Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 651
Wappen an Bauten der Weser-Renaissance

Stadthagen: Das Schloß der Schauenburger (1)
Westflügel, Hofseite

Das Schloß von Stadthagen ist eine rechteckige Vierflügelanlage, deren Nord- und Westflügel jeweils etwas verkürzt sind, wodurch das Rechteck an dieser Stelle nach Nordwesten geöffnet ist. Kurz vor dieser Öffnung befindet sich im Westtrakt das Torhaus, auf das wir in der folgenden Abbildung von innen blicken. Linkerhand vom Durchgang ist das hier beschriebene Wappen über der kleinen grünen Tür eingemauert, aus zwei separaten Steinen bestehend, einer für den Schild, einer für das Oberwappen.

Stammwappen der Herren von Schauenburg, Grafen von Holstein und Schauenburg: Das Nesselblatt
Die Herren von Schauenburg führten ein silbernes Nesselblatt in Rot. Das Nesselblatt ist ein besonderes und charakteristisches Motiv und bezeichnet ursprünglich einen dreieckig geformten Schildinhalt mit gezacktem Rand und rhombenartig ausgezogenen Ecken. Die Anzahl der Zacken ist nicht festgelegt, gewöhnlich wird es mit 3-4 Zacken an den Dreiecksseiten dargestellt. Varianten sind möglich, insbesondere die Ecken können nagelartig zur Herzstelle ausgezogen werden.

Als Deutung gilt das stilisierte Blatt der Brennessel. Viel wahrscheinlicher ist jedoch, daß das Nesselblatt eine volkstümliche Benennung dieser Figur ist, was aufgrund der Wehrhaftigkeit durch die Brennhaare nachvollziehbar ist, die Figur aber eigentlich von einer vorheraldischen, auf der hölzernen Schildfläche angebrachten metallenen oder ledernen Schildverstärkung oder umlaufenden gezackten Schildeinfassung abgeleitet ist, die im nachhinein heraldische Bedeutung erlangte.

Dazu paßt, daß das Nesselblatt von vielen Heraldikern nicht als gemeine Figur, die es in seiner Eigenschaft als Teil einer Pflanze wäre, sondern aufgrund seiner klaren Form, seines hohen Abstraktionsgrades und seiner bordartigen Restfläche als Heroldsbild angesehen wird.

Die Interpretation der Figur als zackiger Schildrand wird ferner durch die Beobachtung erhärtet, daß sich in 2 geistlichen Siegeln des Geschlechts derer von Schaumburg Siegelfelder mit zackigem Rand nachweisen lassen.

Ein besonderes Nesselblatt
Das Stadthagener Schloß besitzt am Westflügel hofseitig über dem Torweg ein Wappen der Schaumburger in seiner noch nicht vermehrten Form, allerdings in einer sehr interessanten Variante: Die drei Eckzipfel sind nicht rhombisch, sondern wie ein Blatt geformt und selbst mit einem handförmig gelappten Blatt belegt, und in der Mitte der Schildfigur befinden sich drei im Dreipaß angeordnete gewundene Blätter mit unregelmäßig gebuchtetem Rand.

Ein ganz ähnliches Wappen ist im Siebmacher / Souveräne skizziert für die Kirche in Jetenburg, ebenfalls mit den aufgelegten natürlichen Blättern, sowohl in den drei Ecken als auch in der Schildmitte. Es kann spekuliert werden, ob durch diese natürlichen Blätter der Begriff des "Nesselblattes" zusätzlich versinnbildlicht werden sollte.

Eine Helmzier, wie sie Herold Gelre besang
Das Stammkleinod zeigt die beiden charakteristischen Elemente Fähnchen und Pfauenwedel, aber noch in einer frühen Form. Bei dieser Darstellung der Pfauenwedel handelt es sich um eine Art um den Helm gelegten Ring (Rondell oder "Rondeel" in einem Wappenlied des niederländischen Herolds Gelre), der vorne und hinten in einen Teilstab ausläuft, der außen mit einem Pfauenstoß besteckt ist. Man sieht gut, daß das "Rondeel" wie eine Rohrschelle um den Helm herumläuft, denn hinten ist noch ein Teil des Schuppenmusters des Helmes über diesem "Rondeel" zu erkennen.

Erst in späteren Darstellungen erlangt die Helmzier die Form, in der sie dann konstant beibehalten wurde, und die beiden Pfauenwedel standen beide schräg nach oben: Zwei goldgestielte Pfauenwedel (Schleswig) und dazwischen ein Stoß von goldenen Lanzen mit Fähnchen, die das Nesselblatt zeigen (Holstein-Schauenburg), Helmdecken rot-silbern.

Interessant ist auch die Form der Nesselblätter der Standarten: Sie sind nicht länger dreieckig wie im Schildbild, sondern folgen der rechteckigen Form des Fahnentuchs, an den Schmalseiten mit sehr schlanken Spitzen, an den Längsseiten mit sehr in Breite gezogenen Spitzen. Die Tatsache, daß man hier der Rechteckform folgt, belegt einmal mehr die Ableitung des Motivs von einer Randgestaltung.

Literatur:
Siebmachers Wappenbücher (Fürsten, Souveräne)
Hugo Gerard Ströhl, Deutsche Wappenrolle, Reprint von 1897, Komet Verlag Köln, ISBN 3-89836-545-X
Gerhard Köbler, Historisches Lexikon der deutschen Länder, die deutschen Territorien vom Mittelalter bis zur Gegenwart, CH Beck Verlag München, 6. Auflage 1999, ISBN 978-3-406-54986-1
http://www.geschichte-s-h.de/vonabisz/schauenburger.htm
http://genealogy.euweb.cz/pan/holstein.html, http://genealogy.euweb.cz/holstein/holstein2.html, http://genealogy.euweb.cz/holstein/holstein1.html
http://de.wikipedia.org/wiki/Holstein-Pinneberg

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Die Entwicklung des Wappens der Grafen von Schauenburg in Westfalen

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