Bernhard
Peter
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Photos schöner alter Wappen Nr. 3099
Passau (Niederbayern)
Amtsgericht Passau (ehem. fürstbischöfliche Wagenremise)
In der Heiliggeiststraße 11 befindet sich das Amtsgericht, bzw. ein Teil davon. Man befindet sich hier auf der Südseite einer Parzelle, die bis zur Theresienstraße reicht, wo sich die Justizvollzugsanstalt befindet. Beide bilden heute funktional und räumlich eine Einheit, und zwischen beiden steht im Hof ein Zellentrakt aus dem 19. Jh. Zu fürstbischöflichen Zeiten wurde das große, drei ehemalige Hofstätten breite Gelände freilich ganz anders genutzt: Alles zusammen bildete den fürstbischöflichen Reitstall, an der Nordseite lag der Marstall (Hofstallbau), an der Südseite die traufständige Wagenremise, zur Bauzeit 1692 "Hochfürstliche Wagenburg" genannt. Dieser Bau ist im Gegensatz zum nördlichen Bau nur zweistöckig und hatte früher Flügelbauten nach hinten, die bis zum Marstall reichten und einen Hof umschlossen. Diese schlichte, aber doch edle und repräsentative Remise bildet entstehungsgeschichtlich und logistisch eine Einheit mit dem Marstall auf der Nordseite und hing mit dem gestiegenen Bedarf des Bauherrn an guten und vor allem repräsentativen Kutschen zusammen, der sich durch seine politischen Pflichten als kaiserlicher Prinzipalkommissar am Immerwährenden Reichstag zu Regensburg ergaben.
Mit der Säkularisation fiel die Remise 1803 an den bayerischen Staat. 1814-1872 diente das Gebäude als Lager (Magazin) für das königliche Salzamt. 1873 kaufte die Löwenbrauerei Franz Stockbauer das Gebäude und nutzte es als Lagerhalle. Rechts der Einfahrt wurde 1887 eine Schlachterei eingebaut. 1926 baute man noch eine Limonadenfabrik ein. 1936 kaufte die BayWa AG das Gebäude, das sie schon zuvor angemietet hatte. Sie nutzte es als Lagerhaus und Verkaufshalle. Jede dieser Nutzungen führte zu mehr oder weniger substantiellen Umbauten. Ein weiterer Umbau schuf 1979 einen Durchbruch für eine Durchfahrt in den Innenhof. Der Freistaat Bayern kaufte das Gebäude 1987 an zur räumlichen Erweiterung des Amtsgerichts, dazu fanden 1989-1991 umfangreiche Umbau- und vor allem Rückbaumaßnahmen statt, um dem Gebäude wieder sein historisches Gesicht mit 11 regelmäßigen Fensterachsen zu geben, wenigstens außen. Eine der wesentlichsten Maßnahmen war, alle Zwischenstützen zu entfernen, die seit dem Umbau zum Salzlager die historische Gewölbedecke durchbrachen. Der Dachstuhl ist immer noch bauzeitlich.
Das Wappen ist das des Passauer Fürstbischofs Johann Philipp Graf von Lamberg (25.5.1652-20.10.1712). Er wurde Kanoniker in Passau am 27.3.1663, 1675 wurde er auch Domherr in Salzburg, dazu war er seit 1668 Domherr in Olmütz. Er studierte in Wien, Steyr und Passau die Fächer Rechts- und Staatswissenschaften sowie Philosophie. In Siena wurde er zum Dr. iur. utr. promoviert. Er war neben seiner Kleriker-Laufbahn auch noch Politiker, kaiserlicher Gesandter in Düsseldorf, Dresden, Berlin und beim immerwährenden Reichstag in Regensburg und Diplomat und 1676 kaiserlicher Hofrat. Im Jahre 1689 wurde er Fürstbischof von Passau (Wahl am 24.5.1689, päpstliche Bestätigung am 11.1.1690, Bischofsweihe am 14.5.1690). 1697 war er kaiserlicher Gesandter in Warschau, wo er die Königswahl in Polen zugunsten von August dem Starken zu beeinflussen suchte. 1699 wurde er kaiserlicher Prinzipalkommissar, also Vertreter des Kaisers auf Reichstagen und sonstigen Versammlungen des Heiligen Römischen Reiches. 1700 wurde er zum Kardinal mit der Titularkirche San Silvestro in Capite ernannt. Als solcher war er bei der Wahl von Papst Clemens XI. beim Konklave 1700 dabei. Er starb in Regensburg.
Das obendrüber auf einem Schriftband auf das Jahr 1692 datierte Wappen ist geviert mit zwei nebeneinander stehenden und gemeinsam von einer silbernen, golden verzierten Mitra gekrönten Herzschilden, Feld 1 und 4: gespalten, rechts dreimal silbern-blau geteilt, links ledig und rot (Stammwappen Lamberg), Feld 2 und 3: in Gold eine schwarze Bracke mit goldenem Halsband (erloschene von Podwein), rechter Herzschild: in Silber ein linksgewendeter roter Wolf (Hochstift Passau), linker Herzschild: in Rot zwei silberne, aufspringende, einander zugewandte Windspiele, mit goldenen Halsbändern, die zwischen sich eine aufrechte silberne Leiter mit vier Stufen halten (della Scala, von der Leiter). Nur die ledigen roten Plätze sind damasziert. Das kartuschenförmig eingefaßte und oben mit einer Krone bedeckte Wappen wird ohne Oberwappen, aber mit Krummstab schrägrechts, gestürztem Schwert schräglinks und Vortragekreuz aufrecht hinter dem Schild geführt. Zum Zeitpunkt der Anbringung war der Fürstbischof noch nicht Kardinal. Ein weiteres Wappen dieses Fürstbischofs befindet sich im Inneren des Gebäudes in einer stuckierten Mittelkartusche des Erdgeschoßgewölbes, innerhalb eines Blätterkranzes (ohne Abb.).
Literatur,
Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@48.5731899,13.460325,20z?entry=ttu - https://www.google.de/maps/@48.5731899,13.460325,83m/data=!3m1!1e3?entry=ttu
Peter Morsbach, Irmhild Heckmann, Christian Later, Jörg-Peter
Niemeier: Kreisfreie Stadt Passau, Bd. 1 und Bd. 2, hrsg. vom
Bayerischen Amt für Denkmalpflege München, Denkmaltopographie
Bundesrepublik Deutschland, Denkmäler in Bayern, Bd. II. 25,
Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2014, ISBN 978-3-7917-2552-9,
S. 113-114
Johann Philipp von Lamberg auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Philipp_von_Lamberg_(Bischof)
Johann Philipp von Lamberg auf Catholic Hierarchy: https://www.catholic-hierarchy.org/bishop/blamber.html
Constantin von Wurzbach: Johann Philipp Graf von Lamberg, in:
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich, 14. Theil,
Kaiserlich-königliche Hof- und Staatsdruckerei, Wien 1865, S. 31
f. https://de.wikisource.org/wiki/BLK%C3%96:Lamberg,_Johann_Philipp_Graf - http://www.literature.at/viewer.alo?objid=11636&page=35&scale=3.33&viewmode=fullscreen
Familie der Grafen von Lamberg: https://de.wikipedia.org/wiki/Lamberg_(Adelsgeschlecht)
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Die Wappen der Fürstbischöfe und Bischöfe von Passau
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