Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 580
Friedberg (Wetterau)

Friedberg: St.-Georgs-Brunnen (1)

Es ist zwar nur ein winziger Teil der gesamten Burganlage von Friedberg, aber in diesem einen Brunnen kristallisiert sich die Geschichte derselben auf besondere Weise. Dieser Brunnen trägt in seiner Heraldik die Essenz der Burg, das Besondere der Anlage, ihre politische und geschichtliche Einzigartigkeit. Dieser Brunnen ist quasi steingewordene politische Struktur der Burgbesatzung. Denn die Burg war so etwas wie eine Adelsrepublik, die reichsunmittelbar war. Ein absolutes politisches Unikum.

Ein barocker Brunnen
Rein formal haben wir hier einen Brunnen aus der Barockzeit etwa im Zentrum der Burganlage, vor dem eigentlichen Burggrafenschloß lokalisiert. Der Grundriß des Beckens folgt einer C6-Symmetrie, insgesamt 12 Flächen schwingen abwechselnd nach außen und nach innen und schaffen so eine typisch bewegte und rhythmisierte barocke Umrißform. In der Mitte steht auf einem viereckigen Sockel die namensgebende Georgsfigur. Geschaffen hat den Brunnen aus rotem Buntsandstein der Baumeister Johann Philipp Wörrishofer, aus Bad Nauheim stammend, und das Jahr der Fertigstellung ergibt sich aus dem Chronogramm mit 1738. Besagte Georgsstatue für den Burgschutzheiligen hat der Mainzer Bildhauer Burkhard Zamel angefertigt.

Symbol eines politischen Unikums
Der Mittelsockel hat eine Inschriftenkartusche und drei Wappen. Der Beckenrand hat auf seinen 12 Feldern eine Inschriftenkartusche und 11 Wappen. Und genau das gibt die politische Struktur der Burgregierung wieder: Geleitet wird die Burg von einem Burggrafen, unterstützt von zwei Burgbaumeistern (Verwaltungsbeamten). Diese drei bilden den Kopf der Burgregierung, ihre Wappen sind am viereckigen Sockel zu finden. Ihnen unterstanden zehn sog. Regimentsburgmannen. Diese Burgmänner hatten ebenfalls ihre Ansitze auf dem Burggelände und bildeten den Rest der Burgregierung - ihre Wappen sind auf dem Beckenrand abgebildet. Das letzte, noch offene Feld wird vom Wappen der Burg selbst eingenommen, es ist das Gleiche wie am Burgtor.

Auch wenn die Burg vordergründig eine Reichsburg wie viele andere war, hat sie doch einen besonderen Status: Ursprünglich war sie unter Friedrich I Barbarossa entstanden, als Dienstmannen die Burghut zum Schutz der Wetterau übernahmen. Diese Familien errichteten innerhalb des Berings ihre Burgmannenhäuser. Der Burggraf wurde zuerst vom König ernannt. Aber ab 1310 wurde der Burggraf von den Burgmannen auf Lebenszeit gewählt, und das blieb bis zur Auflösung 1806 so. Keine Adelsfamilie dominierte, es kamen immer wieder andere mit dem Amt des Burggrafen dran. Die Burg Friedberg hatte als weitgehend selbständiges politisches Konstrukt Sitz und Stimme im Reichstag. Die größte Bedeutung hatte Burg Friedberg im 15. Jh. Damals erreichte auch die Anzahl der Burgmannen mit ca. 100 Personen ihren Höchststand. Danach wurde die militärische Bedeutung der Burg geringer. Im Laufe der Zeit kristallisierte sich eine Gruppe von Familien heraus, die nah verwandt und untereinander versippt waren, meist aus dem Niederadel der Umgebung stammten und die Herrschaftsaufgaben gemeinsam übernahmen, die sog. Adeligen Zwölfer, auch Regimentsburgmannen genannt. Der Hochadel hatte keinen Zutritt zur Burgmannengemeinschaft. Die gemeinschaftlich verteidigte Burg wandelte sich in einen von einer überschaubaren Anzahl von Adels-Familien aus dem Umland verwalteten "Staat", der reichsunmittelbar war. Zur Burg gehörte auch die Landesherrschaft über das Freigericht Kaichen mit 12 Ortschaften und ein paar Tausend Einwohnern, d. h. Burg Friedberg hatte damit auch ein eigenes Territorium.

Wappen 1: Riedesel von Eisenbach
Der Sockel trägt in der Mitte - also gegenüber der Inschriftenkartusche - das Wappen des damaligen Burggrafen Hermann Friedrich Freiherr Riedesel von Eisenbach. Das Wappen ist geviert mit Herzschild. Feld 1 und 4: In Gold ein schwarzer (natürlicher) Eselskopf mit einem dreiblättrigen Riedgras im Maule (Stammwappen), Feld 2 und 3: In Rot zwei gekreuzte goldene Lanzen (lt. Korrektur im Siebmacher). Herzschild: In Schwarz drei (2:1) silberne Türme (Alt-Eisenbach, vgl. Korrektur im Siebmacher). Helm 1: Ein offener schwarzer Flug, beiderseits mit einem goldenen Schildchen mit dem schwarzen Eselskopf belegt (Stammhelm), Decken schwarz-golden. Helm 2: Die Lanzen wie im Schild. Decken rot-golden (lt. Korrektur im Siebmacher).

Die Riedesel von Eisenbach sind hessischer Uradel und Erbmarschälle. Sie waren auch im Großherzogtum Sachsen-Weimar ansässig. Reichsfreiherren wurden sie durch Kaiser Leopold I am 22.10. 1680. Es wäre zu diskutieren, ob bei den beiden Lanzen ein Zusammenhang oder eine beabsichtigte oder mißgedeutete Ähnlichkeit zu den gekreuzten Kurschwertern besteht oder nicht. Es gab mehrere Seitenlinien, zu Eisenberg, zu Camberg, zu Melsungen und Ludwigseck, zu Verss, zu Bellersheim. Die beiden letzteren führten aber ein anderes Kleinod, den Esel statt des Fluges. Ein weiteres Wappen der Familie befindet sich an einem Burgmannenhaus innerhalb der Burg (Nordteil, in der Nähe des Adolfsturmes).

Wappen 2: Groschlag von Dieburg
Zur Linken wird der "Chef" flankiert vom Wappen des Burgbaumeisters Freiherrn Groschlag von Dieburg. In Blau 3 von Rot und Silber in zwei Reihen geschachte Schrägbalken (hier Schrägrechtsbalken, lt. Siebmacher in alleinstehender Form Schräglinksbalken), zwischen dem ersten und zweiten Balken schräg eine goldene Krone. Das Rätsel um die Richtung der Balken kann dadurch aufgeklärt werden, daß sich der Schild zwar auf einer eigenen Fläche, jedoch optisch links vom Burggrafen befindet, sich dem "Boss" also mit heraldischer Courtoisie zuwendet, daher ist der Schild seitenverkehrt. Helmzier ein wachsender Männerrumpf in blauem, wie der Schild bez. Gewand - hier sind es Schräglinksbalken, der Siebmacher-Angabe entsprechend. Dies illustriert, daß beim Wenden der Schild gespiegelt, die Helmzier aber gedreht wird. Helmdecken rot-silbern.

Die von Groschlag sind Uradel aus dem Odenwald und vom Rhein. Sie gehören zur reichsunmittelbaren Ritterschaft. Der Reichsfreiherrenstand wurde 1685 erreicht für Johann Philipp Ernst von Groschlag, kurmainzischer Geheimrat und Amtmann zu Gernsheim. Die Familie erlosch im Mannesstamm 1799 mit Carl Friedrich Willibald von Groschlag, k.k. und kurmainzischer Geheimrat, Staats- und Konferenzminister sowie Oberst-Hofmeister. Gänzlich erlosch die Familie 1854 mit seiner Tochter Maria Anna, vermählt mit Maximilian Graf von Lerchenfeld.

Wappen 3: von Breidbach-Bürresheim
Zur Rechten analog das Wappen des Burgbaumeisters Freiherrn von Breidbach - Bürresheim: In Silber ein roter Drache. Helmzier ein roter Drache, Helmdecken rot-silbern.

Die Familie hatte Bürresheim in der Eifel im Jahre 1473 erworben, erst zum Teil, und seit dem Erwerb auch des Restes als Ergebnis eines gerichtlichen Vergleich von 1659 nannte sie sich "von Breidbach zu Bürresheim".

Wappen 4: Burgwappen
Die Beckeneinfassung zeigt an zentraler Stelle das Burgwappen, in derselben Gestalt wie am südlichen Burgtor, einem doppelköpfigen Reichsadler mit Schwert und Szepter in den Fängen aufgelegt, von der Kaiserkröne überhöht. Feld 1: St. Georg zu Pferd, der Schutzheilige der Burg. Feld 2: Ein Löwe, darüber ein Schrägrechtsbalken. Feld 3: Eine zweitürmige Burg mit Torturm. Feld 4: Von Silber und Schwarz gespalten, das Wappen der Stadt Friedberg.

Wappen 5: Rau zu Holzhausen
Es folgen dann reihum an der Beckeneinfassung die Wappen der zehn Regimentsburgmannen (nach rechts im Kreis um den Brunnen): Freiherr von Rau zu Holzhausen, in Silber ein roter Balken. Helmzier ein Paar Büffelhörner, ebenfalls silbern mit rotem Balken. Helmdecken rot-silbern. Das Burgmannenhaus der Rau von Holzhausen befindet sich im Norden der Burg in der Nähe des Adolfsturmes, dem Wahrzeichen der Stadt Friedberg.

Wappen 6: Diede zum Fürstenstein
Hans Eitel Diede zum Fürstenstein (16.10.1624-12.2.1685) war seit 1653 Burgmann der Burg Friedberg, seit 1671 Oberamtmann der Grafschaft Nidda und wurde 1672 Burggraf in Friedberg. Freiherr Diede zum Fürstenstein hatte als Wappen einen von Schwarz und Silber gevierten Schild. Helmzier ein schwarzer hoher Hut mit silbernem Stulp, oben mit einem silbernen Knopf besteckt, der mit schwarzen Hahnenfedern besteckt ist. Helmdecken schwarz-silbern.

Die Diede zum Fürstenstein gehörten zur althessischen Ritterschaft. Zu ihren Gütern gehörten Madelungen, Dankwarshausen. Von Fulda hatten sie ein Burglehen in Gerstungen und Güter in Aldendorf zu Lehen. 1807 starb die Familie in Madelungen aus. Das berühmteste und letzte Mitglied der Familie ist der königlich-dänische Staatsminister Wilhelm Christoph von Diede zum Fürstenstein (gest. 1807).

Position der besprochenen Wappen im schematischen Burggrundriß.

Literatur, Quellen und Links:
Siebmachers Wappenbücher
Burg Friedberg:
http://www.wissenportal-friedberg.info/index.html - Geschichte: http://www.wissenportal-friedberg.info/Wissenportal18.html - Georgsbrunnen: http://www.wissenportal-friedberg.info/Wissenportal07.html - Rundgang: http://www.wissenportal-friedberg.info/Rundgang_Burg.html - Südseite: http://www.wissenportal-friedberg.info/Wissenportal03.html - Nordseite: http://www.wissenportal-friedberg.info/Wissenportal04.html - Burgkirche: http://www.wissenportal-friedberg.info/Wissenportal08.html - Wache und Kanzlei: http://www.wissenportal-friedberg.info/Wissenportal09.html - Schloß: http://www.wissenportal-friedberg.info/Wissenportal06.html - Wetterauer Rittergesellschaft: http://www.wissenportal-friedberg.info/Wetterauer_Rittergesellschaft.html
Burgfreunde Friedberg:
http://www.burgfreunde-friedberg.de/index2.html
Siebmachers Wappenbücher, bes. Band Bistümer
Informationstafel am Gebäude
Michael Keller, Stadtführer Friedberg, hrsg. vom Friedberger Geschichtsverein e.V., ISBN 3-87076-072-9
Michael Keller, Klaus-Dieter Rack, Hans Wolf, Burg Friedberg - Adolfsturm - Römisches Bad, hrsg. vom Friedberger Geschichtsverein e.V.
Friedberger Geschichtsverein:
http://www.friedberger-geschichtsverein.de
Burggymnasium
http://www.burggymnasium-friedberg.de/index.html - http://www.burg100.de/ - Burggeschichte: http://www.burg100.de/burggeschichte/burggeschichte.htm
Hans Wolf, Michael Keller, Dr. Klaus-Dieter Rack, Dr. Vera Rupp: Burg Friedberg:
http://www.fh-friedberg.de/fbhistorisch/Burg_Friedberg.pdf
Kulturdenkmäler in Hessen:
http://denkxweb.denkmalpflege-hessen.de/cgi-bin/mapwalk.pl?obj=5496&session=913&event=Query.Details (Landesamt für Denkmalpflege Hessen) - http://denkxweb.denkmalpflege-hessen.de/cgi-bin/mapwalk.pl?obj=5591&session=913&event=Query.Details
Die Riedesel von Eisenbach auf Burg Friedberg:
http://www.staatsarchiv-darmstadt.hessen.de/irj/HStAD_Internet?cid=70b15d2bcf09940ecbfd7a6f5d9b4fff - http://www.hadis.hessen.de/scripts/HADIS.DLL/home?SID=7BB5-3DD709C-B9FD1&PID=5C26 - http://www.staatsarchiv-darmstadt.hessen.de/irj/servlet/prt/portal/prtroot/s.......22222
Friedberger Burgmannenfamilien:
http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_Friedberger_Burgmannenfamilien

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