Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 2739
Schmalkalden (Landkreis Schmalkalden-Meiningen, Thüringen)
Schloß Wilhelmsburg in Schmalkalden
Beschreibung
Das Schloß Wilhelmsburg liegt
auf dem Berg im Osten hoch über der Schmalkaldener Altstadt. Es
bildet eine leicht nach Südwesten gedrehte regelmäßige
Vierflügelanlage im Stil der Spätrenaissance mit vier
Treppentürmen in den vier Hofecken, jeder mit einem eigenen
wappengeschmückten Portal, und einem einzelnen, höheren
Glockenturm an der Südwestecke vor der Stirnseite der
Schloßkirche, die ansonsten nicht baulich nach außen in
Erscheinung tritt. Die Hauptachse mit den beiden Tordurchgängen
geht mittig durch den West- und den Ostflügel. Die Flügel sind
unterschiedlich tief; der breiteste Bau ist der Ostflügel, der
schmälste der Westflügel. Alle vier Flügel besitzen in ihrer
Mitte (vom Hof aus gesehen) innen und außen einen Zwerchgiebel.
Diejenigen des Nord- und Südflügels wirken daher auf der
Außenseite wegen der unterschiedlichen Breite von West- und
Ostflügel asymmetrisch positioniert. Der Innenhof ist mit 30 x
32 m fast quadratisch; der Außenbau mit 51 x 61 m rechteckig.
Die Schauseiten sind die zur Stadt gerichtete Westfassade und die
sich über dem Terrassengarten erhebende Südfassade. Die weniger
eleganten Seiten waren die im Norden und im Osten, hier liegen
die vorspringenden, bis zur Dachkante hinauf reichenden
Aborterker, je zwei pro Seite. Das Schloß ist weiß gestrichen
mit roter Eckquaderung, ebensolchen Fenstergewänden und
Portalen. Das entspricht historischem Befund und benutzt die
heraldischen Farben des landgräflichen Löwen.
Ansicht von Süden mit terrassiertem Garten
Westlich vorgelagert befindet sich der weitgehend aus Rasenflächen bestehende Schloßpark, der als Exerzierplatz bezeichnet wird. Von Südwesten her erfolgt der Aufstieg über die Straße Schloßberg, im Norden begleitet vom Torwächterhaus, im Süden von der Alten Kanzlei; nach Passieren eines kleinen Tores gelangt man von Süden her auf das Parkgelände. Das Tor besitzt eine schlichte Rundbogendurchfahrt zwischen zwei Pilastern und darüber unter einem unten offenen Dreiecksgiebel eine leere ovale Kartusche innerhalb einer breiten Beschlagwerkeinfassung. Südlich dieses Zugangs liegen die sogenannte Große Pfalz und die Kleine Pfalz, und hangabwärts liegen der Marstallhof und der ehemalige Marstall (siehe gesondertes Kapitel). Im Süden sind, von zwei Mauern begrenzt, mehrere Terrassen mit formalen Gartenanlagen im Stil der Renaissance angelegt. Diese Anlage endet auf dem Niveau der Stadthäuser an einem Schloßteich; früher stand südlich des Teiches die Meierei. Die westliche Begrenzungsmauer hat im Süden Anschluß an den Pulverturm. An der Ostseite des Terrassengartens befindet sich eine Treppe, und früher war hier eine Wasserkunst. Noch weiter im Osten jenseits der einstigen Wasserkunst erstreckt sich ein weitläufiger Obstgarten zwischen Schloßgartenstraße und Walrabstraße. Die Ostseite des Schlosses besitzt eine vorgelagerte Mauer mit mittigem polygonalem Turm (nach seiner Form Kristallturm genannt) zum Schloßküchenweg und zur Walrabstraße hin und bildet so einen vorgelagerten Zwinger. Die Nordseite des Schloßberges ist steil und mit ein paar Terrassenmauern unterteilt. Am Nordosteck der Anlage stehen das ehemalige Backhaus und das ehemalige Brauhaus. Im Brauhaus hat heute das Thüringische Forstamt Schmalkalden seinen Sitz. Der angrenzende ummauerte Bereich wird als Kaninchengarten bezeichnet, nordwestlich davon fällt das Gelände steil zu einem Spielplatz an der Künkelsgasse ab.
Blick entlang der Südseite, von Südosten aus gesehen
Der
Bauherr und der Hintergrund des Schloßbaus
Schloß Wilhelmsburg war ein
Schloß der Landgrafen von Hessen. Doch bis die Landgrafen hier
bauen konnten, gab es eine komplizierte Vorgeschichte. Das
thüringische Landgrafenhaus der Ludowinger, das ein immenses
Territorium im Bereich der heutigen Bundesländer Hessen und
Thüringen besaß, erlosch 1247 im Mannesstamm. Die hessischen
Gebiete konnte Sophie, die Tochter des Landgrafen Ludwig IV. von
Thüringen und der hl. Elisabeth, für ihren Sohn Heinrich
sichern. Die thüringischen Gebiete hinterließ Jutta, die
Schwester des Landgrafen Ludwig IV. von Thüringen, ihrem Sohn
aus erster Ehe, Markgraf Heinrich III. von Meißen. Aber sie
hatte auch noch einen Sohn aus zweiter Ehe, Graf Hermann I. von
Henneberg-Coburg (reg. 1245-1290), der ebenfalls Erbansprüche
hatte und mit einem kleinen Stück aus dem großen Kuchen
abgefunden wurde: Graf Hermann I. von Henneberg-Coburg erbte 1247
Schmalkalden zusammen mit der im 12. Jh. entstandenen Burg
Wallrab (andere Bezeichnungen: Wallraff, Waltaff, Walluf), die am
Westhang des Questenberges lag. 1291 gelangte Schmalkalden
mitsamt der ganzen Grafschaft Henneberg-Coburg an die askanischen
Markgrafen von Brandenburg, und diese verkauften das
hennebergische Erbe bis 1316 Stück für Stück an Berthold VII.
von Henneberg-Schleusingen. Er erneuerte die Burg in Schmalkalden
und baute den Ort aus: Er gründete das Augustinerkloster, er
richtete ein Hospital ein, und er gründete das Kollegiatstift
St. Egidius und Erhardus. In der Mitte des 14. Jh. kam es zu
einer erneuten Landesteilung in Henneberg-Schleusingen und
Henneberg-Coburg. Schmalkalden kam dabei an die Coburger Linie.
Die Schleusinger Linie wollte Schmalkalden zurückkaufen, aber
das Geld reichte nur für die Hälfte. Landgraf Heinrich II. von
Hessen kaufte die andere Hälfte.
Abb. links: Schloßturm im Südwesten. Abb. rechts: Kristallturm im Osten.
Schmalkalden war aufgrund eines Erbvertrages ab 1360 hälftig zwischen den Landgrafen und den Grafen von Henneberg-Schleusingen geteilt und wurde in Doppelherrschaft verwaltet. Die Herrschaft wurde im Sinne eines Kondominiums gemeinsam ausgeübt, aber die Stadt war geteilt. Wo heute das Schloß Wilhelmsburg steht, war früher die hennebergische Hälfte, weil die Teilungslinie in der Stadt entlang des Flusses Schmalkalde verlief. Die Henneberger besaßen von der Stadt den Teil rings um den Altmarkt; die Landgrafen besaßen den Teil rund um den Neumarkt, wo der Name des Hessenhofs noch daran erinnert. Aber die Burg war für beide Landesherren eine Nebenresidenz. Beide Parteien besaßen die Burg gemeinsam, und die große Kemenate wurde räumlich geteilt. Schmalkalden spielte unter Landgraf Philipp dem Großmütigen eine wichtige Rolle als Ort der Reformation, denn hier wurde 1525 der erste protestantische Geistliche eingesetzt, und hier wurde unter Führung Hessens und Kursachsens der Schmalkaldische Bund als antikaiserliches Verteidigungsbündnis gegründet. Insgesamt fanden hier 7 der insgesamt 26 Bundestagungen statt. Mit dieser Rolle der Stadt schwächte der Landgraf vor allem auch die politische Position der vorerst katholisch gebliebenen Henneberger, seiner ungeliebten Mit-Landesherren. Erst nach dem Aussterben der Henneberger am 27.12.1583 mit Georg Ernst bekam Hessen, nun nach internen Teilungen 1567 die Linie zu Kassel, aufgrund der Erbverträge auch die andere Hälfte mit dem Schloßberg und der Altstadt. Philipps Söhne hatten das Erbe in vier neue Linien aufgeteilt, Hessen-Darmstadt, Hessen-Kassel, Hessen-Marburg und Hessen-Rheinfels. Die beiden ersten Linien überlebten, die beiden anderen erloschen in erster Generation wieder.
Abb. links: Brunnen am Südflügel, Innenhofseite. Abb. rechts: eisenbeschlagene Torflügel.
Das anstelle einer mittelalterlichen Burganlage (Burg Wallrab) als Symbol der neuen Machtverhältnisse errichtete Schloß Wilhelmsburg ist benannt nach Wilhelm IV. von Hessen-Kassel (24.6.1532-25.8.1592), Philipps Sohn und Begründer der Linie Hessen-Kassel. Das Schloß ist einerseits nur eine hessische Nebenresidenz, aber andererseits ein bedeutendes Baudenkmal in einer konfessionsgeschichtlich bedeutsamen Stadt. Landgraf Wilhelm stand vor der Aufgabe, seinen Landesteil politisch und wirtschaftlich zu konsolidieren. Wegen der örtlichen Eisengewinnung und Eisenverarbeitung war Schmalkalden, obwohl territorial eine Exklave, wirtschaftlich wichtig für den Staat Hessen-Kassel. Die Bautätigkeit dieses Landgrafen ist geprägt von der Architektur des Festungsbaumeisters Graf Rochus von Lynar, den er 1575 in seine Dienste genommen hatte. Dieser stand ursprünglich in französischen Diensten, war dann für Kursachsen tätig, wo er Schloß Augustusburg vollendete, und dann für Kurbrandenburg, wo er in Berlin und Köpenick Schlösser baute. Graf von Lynar baute in Kassel bis 1580 die Befestigungsanlagen und 1593 das Zeughaus. Seine Konzepte waren auch für Schloß Rotenburg und Schloß Schmalkalden richtungsweisend. Wilhelm IV. sorgte auch für den Wiederaufbau des Kasseler Schlosses. Außerdem erneuerte bzw. erweiterte er die landesherrlichen Bauten in Homberg, Melsungen, Eschwege, Festung Ziegenhain, Burg Spangenberg etc., um seine Position als Landesherr zu festigen. Doch für Schmalkalden läßt sich kein Mitwirken des Grafen Lynar belegen. Es war vielmehr der Landgraf selbst, der den Entwurf aufgerissen hatte und mit seinen detaillierten Anweisungen letztlich die oberste Bauleitung innehatte.
Südflügel von Süden, links Schloßkirche mit Schloßturm. Die winzigen Fenster an der Eckquaderung verraten einen Aborterker.
Baugeschichte
von Schloß Wilhelmsburg
1584 begann man mit dem Abriß
der baufälligen Vorgängerbauten in Schmalkalden, was sich an
manchen Stellen bis 1587 hinzog. Die alte Burg hatte eigentlich
schon seit 1580 ausgedient, als der Landgraf am Neumarkt einen
repräsentativen und vor allem wohnlichen Hof aus Fachwerk hatte
errichten lassen. Zuerst fiel der alte Bergfried an der Stelle
der heutigen Nordwestecke. Auch das 1545 aufgelöste
Kollegiatstift unterhalb der Burg wurde abgerissen. Nur im Westen
und im Südwesten der Vierflügelanlage konnten alte Fundamente
und Mauern zweitverwendet werden. Im Glockenturm steckt unten
noch romanisches Mauerwerk. Auch die Kellergewölbe unter der
Schloßkirche und unter dem südlichen Bereich des Westflügels
sind deutlich ältere Bausubstanz. Der ganze Kristallturm an der
östlichen Zwingermauer ist noch mittelalterlich, und letztlich
waren es die beiden mitverwendeten mittelalterlichen Türme, die
die Ausrichtung der Hauptachse des neuen Schlosses festlegten.
Vom Baumaterial wurde natürlich verwendet, was sich noch
gebrauchen ließ, das beschleunigte den Baufortschritt. Notwendig
war auch die Abtragung des Abhanges der Queste, um das Gelände
zu nivellieren; der Abtrag wurde an anderer Stelle wieder
aufgeschüttet. Landgraf Wilhelm legte am 9.3.1585 den Grundstein
zum Neubau des Schlosses. Die Jungen der Stadt schlugen zum
Gedächtnis auf einen Stein und erhielten dafür Wein und ein
paar Münzen.
Der Neubau orientierte sich an den architektonischen Prinzipien seiner Zeit: Vierflügelanlage mit Innenhof, Etagenschichtung, Appartementkonzept, eckständige Wendelsteine im Hof. Einerseits fußt dieses Schloß auf dem in der Renaissance beliebten Kastelltyp, andererseits erlebt man hier die Abkehr von der Gestaltung mit Ecktürmen, vermutlich zur Kostenbegrenzung, und die Schaffung eines neuartigen und wegweisenden Gliederungsprinzips im Inneren, denn hier erfolgte weiterhin die Abkehr von hofseitigen Galerien oder Laubengängen zur Erschließung der Räume. Vielmehr gelangt man von den Treppentürmen in die Vorzimmer der Gemächer (Ecken) und der Säle (Mitte der Flügel). Die Eckgemächer verbinden quasi zwei Saaleinheiten, und die Vorzimmer waren zugleich Vorzimmer der Appartements und Durchgangszimmer zu den Sälen. Dadurch konnten die Galeriegänge, die sonstige Renaissanceschlösser hofseitig prägen, entfallen. Das war neu, das war gut, und das war innovativ. Und es gibt ein noch innovativeres Konzept: Bei den landgräflichen Gemächern im ersten Obergeschoß wird bereits die Arrangierung der Räume als Enfilade vorbereitet, ein Gestaltungsprinzip, das im Barock bestimmend wird. Mehrfach wurde das Konzept des Schlosses während der Ausführung verändert, z. B. war anfangs noch nicht entschieden, daß es eine Vierflügelanlage werden würde, doch das setzte sich dann doch durch, und erst sollten die vier polygonalen Treppentürme in zwei unterschiedlich große Paare differenziert werden, auch da setzte sich der Plan von vier gleichgestalteten Türmen letztlich durch. Und auch die landgräfliche Enfilade war eine fliegende Änderung im Fertigstellungsjahr.
Blick von Osten auf den Bogen-Schlußstein der westlichen Hofeinfahrt, Hofseite
Die Bauleitung vor Ort hatte der Hofschreiner und Baumeister Christoph Müller zusammen mit seinem Sohn Hans. Man begann Mitte 1585 zuerst mit dem Saalbau (Hofstube) und errichtete dann den Westflügel bis zum Südflügel. Am 15.10.1585 erging die Anweisung zur vorrangigen Pflasterung von Hofstube und Küche mit Steinplattenbelag. Ebenfalls noch 1585 wurden die vier Portale nach Zeichnungen des Baumeisters Hans Müller vom Bildhauer angefertigt, wahrscheinlich die der beiden Durchfahrten, jeweils innen und außen. Am 25.2.1586 begann man mit dem Südflügel: Brotteröder Bergleute erledigten die Erdabtragungsarbeiten. Am 29.6.1586 konnte Landgraf Wilhelm IV. seinen ersten Gästen das Schloß vorführen, darunter Herzog Ludwig von Sachsen-Weimar. So manches war aber noch Rohbau, so erteilte der Bauherr den Auftrag zu den Bildhauerarbeiten und den Galerien in der Schloßkapelle erst am 15.7.1586 an Wilhelm Vernuken, und den Auftrag zum Bau der Orgel am 22.12.1586 an Daniel Meyer. Die Orgel war bis 1589 fertiggestellt. Der Innenausbau zog sich auch noch etwas hin, 1586-1589 wurden das Kursächsische Gemach, das Vorzimmer zum Tafelgemach, das Württembergische Gemach und das Landgrafengemach eingerichtet. 1587 war der Innenausbau weitgehend fertiggestellt. Jost vom Hoff dekorierte 1588 noch die Kassettendecke im Festsaal. Und auch erst 1589 wurden die Tür- und Fensterrahmungen im landgräflichen Eckgemach fertiggestellt. Georg Cornet malte die Tafelbilder für die Schloßkapelle, diese konnte er am 25.3.1589 dem Bauherrn zur Begutachtung vorlegen. Er faßte 1590 die 1588 fertiggestellten Stukkaturen des Kirchengewölbes farbig und versah sie mit Vergoldung. 1590 wurden der Schloßhof und der Zuweg durch Meister Jost gepflastert, und am 11.4. des Jahres wurde der Knauf oben an dem als Kirchturm dienenden Schloßturm angebracht, mit 24 Pfund Gewicht. Der Bau war also bis 1590 weitgehend fertiggestellt, und in diesem Jahr wurde auch die Schloßkapelle am 23.5. (Christi Himmelfahrt) eingeweiht; die Predigt hielt M. Caspar Arcularis, der Pfarrer von Homberg. Dieser Zeitpunkt gilt als die Übergabe des Schlosses, auch wenn noch bis 1598 an der Ausgestaltung innen und bis 1620 am Bau der Außen- und Nebenanlagen gearbeitet wurde. Um 1590 entstand der Gefängnisturm. Dem architektonisch interessierten Landgrafen Wilhelm waren aber nur wenige Aufenthalte in seinem neuen Schloß vergönnt, mit dem er in Rekordzeit die alte Burg ersetzt hatte und dessen Bau er persönlich geleitet hatte. Er konnte hier noch seinen 60. Geburtstag feiern, und das war es.
Wappen (1) über der westlichen Hofeinfahrt, Innenhofseite, Totale
Das
landgräfliche Wappen und seine Inhalte
Das Wappen von Landgraf
Wilhelm IV. von Hessen-Kassel ist geviert mit
Herzschild: Feld
1: Grafschaft Katzenelnbogen, in Gold ein
hersehender roter Löwe, blau bewehrt und blau gekrönt, Feld 2: Grafschaft
Ziegenhain, schwarz-golden geteilt, oben ein silberner
sechsstrahliger Stern, Feld 3: Grafschaft Nidda,
schwarz-golden geteilt, oben zwei achtstrahlige silberne Sterne,
Feld 4: Grafschaft Diez, in Rot zwei goldene,
blau bewehrte schreitende Löwen (gelegentlich hersehend
dargestellt) übereinander, Herzschild: Landgrafschaft
Hessen (Stammwappen), in Blau ein silbern-rot mehrfach
geteilter aufrechter Löwe, golden gekrönt und golden bewehrt.
Wappen (1) über der westlichen Hofeinfahrt, Innenhofseite, Detail mit dem Schild
Landgraf Wilhelm IV. von Hessen-Kassel führt folgende 3 Helme: Helm 1 (Mitte): Landgrafschaft Hessen, auf dem gekrönten Helm mit rot-silbernen Decken zwei Büffelhörner, außen besteckt mit je 7 Lindenzweigen (auch als Kleestengel bezeichnet), das letzte in der Mündung der Büffelhörner, Helm 2 (rechts): Grafschaft Katzenelnbogen, auf dem gekrönten Helm mit rot-goldenen Decken ein schwarzer Flug, beiderseits belegt mit einer wie das entsprechende Feld tingierten Scheibe, Helm 3 (links): Grafschaft Ziegenhain, auf dem Helm mit schwarz-goldenen Decken ein wachsender Ziegenrumpf zwischen einem wie das entsprechende Feld tingierten und mit je einem silbernen sechsstrahligen Stern belegten Flug (auch als ein geflügelter schwarz-gold geteilter Ziegenbock beschrieben).
Wappen (1) über der westlichen Hofeinfahrt, Innenhofseite, Detail mit den Kleinoden
Genealogie
der Besitzer von Schmalkalden bis zum Bauherrn:
(über Schmalkalden regierende
Landgrafen, Bauherr
des Schlosses, wichtige Ereignisse, Wappenfundstellen)
Blick von Westen auf die östliche Hofeinfahrt im Ostflügel
Genealogie
der Besitzer von Schmalkalden ab dem Bauherrn:
(über Schmalkalden regierende
Landgrafen, Bauherr
des Schlosses, wichtige Ereignisse, Wappenfundstellen)
Abb. links: Blick von Nordwesten auf die östliche Hofeinfahrt. Abb. rechts: Blick von Westen nach Osten durch den ganzen Hof.
Schicksal
von Schloß Wilhelmsburg nach Wilhelm IV.
Wilhelms Sohn, Moritz
Landgraf von Hessen-Kassel (25.5.1572-15.3.1632),
vollendete das Schloß. Er hatte letztlich mehr von dem Schloß
als sein Vater. Unter ihm wurden bis 1627 die Außenanlagen
fertiggestellt, ebenso die künstlerische Innenausstattung. Um
1600 wurde das Torwächterhaus errichtet. Um 1602 erfolgte unter
Landgraf Moritz die Gestaltung des terrassierten Lust- und
Nutzgartens, auch ließ er einige Schloßräume verändern. Die
Kanzlei entstand 1604. 1609 erbaute er das Backhaus in der Nähe
des um 1600 angelegten Kaninchengartens. 1609 wurden die
Portraits im Schloß durch den Maler Martin Peter erneuert. 1610
entstanden das Brauhaus und die sogenannte Pfalz. 1619 fanden
durch Wilhelm Georg Cornet Malerarbeiten in der Tafelstube statt.
Landgraf Moritz positionierte sich religiös etwas anders als
sein Vater, er wandte sich von der lutherischen Lehre ab und
führte 1605 das reformierte Bekenntnis ein. Hessen war damit zeitweise
konfessionell gespalten, was im Vorfeld des Dreißigjährigen
Krieges eine komplexe Ausgangslage schuf. 1627 wurde Landgraf
Moritz zur Abdankung gezwungen. Hessen-Kassel war bereits 1626
wirtschaftlich so bankrott, daß es in die Pfandherrschaft von
Hessen-Darmstadt geraten war, aus der es sich erst 1646 befreien
konnte. Die Umfassungsmauer des Schlosses wurde 1630 ausgebaut,
dabei wurde der sogenannte Exerzierplatz aufgeschüttet. Das
Schloß wurde, obwohl keinesfalls zur Verteidigung geplant, im
Dreißigjährigen Krieg zum Militärquartier. Rings um das
Schloß wurde eine Palisade errichtet, und in den Mauern wurden
Wehrgänge und Schießscharten angelegt, alles wurde nachher
wieder beseitigt. 1670 wurde die südliche Mauer noch einmal
repariert.
Löwenmaske auf dem innenhofseitigen Schlußstein der östlichen Toreinfahrt
Schloß Wilhelmsburg war 1677-1683 Witwensitz der Landgräfin Hedwig Sophie (führte 1663-1677 eine Vormundschaftsregierung für ihre Söhne). Sie ließ im Schloß einige Renovierungsarbeiten durchführen, darunter die Ledertapete im Tafelgemach und im Württembergischen Gemach, außerdem die Malereien im Vorraum zum Pfälzischen Gemach. Sie richtete sich das Brandenburgische Gemach und das Pfälzische Gemach wohnlich nach ihrem Geschmack her, also die östliche Hälfte des Südflügels. In dieser Zeit fanden außerdem Arbeiten am Terrassengarten und an der Wasserkunst entlang der östlichen Treppe statt. Heute ist sie nur noch in Teilen nachvollziehbar; eine einst dazu gehörende Muschel und zwei Delphine werden im Schloßmuseum ausgestellt. Die Terrassenmauern verschwanden ab dem 18. Jh., die Gartenanlagen wurden später vernachlässigt und parzelliert. Für den Sohn von Hedwig Sophie, Carl Landgraf von Hessen-Kassel (3.8.1654-23.3.1730), war Schmalkalden eine Nebenresidenz.
Büste Wilhelms IV. über der östlichen Hofeinfahrt, Innenhofseite - genau gegenüber seinem Wappen
Bis 1866 blieb Hessen-Kassel, ab 1803/1815 in Form des Kurfürstentums Hessen, Besitzer von Schmalkalden, auch wenn das Interesse an dem Schloß meistens eher gering ausgeprägt war und vielmehr Kassel prächtig als Residenzstadt ausgebaut wurde. 1807-1813 stand während der Herrschaft des Königs von Westfalen, Jérôme Bonaparte, mehrfach Inventar des Schlosses zum Verkauf. Das Schloß selbst wurde auch zum Verkauf angeboten. Die Herrschaft endete durch Annexion der Mutterlandgrafschaft Hessen-Kassel durch Preußen. 1806-1815 diente das Schloß während der napoléonischen Zeit wiederholt als Kriegsgefangenenlager und 1813-1815 als Lazarett. Dadurch ging es ganz bergab mit dem Schloß, dessen Inventar nach 1820 aufgelöst wurde. Mittlerweile war es so heruntergekommen, daß die Landgrafen kein Interesse an einer Wiederherstellung hatten. Das letzte Inventar war versteigert und wegen Seuchengefahr auch teilweise verbrannt worden. Mehrere Öfen, Türen und Fenster wurden geklaut. Nur fünf originale gußeiserne Öfen sind noch vorhanden. Alle Fußböden wurden vernichtet. Statt dessen wurden im Schloß Wohnungen und 1820 Diensträume für hessische Beamte eingerichtet; bei diesem Umbau wurde auch das gesamte schadhafte Dachgeschoß mit den meisten der Zwerchgiebel abgerissen, so daß die heutige Außenansicht nur ein Bruchteil der ursprünglichen Dachlandschaft wiedergibt und die originale Silhouette seitdem verloren ist. Die Dachsparren hatten angefaulte Füße, deswegen wurde das gesamte Dach tiefer gesetzt. Auch die acht verbliebenen Giebel sind niedriger als vorher. Sie wurden auch ihrer einstigen Ornamentik beraubt und sind daher nüchterner als früher. Die eckständigen Treppentürme besaßen früher welsche Hauben, auch diese wurden entfernt und durch die gegenwärtigen flachen Pyramidendächer ersetzt. Nur am Dach des Glockenturmes sieht man, wie einmal alle Türme ausgesehen haben könnten.
Untere Abschnitte der Säulenschäfte an der östlichen Toreinfahrt, Details
Trotz all dieser Veränderungen ist Schloß Wilhelmsburg insbesondere mit seinem Raumdekor eines der eindrucksvollsten Renaissanceschlösser geblieben. Im Jahre 1878 wurde durch den Verein für Hennebergische Geschichte und Landeskunde das Museum gegründet, und in diese Zeit sind erste Initiativen zur Erhaltung der Anlage zu datieren. Zeitweise überlegte man die Umwandlung des Schlosses in ein Landratsamt oder in ein Kriegsinvalidenheim, zum Glück wurde das verhindert. 1927 begann man mit der ersten Restaurierung, aber erst 1963 begann man mit der systematischen und kontinuierlichen Restaurierung. 1994 wurde das Schloß mit seinem Gelände von der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten übernommen. Im Museum befinden sich Dauerausstellungen zur Baugeschichte und zur Residenzkultur der Renaissance. Wegen der besonderen Rolle des Schmalkaldischen Bundes für die Geschichte des Protestantismus ist auch die Reformationsgeschichte Thema der Ausstellung. 2004 begann man mit der Dachsanierung des Schlosses. 2013-2015 wurde der Terrassengarten in seine alte Form gebracht. Die Terrassenmauern des Gartens wurden 2014 wiederhergestellt. Auch die historische Obstkultur mit einer großen Sortenvielfalt wurde im benachbarten Obstgarten der ursprünglichen Anlage nachempfunden. Restaurierungsmaßnahmen sind im Außen- und Innenbereich fortlaufend im Gange. Zum Zeitpunkt des Besuchs war der Westflügel eingerüstet, und auch im Inneren fanden Arbeiten statt.
Abb. links: Blick von Nordosten in die Südwestecke des Innenhofes während der Renovierung des Westflügels (Ecke 2). Die vier Treppentürme sind gleichwertig gestaltet. Alle vier Portale besitzen unterschiedlichen Dekor. Abb. rechts: Treppenturm in der Südwestecke des Innenhofes mit Portal und Wappen (2).
Wappen (2) über dem Portal des Treppenturmes in der Südwestecke des Innenhofes, Totale
Wappen (2) über dem Portal des Treppenturmes in der Südwestecke des Innenhofes, Detail
Innenaufteilung
von Schloß Wilhelmsburg: Erdgeschoß
Im Erdgeschoß liegen die
Regierungs-, Verwaltungs- und Wirtschaftsbereiche. Die beiden
größten Räume liegen diagonal einander gegenüber: Der ganze
östliche Teil des Nordflügels, 3/4 der Länge, wird von der
Hofstube eingenommen; sie war 1587 eine Saalstube, 1626 der
Gesindesaal, im 18. Jh. der Gardesaal. Heute ist die Hofstube
Ausstellungsfläche. Der Raum nimmt die ganze Breite des Flügels
ein; die Balkendecke wird von fünf Säulen getragen; zwei große
Bögen teilen den Raum in zwei verschieden große Abschnitte.
Hier versammelte sich der Hofstaat Wilhelms, und hier speiste
ersterer. Der westliche Teil des Südflügels bildet das
Erdgeschoß der Schloßkirche. Beide Räume besitzen ihr eigenes
Portal und werden nicht über die Treppentürme erschlossen. Von
den Treppentürmen aus erreicht man aber die Räume des
Burggrafen und die Lichtkammer im Südteil des Westflügels, die
Badestube im Nordteil des Westflügels und das Landgrafengemach
im westlichen Viertel des Nordflügels, 1587 als Gemach bei der
Badstube bezeichnet und 1626 als Sommergemach. Es besteht aus
vier Räumen, dem Zimmer des Landgrafen im Eck, dem
Empfangszimmer neben dem Durchgang zur Badstube, dem Neben- und
dem Vorzimmer. Das ist insofern interessant, als die
herrschaftlichen Räume bis dahin grundsätzlich im Obergeschoß
lagen, aber hier folgte man offensichtlich einerseits praktischen
Erwägungen mit der Nähe zur Badestube und zur Hofstube,
andererseits dem Vorbild von Schloß Augustusburg, das kurz zuvor
erbaut worden war und wo ebenfalls herrschaftliche Räume im
Erdgeschoß lagen. Jedenfalls konnte der Landgraf hier leicht in
die Hofstube treten und im durch die Bögen abgetrennten
westlichen Bereich Platz nehmen. Die Teile des Ostflügels
beiderseits der östlichen Tordurchfahrt und der restliche Teil
des Südflügels, der nicht von der Kirche eingenommen wird,
beherbergt den Küchentrakt, wobei die zentrale Küche mit dem
großen, nach vier Seiten offenen Rauchabzug über der zentralen
Feuerstelle im Südosten östlich des eckständigen Treppenturmes
liegt, die sogenannte Herrenküche für die landgräfliche
Familie und ihre Gäste. Die beiden anderen Küchen waren die
Kavaliersküche und die Burggrafenküche; diese Aufteilung
entsprach der gesellschaftlichen Unterteilung des Hofstaates.
Ergänzt wurde der Küchentrakt durch außerhalb des Schlosses
liegende Gebäude wie Schlachthaus, Brauhaus, Backhaus und
Meierei.
Innenaufteilung
von Schloß Wilhelmsburg: Zwischengeschoß
Ein Zwischengeschoß bringt
zusätzliche Räume unter: Über den meisten Räumen des
Küchentrakts (nicht über der Herrenküche) liegen noch zur
Küche gehörende Arbeitsräume und Zimmer für die Bediensteten.
Die Schloßkirche besitzt ein eigenes Zwischengeschoß mit der
ersten Empore. Sie stellt aufgrund ihrer besonderen Architektur
einen Meilenstein in der Entwicklung des evangelischen
Kirchenbaus dar: In einer Achse sind übereinander Altar, Kanzel
und Orgel angeordnet. Es gibt zwei auf drei Seiten umlaufende
Emporen, die sich mit reich verzierten Arkaden zum Schiff hin
öffnen, die erste Empore auf Höhe des halbrund
vorspringenden Kanzelkorbes. Die Orgelempore entspricht der
Fortsetzung der oberen Empore auf der westlichen Stirnseite. Die
Arkaden der oberen Empore enden direkt unter den Gewölbekappen
der flachen Kreuzgratdecke. So entsteht ein hoher Mittelraum, der
auf den Längsseiten von je drei Arkaden auf drei Ebenen umgeben
ist, die unteren offen, die beiden oberen mit hölzernen
Brüstungen. Die ganze Decke ist mit Ornamentik überzogen;
Stuckmedaillons zeigen Brustbilder von Personen, bemalte
Pflanzenstengel kontrastieren mit weiß gefaßtem Beschlagwerk.
Die Rippen sind bunt von der weißen Hintergrundornamentik
abgesetzt. Über den Räumen des Burggrafen liegen Schlafkammern.
Über der Badstube liegen die Räume des Hofmarschalls, in
direkter Nähe zu dem landgräflichen Sommerappartement, dessen
Räume höher sind und kein Zwischengeschoß darüber besitzen.
Auch über der Hofstube ist kein weiterer Platz. Diese ganzen
Zwischenräume dienten also der Unterbringung von Inventar und
Wirtschaftsgütern einerseits und Bediensteten andererseits.
Abb. links: Blick von Südosten in die Nordwestecke des Innenhofes während der Renovierung des Westflügels (Ecke 3). Abb. rechts: Treppenturm in der Nordwestecke des Innenhofes mit Portal und Wappen (3).
Wappen (3) über dem Portal des Treppenturmes in der Nordwestecke des Innenhofes (Museumseingang), Totale
Wappen (3) über dem Portal des Treppenturmes in der Nordwestecke des Innenhofes, Detail
Innenaufteilung
von Schloß Wilhelmsburg: Hauptgeschoß
Das Hauptgeschoß ist das
erste Obergeschoß. Hier lagen der Wohnbereich, die Festsäle und
die Repräsentationsräume des Landgrafen. In der Mitte des
Ostflügels liegt der Fest- und Tanzsaal mit einem Vorsaal im
Norden und zwei Vorsälen im Süden. Der Festsaal wird auch als
Riesensaal bezeichnet. Der Ostflügel schließt im Süden mit den
zwei Zimmern des Pfälzischen Gemachs ab (eigentliches Zimmer und
Vorzimmer). Der Zwischenraum bis zur dritten Ebene der
Schloßkirche wird von dem aus drei Räumen bestehenden
Brandenburgischen Gemach und dem Weißen Saal eingenommen. Auf
dieser Ebene liegt der Zugang zur Fürstenloge der Schloßkirche.
Der Herrschaftsstand liegt auf deren Ostseite gegenüber der
Kanzel. Der schmale Westflügel enthält auf dieser Ebene den aus
vier Räumen bestehenden Trakt des fürstlichen Gemachs
(Vorzimmer, Zimmer, Schlafzimmer und Nebenzimmer). Ursprünglich
war hier ein Saal vorgesehen, doch noch zu Lebzeiten des Bauherrn
Wilhelm IV. baute man 1590 eine Trennwand ein und durchbrach
damit die ursprüngliche Ringerschließung, indem das hier zum
landgräflichen Privatbereich anstelle eines allgemein
zugänglichen Saales erklärt wurde. Man kann das nachvollziehen,
weil das die schönsten Zimmer mit Blick auf die Stadt waren.
Umgekehrt wurde durch die Abfolge linear aufeinander folgender
Räume mit einer Reihe mittiger Durchgänge die Enfilade
vorbereitet, die im Barock zum vorherrschenden Gestaltungsprinzip
herrschaftlicher Raumfluchten wurde. Das ursprüngliche
landgräfliche Gemach im Erdgeschoß diente seitdem nur noch als
Sommergemach.
Im Nordwesteck folgt das aus vier Räumen bestehende Rot-weiße Eckgemach, das auch Hessisches Gemach genannt wird. Diese Zimmer bewohnte die Landgräfin. In der Innenaufteilung dominiert das Quadrat als Grundform der meisten Appartements, am augenfälligsten in den Eck-Appartements. Das beste Zimmer, das beheizt wurde und den eigentlichen Wohnzwecken diente, liegt möglichst im Eck und hat dann Fenster zu zwei Seiten. In der Mitte des Nordflügels liegen das über die ganze Breite gehende Eßzimmer (Tafelgemach, Eßsaal) und das aus drei Räumen bestehende Württembergische Gemach (typischer Aufbau: Vorzimmer für die höfische Aufwartung, beheizbares Zimmer zum Wohnen, unbeheiztes Nebenzimmer als Schlafraum, von dort Zugang zum Aborterker). Die Nordostecke bildet das aus vier Zimmern bestehende Sächsische Gemach (Vorzimmer, Zimmer, Nebenzimmer). Die Namengebung entsprach dem Selbstverständnis der Landgrafen als selbstverständlicher Teil der wichtigsten protestantischen Reichsfürsten, auch wenn durch die Landesteilung die tatsächliche Bedeutung der Landgrafen etwas gelitten hatte. Das gestalterische Farbschema orientierte sich an den Landesfarben der jeweiligen Fürsten. Innen sind noch sehr viele Räume mit originaler Ausstattung versehen. Im Festsaal und in vielen anderen Räumen sieht man Malereien an Wänden und Decken. Manieristische Stukkaturen aus der Erbauungszeit sind in der Kapelle und im benachbarten Weißen Saal erhalten. Die vollständig erhaltenen Stukkaturen und Wandmalereien der herrschaftlichen Räume, die dem hohen Repräsentationsanspruch der hessischen Landgrafen entsprechend aufwendig ausgeführt sind, machen dieses Schloß kunsthistorisch besonders wertvoll.
Interessant ist auch die vertikale Betrachtung: Die Gemächer von Landgraf und Landgräfin lagen übereinander und bildeten quasi einen Eckpfosten weltlicher Macht, wie die durch beide Geschosse samt Zwischengeschoß reichende Schloßkirche den Eckpfosten geistlicher Macht bildete. Beide prägten zusammen die Ansicht des Schlosses von der Stadt aus. Auch die Hofstube und die Tafelstube lagen cum grano salis übereinander. Wo es möglich war, ergänzte dieses vertikale Ordnungsprinzip das horizontale Ordnungsprinzip der Geschosse.
Blick von Südwesten in die Nordostecke des Innenhofes (Ecke 4)
Treppenturm in der Nordostecke des Innenhofes mit Portal und Wappen (4)
Wappen (4) über dem Portal des Treppenturmes in der Nordostecke des Innenhofes, Totale
Wappen (4) über dem Portal des Treppenturmes in der Nordostecke des Innenhofes, Detail
Wappen (4) über dem Portal des Treppenturmes in der Nordostecke des Innenhofes, Detail
Innenaufteilung
von Schloß Wilhelmsburg: Dachgeschoß
Das zweite Obergeschoß war
früher ganz anders als heute. Ursprünglich war die
Dachlandschaft lebendiger mit zwei zusätzlichen Giebeln an jeder
Ecke außer an der Stelle des Schloßturmes; das Schloß hatte
also mindestens zum Hof hin vier volutengeschmückte Zwerchgiebel
und nach außen mindestens elf Zwerchgiebel. Zwischen den großen
Giebeln gab es vermutlich noch mehrere kleinere, über deren
genaue Lage wir nichts mehr sagen können. Aber ein historischer
Kostenvoranschlag unterscheidet 10 große, 2 mittlere und 3
kleine Giebel. Die Gesamtzahl ist zwar gleich, doch die
Unterscheidung in drei Größen läßt eine lebhaftere
Dachlandschaft vermuten. Durch diese Wohnflächenerweiterung
konnte man auf der Dachebene noch Familienangehörige und
Hofstaat unterbringen. Die besten Bereiche waren die in den Ecken
mit den zwei nach außen gerichteten Giebeln, im Nordwesten das
Landgraf-Ludwig-Gemach, im Südwesten das Eckgemach über der
Kapelle, im Südosten das Eckgemach nach der Stille und im
Nordosten das Eckgemach nach dem Berg und Brunnen, so nach einem
Grundriß von 1790 bezeichnet. In der Mitte mit je einem Giebel
nach außen und zum Hof lagen im Westen die Kanzlei über dem
fürstlichen Gemach, im Norden das Mittelgemach über dem
Eßsaal, im Osten das Mittelgemach über dem Tanzsaal und im
Süden das Mittelgemach neben der Kapelle. Alle vier Eckgemächer
waren über die Treppentürme zugänglich. Die niedrigen Zonen
zwischen den Giebeln waren durch Durchgänge und
unterprivilegierte Kammern ausgefüllt. Als um 1820 das Dach
umgebaut wurde, entfernte man alle Zwerchgiebel an den
Schloßecken. Dabei wurde auch das ganze ursprüngliche
Dachgeschoß abgerissen, so daß heute dort nichts mehr das
ursprüngliche Layout widerspiegelt. Nur das Weiße Zimmer, über
dem Weißen Saal gelegen, hat sich erhalten, samt der
Stuckausstattung. Es ist das einzige der einst acht
repräsentativ gestalteten Gemächer auf dieser Ebene.
Blick von Nordwesten in die Südostecke des Innenhofes (Ecke 5)
Treppenturm in der Südostecke des Innenhofes mit Portal und Wappen (5)
Wappen (5) über dem Portal des Treppenturmes in der Südostecke des Innenhofes, Totale
Wappen (5) über dem Portal des Treppenturmes in der Südostecke des Innenhofes, Detail
Wappen (5) über dem Portal des Treppenturmes in der Südostecke des Innenhofes, Detail
Heraldik
im Inneren des Schlosses
Im Innern des Schlosses ist
weitere Heraldik zu finden, wobei das landgräflich-hessische
Wappen wie beschrieben auch die Innenausstattung dominiert: Ein
landgräflcher Schild ist farbig gefaßt im Deckenstuck des
Weißen Saales angebracht, gehalten von zwei Engeln (Abb. unten
links). Kleine Ungenauigkeit: Hier werden sechsstrahlige statt
achtstrahlige Sterne dargestellt. Ein Detail im Stuck (Abb. unten
rechts) ist ebenfalls heraldisch, wenn auch erst auf den zweiten
Blick: ein vergoldeter Greif steht einem ebensolchen Löwen
gegenüber - eine Anspielung auf die Wappentiere Hessens
und Württembergs für Landgraf Wilhelm
und seine verstorbene Frau, Sabina von Württemberg
(2.7.1549-17.8.1581). Auch die angebrachten Initialen verweisen
auf das Paar.
Mehrere gußeiserne Öfen in den Räumen tragen das Vollwappen von Landgraf Wilhelm auf der Vorderseite, am ersten Ofen (Abb. unten) in einem Beschlagwerkrahmen mit zwei seitlichen Rollwerkelementen, ergänzt um eine Inschriftenkartusche, die "WILHELM VON GOTTES GNADEN LANDTGRAVE ZV HESSEN ANNO" (sic, ohne Jahr) nennt.
An einem zweiten Ofen ist das landgräfliche Vollwappen ohne aufwendigen Rahmen gegossen worden und mit einer Kurzbezeichnung auf der Inschriftenkartusche "W L Z H" für Wilhelm Landgraf zu Hessen versehen (Abb. unten).
Und ein dritter Ofen (Abb. unten) im Tafelzimmer, der am aufwendigsten konstruierte von allen, verwendet wieder einen Schmuckrahmen um das landgräfliche Wappen und beide Arten von Schriftkartuschen übereinander.
Das beste und schönste landgräfliche Wappen befindet sich auf dem reichgeschmückten Kaminmantel im großen Festsaal im Ostflügel; das farbige Vollwappen ist in ein riesiges, freistehendes Ornament mit einer Löwenmaske am unteren Übergang eingefügt (Abb. unten), rechts von der Tür mit dem darüber gemalten Portrait von Landgraf Wilhelm. Ein weiteres Vollwappen ist über die südliche Tür des Festsaals gemalt (ohne Abb.), mit zwei Löwen als Kartuschenhalter, gegenüber dem Kamin.
Ganz aus der Reihe fällt ein Wappenpaar auf einem der Exponate des Schloßmuseums, einem hölzernen Betthaupt mit zwei Wappen als Intarsienarbeit: Die beiden Wappen stehen für die gefürstete Grafschaft Henneberg-Schleusingen und das Herzogtum Braunschweig-Lüneburg. Die betreffenden Personen sind Poppo XII. Graf von Henneberg (20.9.1513-4.3.1574) und seine zweite Frau, die er am 22.6.1562 in Schleusingen geheiratet hatte, Sophie von Braunschweig-Lüneburg (18.6.1541-17.1.1631).
Graf Poppo hatte einen bemerkenswerten Lebenslauf, machte zuerst eine geistliche Karriere, war Domherr zu Würzburg, Bamberg, Köln, Kanoniker in Mainz und Straßburg, Domdekan in Straßburg, Archidiakon in Bamberg. Doch er resignierte von allen Pfründen, heiratete zweimal. Außerdem lieferte er sich noch als Kapitular 1541 wegen eines bei Gerbrunn geschossenen Hasen ein aufsehenerregendes Duell mit dem Würzburger Domherrn Philipp von Hohenlohe, an dessen Folgen letzterer starb. Sophie war die Tochter von Ernst I. Herzog von Braunschweig-Lüneburg-Celle (1497-11.1.1546) und Sophie von Mecklenburg-Schwerin (12.4.1508-17.6.1571). Die stark abgekürzten Initialen über den Wappen lauten: "V(on) G(ottes) G(naden) BOPPO F(ürst) V(on) H(enneberg) z(u) H(enneberg) - SOPHIA G(eborene) H(erzogin) Z(u) B(raunschweig) V(nd) L(üneburg) F(rau) V(nd) F(ürstin) Z(u) H(enneberg)".
Das Wappen der Grafen von Henneberg-Schleusingen ist geviert, Feld 1 und 4: geteilt, oben in Gold ein aus der Teilung wachsender schwarzer Doppeladler, unten in zwei Reihen silbern-rot geschacht, Feld 2 und 3: in Gold auf grünem Dreiberg einwärts eine schwarze Henne mit rotem Kamm und ebensolchem Kehllappen. Das Wappen der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg ist geviert, Feld 1: in Rot zwei goldene, schreitende, hersehende Löwen (Fürstentum Braunschweig), Feld 2: in goldenem, mit roten Herzen bestreutem Feld ein rotbewehrter und rotgezungter blauer Löwe (Fürstentum Lüneburg), Feld 3: in Blau ein silberner Löwe, golden gekrönt, rot bewehrt und rot gezungt (Grafschaft Everstein), Feld 4: innerhalb eines blau-silbern gestückten Bordes in Rot ein goldener Löwe, blau bewehrt und ebenso gezungt (Herrschaft Homburg). Das Betthaupt ist mit ebenfalls als Einlegearbeit ausgeführten Ziffern auf das Jahr 1578 datiert. Über die Bedeutung der abgekürzten Lettern "GGMH" kann nur spekuliert werden; eine mögliche und zu diesem evangelischen Fürsten passende Interpretation wäre "Gott gebe mir Halt" oder "Gott gebe mir Hoffnung".
Ein weiteres Exponat zeigt ein im asymmetrisch gespaltenen und von einer Knotenschnur (ein hübsches Beispiel für sogenannte Liebesseile) umgebenen Schild untergebrachtes Allianzwappen, dasjenige von Wilhelm VI. Landgraf von Hessen-Kassel (23.5.1629-16.7.1663) und seiner Gemahlin, Hedwig Sophia Markgräfin von Brandenburg (4.7.1623-16.6.1683). Wilhelm wurde 1637 Landgraf, regierte ab 1650 selbständig, schloß am 14.4.1648 einen Vertrag mit Hessen-Darmstadt: Erwerb der niederen Grafschaft Katzenelnbogen, Schmalkalden, Umstadt und eines Teils von Ober-Hessen mit Marburg, durch den westfälischen Frieden 1648 Erwerb von Hersfeld. Das Wappen des Ehemanns zeigt eine Form des landgräflichen Schildes, wie sie von Hessen-Kassel ab 1642/1659 bis 1736 geführt wurde, mit den neu hinzugekommenen Feldern für die ehemalige Abtei und das neue Fürstentum Hersfeld (in Silber ein rotes Patriarchenkreuz) und die Grafschaft Schaumburg (in Rot ein silbernes genageltes Nesselblatt, belegt mit einem silbern-rot geteilten Schildchen). Das Wappen der Ehefrau hat 26 Felder und ist eines der umfangreichsten brandenburgischen Wappenformen. Es sind so viele Felder, daß zur angemessenen Unterbringung all der vielen Inhalte die eigentlich mittig vertikal anzusetzende Trennung des Allianzwappens in eine Hälfte des Ehemannes und eine Hälfte der Ehefrau weit nach rechts verschoben werden mußte, auf Kosten des Ehemannes.
Im Detail ist das Wappen von Hedwig Sophia Markgräfin von Brandenburg (4.7.1623-16.6.1683) wie folgt aufgebaut und überwiegend richtig tingiert, allerdings mit ein paar zu erwähnenden farblichen Aberrationen: Viermal geteilt, Reihe 1 sechsmal gespalten, von optisch links nach rechts: Feld 1: Burggrafentum Nürnberg: innerhalb eines silbern-rot gestückten Bordes in Gold ein schwarzer doppelschwänziger Löwe, rot gekrönt und bewehrt, Feld 2: Herzogtum Kleve: in Rot mit silbernem Schildchen ein goldenes Glevenrad, Feld 3: Herzogtum Preußen: in Silber ein schwarzer, goldgekrönter und ebenso bewehrter Adler, die Saxen mit goldenen Kleestengeln belegt, Feld 4: Markgrafschaft Brandenburg: in Silber ein roter Adler, auf den Saxen belegt mit Kleestengeln, Feld 5: Herzogtum Magdeburg: rot-silbern (nicht rot-golden wie hier) geteilt, Feld 6: Herzogtum Jülich: in Gold (nicht Silber wie hier) ein schwarzer Löwe, Feld 7: Herzogtum Berg: in Silber ein roter Löwe, Reihe 2: viermal gespalten, von optisch links nach rechts: Feld 8: Herzogtum Wenden: in Silber ein von Rot und Grün sechsmal schräglinksgeteilter Greif, Feld 9: Herzogtum Pommern: in Silber ein roter, golden bewehrter Greif, Feld 10: Herzogtum Stettin: in Blau ein roter Greif, Feld 11: Herzogtum Kassuben (Cassuben, Kaschubei): in Gold (nicht Silber wie hier) ein schwarzer Greif, Feld 12: Grafschaft Ravensberg: in Silber drei rote Sparren, Reihe 3 fünfmal gespalten, von optisch links nach rechts: Feld 13: Fürstentum Minden: in Rot zwei schräggekreuzte aufrechte silberne Schlüssel, mit den Bärten nach auswärts gekehrt, Feld 14: Anspruch auf das Herzogtum Schlesien, Herzogtum Crossen (Krossen): in Gold (nicht Silber wie hier) ein schwarzer Adler, goldenbewehrt, eigentlich noch belegt mit einer silbernen Mondsichel, deren konkave Seite mit einem silbernen Tatzenkreuzchen besteckt ist, Feld 15: Herrschaft Stargard: in Silber ein von Grün und Rot dreimal schräglinks geteilter Greif (hier Teilungen abweichend gerade), Feld 16: Herzogtum Jägerndorf, Schlesien: in Gold (nicht silbern wie hier) ein schwarzer Adler, auf der Brust eigentlich noch belegt mit einem goldenen Hifthorn, Feld 17: Fürstentum Halberstadt: silbern-rot gespalten (hier falsch andersherum), Feld 18: Grafschaft Mark: in Gold ein in drei Reihen silbern-rot geschachter Balken (hier falsch schräg), Reihe 4 sechsmal gespalten, von optisch links nach rechts: Feld 19: Herrschaft Ruppin: in Rot ein silberner Adler, Feld 20: Grafschaft Gützkow: in Gold zwei schräggekreuzte rote Äste, bewinkelt von vier roten Rosen, Feld 21: Herrschaft Barth: in Gold (nicht Silber wie hier) ein schwarzer Greif mit mehreren silbernen Federn, Feld 22: Fürstentum Camin (Kammin, Kamin): in Rot ein silbernes Ankerkreuz, Feld 23: Herrschaft Usedom: in Rot ein silberner (nicht schwarzer wie hier) See-Greif, Feld 24: Herzogtum Wolgast: geteilt, oben in Rot ein aus der Teilung wachsender, silberner Greif, unten blau-golden geschacht, Feld 25: Stammwappen Hohenzollern: silbern-schwarz geviert, Reihe 5 = Schildfuß: Regalien, ein lediges rotes Feld, drückt besondere landesherrliche Rechte aus.
Literatur,
Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@50.7229761,10.4553826,18.75z - https://www.google.de/maps/@50.7231801,10.4557934,197m/data=!3m1!1e3
Vor Ort am Schloß und im Museum aufgestellte Informationstafeln
Webseite der Thüringer Schlösser: www.thueringerschloesser.de
Schloß Wilhelmsburg auf der Webseite der Thüringer Schlösser: https://www.thueringerschloesser.de/objekt/schloss-wilhelmsburg-schmalkalden/
Webseite des Museums Schloß Wilhelmsburg: http://www.museumwilhelmsburg.de/
Wilhelm IV. von Hessen-Kassel: https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_IV._(Hessen-Kassel)
Schloß Wilhelmsburg auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Schloss_Wilhelmsburg_(Schmalkalden)
Auf der Webseite der Stadt: https://www.schmalkalden.com/sehenswert/sehenswuerdigkeiten/schloss-wilhelmsburg/
Förderverein: https://www.museumwilhelmsburg.de/foerderverein/anliegen.html
Niels Fleck, Dietger Hagner, Claudia Narr: Schloß Wilhelmsburg
in Schmalkalden, amtlicher Führer der Stiftung Thüringer
Schlösser und Gärten, Deutscher Kunstverlag, Berlin/München,
2. Auflage 2015, ISBN 978-3-422-03126-5
Peter Handy: Schloß Wilhelmsburg Schmalkalden, ein Bau- und
Kunstdenkmal der deutschen Spätrenaissance. Museum Schloß
Wilhelmsburg, Schmalkalden, 5. Auflage. 1988, DNB 949983373
Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten (Hrsg.): Der
Terrassengarten von Schloß Wilhelmsburg in Schmalkalden,
Geschichte und Wiederherstellung, Berichte der Stiftung
Thüringer Schlösser und Gärten Bd. 14, Michael Imhof Verlag,
Petersberg 2017, ISBN 978-3-7319-0434-2
Veröffentlichung der
Innenaufnahmen aus Schloß Wilhelmsburg mit freundlicher
Genehmigung von Frau Sylvia Lorenz vom 15.3.2021, wofür ihr an dieser Stelle
herzlich gedankt sei
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