Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2972
Wonfurt (Landkreis Haßberge, Unterfranken)

Friedhofskapelle Wonfurt: Epitaph für Anna Margaretha Cob von Nüdingen

Dieses Epitaph ist an der östlichen Außenseite der Friedhofskapelle angebracht. Es ist das größte und aufwendigste Epitaph, und bis auf eine einzige Stelle ist es von hervorragender Erhaltung. Wir finden insgesamt 19 Wappenschilde mit für die Region völlig atypischen Zuordnungen, das macht diesen Reliefstein außerordentlich interessant. Dadurch, daß der Erwerber von Wonfurt aus den Spanischen Niederlanden stammte, hatte er auch eine Frau mitgebracht, deren genealogischer Hintergrund die Regionen Belgien, Eifel, Mittelrhein und Hunsrück widerspiegelt.

 

Mehrere Inschriften zieren dieses Epitaph. Ganz oben steht "Selig / Die in Gott / Ruhen". Die Hauptinschrift mit den biographischen Daten lautet: "A(NNO) 1657 DEN 19 Octob(ris) VMB 2 VHR NACHMITT(AGS) / IST IN GOTT SELICH ENTSCHLAFFEN DIE WO(H)LGE/BOHR(E)NE FREYFRAVW ANNA MARGARETHA / COBIN VON NEVDINGEN, SO ERSTES MAHL / VEREH(E)LICHT IST GEWESEN MIT DEM WOHL/EDELGEBOHR(E)NEN HERREN FRIDERICH VON / BIRSTORFF; NACH DESSEN ABLEBEN / 1631 2TEN MAHLS VERM(A)EHLET MIT DEM / WOHLGEBOHR(E)NEN HERREN HERREN PHI/LIP(P) FREYHERRN VON DER BEECK HERREN ZV / WUNFURT, DERO RÖM(ISCH) KAY(SERLICHEN) MAY(ESTÄT) WURCK/LICHEN HOFFKRI(E)GSRAHT, GENERALWACHT/MEISTER VND OBRISTEN VBER EIN REGI/MENT CÜRASSI(E)RER. NACH DESSEN HINTRIT(T) / SIE SICH LETZTLICHEN A(NNO) 1654 EH(E)ILCH / VERBUNDEN MIT DEM AUCH WOHLGE/BOHR(E)NEN HERREN H(ERREN) PHILIP(P) PHILIBERT FREY/HERR VON HERISSEM DES HEYL(IGEN) RO(E)M(ISCHEN) REICHS RIT(TER) / OBRISTEN ZU FUS(S) DERO C(H)URF(Ü)RST(LICHEN) GNAD(EN) VON / MENITZ OBRISTEN STAL(L)MEISTER, AUCH / OBER AMBTMAN(N) ZU KLINGENBERG VND / VOLCKACH. DERO ABGELEBTEN FRAUEN / GOTT GENEDIG SEIN WOLLE AMEN". Die Inschrift hat ein paar Eigentümlichkeiten, so wird wahlweise V oder U für den gleichen Vokal verwendet, beim Wort "EHELICH" wurden I und L vertauscht und das L seitenverkehrt gehauen, bei "Rat" und auch bei "Mainz" wurden zwei Buchstaben vertauscht zu "RAHT" und "MENITZ". Wo möglich, werden HL, HE, AL, MB, NE oder ME zu Ligaturen.

Ganz unten ist eine dritte Inschrift angebracht: "Zue gedächtnuß der Hievor Ruhenten / Seiner ehegemahlin Hatt di(e)ses Epithaviu(m) / aufrichten lassen Ihr letztvermelter ... (?) / Herr Philip(p) Philibertu(s) / Freyherr von Herissem". Der dritte Mann überlebte diese Frau und setzte ihr dieses Epitaph.

Das Epitaph ist so aufgebaut, daß im Mittelfeld über der Inschrift die größer dargestellten Wappenschilde aller drei Ehemänner angebracht sind, von heraldisch rechts nach links in der Reihenfolge der Heirat. Heraldisch ganz rechts steht der Schild für Friedrich von Birstorff ("VON BURSDORFF"), ein in zwei Reihen geschachter Schrägbalken, begleitet von vier Jakobsmuscheln (Pilgermuscheln), Tinkturen unbekannt, ohne Literaturbeleg, Hinweise willkommen.

In der Mitte steht der Schild für Philipp Freiherr von der Beeck ("P. FREIHERR V(ON) D(ER) BEECK"), geviert mit Herzschild, Feld 1 und 4: in Gold ein schwarzer, golden bewehrter Adler, einwärtsblickend, Feld 2 und 3: in Rot ein goldener, doppelschwänziger Löwe, gekrönter Herzschild: in Silber drei rote Balken. Das hier nicht dargestellte Oberwappen wird beim Rathaus beschrieben. Philipp Freiherr von der Beeck (-6.1.1654) kam durch den Dreißigjährigen Krieg zu Ruhm und Reichtum. Er diente sich vom untersten Grad im kaiserlichen Heer hoch. Seine Erfolge, bei denen er nicht nur militärische Fähigkeiten bewies, sondern auch einfach Glück hatte, spülten ihn im Heer Wallensteins nach oben, er wurde Oberst über ein von ihm errichtetes Kürassier-Regiment, dann General-Feldwachtmeister und kaiserlicher Kriegsrat. Zu den Aktionen, die ihn bekannt machten, gehörten 1619, damals war er noch Corporal, die Gefangennahme des böhmischen Generals Joachim von Carpzow, 1622 die Erbeutung der Leibstandarte des Grafen Peter Ernst II. von Mansfeld mit der Devise: „Gottes freund vnd aller Pfaffen feindt“ bei Fleurus, 1632 die Verwundung und Gefangennahme des schwedischen Generals Johan Banér in der Schlacht an der Alten Veste bei Nürnberg, 1637 die Gefangennahme des tollkühnen und vom Pech verfolgten Prinzen Ruprecht von der Pfalz in der Schlacht bei Flotha. Philipp von der Beeck starb in Wiener Neustadt.

Und heraldisch links steht der Schild für den dritten und letzten Ehemann, Philipp Philibert Freiherr von Herissem ("P. P. FREIHERR V(ON) HERISSO(M)"), in Gold ein mit drei silbernen Herzen belegter blauer Balken, oben aus dem Balken ein roter Löwe hervorwachsend (Siebmacher Band: Bg10 Seite: 42 Tafel: 47, Seite: 60 Tafel: 67, Rietstap/Rolland). Blason im Rietstap: D'or, à la fasce d'azur, chargée de trois coeurs d'argent, un lion naissant de gueules, armé et lampassé d'azur, mouvant de la fasce. 1658 wurde die in Hainaut vorkommende Familie in den Reichsfreiherrenstand erhoben.

An den beiden Seiten des Epitaphs sind insgesamt 16 Wappenschilde der Ahnenprobe für Anna Margaretha Cob von Nüdingen angebracht. Ihr eigenes Wappen ("COB V(ON) NEUDINGEN") sehen wir ganz oben heraldisch rechts, es ist geviert, Feld 1 und 4: in Gold zwei (1:1) schwarze Vögel (Krähen, Raben) übereinander (hier gewendet), Feld 2 und 3: in Blau ein goldenes, von vier goldenen Pilgermuscheln bewinkeltes Kreuz. Das Epitaph greift die Elemente dieses Wappens zur Gestaltung auf, so ergreifen an den Seiten ganz oben zwei dieser Vögel einen Ring (vgl. Helmzier der Familie), durch den ein Stoffstreifen gezogen ist, und in den jeweils beiden oberen und unteren Ecken des Zentralfeldes über und unter der großen Inschrift tauchen die Muscheln wieder auf, allerdings modifiziert durch Ansicht der konkaven Seite, während sie im Schild konvex dargestellt werden.

Das Stammwappen der Cob findet sich unter Kobe von Bitburg im Gruber beschrieben, weiterhin ist es bei Zobel auf Tafel 34 abgebildet, aber unter dem abweichenden Namen "Kolbe". Eine korrekte Beschreibung des vermehrten Wappens der Cob von Nüdingen ist im Loutsch S. 293 zu finden. Er blasoniert: "Écartelé: aux I et IV d'or à deux corbeaux de sable, l'un sur l'autre (Cob), aux II et III d'azur à la croix d'or cantonnée de quatre coquilles du même (Ypres)". Die Helmzier ist zu schwarz-goldenen Decken ein wachsender, auffliegender, schwarzer Rabe, in seinem Schnabel einen goldenen Ring haltend. Nach Loutsch: "Un corbeau éployé de sable, issant, tenant en son bec un annelet d'or." Diese Helmzier wird von den Cob und von den Cob von Nüdingen gleichermaßen geführt. Die vermehrende Komponente d'Ypres (von Ipern) erscheint bei Loutsch auf S. 833: "D'azur à la croix d'or cantonnée de quatre coquilles du même. Cimier: Un panache de plumes d'autruche ou un vol." Diese von Loutsch angegebenen Tinkturen sind durch eine zeitgenössische Wappenabbildung und durch eine farbige Wappenscheibe von 1698 belegt (außer daß in letzterer der rechte Flügel golden ist).

Eine in der Literatur zu findende Herkunft der Familie aus Böhmen ist ins Reich der Legende zu verweisen, das entspricht Wunschdenken bei der Standeserhöhung (s.u.) und entbehrt jeder Grundlage. Die Familie stammt aus der Eifel und lebte im deutsch-luxemburgisch-lothringischen Grenzraum. Es wird darüber spekuliert, ob es sich um ein redendes Wappen handelt, weil im frz. Rabe = corbeau zu Cob verballhornt sein könnte. Wahrscheinlicher scheint jedoch eine Herkunft des Namens durch Ableitung vom Vornamen Jakob, so daß allenfalls eine falsch redende Interpretation des Wappenbildes vermittels moselfränkischen Dialekts möglich wäre. Aus den Cob ist durch Belehnung mit Nüdingen (auch Noytingen, existiert nicht mehr, lag bei Messerich) der Zweig der Cob von Nüdingen (auch von Niedingen, von Neudingen, de Nudange) geworden. Die Cob von Nüdingen besaßen neben Nüdingen aufgrund einer Erbheirat auch die Herrschaft Niederweis in der Eifel von ca. 1580-1680. Eine weitere Wappendarstellung findet sich in der Pfarrkirche zu Niederweis. Die Cob von Nüdingen waren auch Mitherren in Wolsfeld, Oberstedem und Niederstedem. Weiteren Besitz hatten die Cob in Bitburg (Kobenhof) und in Schönecken (ein Burghaus).

Ein Zweig der Familie blühte in Böhmen, und der in österreichischen Militärdiensten stehende k. k. Kämmerer, Oberstleutnant vom Infanterieregiment Graf Gallas und kaiserliche Generalfeldzeugmeister Wolfgang Friedrich Cob von Nüdingen (1614-1679) erlangte am 16.8.1653 den alten Panier- und Freiherrenstand für das Reich und die Erblande, die Anrede "Wohlgeboren", eine Wappenbesserung sowie das privilegium denominandi, und am 26.4.1673 erhielt er den Grafenstand. Die Angaben im Siebmacher für die böhmischen, erst freiherrlichen und dann gräflichen Cob von Nüdingen sind jedoch hinsichtlich der exakten Tinkturen widersprüchlich: In Band ÖSchl Seite: 11 Tafel: 6 (Cobb v. Neuding) sind Kreuz und Muscheln silbern. Das Wappen wird mit Grafenkrone abgebildet; die Angabe einer Helmzier entfällt. In Band: SchlA1 Seite: 18 Tafel: 14 sind zwar Kreuz und Muscheln golden, doch die Felder 2 und 3 sind blau-rot gespalten, außerdem kam ein blauer Herzschild hinzu, in dem aus einer goldenen Krone zwei schwarze Gemshörner hervorkommen, klassischer Fall einer Wappen-Verschlimmbesserung im Diplom von 1653, einer gutgemeinten Verhunzung des schönen angestammten Wappens. Dazu werden drei Helme angegeben, Helm 1 (Mitte): Stammhelm, Helm 2 (rechts): blau-goldene Decken, natürlicher (grüner) Pfauenfederbusch, Helm 3 (links): rot-goldene Decken, wachsender gestümmelter Mohr in roter Kleidung und mit roter Kopfbinde mit abfliegenden Enden (vgl. österreichisches Staatsarchiv AT-OeStA/AVA Adel RAA 67.19). Der Eintrag in Siebmacher Band: Bg4 Seite: 79 Tafel: 86 für den gräflich anhaltinischen Fähnrich Christian Cob von Nüding entspricht nicht den historischen und zeitgenössischen Belegen (s. u.), gänzlich abweichend mit silbernem Feld für die Raben und rechts schwarz-silbernen, links blau-goldenen Decken und weiteren Differenzen beim Raben der Helmzier, eine nicht belastbare Quelle.

 

Weitere Schilde dieser Ahnenprobe sind heraldisch rechts, soweit lösbar (Hinweise bei den belgisch-niederländischen Familien willkommen):

 
 
 

Auf der heraldisch linken Seite des Epitaphs sind folgende Wappenschilde von oben nach unten angebracht:

 
 
 
 

Das paßt - zumindest für die ersten Wappen, zu der von Johann Friedrich Schannat in seiner Eiflia illustrata beschriebenen Genealogie: Anna Margaretha Cob von Nüdingen muß die Tochter von Johann Ernst Cob von Nüdingen und Anna von Sponheim gen. Bacharach gewesen sein. Ihre Großeltern väterlicherseits waren Christoph Cob von Nüdingen und Margaretha Fock von Hübingen. Ihre Großeltern mütterlicherseits waren Johann Eberhard von Sponheim gen. Bacharach und dessen erste Ehefrau Elisabeth Schenk von Schmidtburg, das ergibt sich aus einem nicht mehr existierenden, aber dokumentierten Epitaph für ihren Onkel Johann Caspar von Sponheim gen. Bacharach in Staudernheim (DI 34, Nr. 471+). Ihr Bruder war Christoph Cob von Nüdingen (-1693), der Margarethe Mohr vom Wald heiratete. Deren Tochter heiratete Freiherr Johann Herrmann von der Heyden.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@50.0091153,10.4646295,20z - https://www.google.de/maps/@50.0091153,10.4646295,77m/data=!3m1!1e3
Cob von Nüdingen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Cob_von_N%C3%BCdingen_%28Adelsgeschlecht%29
Wappen Cob:
http://wiesel.lu/heraldik/wappenkunde/datenbank/ccc/cob/
Wappen Cob von Nüdingen:
http://wiesel.lu/heraldik/wappenkunde/datenbank/ccc/cob-nudingen/
Wappen Cob von Nüdingen:
http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k111469d/f404.image
Wappen Cob von Nüdingen:
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/f/f3/Kabinettscheibe_Philipp_Christoph_Cob.JPG
Freiherrliches und gräfliches Wappen:
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/8/81/Wolfgang_Friedrich_Cob.jpg
Dr. Jean-Claude Loutsch, Armorial du pays de Luxembourg, 1974
Alfred F. Wolfert, Aschaffenburger Wappenbuch, Veröffentlichung des Geschichts- und Kunstvereins Aschaffenburg e. V., Aschaffenburg 1983
Otto Gruber: Wappen des mittelrheinisch-moselländischen Adels, Trier 1962-1965, incl. Nachtrag Trier 1967, ebenfalls veröffentlicht in verschiedenen Jahrgängen der "landeskundlichen Vierteljahresblätter".
Rolf Zobel: Wappen an Mittelrhein und Mosel, Books on Demands GmbH, Norderstedt 2009, ISBN 978-3-8370-5292-3, 527 S.
Siebmachers Wappenbücher wie angegeben
Philipp von der Beeck, in: Constantin von Wurzbach: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich:
https://de.wikisource.org/wiki/BLKÖ:Beckh,_Philipp,_Frei-_und_Panierherr
Melchior Leopold von der Beeck, in: Constantin von Wurzbach: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich:
https://de.wikisource.org/wiki/BLKÖ:Beckh,_Melchior_Leopold_Freiherr
Vergleichsahnenprobe:
DI 34, Bad Kreuznach, Nr. 471+ (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, https://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0238-di034mz03k0047101 - https://www.inschriften.net/landkreis-bad-kreuznach/inschrift/nr/di034-0471.html
Raimund Vogt: Auf- und Niedergang des stolzen und ruhmreichen Adelsgeschlechts der "von der Beeck": ein Stück Wonfurter Geschichte von 1650 bis 1747, Selbstverlag 2018

Friedhofskapelle: Tafel am Treppenaufgang - Schloß Wonfurt - Friedhofskapelle: Wilhelm Karl Fuchs von Wonfurt - Rathaus Wonfurt und Schloßökonomie

Ortsregister - Namensregister - Regional-Index
Zurück zur Übersicht Heraldik

Home

© Copyright bzw. Urheberrecht an Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2022
Impressum