Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2915
Würzburg (Unterfranken)

Das ehem. Dominikanerinnenkloster St. Markus in Würzburg

Wenig ist von diesem Kloster erhalten, eigentlich nur eine Gebäudeecke mit polygonalem Treppenturm in der Pleichertorstraße: Nördlich des Turmes führt eine Tiefgaragenzufahrt im Bogen nach unten, und am Südflügel des weitgehend modern umgestalteten Gebäudekomplexes entlang gelangt man zum Pleicherkirchplatz mit der Kirche St. Gertraud. Dieses Eckhaus mit Treppenturm ist der letzte historische Rest des einstigen Dominikanerinnenklosters St. Markus (andere Namen: Markuskloster, Marxenkloster oder Kloster St. Marx), das hier von der Gründung im Jahre 1227 bis zur Säkularisation 1803 bestand. Das erste Kloster war ein Augustiner-Nonnenkloster. Seit 1246 war das außerhalb der damaligen Stadtmauern gelegene Frauenkloster dem Dominikanerorden zugehörig. Das Kloster hatte 1248 von Bischof Hermann das Kirchenpatronat über St. Gertraud im Zuge der Übernahme der Ordensregeln des hl. Dominikus bekommen. Auch die männlichen Dominikaner, deren Konvent 1231 gegründet worden war, nutzten diese Kirche für ihre Gottesdienste, bis sie 1266 mit einem eigenen Bau am Dominikanerplatz begannen. Das heißt, daß nicht nur bezüglich des Gesamtordens die Frauen mit der Etablierung ihrer Gemeinschaft schneller waren als ihre männlichen Kollegen, sondern auch in Würzburg. Ab 1259 erbauten die Dominikanerinnen die ersten Klostergebäude längs des Baches Pleichach. Mehrere Brände vernichteten jeweils 1271, 1638 und 1644 den Bestand. Mit der Umsetzung des Reichsdeputationshauptschlusses kamen die Klostergebäude 1803 an das Kurfürstentum Bayern, das die Immobilie parzellierte und in 6 Teilen versteigerte. Die ehemaligen Konventsgebäude wurden in Wohnhäuser umgewandelt. 1863 wurde die funktionslose Klosterkirche abgerissen, an die Stelle kam die Landelektra. Am 16.3.1945 brannte der größte Teil der Gebäude aus; die Ruinen wurden in der Nachkriegszeit durch Neubauten ersetzt. Übrig geblieben ist noch ein bißchen Baubestand aus der Frühgotik und aus der Echter-Zeit. Zu letzterem gehört der Treppenturm aus dem Jahre 1610 (datiert am Portalbogen), an dem die hier beschriebenen Wappensteine angebracht sind.

 

Zunächst einmal findet man am Treppenturm direkt am Portalbogen den Wappenschild des Würzburger Fürstbischofs Julius Echter von Mespelbrunn (18.3.1545-13.9.1617, amtierte 1573-1617); dieser ist geviert, Feld 1: "Fränkischer Rechen" = von Rot und Silber mit drei aufsteigenden Spitzen geteilt, Herzogtum zu Franken, Feld 2 und 3: in Blau ein silberner Schrägbalken, belegt mit drei blauen Ringen, Stammwappen der Echter von Mespelbrunn, Feld 4: "Rennfähnlein" = in Blau eine rot-silbern gevierte, an den beiden senkrechten Seiten je zweimal eingekerbte, schräggestellte Standarte mit goldenem Schaft, Hochstift Würzburg.

Zwischen dem Portalbogen und dem unteren der beiden darüber angeordneten, schräggeschnittenen Fenster befindet sich das Klosterwappen. Es ist inschriftlich auf das Jahr 1612 datiert und ist "CONVENTUS SORORVM / SANCTI MARCI IN HERBIP(OLIS)" zugeordnet, also dem Konvent der Schwestern des heiligen Markus zu Würzburg. Das Klosterwappen stellt nebeneinander und einwärtsgerichtet rechts die gekrönte hl. Gertraud von Nivelles ("S(ANCTA). GERTRVT") und links den geflügelten und nimbierten Markuslöwen ("S(ANCTVS). MARCVS E(VANGELIST).") dar. Im Schildfuß ist ein Hügel angedeutet, auf dem beide stehen.

Ein drittes Wappen befindet sich hoch oben am Treppenturm zwischen den beiden schräggeschnittenen Fenstern, es ist in schlechtem Zustand. Dieses Wappen gehört zur Priorin Elisabeth von Waldkirch (-1624), unter deren Leitung der größte Teil der Klostergebäude erneuert wurde. Ihre Initialen "E. V. W. P." sind oben zwischen den Ziffern der Jahreszahl zu lesen. Das Wappen ist geviert mit Herzschild, Feld 1 und 4: in Silber eine schwarze, gestürzte, mit einem goldenen Ring belegte, meist eingebogene Spitze (von Waldkirch), Feld 2 und 3: rot-silbern zu acht Plätzen geständert (von Roggwil), Herzschild: in Blau vor einer angedeuteten Klostersilhouette nebeneinander und einwärtsgerichtet rechts die gekrönte hl. Gertraud und links der geflügelte Markuslöwe, alle Figuren golden (Markuskloster). Dazu werden zwei Helme geführt, Helm 1 (rechts): auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken ein wachsender Mohrenrumpf in silbernem Gewand, um das Haupt ein goldenes Stirnband mit hinten abfliegenden Bändern gelegt (von Waldkirch), Helm 2 (links): auf dem Helm mit rot-silbernen Decken eine rot-silbern achtfach geständerte Bischofsmütze (von Roggwil).

Die von Waldkirch sind eine nordschweizerische Familie; ihr Wappen wird beschrieben im Siebmacher Band: Bad Seite: 15 Tafel: 11. Ursprünglich gehörte die Familie zur Bürgerschaft der Stadt Schaffhausen. Konrad Waldkirch, Bürgermeister von Schaffhausen, bekam 1487 von Kaiser Friederich III. einen Wappenbestätigungsbrief. Im gleichen Jahr wurde er zum Edlen von Waldkirch erhoben. Christoph von Waldkirch erwarb 1559 die Niedergerichte und die Vogtei Marteln. Hans von Waldkirch ließ um 1566 in Schaffhausen das Haus zum Ritter für sich erbauen. Von da breitete sich die Familie nach Zürich (Bürgerrecht 1613 für Friedrich von Waldkirch), Baden (Besitzungen: Binau, Groß- und Klein-Eicholzheim, Anteil an Sindolsheim) und vor allem Bayern aus, wo Mitglieder als Domherren in Regensburg, Augsburg und Freising erschienen. Philipp Jacob von Waldkirch wurde St. Blasischer Amtmann und Obervogt zu Blumenegg: er kaufte 1599 das freiadelige Ritterhaus in Rheinau. Am 24.7.1790 wurde Freiherr Johann Theodor von Waldkirch (1720-1802), kurpfalz-bayerischer Kämmerer, Geheimer Rat, Oberstjägermeister und Pfleger zu Dachau, von Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz, damals Reichsvikar, in den Reichsgrafenstand und in den bayerischen Grafenstand erhoben. Auch im Grafenstand führten sie das Stammwappen ohne weitere Hinzufügungen. Die Familie ist 1886 mit Graf Maximilian Josef von Waldkirch (26.6.1804-2.7.1886), großherzoglich-badischer Kammerherr, im Mannesstamm erloschen. Des Letztgenannten einziger Sohn, der königlich-preußische Leutnant Clemens August Maximilian Joseph Graf von Waldkirch (19.11.1848-25.1.1875), war bereits vor ihm gestorben.

Die von Roggwil sind eine schweizerische Ministerialen-Familie; ihr Wappen wird abgebildet im Berliner Wappenbuch. Ursprünglich kam diese niederadelige Familie aus der Ortschaft Roggwil, die den Familienwappenschild heute als Kommunalwappen führt, in silbern-rot achtfach geständerter Form. Aus dem Thurgau kam die Familie über Arbon nach Konstanz, wo sie schon im 13. Jh. im städtischen Patriziat erscheint und bis 1536 mehrere Ratsmitglieder, einen Spitalpfleger und drei Stadtammänner stellte. Durch Kreditgeschäfte kam die Familie zu Wohlstand, worauf sie sich im Umland Herrschaften kaufte und landsässig wurde. So gehörten der Familie zeitweise die Herrschaft Kastel (Gem. Tägerwilen), die Herrschaft Wagenhausen und die Herrschaft Schwandegg bei Zürich. In der Mitte des 16. Jh. mußte sie aufgrund wirtschaftlicher Engpässe den Besitz recht schnell wieder abstoßen und zu Geld machen. Danach findet man Familienmitglieder noch in Zürich und in Konstanz. Diese Familie ist 1632 mit Anna von Roggwil ausgestorben, Äbtissin des Zisterzienserinnenklosters Heiligkreuztal. Die Kombination genau dieser beiden Wappen Waldkirch/Roggwil finden wir auf einer historischen Darstellung, in der die beiden Vollwappen in Form eines Allianzwappen zusammengestellt sind. Dabei handelt es sich um einen Riß für eine Allianzwappenscheibe, aufbewahrt in der Peyerschen Tobias Stimmer-Stiftung in Schaffhausen. Es handelt sich um eine Gideon Stimmer (1545-1581/1582) zugeschriebene Tusche-Graphik (Danke an Peter Kolb für diesen Hinweis und die Identifizierung).

Diese Priorin Elisabeth von Waldkirch begegnet uns auf einem modernen Relief des Würzburger Bildhauers Helmuth Weber über einem Hauseingang am Pleicherkirchplatz, zusammen mit ähnlichen Reliefs, die an Königin Margarethe von Babenberg (Witwe des in Kalabrien verstorbenen Königs Heinrich (VII.), wohnte zeitweise im Markuskloster) und an Albertus Magnus (Gönner des Markusklosters via Testament) erinnern. Diese Reliefs hat die Wohnungsbaugenossenschaft St.-Bruno-Werk anbringen lassen, denn die ist die Eigentümerin der insgesamt 44 Sozialwohnungen in den Gebäuden.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@49.7979776,9.9270403,21z - https://www.google.de/maps/@49.7979776,9.9270403,42m/data=!3m1!1e3
Dominikanerinnenkloster St. Markus, Würzburg (GSN: 1177), in Germania Sacra
http://klosterdatenbank.germania-sacra.de/gsn/1177
Dominikanerinnenkloster im Würzburg-Wiki:
https://wuerzburgwiki.de/wiki/Dominikanerinnenkloster_St._Markus
Georg Link: Das Marxer Frauenkloster in Würzburg, in: Ders.: Klosterbuch der Diöcese Würzburg, Würzburg, Band 2, Geschichte der übrigen Klöster und klösterlichen Institute, Würzburg 1876 -
http://vb.uni-wuerzburg.de/ub/53rp957ca_124872891/index.html - S. 627 ff. http://vb.uni-wuerzburg.de/ub/53rp957ca_124872891/pages/53rp957ca2_124873329/631.html ff.
Willi Dürrnagel: Pleich - altes Handwerkerviertel, hrsg. von der Stadt Würzburg, Baureferat/Stadtplanung, zum Tag des offenen Denkmals 13.9.2020
Siebmachers Wappenbücher, insbesondere Band Bistümer
Peter Kolb: Die Wappen der Würzburger Fürstbischöfe, hrsg. vom Bezirk Unterfranken, Freunde Mainfränkischer Kunst und Geschichte e.V. und Würzburger Diözesangeschichtsverein, Würzburg, 1974, 192 S.
Julius Echter von Mespelbrunn in Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Julius_Echter_von_Mespelbrunn
Julius Echter von Mespelbrunn im Würzburg-Wiki:
https://wuerzburgwiki.de/wiki/Julius_Echter_von_Mespelbrunn
Rainer Leng: Julius Echter von Mespelbrunn, Fürstbischof von Würzburg, hrsg. vom Mainfränkischen Museum, Würzburg 2013, ISBN 978-3-932461-35-4
Rainer Leng, Wolfgang Schneider, Stefanie Weidmann (Hrsg.): Julius Echter 1573-1617, der umstrittene Fürstbischof, eine Ausstellung nach 400 Jahren,  Quellen und Forschungen zur Geschichte von Bistum und Hochstift Würzburg, Echter Verlag, Würzburg 2017, ISBN 978-3429043261
Götz Freiherr von Pölnitz: Julius Echter von Mespelbrunn, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 10, Duncker & Humblot, Berlin 1974, ISBN 3-428-00191-5, S. 655 f. -
https://www.deutsche-biographie.de/gnd118528696.html#ndbcontent - https://daten.digitale-sammlungen.de/0001/bsb00016327/images/index.html?seite=669
Alfred Wendehorst (Bearb.): Das Bistum Würzburg 3: Die Bischofsreihe von 1455 bis 1617, Germania Sacra Neue Folge Nr. 13, De Gruyter, Berlin/New York 1978, ISBN: 978-3-11-007475-8 -
https://rep.adw-goe.de/handle/11858/00-001S-0000-0003-16E3-3 - https://rep.adw-goe.de/bitstream/handle/11858/00-001S-0000-0003-16E3-3/NF%2013%20Wendehorst%20W%c3%bcrzb.%20Bfsreihe%201455%e2%80%931617.pdf?sequence=1&isAllowed=y
Historische Darstellung der Wappenkombination Waldkirch/Roggwil:
https://www.peyersche-tobias-stimmer-stiftung.ch/.imaging/w0-h1500-70-c-jpg/dam/fc205eaf-9f94-4dda-82c6-7ace278d6f17/riss%20f%C3%BCr%20allianzwappenscheibe%20von%20waldkirch%20und%20von%20roggwil.tiff
Martin Leonhard: von Roggwil (Ministerialen), in: Historisches Lexikon der Schweiz, Version vom 05.01.2012. Online:
https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/020307/2012-01-05/
von Roggwil in Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Roggwil_(Adelsgeschlecht)
Grafen von Waldkirch auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Grafen_von_Waldkirch
Edmund von der Becke-Klüchtzner: Stamm-Tafeln des Adels des Großherzogthums Baden. Baden-Baden 1886. Tafel 517-519 -
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/beckekluechtzner1886/0517/image ff.
Dieser Treppenturm fehlt bei Schock-Werner
Ein herzliches Dankeschön an Herrn Peter Kolb für die Identifizierung der von Roggwil im dritten Wappen; ohne ihn hätte ich das nie herausbekommen.

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