Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 3098
Passau (Niederbayern)

Justizvollzugsanstalt Passau (ehem. fürstbischöflicher Hofstallbau)

Zwischen der Theresienstraße im Norden und der Heiliggeiststraße im Süden liegt der Justizkomplex, mit dem Amtsgericht auf der Südseite und der Justizvollzugsanstalt auf der Nordseite (Theresienstraße 18). Das traufständige, siebenachsige Gebäude hatte ursprünglich eine ganz andere Bestimmung: Fürstbischof Johann Philipp Graf von Lamberg hatte hier in der Reitergasse seinen Marstall, zunächst eine Hofstätte breit. Er kaufte nach dem Stadtbrand zwei benachbarte Grundstücke hinzu, so daß er für seinen Marstall jetzt drei Hofstätten nebeneinander zur Verfügung hatte, und er entschloß sich zum Neubau, der 1692 ausgeführt wurde. Eine prunkvollere Unterbringung von Pferden und Kutschen entsprach barockem Repräsentationsbedürfnis. Es entsprach auch den Pflichten des Bauherrn, der nicht nur Fürstbischof, sondern auch kaiserlicher Prinzipalkommissar am Immerwährenden Reichstag zu Regensburg war und daher stets einsatzbereite und vor allem vorzeigbare Pferde und Wagen auf fürstlichem Niveau benötigte. Das hohe, zwei "normale" Geschoßhöhen messende Erdgeschoß des dreigeschossigen Gebäudes besteht aus Bänderrustika. Der Fries darüber wird von zwei durchgehenden Profilgesimsen eingefaßt und unterstreicht die Monumentalität des Baus. Die Fassade ist streng symmetrisch angelegt mit dem korbbogigen Portal in der Mitte, und genau darüber ist die hier gezeigte Wappenkartusche angebracht. Die beiden Obergeschosse besitzen Doppelfenster, zu Dreiergruppen beiderseits der Mittelachse angeordnet.

1803 ging das Gebäude mit der Säkularisation in Staatsbesitz über. Zunächst zog hier eine Gendarmeriestation ein, dann wurde das Gebäude 1856-1859 zum Gefängnis umgebaut, wobei hofseitig ein weiterer, dreigeschossiger Zellentrakt mit zwei Ecktürmen angebaut wurde, senkrecht zur Ausrichtung des historischen Vorderhauses. Seit 1861 hieß die ehemalige königlich-bayerische Fronfeste nun Landgerichtsgefängnis, was bis 1977 bestand, und seit 1978 ist es eine Außenstelle der JVA Straubing und bietet Platz für 53 Gefangene, hauptsächlich Untersuchungshäftlinge, Erstinhaftierte und solche mit kurzen Haftstrafen. Durch den Umbau haben sich jenseits der Durchfahrt innen keine historischen Details erhalten, lediglich im nordwestlichen Hof gibt es noch ein paar Korbbögen, die zu ehemaligen Pferdeställen führen (unzugänglich). Passau baut derzeit eine neue JVA mit 450 Plätzen an der Königschaldinger Straße, aufgeteilt in 250-350 Haftplätze für den Justizvollzug und 100-200 für Abschiebehaft, also mit 100 flexibel der einen oder der anderen Sorte zugeteilten Plätzen.

Das Wappen gehört zum Passauer Fürstbischof Johann Philipp Graf von Lamberg (25.5.1652-20.10.1712). Seine Eltern waren Johann Maximilian Graf von Lamberg Freiherr zu Ortenegg (Orteneck, heute Ortnek in Slowenien) und Ottenstein (28.11.1608-12.12.1682), Erblandstallmeister in Krain, und Juditha Rebecca Eleonora Gräfin von Wrbna und Freudenthal (-16.3.1690). Die Großeltern väterlicherseits waren Georg Sigismund Freiherr von Lamberg-Amerang (1568-1631) und Johanna della Scala (2.5.1574-17.8.1644), seine Urgroßeltern väterlicherseits waren Sigismund von Lamberg-Ortenegg-Ottenstein (28.4.1536-1619) und Siguna Eleonora Fugger von Kirchberg und zu Weißenhorn (12.7.1541-21.2.1576). 

 

Das oben auf einem Schriftband kaum leserlich auf das Jahr 1692 datierte Wappen ist geviert mit zwei nebeneinander stehenden und gemeinsam von einer silbernen, golden verzierten Mitra gekrönten Herzschilden, Feld 1 und 4: gespalten, rechts dreimal silbern-blau geteilt, links ledig und rot (Stammwappen Lamberg), Feld 2 und 3: in Gold eine schwarze Bracke mit goldenem Halsband (erloschene von Podwein), rechter Herzschild: in Silber ein linksgewendeter roter Wolf (Hochstift Passau), linker Herzschild: in Rot zwei silberne, aufspringende, einander zugewandte Windspiele, mit goldenen Halsbändern, die zwischen sich eine aufrechte silberne Leiter mit vier Stufen halten (della Scala, von der Leiter). Sämtliche Felder des Hauptschildes weisen Damaszierungen auf. Der Schild wird von einer reich verzierten Kartusche mit nach hinten gerollten Rändern, Schneckenornamenten und Akanthusblattmotiven eingerahmt und bildet an seiner unteren Spitze eine groteske Fratze auf dem dort nach hinten eingerollten Rand. Das oben von einer Krone bedeckte Wappen wird ohne Oberwappen, aber mit Krummstab schrägrechts, gestürztem Schwert schräglinks und Vortragekreuz aufrecht hinter dem Schild geführt. Zum Zeitpunkt der Anbringung war der Fürstbischof noch nicht Kardinal.

Es ist der am häufigsten mit Wappen in Passau vertretene Fürstbischof, denn wir finden sein Wappen weiterhin an der Veste Oberhaus außen über dem Ravelintor, datiert auf 1703, dann hier ganz in der Nähe in der Theresienstraße 14, dem ehemaligen Hofpfennigamt, datiert auf 1710, sowie am Amtsgericht in der Heiliggeistgasse 11, datiert auf 1692. Ganz besonders viele Wappen dieses Fürstbischofs gibt es innen im Dom, am Pauli-Bekehrungsaltar (nördliches Seitenschiff, 5. Joch), am Johannes-Enthauptungsaltar (südliches Seitenschiff, 5. Joch), am Martinsaltar (nördliches Seitenschiff, 4. Joch), am Katharinenaltar (südliches Seitenschiff, 4. Joch), am Christi-Geburts-Altar (nördliches Seitenschiff, 2. Joch), am Dreikönigs-Altar (südliches Seitenschiff, 2. Joch), am Sebastiansaltar (nördliches Seitenschiff, 1. Joch), am Agnes-Altar (südliches Seitenschiff, 1. Joch) und über dem Seitenportal im südlichen Seitenschiff, 3. Joch, weiterhin am Hauptorgelprospekt über der Mittelempore, an der 1684-1688 von Leopold Freund fertiggestellten Orgel, genau zwischen den vier Pfeifengruppen in der Mitte. In Passau war dieser Fürstbischof ein großer Bauherr, denn unter ihm wurde der Dom St. Stephan neu ausgestattet und um die Lamberg-Kapelle erweitert, die zu seiner Begräbnisstätte wurde, außerdem wurde der Bau der Neuen Bischöflichen Residenz begonnen. Auch die beim Stadtbrand zerstörte fürstbischöfliche Bibliothek wurde unter ihm neu errichtet.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@48.5736541,13.4607509,21z?entry=ttu - https://www.google.de/maps/@48.5736541,13.4607509,42m/data=!3m1!1e3?entry=ttu
Peter Morsbach, Irmhild Heckmann, Christian Later, Jörg-Peter Niemeier: Kreisfreie Stadt Passau, Bd. 1 und Bd. 2, hrsg. vom Bayerischen Amt für Denkmalpflege München, Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Denkmäler in Bayern, Bd. II. 25, Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2014, ISBN 978-3-7917-2552-9, S. 299-299
JVA Passau auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Justizvollzugsanstalt_Passau
Webseite der JVA Passau:
https://www.justiz.bayern.de/justizvollzug/anstalten/jva-passau/
Johann Philipp von Lamberg auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Philipp_von_Lamberg_(Bischof)
Johann Philipp von Lamberg auf Catholic Hierarchy:
https://www.catholic-hierarchy.org/bishop/blamber.html
Constantin von Wurzbach: Johann Philipp Graf von Lamberg, in: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich, 14. Theil, Kaiserlich-königliche Hof- und Staatsdruckerei, Wien 1865, S. 31 f.
https://de.wikisource.org/wiki/BLK%C3%96:Lamberg,_Johann_Philipp_Graf - http://www.literature.at/viewer.alo?objid=11636&page=35&scale=3.33&viewmode=fullscreen
Familie der Grafen von Lamberg:
https://de.wikipedia.org/wiki/Lamberg_(Adelsgeschlecht)

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