Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 2173
Bad Kissingen (Landkreis Bad Kissingen, Unterfranken)
Das Alte Rathaus von Bad Kissingen
Am östlichen Ende des langrechteckigen Marktplatzes von Bad Kissingen steht frei das historische Alte Rathaus (Marktplatz 12). Es handelt sich um einen dreigeschossigen Massivbau mit Arkaden im Erdgeschoß auf der Westseite, die früher offene Lauben für den Markthandel waren und heute verglast sind. Die beiden oberen Geschosse, wo der Tuchboden war und wo die Ratsherren schalteten und walteten, haben jeweils drei Zwillingsfenster auf der Schauseite. Ganz oben war früher noch ein Kornspeicher eingerichtet. Im Kern stammt das Gebäude aus dem Jahr 1577 (Datierung an der Fassade). Im Jahre 1729 fand ein erster Umbau statt, dabei wurden auch die beiden äußeren Arkaden im unteren Teil zugemauert. Bei diesem Umbau wurde auch die mittlere Arkade barockisiert. Die Walmdachkonstruktion mit dem Glockenturm über dem flachen Dreiecksgiebel ist jedoch noch später entstanden, bauzeitlich schloß ein Volutengiebel die Westfront ab, wie er stilistisch wesentlich besser zur Fassade paßt als die heutige Lösung. Der klassizistische Dreiecksgiebel mit Uhr, der sich über der Renaissancefassade erhebt, ist auf der Stadtdarstellung von Balthasar Neumann aus dem Jahre 1750 jedenfalls noch nicht zu sehen. Die zweite Umgestaltung fand 1825 statt. Beinahe wäre es nicht dazu gekommen, denn nachdem Kissingen zu Bayern gekommen war und das Alte Rathaus deutliche Verfallserscheinungen zeigte, wurde die Stadt 1822 angewiesen, das Gebäude abzureißen. Zum Glück scheiterte das Vorhaben am Widerstand der Kissinger Bürger, und so kam es 1825 statt dessen zur Renovierung. Der Bau hat eine wechselvolle Geschichte, nach seinem Dasein als Rathaus war es 1825 ff. Wachlokal, ab 1833 Schule, ab 1865 Stadtverwaltung, nach einer erneuten Sanierung 1878-1900 Post- und Telegraphenstation, bevor es erneut Rathaus wurde. Dann zog das Rathaus 1929 in den Heußleinschen Hof, und hier hielten die Touristikinformation, Ausstellungen und Bürgerservice Einzug. 1986-1991 fand erneut eine umfangreiche Renovierung statt.
Den zwei genannten Bauphasen entspricht der heraldische Schmuck der Fassade. Unter dem mittleren Fenster der zweiten Etage befindet sich ein dreiteiliger Wappenstein aus der Bauzeit im Stil der Renaissance, und im auf zwei rustizierten Pilastern ruhenden, gesprengten Segmentbogengiebel mit weit auseinander liegenden Bogensegmenten befindet sich ein Wappenstein aus der Zeit der Barockisierung.
Der dreiteilige Wappenstein trägt in der Mitte das Wappen des Landesherrn zur Zeit der Erbauung, des Würzburger Fürstbischofs Julius Echter von Mespelbrunn (reg. 1573-1617). Sein Wappen ist geviert: Feld 1: "Fränkischer Rechen" = von Rot und Silber mit drei aufsteigenden Spitzen geteilt, Herzogtum zu Franken, Feld 2 und 3: in Blau ein silberner Schrägbalken, belegt mit drei blauen Ringen, Stammwappen der Echter von Mespelbrunn, Feld 4: "Rennfähnlein" = in Blau eine rot-silbern gevierte, an den beiden senkrechten Seiten je zweimal eingekerbte, schräggestellte Standarte mit goldenem Schaft, Hochstift Würzburg.
Als einziges der drei Wappen ist es als Vollwappen mit allen drei zugehörigen Helmen dargestellt: Helm 1 (Mitte): ein Paar blauer Büffelhörner, jeweils belegt mit einem silbernen Schrägbalken, der wiederum mit drei blauen Ringen belegt ist, Helmdecken sind hier nicht abgesetzt, sollten aber blau-silbern sein, Stammkleinod der Echter von Mespelbrunn, Helm 2 (rechts): ein Paar Büffelhörner, jeweils im Spitzenschnitt rot-silbern geteilt, Helmdecken rot-silbern, Herzogtum zu Franken, Helm 3 (links): auf einem roten, silbern aufgeschlagenen Fürstenhut drei Straußenfedern in den Farben Silber, Rot und Blau zwischen zwei rot-silbern gevierten Standarten mit goldenem Schaft, Helmdecken rot-silbern, Hochstift Würzburg. Bad Kissingen, einst ein Besitz der Grafen von Henneberg, kam 1394 an das Hochstift Würzburg und verblieb dort bis zur Säkularisation, von einigen Verpfändungen mal abgesehen.
Optisch links befindet sich unter der Inschrift "Anno domini 1577 maß die zall da dyß haus von Gründt gebauet wardt (AD 1577 maß die Jahreszahl, als dieses Haus von Grund auf neu gebaut wurde)" das Stadtwappen von Bad Kissingen, in Silber eine rote Torburg mit drei gezinnten Türmen und Tor mit Fallgatter, der mittlere Turm blau behelmt und mit einem hier silbernen, korrekterweise in der heutigen Fassung aber von Schwarz und Silber geteilten Schild belegt, darin eine abgeschnittene Greifenklaue, hier schwarz, korrekterweise jedoch in verwechselten Farben. Neben der typischen Symbolik eines Stadtwappens, das stolz das Recht zum Mauerbau und zur Bewehrung darstellt, tritt hier ein Familienwappen in Erscheinung, wenn auch aktuell in unzutreffender Tingierung, das der Truchseß von Henneberg bzw. von der Kere, wobei aber die Farben nicht exakt übernommen wurden, denn diese führten den Schild von Silber und Schwarz geteilt, belegt mit einem Vogelbein in verwechselten Farben - also die Farben genau anders herum, wie ein Schlußstein im Würzburger Domkreuzgang belegt (ebenso Rahrbach, Siebmacher, Ingeram-Codex). Beide Familien trennten sich im 13. Jh. voneinander und liefen seither unter verschiedenem Namen weiter, aufgrund gemeinsamer Wurzeln führen sie dennoch ein identisches Wappen. Der eine Familienzweig nannte sich nach einem Hofamt, welches seine Mitglieder bei den Grafen von Henneberg innehatten. Ihre Mitglieder waren zudem sehr eng mit dem Hochstift Würzburg verbunden, hatten deren Lehen und stellten Domherren, Dienstleute und Amtmänner. Die beiden Familien sind oft schwer auseinanderzuhalten, insbesondere weil sich der Bereich ihres Vorkommens überlappte.
Was macht nun das Wappen der Truchseß von Henneberg bzw. von der Kere im Kissinger Stadtwappen? Sie hatten nichts mit Bad Kissingen zu tun, die Stadt gehörte vor den Würzburger Fürstbischöfen den Grafen von Henneberg, die genealogisch eine ganz andere Familie waren. Ein voreiliger Irrtum war die Wurzel der Gestaltung. Das alte Wappen der Stadt Kissingen war ein gemindertes Wappen der Grafen von Henneberg bei gleichen Farben, also goldenes Feld, schwarze Figur, und statt der Henne hatte man nur einen Fuß der Henne. Die Burg war nur Beiwerk rings um das Wappen. Und dann kam das Jahr 1573, Wahljahr in Würzburg - der alte Fürstbischof ist tot, es lebe der neue Fürstbischof! Der Dompropst Richard von der Kere, dessen Wappen wir mehrfach im Würzburger Dom sehen können, war ein heißer Favorit für das Amt, und der Lehensschreiber Johann Schetzler wartete nicht lange ab, bis die Wahl vorbei war, sondern er setzte seine Erwartungen gänzlich auf die Wahl des Dompropstes und plazierte einfach das von der Kere-Wappen als Stadtwappen auf die Torburg und schuf so Tatsachen. Doch es kam anders, als er gewettet hatte, und Julius Echter von Mespelbrunn wurde gewählt. Gut für das Hochstift, schlecht für den voreiligen Schreiberling, doch da hatte sich das neue Kissinger Wappen schon in der Literatur etabliert, falsche Familie, mitsamt falscher Farbreihenfolge. Kissingen kehrte zwar zum alten Wappen zurück, doch das nahm keiner mehr so richtig zur Kenntnis, und im 19. Jh. wurde auch die Torburg in den Schild aufgenommen, die bisher nur Beiwerk war, und so verfestigte sich endgültig 1937 das falsche Wappen, als es erneut bestätigt wurde. Weder die Truchseß von Henneberg noch die von der Kere hatten jemals Besitz in Bad Kissingen oder ein Amt in dieser Stadt inne. Wenn, dann müßte das damalige Stadtwappen einen schwarzen, abgehauenen Hennenfuß in goldenem Feld zeigen, und so müßte dieser Stein eigentlich angestrichen werden. Doch die Geschichte hat den historischen Fehler etabliert, und somit führt die Stadt ihn noch heute. Was wir hier an diesem Stein als Farbgebung sehen, ist sozusagen zweimal falsch, ein falsch gestrichener Fehler.
Optisch rechts befindet sich unter einer Inschrift, die den Herrn von Münster als Pfandherr von Bad Kissingen nennt ("Herr Veldin von Münster War Ritter und Pfandherr EP(i)S(copi)"), ein noch einmal namentlich "Val(en)tin vo(n) Münster" zugeordnetes Wappen der Familie, in Blau ein rot-silbern übereck geteilter Adlerflug. Nicht dargestellt ist das Oberwappen, das wäre auf dem Helm mit rot-silbernen Decken ein rot-silbern übereck geteilter Adlerflug. Mitglieder der Familie waren Amtmänner des Hochstifts Würzburg. So wird 1525-1528 Engelhard von Münster jun. Verwalter des Amtes Bodenlaube (Burg Botenlauben) bei Kissingen. 1544 wurde der zum Burggut gehörige Freihof in Unterbodenlauben an Valentin von Münster verlehnt. Nach 1553 wurde das Amt Ebenhausen-Bodenlaube mit der mittlerweile zerstörten Burg Botenlauben vom Würzburger Fürstbischof an Engelhards Sohn und Nachfolger, Lorenz von Münster, für 13900 fl. verpfändet. Der genannte Valentin von Münster war der Sohn von Engelhard von Münster zu Niederwerrn, hochfürstlich-würzburgischer Amtmann zu Ebenhausen, und Dorothea von Giech, Tochter von Onophrius von Giech und Apollonia von Rotenhan-Rentweinsdorf. Valentin von Münster war Ritter und ebenfalls hochfürstlich-würzburgischer Rat, Marschall und Amtmann zu Arnstein, er wurde Stifter der wieder erloschenen Seitenlinie zu Niederwerrn. Er wurde Decus Nobilitatis Franconiae genannt, Zierde des fränkischen Adels, und er verstarb am 21.2.1582 im Alter von 72 Jahren; er ist in der Pfarrkirche von Schweinfurt begraben. Valentin von Münster war dreimal vermählt, in erster Ehe 1539 Frau Magdalena von Seckendorff-Gutend, Tochter von Florian von Seckendorff zu Oberzenn, Ullstadt und Langenfeld und Margaretha Stein vom Altenstein, und in zweiter Ehe 1556 mit Amalia von Berlichingen, Tochter von Hans Wolf von Berlichingen zu Jagsthausen und Ursula Rüdt von Collenberg, und schließlich in dritter Ehe mit Margaretha von Eschwege, Tochter von Georg von Eschwege. Aus der zweiten Ehe stammen die Söhne Michael von Münster zu Niederwerrn (1558-1618) und Johann Ludwig von Münster zu Niederwerrn, hochfürstlich brandenburg-ansbachischer Rat und Amtmann in Kitzingen (1563-1607).
Der zweite Wappenstein stammt aus der Phase des barocken Umbaus des Rathauses und zeigt das Wappen des Würzburger Fürstbischofs Christoph Franz von Hutten (reg. 1724-1729). Sein Wappen in ovaler Kartusche ist geviert: Feld 1: "Fränkischer Rechen" = von Rot und Silber mit drei aufsteigenden Spitzen geteilt, Herzogtum zu Franken, Feld 2 und 3: in Rot zwei goldene Schrägbalken, Stammwappen der Hutten von Stolzenberg und Frankenberg, Feld 4: "Rennfähnlein" = in Blau eine rot-silbern (hier fälschlicherweise rot-golden) gevierte, schräglinksgestellte und an den beiden senkrechten Seiten je zweimal eingekerbte Standarte mit goldenem Schaft, Hochstift Würzburg.
Das Wappen wird mit hinter dem Schild schräggekreuztem Krummstab und gestürztem Schwert geführt, dazu drei Helme, Helm 1 (Mitte): ein wachsender bärtiger Männerrumpf, rot gekleidet, auf dem Kopf eine rote Mütze (hier ohne Details), Helmdecken rot-golden, Stammwappen der von Hutten, Helm 2 (rechts): ein Paar Büffelhörner, hier mit einem dicken Fehler, das rechte Horn korrekt im Spitzenschnitt rot-silbern geteilt, das linke jedoch dem Familienwappen der Echter von Mespelbrunn entlehnt, blau mit einem silbernen, mit drei blauen Ringen belegten Schrägbalken, was hier völlig unbegründet und deplaziert ist, das zweite Büffelhorn muß statt dessen wie das erste gestaltet sein, Helmdecken rot-silbern, Herzogtum zu Franken, Helm 3 (links): auf einem Fürstenhut (hier mit fälschlicherweise golden angestrichenem Hermelinstulp) drei Straußenfedern in den Farben Silber, Rot und Blau zwischen zwei rot-silbern (hier fälschlicherweise rot-golden) gevierten Standarten mit goldenem Schaft, Helmdecken rot-silbern, Hochstift Würzburg.
Literatur,
Links und Quellen:
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1999
Siebmachers Wappenbücher, Band Bistümer
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Diözesanbischöfe im
Heiligen Römischen Reich 1648-1803, hrsg. von Erwin Gatz, von
Clemens Brodkorb, Reinhard Heydenreuter und Heribert Staufer,
Schnell & Steiner Verlag 2007, ISBN 978-3-7954-1637-9
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Freunde
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Diözesangeschichtsverein. Würzburg, 1974. 192 Seiten.
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Anton P. Rahrbach, Reichsritter in Mainfranken. Zu Wappen und
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Verlag -
Die Siebmacherschen Wappenbücher, die Familienwappen deutscher
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271-272
Stadtwappen Bad Kissingen: Klemens Stadler: Deutsche Wappen, Bd.
4, Bremen 1965, S. 24
Andreas Pampuch: Stadt- und Landkreiswappen von Unterfranken,
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Werner Eberth: Die Kommunalwappen im Landkreis Bad Kissingen. Bad
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Eugen
Schöler, Fränkische
Wappen erzählen Geschichte und Geschichten. Verlag Degener
1992,
ISBN 3-7686-7012-0, S. 154
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Thomas Heiler: Wappen und Siegel der Stadt Bad Kissingen; in:
1200 Jahre Bad Kissingen. Bad Kissingen 2001, S. 48-49
Stadtwappen von Bad Kissingen: http://de.wikipedia.org/wiki/Bad_Kissingen#Wappen
Stadtwappen von Bad Kissingen: http://www.hdbg.eu/gemeinden/web/index.php/detail?rschl=9672114
Amt Bodenlauben und Burg Botenlauben: http://de.wikipedia.org/wiki/Burgruine_Botenlauben
Genealogie: Damian Hartard, Die Hoheit des Teutschen
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von Münster: Biedermann, Geschlechts-Register der Reichs-Frey
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Stadtwappen Bad Kissingen: http://www.badkissingen.de/de/stadt/rathaus/stadtwappen--fahne/3731.Wappenbeschreibung.html
Barbara Schock-Werner, Die Bauten im Fürstbistum
Würzburg unter
Julius Echter von Mespelbrunn, 536 S., Schnell & Steiner
Verlag 2005, ISBN-10: 379541623X, ISBN-13: 978-3795416232, S.
333.
Hans Leicht: Historische Rathäuser in Franken,
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S. 22 f.
Altes Rathaus: http://www.badkissingen.de/de/stadt/kultur/museen/ausstellungen/4833.Altes_Rathaus.html
Altes Rathaus: http://bad-kissingen.bayern-online.de/die-stadt/sehenswertes/baudenkmaeler/altes-rathaus/
Neues Rathaus (Heußleinscher Hof) - Amtsgericht (ehem. Rentamt) - Obere Saline - Kloster Hausen und Pfarrkirche im Stadtteil Hausen
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