Wappenscheiben in der Südturm-Halle

Die über das südliche Seitenschiff zugängliche Turmhalle des Südturmes hat nur ein kleines Fenster, in dem aber drei runde Wappenscheiben auf Entdeckung warten. Alle stammen aus dem 17. Jh. Die erste Scheibe ist beschriftet "Johannes Gamersfelter 1612". Das Wappen der Gammersfelder zeigt in silbern-rot geteiltem Schild einen aufrecht gestellten goldenen Eichenbruch mit einer Eichel zwischen zwei Blättern (Schöler S. 48, Tafel 41, Siebmacher Band: Bg1 Seite: 23 Tafel: 26, Band: BayA1 Seite: 38 Tafel: 38). Die Helmzier wird als ein beiderseits mit dem Schildbild belegter Flug zu rot-silbernen Decken angegeben. Die Gammersfelder v. Solar gehören zu den "Genannten" und wurden ein gerichtsfähiges Nürnberger Geschlecht (21.4.1730 zu den Gerichtsfähigen kooptiert), gehörten aber nicht dem Rat an. Sie kamen ursprünglich aus Burghausen. Ein Wappenbrief datiert von 1466, ausgestellt von Pfalzgraf Ludwig dem Reichen, Herzog von Bayern, zu Landshut. In Rothenburg waren sie ebenfalls präsent. Durch Heirat verbanden sie sich mit den großen Nürnberger Patrizierfamilien, mit den Löffelholz, mit den Haller. Die Gammersfelder v. Solar sind im Jahre 1740 am 8. Dezember mit Christoph Sigmund erloschen.

Der zweite Schild auf der heraldisch linken Seite steht für seine Ehefrau aus dem Hause der Haller von Hallerstein, deren Wappen wir hier in seiner erweiterten Form sehen: Geviert, Felder 1 und 4: in Rot ein schwarz gefüllter, schräger, linker, silberner Sturzsparren (Stammwappen), in Feld 4 aus ungeklärten Gründen und eigentlich unnötigerweise gewendet, Felder 2 und 3: geteilt, oben in Rot eine gestürzte, eingebogene goldene Spitze, unten in Silber ein schreitender, schwarzer Löwe. Das Wappen wird an anderer Stelle ausführlich diskutiert, siehe z. B. St. Sebald, Haller-Fenster in Chor und Langhaus.

Auch die benachbart angebrachte Wappenscheibe ist der gleichen Familie zuzurechnen, sie ist beschriftet "Christoff Gamersfelder 1609". Christoph Gammersfelder v. Solar (Wappenbeschreibung wie oben) war mit einer Frau aus dem Hause Pfinzing verheiratet, die hier mit dem ererbten Wappen Geuschmid vertreten ist, golden-schwarz geteilt. Die im Vergleich zu den anderen heraldischen Fenstern relativ späten Scheiben sind in der Form relativ schmucklos, in der Schildform brachial eckig, aber in der Gestaltung der Flächen mit damaszierenden Mustern sehr fein gearbeitet.

Die dritte Wappenscheibe des Turmkompartimentes schließlich zeigt das Wappen der Löffelholz v. Kolberg. Der Schild ist geviert, Feld 1 und 4: in Rot ein silbernes, schreitendes Schaf (Lamm), hier nach links gewendet (Stammwappen Löffelholz), Feld 2 und 3: in Silber ein blauer Schrägrechtsbalken, belegt mit drei silbernen, nach der Figur gelegten, spitzen Hüten mit Aufschlag (Judenhüten, Wappen der ausgestorbenen bayrischen Ritter Judmann von Affecking). Die Helmzier auf dem Helm mit hier rechts blau-silbernen und links rot-silbernen Decken (wird auch genau umgekehrt beschrieben) ist eine Kombination, ein blauer hoher Hut (Judenhut), silbern gestulpt, oben aus der goldenen Hutkrone ein Federbusch aus fünf Federn in den Farben blau-silbern-blau-silbern-blau hervorkommend (Kleinod der Judmann von Affecking), der Hut zwischen einem offenen roten Flug, jeweils mit silbernen gestürzten Lindenblättern bestreut und mit dem silbernen, einwärts schreitenden Lamm belegt (Stammkleinod der v. Löffelholz). Das Rot in den Feldern 1 und 4 sowie auf dem Flug ist hier ziemlich verblichen, nur in den Helmdecken gut erhalten.

Literatur, Links und Quellen:
Veröffentlichung der Innenaufnahmen aus St. Sebald mit freundlicher Erlaubnis von Herrn Pfarrer Dr. Axel Töllner und Herrn Pfarrer Gerhard Schorr vom 12.7.2010, wofür ihnen an dieser Stelle ganz herzlich gedankt sei.
Hartmut Scholz, St. Sebald in Nürnberg, Meisterwerke der Glasmalerei, Band 3, Verlag Schnell Steiner GmbH Regensburg 2007, ISBN 978-3-7954-1846-5
St. Sebald: http://www.sebalduskirche.de/
3D-Panorama St. Sebald:
http://www.sebalduskirche.de/fileadmin/Bildmaterial/Atuelles/Sebalduskirche_02c.mov
Siebmachers Wappenbücher, insbesondere der Band Bayern
Eugen Schöler, Historische Familienwappen in Franken, Verlag Degener / Bauer Raspe, Neustadt an der Aisch, 3. Aufl. 1999, Nachdruck 2002, ISBN 3-87947-112-6

Peter Fleischmann, Rat und Patriziat in Nürnberg. Nürnberger Forschungen, Einzelarbeiten zur Nürnberger Geschichte, herausgegeben vom Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg. Bände 31/1, 31/2, 21/3 (Stammbäume) und 31/4. VDS Verlagsdruckerei Schmidt, Neustadt an der Aisch. ISBN 978-3-87191-333-4.

St. Sebald: Rundscheiben im Muffel-Fenster - St. Sebald: Rundscheiben in den südlichen Fenstern - St. Sebald: Eisvogel-Fürer-Fenster - St. Sebald: Kaiser-Fenster - St. Sebald: Bamberger Fenster - St. Sebald: Haller-Fenster im Chor - St. Sebald: Haller-Fenster im Langhaus - St. Sebald: Markgrafen-Fenster - St. Sebald: Holzschuher-Fenster - St. Sebald: Behaim-Fenster - St. Sebald: Behaim-Stammbaum - St. Sebald: Grabner-/Paumgärtner-Fenster - St. Sebald: Stromer-Fenster - St. Sebald: Volckamer-Fenster - St. Sebald: Konsol-Wappen - St. Sebald: Totenschilde - St. Sebald: Pömer-Fenster - St. Sebald: Wappenscheiben in der Südturmhalle - St. Sebald: einzelne Wappenscheiben - St. Sebald: Schürstab-Fenster - St. Sebald: Grundherr-Fenster - St. Sebald: Pfinzing-Fenster

Ortsregister - Namensregister
Zurück zur Übersicht Heraldik

Home

© Copyright / Urheberrecht Graphik und Photos: Bernhard Peter 2010
© Copyright / Urheberrecht Text: Bernhard Peter, Gernot Ramsauer, Alex Hoffmann 2010
Impressum