Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 2996
Herrieden
(Landkreis Ansbach)
Die ehemalige Stadtburg von Herrieden
Die ehemalige Stadtburg von Herrieden liegt am östlichen Rand der Altstadt und grenzt direkt an die Stadtmauer. Das Ensemble geht zurück auf eine Burg im Nordosten der Siedlung, die bereits 1122 genannt wird und die damit älter ist als die Stadtmauer. Als letztere neu errichtet wurde, bezog man die alte Burg mit ein, so daß deren Gebäude mit der Mauer zum Stadtgraben hin abschließen. Die Burg hat insgesamt die Form eines polygonal gebrochenen Dreiecks mit der Spitze nach Norden. Die drei Seiten des Dreiecks sind zwischen 60 und 85 m lang. Zur Stadt hin gibt es aber einen weiteren halbkreisförmigen Graben, der die Burg auch in diese Richtung sichert. Die Ringmaueranlage mit randbeschlagenen Buckelquadern ist noch gut nachvollziehbar. Zugang gibt eine Brücke, die vom Vogteiplatz aus von Südwesten her auf das langgestreckte Torgebäude zuführt. Genau wie die Stiftsgebäude bildete auch die Burg einen städtebaulichen Kristallisationskeim für die Entwicklung der Stadt Herrieden. Hier saß der Stadtvogt, diese Gebäude dienten als temporäre fürstbischöfliche Residenz, und im Dreißigjährigen Krieg war dies die letzte Zuflucht vor den Schweden.
Um es vorwegzunehmen: Wir finden hier ausgezeichnete Wappensteine. Aber wer hier schloßartige Gebäude erwartet, wird enttäuscht werden. Der Baubestand hat, wo er noch nicht saniert ist, den Charme einer aufgelassenen Fabrik. In der Tat wurde die Anlage im Laufe der Geschichte vielfach umgebaut, zuletzt wurde in den Gebäuden eine Brauerei betrieben. Dann folgte Leerstand, 2009 kaufte die Stadt Herrieden den gesamten Gebäudekomplex auf, und seit 2017 wird der komplette Bereich mit gewaltigem Aufwand saniert. Ziel ist die Umwandlung in ein Kunst-, Kultur- und Kongreßzentrum der Stadt. Im ersten Bauabschnitt 2017-2019 wurden bereits 7,56 Mio. verbaut. Nur wer den Zustand vorher gesehen hat, weiß zu würdigen, was hier bereits geschehen ist. Die westlichen Trakte erstrahlen bereits im neuen Glanz, die östlichen Gebäude warten noch in aller architektonischer Tristesse mit kaputten Fenstern auf die Neugestaltung.
Seit hier die erste Burg vor 1122 erbaut wurde, wurde hier immer wieder alles zerstört und neugebaut. 1316 wurde die Burg durch Ludwig den Bayern in einer Strafaktion zerstört. Hintergrund war, daß die Grafen von Oettingen die Vogtei über die Stadt Herrieden hatten. Graf Konrad von Oettingen fiel aber 1310 in die Reichsacht, weil er sich mit seinem Onkel Eberhard I. von Württemberg im Krieg gegen König Heinrich VII. verbündet hatte, und damit fielen seine Lehen an das Hochstift Eichstätt zurück, darunter auch Herrieden. Das war auf dem Papier einfacher als in der Realität, und tatsächlich mußte der damalige Fürstbischof seine Rechte gegenüber Konrad von Oettingen und dem diesem beistehenden Kraft von Hohenlohe militärisch durchsetzen, und dabei kam es zu der folgenschweren Belagerung von Herrieden durch Ludwig den Bayern, der gegen Kraft von Hohenlohe vorging. Aber ab 1323 hatte Eichstätt die Herrschaft über die Stadt vollständig zurückerlangt.
Die Burg wurde dann um 1340-1344 neu errichtet. 1490 brannte die Stadt ab, und bei diesem Großbrand wurde vermutlich auch die Burg erfaßt und zumindest beschädigt. 1508-1510 wurde die Burg unter Fürstbischof Gabriel von Eyb wiederaufgebaut, aus dieser Zeit stammen die Befestigungsmauern, die im Kern aber älter sind. Die Burg vergrößerte sich: Der bisherige Graben wurde mit dem neuen Torhaus überbaut, eine neue Mauer und ein neuer Graben entstanden weiter außen, wie eine stadtseitige zweite Zwiebelschale. Von der inneren Zwiebelschale sieht man noch im westlichen Bereich den Mauerverlauf, und am inneren Ende des Torhauses sieht man das alte Ringmauertor. Bezüglich der Gebäude vollzog sich hier der Übergang von der reinen Burg zu einem schloßartigen Gebäudebestand. Im Laufe des 16. Jh. bekam der damals noch existierende Bergfried einen zylindrischen Aufsatz mit Kegeldach und Zwerchhäusern. Dann gab es weitere bauliche Veränderungen im Barock, einmal 1686 mit der Errichtung des Brauhauses, und dann im 18. Jh. mit der Errichtung zusätzlicher Gebäude. An der westlichen Ringmauer entstand in Verlängerung des Torhauses ein Ochsenstall, der 1835-1838 umgebaut wurde. Der mittelalterliche Bergfried wurde abgerissen, an die Stelle kam die Büttnerei. Weitere Brände ereigneten sich 1877 und 1907. Viele weitere Gebäude kamen und vergingen: Bierhalle, Kegelbahn, Wagenremise, Waschhaus und Pferdestall. Wenige Strukturen bilden noch das Aussehen des frühen 16. Jh. ab, und etliche der neueren Gebäude wurden im Zuge der Sanierung abgetragen.
Wenn man die steinerne Brücke überquert, gelangt man als erstes zum Torbau, einem längsrechteckigen Steinbau von 6,80 m x 12,70 m Grundfläche mit einmal im Stile eines Mansarddachs abknickendem Dach, das stadtseitig wie ein Krüppelwalmdach geformt ist und hofseitig einen Fachwerkgiebel einschließt, unter dem die Buckelquader der älteren Ringmauer sichtbar sind. Dieses Torhaus wurde feldseitig vor das ältere Ringmauertor gebaut, das noch am inneren Ende zu sehen ist, mit spitzbogiger Durchfahrt. Die Burg wuchs also um die bisherige Grabenbreite nach außen.
Der erste Wappenstein ist am Torbau über dem äußeren, stadtseitigen Portal zu finden. Er ist auf dem kleinen, an den Enden eingerollten Schriftband unten auf "MDX" = 1510 datiert, was in die Amtszeit des Eichstätter Fürstbischofs Gabriel von Eyb (lebte 29.9.1455-1.12.1535, amtierte 1496-1535) fällt. Drei Schilde sind 2:1 zusammengestellt, Schild 1 (oben): in Rot drei goldene, schreitende, hersehende Löwen übereinander, die sog. "Leoparden des hl. Willibald", welche das Eichstätter Domkapitel führt, Schild 2 (rechts unten): in Rot ein silberner aufrechter Krummstab (Bischofsstab), Hochstift Eichstätt, Schild 3 (links unten): in Silber drei (2:1) rote Jakobsmuscheln (Pilgermuscheln), von Eyb.
Was diesen Wappenstein so besonders macht, sind die detailverliebte Gestaltung und überaus hochwertige handwerkliche Ausführung. Die Qualität dieser Arbeit sieht man z. B. an dem gewellten Rand der Muscheln, an der Schwanzquaste der Löwen, an der Hinterschneidung des Zierrats, an der Muttergottes im Strahlenkranz im Zentrum des Eichstätter Krummstabes und an den fast funktionstüchtig erscheinenden Schnallen der Lederbänder, mit denen die äußeren Schilde an den Ringen aufgehängt sind. Die Gestaltung des Krummstabes ist so phantasievoll und außergewöhnlich wie die Konstruktion im oberen Bereich, wo Sprengwerkfragmente (ein Vorhangbogen und zwei Kreissegmente) mit an Ringen hängenden, konisch zulaufenden Tannenzapfen kombiniert werden, die sich mit dem umgebogenen spitzen Ende in den nächsten Ring einhängen, als wären sie muskulös. Das künstlerische und bildhauerische Niveau ist hier sehr hoch.
Zur Bauzeit muß man sich dieses zweistöckige Torhaus freilich etwas anders vorstellen: Staffelgiebel und Satteldach wären zeittypisch gewesen, nicht das barocke Dach. Das Torhaus gehört zu den bis jetzt restaurierten Bereichen. Rechts von diesem Torbau sieht man in die stadtseitige Umfassungsmauer integriert einen kleinen Pavillon aus der Zeit um 1800, einen achteckigen Steinbau mit einem gestuften Zeltdach, der in den Graben vorspringt und offensichtlich ein altes Turmfundament als Unterbau nutzt. Dieser Pavillon ist bereits perfekt restauriert mit einem nagelneuen und ungeheuer aufwendigen Ziegeldach. Im rückwärtigen Stadtgraben gibt es noch ein klassizistisches Gartenhäuschen.
Im Hof steht man dann vor den beiden Gebäuden, die rückwärtig an die Stadtmauer grenzen. Hier stand einst der Wohnbau der Burg, der Palas, später der herrschaftliche Wohnbau. Das höhere, rechte Gebäude ist ein dreigeschossiger Satteldachbau aus der Zeit von 1877-1878, der ein zuvor abgebranntes Hauptgebäude ersetzte. Der Ansbacher Bautechniker J. Schnegg machte die Pläne zum Wiederaufbau. 1969-1970 wurde der Wohnbau modernisiert. Der Bau ist ein architektonisch völlig ambitionsloser Zweckbau in heruntergekommenem Zustand, in dessen Fassade aber zum Glück ein historischer Wappenstein gerettet wurde.
Dieser zweite Wappenstein des gleichen Eichstätter Fürstbischofs Gabriel von Eyb hat einen gevierten Schild: Feld 1 und 4: in Rot ein silberner aufrechter Krummstab (Bischofsstab), Hochstift Eichstätt, Feld 2 und 3: in Silber drei (2:1) rote Jakobsmuscheln (Pilgermuscheln), von Eyb. Dazu werden zwei Helme geführt, Helm 1 (rechts): zu rot-silbernen Decken ein wachsender Arm, in der Faust einen silbernen Krummstab schräg haltend, Hochstift Eichstätt, Helm 2 (links): zu rot-silbernen Decken ein wachsender Pfau, der Rumpf meist grün, blau oder naturfarben, mit goldenem Halsband, die Flügel silbern, Familienkleinod der von Eyb. Oben trägt das zu drei Abschnitten geschlagene Schriftband den Wortlaut: "GABRIEL / DEI GRACIA EP(ISCOP)VS / EYSTET(TE)N(SIS) // ME FIERI / FECIT ANNO / 1508".
Das niedrigere, linke Gebäude im Hof ist das ehemalige Brauereigebäude; seit dem 17. Jh. wurde hier Bier gebraut, und 1686 wurde die Burg in eine fürstbischöfliche Brauerei umgewandelt. Gleichzeitig verlor die Burg ihre Funktion als Nebenresidenz der Fürstbischöfe. 1806 wurde die Brauerei nach der Auflösung der Strukturen alter geistlicher Fürstentümer privatisiert. Als Folge der napoléonischen Kriege war Herrieden an Bayern gefallen, und das Königreich verkaufte die Brauerei an Jakob und Salomon Hirsch. 1811 ging die Brauerei an Friedrich und Karl August Uebeleisen, 1844 an Theodor Madlehner, 1867 an Johann Seybold, 1876 an Georg Friedrich Held, 1901 an Leonhard Wehr. 1907 brannte die Brauerei ab; die Firma Topf & Stahl GmbH machte sich an den Wiederaufbau. Im Jahre 2000 wurde die allerletzte Charge Bier abgefüllt, und über die seither vergangenen 22 Jahre machte man sich Gedanken über eine neue Nutzung, während der Zeit wurde der bauliche Zustand nicht besser.
Auch wenn die Bausubstanz irgendwo noch aus dem Barock stammt, erschüttert den Besucher die Atmosphäre eines heruntergekommenen Hinterhofs. Im nächsten Sanierungsabschnitt sollen diese beiden Gebäude für die zukünftige Schloßgastronomie mit Veranstaltungsräumen hergerichtet werden, evtl. auch mit Hotelbetrieb. Der Partner der Stadt für die Belebung dieser Gebäude ist die Kammer-Events und Gastronomie GmbH, die als langjähriger Betreiber der Kammerspiele in Ansbach bekannt ist und auch hier als Pächter vorgesehen ist. Hinter der Brauerei liegt tiefer zum Stadtgraben hin ein eingeschossiger, langgestreckter Bau, dessen Dach aus Sicherheitsgründen entfernt worden ist, und der vielleicht als Gewölbekeller in die gastronomische Nutzung einbezogen werden kann. Ein Teil wird bereits als Schloßbiergarten genutzt. An diesem Ensemble wird sichtbar, was für eine Herkulesaufgabe die Sanierung von Gebäuden ist, die eigentlich ein hoffnungsloser Fall waren.
Der dritte Wappenstein an genau diesem Brauereigebäude ist dennoch der besterhaltene, aufwendigste und schönste. Der rechteckigen Außeneinfassung einbeschrieben ist ein ovaler, nach innen geneigter Inschriftenrand mit dem Wortlaut: "IOANNES EUCHARIUS DEI GRATIA SAC(RI) ROM(ANI) IMPERII PRINCEPS EPISCOPVS EÜSTETTENSIS". Die vier Zwickel zwischen äußerem und innerem Rand sind gefüllt mit zarten Arabesken und je einer Ziffer der Jahreszahl 1686, dem Jahr der Umwandlung in eine fürstbischöfliche Brauerei. Der Eichstätter Fürstbischof Johannes Eucharius Schenk von Castell (lebte 6.11.1625-6.3.1697, amtierte 1685-1697) führt seinen Schild geviert mit Herzschild, Feld 1 und 4: in Silber ein rotes Hirschgeweih (Stammwappen der Schenk von Castell), Feld 2 und 3: in Silber zwei rote Löwen übereinander, einwärtsschreitend dargestellt (Schenk von Landeck), Herzschild: in Rot ein silberner aufrechter Krummstab (Bischofsstab), Hochstift Eichstätt. Hinter dem Schild sieht man schrägrechts den Krummstab und schräglinks das gestürzte Schwert hervorkommen. Über der Kartusche mit reich verziertem Rand ruht eine Mitra mit heraushängenden und seitlich wellenförmig hochfliegenden Infuln auf einem bequasteten Kissen.
Literatur,
Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@49.2337333,10.4998949,19z - https://www.google.de/maps/@49.2337333,10.4998949,169m/data=!3m1!1e3
Gabriel von Eyb in Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Gabriel_von_Eyb
Theodor Neuhofer: Gabriel von Eyb, in: Neue Deutsche Biographie,
Bd. 6, Duncker & Humblot, Berlin 1964, ISBN 3-428-00187-7, S.
9 - https://www.deutsche-biographie.de/gnd121124835.html#ndbcontent - https://daten.digitale-sammlungen.de/0001/bsb00016322/images/index.html?seite=23
Alfred Wendehorst: Das Bistum Eichstätt, Bd. 1: Die
Bischofsreihe bis 1535, Reihe Germania Sacra, Neue Folge 45,
Berlin 2006, ISBN 978-3-11-018971-1, S. 241-265
Johannes Eucharius Schenk von Castell auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Euchar_Schenk_von_Castell
Familie Schenk von Castell: https://de.wikipedia.org/wiki/Schenk_von_Castell
Liste der Baudenkmäler in Herrieden: https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Baudenkmäler_in_Herrieden
Burg Herrieden: https://de.wikipedia.org/wiki/Burg_Herrieden
Burg Herrieden auf Alle Burgen: https://www.alleburgen.de/bd.php?id=4597 - Geschichte: https://www.alleburgen.de/bd.php?id=4597#Historie
Stadtburg auf der Stadtseite: https://www.herrieden.de/page/de/freizeit-und-tourismus/sehenswuerdigkeiten/bauwerke/stadtschloss.php
Baugeschichte der Burg Herrieden: https://www.herrieden.de/page/de/rathaus/themen/stadtschloss/baugeschichte.php
Zum Baukörper: https://www.herrieden.de/page/de/rathaus/themen/stadtschloss/wissenswertes.php
Fortgang der Sanierungsarbeiten und Kosten: https://www.herrieden.de/page/de/rathaus/themen/stadtschloss/kosten.php - https://www.herrieden.de/page/de/rathaus/themen/stadtschloss/als-naechstes.php
Webseite des Stadtschlosses: https://stadtschloss.herrieden.de/
Videos zur Renovierung: https://www.youtube.com/watch?v=vARfEWba4JE - https://www.youtube.com/watch?v=c6WXZu3TvDA - https://www.youtube.com/watch?v=MZ7p4WzuqwE
Schloßbiergarten: https://www.schlossbiergarten-herrieden.de/
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