Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2676
Fulda (Landkreis Fulda, Hessen)

Dom St. Salvator - Altäre und Ausstattung, Teil 1

Die Ausstattung des Domes, Altäre, Orgel, Kanzel, Bogenscheitel etc. wird dominiert von Wappen des Fuldaer Fürstabtes (1700-1714) Adalbert von Schleifras (18.2.1650-6.10.1714). Er war der Bauherr des Neubaus, der innerhalb kürzester Zeit 1700-1712 vom Barockbaumeister Johann Dientzenhofer geschaffen wurde. Der schnellen Bauweise entspricht die Einheitlichkeit in Form und Gestaltung, und auch die Einheitlichkeit der Heraldik all dessen, was in der Amtszeit dieses Fürstabtes geschaffen wurde. An allen im folgenden dargestellten Fundstellen ist das Wappen des Fuldaer Fürstabtes Adalbert I. von Schleifras angebracht, es ist geviert, Feld 1 und 4: in Silber ein schwarzes Kreuz, Fürstabtei Fulda, Feld 2 und 3: von Schleifras, gespalten, rechts in Gold eine rote, aufrecht gestellte Axt, Schneide nach links, links in Rot ein schwarzer, höhenverstellbarer Kesselhaken mit Zahnschiene. Das Oberwappen hat drei Helme, Helm 1 (Mitte): auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken auf einem roten, golden bequasteten Kissen eine goldene Krone, aus der ein schwarzes, lateinisches Kreuz herausragt, Fürstabtei Fulda, Helm 2 (rechts): auf dem gekrönten Helm mit schwarz-silbernen Decken eine Bischofsmütze, aus der noch zwei Fähnchen schräg herausragen, jedes Fähnchen wäre gespalten, vorne in Rot aus grünem Dreiberg wachsend ein grüner Lilienstock mit drei silbernen Blüten und hinten in Gold ein halber schwarzer Adler am Spalt, Fürstabtei Fulda, Helm 3 (links): auf dem gekröntem Helm mit rot-goldenen Decken ein roter Flug mit goldenen Saxen, von Schleifras. Hinter dem Schild sind seitlich das gestürzte Schwert und das Abts-Pedum zu sehen; auf Variationen wird bei den einzelnen Ausstattungsstücken eingegangen.

Bonifatius-Altar
Beginnen wir unseren Rundgang im Herzen des Domes, unten in der Krypta mit dem Bonifatiusaltar, dem Grabaltar für den Apostel der Deutschen, den Missionar, den Bischof, den Legaten für das Frankenreich und den Gründer des Stifts Fulda. Aber nicht nur für Fulda ist Bonifatius von überragender Bedeutung, sondern für die ganze katholische Kirche und auch für die kulturelle und staatliche Entwicklung im fränkischen Raum. Dieser Bedeutung mußten auch der Platz des Grabaltars und seine Form gerecht werden. Als Stelle wurde der Platz der ursprünglichen Bonifatiusgrabes gewählt, wo er bestattet wurde, nachdem er bei seiner missionarischen Tätigkeit in Friesland am 5.6.754 ermordet worden war und seinem Wunsch entsprechend in Fulda beigesetzt worden war.

1708 beauftragte der Fürstabt den Bildhauer Johann Neudecker d. Ä. aus Hadamar mit der Gestaltung. Dieser war einer der bekanntesten Lahn-Bildhauer und ein Vertreter der Hadamarer Schule, der auch etliche weitere Werke aus Lahnmarmor geschaffen hat, z. B. den Dreifaltigkeitsaltar im Kloster Marienstatt, die Herkules-Skulptur im Fuldaer Schloßgarten und Teile des Hochaltars im Dom. Er arbeitete am Bonifatius-Altar mit dem Marmorierer Johannes Maus (1682-1731) zusammen, und der Altar gilt als bedeutendste Arbeit der beiden Barockbildhauer. Er ist wesentlich aufwendiger gearbeitet als alle Seitenschiff-Altäre. Als Material wurde schwarzer Marmor aus dem 150 km entfernten Schupbach und weißer Alabaster aus Nordhausen verarbeitet, ersterer als Grundmaterial, letzterer für die Skulpturen und Reliefs und für die Säulenbasen und Säulenkapitelle. Der 5,50 m hohe Altar trägt ein Gefühl römischen Barocks in die Krypta und ist von einem Entwurf des Italieners Andrea Pozzo beeinflußt. Die seitlichen Teile, Postamente, Säulen und Gebälk sind schräg nach vorne in den Raum gestellt, so daß sich eine trichterartige Tiefenwirkung hin zur zentralen Relieftafel ergibt, die hier als Altarbild fungiert. Oben wird letztere von einem Rundbogen abgeschlossen, dem die schwarzmarmorne Architektur folgt. Seitlich tragen jeweils zwei Stützen das Gebälk, innen Pilasterpfeiler, außen Säulen. Diese ungleichen Paare sorgen durch die Zunahme an Stärke und an Größe der Kapitelle von außen nach innen für eine Steigerung der Kraft der Architektur nach innen, wo der zentrale mehrfache Bogen aufliegt.

Seitlich liegen auf dem Gebälk zwei kräftig gebogene, dynamisch nach außen weisende Elemente, die den oberen Teil des Altars zum Blickfang machen und den oberen Abschluß wie eine Krone wirken lassen. Denn hier oben wechseln sich im scharfen Kontrast Schwarz und Weiß ab, außen die Abschlüsse, auf denen noch weiße flammende Urnen stehen, weiter innen weiße Skulpturen von Putten mit Blumengirlanden, dann noch weiter innen der schwarze Aufsatz, in der Mitte wieder das weiße fürstäbtliche Wappen.

Ebenso ergibt sich ein Rhythmus in der Höhe: Die Kapitelle und die Basen bilden zwei Horizontalen, die eine Gliederung der schwarzen Grundstruktur in der Vertikalen vornehmen, den Altar deutlich in drei Zonen einteilen: Giebelzone, Mittelfeld mit Seitenteilen, Sockelzone mit Mensa. Die Mittelzone hat in der Horizontalen ebenfalls fünf Abschnitte, drei weiße und dazwischen zwei schwarze: Seitlich stehen neben den Säulen etwas zurückgesetzt Engelsskulpturen, dann folgen Säulen und Pilaster, um dann wieder dem Weiß der Mitteltafel Raum zu geben. Die Mensa unten ist schlicht, kubisch und mit einer meisterhaften Relieftafel versehen.

Beide Relieftafeln, das Retabelrelief und das Antependiumrelief, sind Meisterwerke von Johann Neudecker d. Ä. Das Retabelrelief stellt die Ermordung des hl. Bonifatius dar, das Antependiumrelief stellt Bonifatius im vollen Ornat als Bischof dar, wie er mit Hilfe von zwei Engeln seinen Sargdeckel anhebt und sich mit dem linken Arm auf den Sargrand stützt - Überwindung des Todes und Auferstehung. Der Auftrag wurde 1708 erteilt, 1710 bekam Johann Neudecker 160 fl. für das Antependiumrelief, und am 22.9.1712 wurde Johannes Maus für die Marmorarbeiten bezahlt, also ist daraus zu schließen, daß dieser wichtige Altar zur Weihe des neuen Domes im wesentlichen fertig war.

Benediktus-Altar
Der Benediktus-Altar befindet sich an der Südwand des südlichen Querschiffs, also im linken Querhausarm. Neben dem Hochaltar sind die beiden Monumental-Altäre an den Kopfseiten des Querschiffs die "besten Plätze" im Dom, herausgehoben einerseits durch die Position an den Enden der wichtigsten Querachse und andererseits durch die Raumhöhe, die eine riesige Fläche für die Altargestaltung zur Verfügung stellt. Auf der einen Seite steht der Altar des Ordensgründers Benedikt. Benedikt von Nursia (-21.3.547) war der Gründer der Abtei Montecassino, des Stammklosters der Benediktiner, und er verfaßte mit seinem Klosterregularium die Benediktinerregel als Grundmodell monastischen Lebens, die seitdem die maßgebliche Norm für Klöster in der europäischen Kirche bildete.

 

Wir sehen im Zentrum Benedikt auf einem hohen Postament stehend, den Körper in S-förmiger Bewegung, das rechte Bein nach vorne gestellt, die linke Hüfte nach außen geschoben, die linke Schulter nach vorne, mit nach rechts wehendem Bart über die linke Schulter blickend, während beide Hände in unterschiedlicher Höhe auf die Brust gelegt sind. Rechts des Postamentes reicht ihm ein Engel die Inful, ein zweiter Engel steht auf der linken Seite und hält den Bischofsstab. Über ihm durchbricht ein goldener, im runden Zentrum von Licht durchfluteter Strahlenkranz eine Wolkenformation. In den Wolken fliegen mehrere Puttengruppen, alles genau wie beim Altar gegenüber, nur bei genauem Hinsehen im Detail leicht unterschiedlich.

Beide Altäre in den Querhausarmen wurden von Giovanni Battista Artari entworfen, und sie wurden als Pendants gestaltet: Gleicher Aufbau, gleiche Dimensionen, gleiche Materialien, gleiche Farben, gleiche Komposition der Figuren, Variation nur im Detail. Dieser Altar besteht ebenso wie sein Gegenüber aus Stuckmarmor, also aus farbig angemaltem Gips, echten Marmor imitierend. Nur die Hauptfigur, der hl. Benedikt, ist aus Alabaster gefertigt, eine Arbeit von Johann Neudecker. Der Grundaufbau beider Altäre ist eine schlanke Säulenädikula auf hohem Sockel. Die zentrale Nische wird von pilasterartigen Rücklagen flankiert, dann folgen weiter nach außen zwei freistehende Säulen. Diese seitlichen Säulen sind schräg nach außen gestellt. Dahinter liegen noch einmal zwei nach hinten versetzte Säulen. Ein auf den inneren Kapitellen ruhender Bogen überspannt das Mittelfeld und macht es so zur Nische. Dieser Bogen reicht weit in das Gebälk hinein und drückt die Basislinie des gesprengten Segmentbogengiebels nach oben, so daß sich der ganze Giebel nach oben wölbt. Dabei wird der Fries in der Mitte aufgehoben, weil sich Architrav und Kranzgesims berühren. Gleichzeitig ist das Element im Grundriß bogenförmig nach vorne in den Raum gezogen und zeichnet das Oval der Nische nach, das den Raum für die Figurengruppe im Zentrum bildet. Dazu sitzen die beiden Teile des gesprengten Giebels den schräg nach außen gestellten Seitenpartien des Altars auf, so daß sie ihrerseits nach innen schräg in den Raum hineinweisen. Dieser kleine Trick, Seitenteile schräg nach außen, Giebelteile schräg nach innen, erzeugt eine spannungsgeladene Dynamik, der durch das konkave Zurückweichen des Altarauszuges noch verstärkt wird. Auf beiden Seitenteilen des gesprengten Giebels sitzen Engel. In der Mitte über dem aufgewölbten und vorgezogenen Bogen ist das fürstäbtliche Wappen angebracht, alles in Weiß.

Das Wappen wird hier von zwei Putten gehalten, der eine sich aufreckend, der andere sitzend, der eine nach unten schauend, der andere nach oben. Bemerkenswert an dieser Wappendarstellung ist der Löwenkopf unter dem mittleren Helm, zwischen den beiden eingerollten Schnecken, auf denen die äußeren Helme abgestellt sind.

Sturmius-Altar
Der Sturmius-Altar befindet sich an der Nordwand des nördlichen Querschiffs, also im rechten Querhausarm. Wie beim Benediktus-Altar gilt auch hier, daß dies einer der herausgehobensten Plätze im Dom für einen Altar ist, und entsprechend ist dieser Altar einer ebenso wichtigen Persönlichkeit gewidmet wie der des Ordensgründers, hier ist es Sturmius, Weggefährte des Bonifatius und erster Abt des von letzterem gegründeten Klosters, erster in der Reihe der Fuldaer Äbte und späteren Fürstäbte. Sturmius (-17.12.779) war ein Schüler des Missionars Bonifatius und unterstützte diesen beim Aufbau einer kirchlichen Infrastruktur im missionierten Raum, in Mainfranken, Thüringen etc. Fulda bildete einen wichtigen Eckpfeiler, um die Mission nördlich der Mainlinie in das Sachsengebiet zu tragen und um von da aus die Missionierung der Sachsen zu betreiben. Sturmius wurde nach seiner Ausbildung im Kloster Fritzlar der erste Abt des Klosters Fulda. Im Jahre 744 bekam Sturmius den Auftrag von Bonifatius, das neue Kloster zu gründen, für das die Karlmann-Schenkung die wirtschaftliche Basis bildete. 747-748 weilte Sturmius in der Mutterabtei Montecassino. 751 erreichte Sturmius eine begrenzte Exemtion für seine Abtei beim Papst, eine wichtige Weichenstellung für die zukünftige Rolle Fuldas im Kräftespiel der Bistümer. Denn das Kloster Fulda war damit direkt dem Papst unterstellt, und war unabhängig von bischöflicher Gewalt. Trotzdem mußte auf Einladung ein Bischof kommen und bestimmte Amtshandlungen wie Weihen vornehmen. Dadurch waren spätere Auseinandersetzungen mit den Bistümern Mainz und Würzburg vorprogrammiert. Einer der wichtigsten Prestige-Erfolge des Sturmius war es, die Reliquien des hl. Benedikt für Fulda gegen Mainz und Utrecht zu sichern. Unter Sturmius erreichte das Kloster Fulda 744 den Königsschutz bei Karl dem Großen und damit den Status einer Reichsabtei, eines königlichen Eigenklosters.

 

Auch dieser Altar besitzt im Zentrum eine große, im Grundriß ovale Nische mit einer Darstellung des Altarpatrons. Wir sehen im Zentrum Sturmius auf einem hohen Postament stehend, in ein Mönchsgewand gekleidet, die Finger beider Hände ineinander verschränkt und nach links gerichtet, während er selbst den Blick über die rechte Schulter nach unten wendet, wo beiderseits des Postamentes zwei Engel ihm den Abtsstab und die Inful reichen. Über ihm durchbricht ein goldener Strahlenkranz eine Wolkenformation, und im Zentrum des Strahlenkranzes läßt ein Okulus von hinten gelb getöntes Licht in die Szene, barocke Lichtmystik in bester Form, genau wie beim Altar gegenüber. In den Wolken fliegen mehrere Puttengruppen.

Wie sein Gegenüber ist auch dieser Altar von Giovanni Battista Artari entworfen worden. Das Material ist Stuckmarmor, nur die Hauptfigur, der hl. Sturmius, ist von Johann Neudecker aus Alabaster gefertigt worden. Beide Altäre weisen eine zweigeteilte Sockelzone auf. Der niedrige erste Sockel schließt mit der Altarmensa ab. Darüber ist jeweils eine Piedestalzone angelegt mit Reliefs, die Szenen aus dem Leben des jeweiligen Altarheiligen darstellen. Im Gegensatz zur sonst rein weißen Fassung des Domes und dem Schwarz des Hochaltars wird hier eine ganz neue, zarte Farbigkeit durch das vorherrschende Rosa und Grau, kombiniert mit Goldtönen, ins Spiel gebracht. Weil der Stuckmarmor nur gemalt ist, wurde die ursprüngliche Farbfassung Opfer mehrfacher späterer Übermalungen im Stile der jeweiligen Zeit. Als der Dom in den 1980er Jahren umfassend restauriert wurde, konnten vier nachträgliche Übermalungen festgestellt werden. Alle wurden entfernt, und die originale Farbfassung wurde wieder hergestellt. Über dem Altarauszug erhebt sich bei beiden Altären eine hölzerne, teilvergoldete Konstruktion aus drei geschwungenen Volutenbögen, zwei zu den beiden Seiten und einer die Tiefe der Konstruktion betonend nach hinten, die in der Mitte unter einem Podest zusammenlaufen und dort ein goldenes Kreuz tragen, an dessen Fuß Palmwedel gebunden sind. Auf den beiden seitlichen Voluten balancieren geflügelte Putten.

Als Vorbild für beide Altäre diente wahrscheinlich der Ignatiusaltar in der Jesuitenkirche Il Gesù in Rom, entworfen von Andrea Pozzo. Direkte Verwandtschaft besteht insbesondere bei der hohen Sockelzone, der konvex nach vorne in den Raum gezogenen Säulenädikula und bei den Figurengruppen, von denen einige wörtlich, aber vereinfacht übernommen wurden. Andere Elemente wie die effektvolle Lichtführung und der Umgang mit dem Raum, die architektonische Vorzeichnung ovaler Raumkompartimente, erinnern an Arbeiten von Bernini. Artaris Leistung ist die effektvolle Verschmelzung des Besten von Beiden und die Anpassung an die Gegebenheiten in Fulda, unter Neuschöpfung einiger Figurengruppen und unter Hinzufügung der bekrönenden Volutenbögen mit Kreuz als Abschluß.

Wie beim Altar gegenüber dienen hier auch zwei Putten als Wappenhalter, konzeptionell gleich, im Detail verschieden. Die Löwenmaske unter dem mittleren Helm ist jedoch nur beim Benediktus-Altar zu sehen, nicht beim Sturmius-Altar, wo eine einfache Hochwölbung des oberen Kartuschen-Randes den mittleren Helm trägt. Beide Altäre haben "nackte" Helme ohne Helmdecken.

Hochaltar
Der am 15.8.1712 eingeweihte Hochaltar als ritueller, liturgischer und architektonischer Höhepunkt des Domes verdient unsere besondere Aufmerksamkeit. Er ist nicht nur der Focus der auf ihn hinleitenden Dom-Architektur, sondern er markiert gleichzeitig die Stelle der Bonifatiusgruft unten drunter. Er ist ein Werk des Bildhauers Johann Neudecker und des aus der Südschweiz stammenden Stukkateurs Giovanni Battista Artari. Der Altar mit seiner offenen Säulenarchitektur ist ein Spiel mit Schwere und Leichtigkeit: Insgesamt sechs schwarzmarmorne Säulen lassen den Altar in die Höhe streben, doch dazwischen fehlt die Wand, alles ist offen, man kann wie durch ein Gitter hindurchschauen bis zum ganz nach hinten gesetzten Altar des Hochchores (ehem. Mönchschor). So wird die durch Material und Farbe erzeugte Schwere zu einer schwerelosen Leichtigkeit umgewandelt.

Diese sechs Säulen stehen nicht in einer Reihe nebeneinander, sondern paarweise in drei verschiedenen Ebenen hintereinander. Zuvorderst stehen die beiden jeweils mittleren Säulen, dann folgen in der nächsten Ebene die jeweils äußersten Säulen, und in der letzten Reihe stehen die beiden inneren Säulen. Die inneren vier Säulen spannen ein nach vorne, nach Osten offenes, querliegendes Oval auf, das von dem kräftigen Gebälk nachgezeichnet wird. Die Ausrichtung der Kapitelle und der Piedestale deutet zwar schon die Ovalform an, doch erst das die Säulen verbindende, den Grundriß nachzeichnende Gebälk erzeugt dieses furiose Raumoval mit einer unentrinnbaren Eindeutigkeit und schwungvollen Dynamik. Die beiden leicht zurückgesetzten seitlichen Säulen, die große Engelsfiguren mit langen Palmwedeln tragen, dienen nur der Rahmung und seitlichen Anbindung an die Wand-Architektur, der optischen Brechung und Zähmung des von diesem zentralen Oval ausgehenden optischen Soges, der Verbindung dieses mittenzentrierten Tempiettos mit der Architektur des Domes selbst, mit der Hülle. So spannen die vier inneren Säulen den querovalen Tempietto auf und stehen in der vorderen und in der hinteren Ebene, während die seitlichen Säulen in der mittleren Ebene stehen und die Anbindung an die Rahmenarchitektur suchen. Dadurch, daß die beiden hinteren Säulen enger zusammenstehen als die vorderen, sind die Abstände zwischen den je drei Säulen für den Betrachter im Kirchenschiff scheinbar gleich und wirken wie ein gleichmäßiges Gitter zwischen Presbyterium und Mönchschor. Seitlich gibt es also zwei gleichbreite Säulenabstände, nur in der Mitte ist die Lücke breiter und wird vom Altar des Mönchschores als ferner Point de vue gefüllt, was wiederum eine neue Tiefenwahrnehmung ins Spiel bringt, ein typisch barockes Spiel mit der Durchdringung und Trennung von Räumen.

 

Aus dem Gebälk mit seinem Aufsatz aus vier goldenen Voluten, die in einer Wolke mit Engeln enden, die wiederum von einer Marienfigur bekrönt wird, wird so insgesamt ein in die Höhe emporgestemmter, luftiger Baldachin. Wir erleben eine Auflösung des eigentlich wie ein Raumteiler positionierten Altars in schwungvoll umbauten Raum, dessen Vertikale man nur durchstößt, soweit es konstruktiv notwendig ist, und dessen Körperlichkeit auf die tragenden Elemente reduziert ist. Große Vorbilder klingen hier an, sowohl das Ziborium des Petersdoms, der Baldachin Berninis, und der Altar der Kirche Santa Trinità dei Monti in Rom. Nicht nur die Architektur des Domes selbst, sondern auch so wichtige Details schaffen eine optische Anspielung an Rom und rücken den Dom von Fulda in das Licht des Anspruchs, eine Idee des Petersdomes nachzubilden.

Farblich wird der Altar dominiert von Schwarz und Gold, vom Schwarz der sechs Säulen vor allem und deren goldenen korinthischen Kapitellen, und auch das Gebälk und der Sockel sind eine Komposition aus vorrangig diesen beiden Farben. Nur im Sockelbereich erscheint noch das Rosa in den Füllungen der Flächen. Von außen nach innen sehen wir im Dom entlang der Querachse eine farbliche Entwicklung: Die Querhausaltäre sind in heiteren, hellen Pastelltönen gehalten, rosa und graue Farben dominieren. Die beiden äußeren Epitaphien haben einen markanten Anteil an schwarzem Marmor, aber auch das Rosa spielt noch eine wichtige Rolle, das Gold tritt vermehrt hinzu. Die beiden inneren Epitaphien werden dunkler und feierlicher, das Schwarz des Lahnmarmors dominiert immer mehr, und das Weiß des Alabasters erzeugt bereits eine unaufdringliche Feierlichkeit. Und dann im Zentrum steht diese furios-dynamische Konstruktion, bei der nur noch Schwarz und Gold die farblichen Dominanten sind, aus Feierlichkeit wird strahlende Festlichkeit. So ist die farbliche Entwicklung entlang der Querachse eine kunstvoll inszenierte und spannungsgeladene Entwicklung zum Allerheiligsten hin.

Der Hochaltar, der kein eigenes Altarblatt besitzt, ist der Gottesmutter Maria geweiht. Großartig ist die thematische Anbindung des Altars an den Deckenstuck: Der Altar endet oben mit einer Darstellung der Himmelfahrt Mariens, und nach einem kurzen Zwischenstück folgt an der Decke am Triumphbogen darüber eine Dreifaltigkeitsgruppe aus Stuck, um sie zu empfangen und leiblich in den Himmel aufzunehmen. Hier an dieser spannungsgeladenen Stelle berühren sich förmlich Himmel und Erde, sprühen die Funken zwischen Diesseits und Jenseits, zwischen Tod und Auferstehung, zwischen Leid und Erlösung.

Die Arbeiten begannen 1708, denn am 4.8.1708 schloß der Fürstabt mit den vier Marmorsteinhauern Hans Adam Buß, Jacob Weydenmann, Johann Barthel Süß und Jacob Kieser einen ersten Liefervertrag über sechs Marmorsäulen (das sind die großen Monolithe) aus schwarzem Schupbacher und Altenberger Lahnmarmor und vier Postamente mit rotmarmornen Füllungen, dazu zwei weitere Postamente, die als Sockel für Statuen geplant waren. Für 1900 Reichstaler sollten die Arbeiten binnen 2 Jahren angefertigt und nach Fulda geliefert werden, 100 Reichstaler waren extra für die Zusatzpostamente vorgesehen. Einen Abschlag von 400 Reichstalern gab es für die vier Handwerker sofort, ein Jahr später einen zweiten Abschlag von 600 fl. Zur Erklärung: Die beiden hinteren Säulen brauchen kein Postament, weil sie direkt auf der Stirnwand der Bonifatiusgruft stehen, deshalb wurden nur vier Postamente in Auftrag gegeben. Was hier vor der gewaltigen Baumasse des Domes so leicht aussieht, war eine ungeheuer aufwendige Sache: Um eine einzige Säule zu transportieren, waren bei der ersten 18 Pferde nötig, und man war 10 Tage lang unterwegs, um die tonnenschwere Säule über ca. 140 km zu transportieren. Im Sommer 1710 wurden die Säulen, Postamente und sonstigen bestellten Marmorteile unter Aufsicht des Stiftsbaumeisters Johann Dientzenhofer zusammengesetzt und montiert.

In einer zweiten Schiene wurden die feineren Bildhauerarbeiten erstellt, damit begann Johann Neudecker im Sommer 1710. Er stellte zunächst die beiden seitlichen Alabasterstatuen der Propheten David und Isaias her; der Stein dazu wurde in Nordhausen gebrochen. Dann lieferte er die sechs Kapitelle für die Altarsäulen und 1711 den hölzernen Aufsatz mit den vier Bögen des Gesprenges und den beiden seitlichen Engelsfiguren. 1711 war alles vollendet, inclusive der Marmorpostamente für die beiden Propheten, und 1712 arbeitete man nur noch an der Vergoldung. Zunächst zog man vor dem Hochaltar quer eine weißgestrichene Holzbalustrade, die 1741-1743 durch Marmor ersetzt wurde. Der Hochaltar wurde vom Bauherrn am 14.8.1712 geweiht.

Altar im Hochchor (ehem. Mönchschor)
Hinter dem Hochaltar lag der eigentliche Mönchschor mit einem Chorgestühl. Architektonisch werden Presbyterium und Mönchschor durch eine hohe Arkade voneinander getrennt, und ein Höhenversatz bildet eine weitere Trennung, denn der Mönchschor liegt wegen der Bonifatiusgruft 1,40 m höher als das Bodenniveau des Presbyteriums mit dem Hochaltar. Der Sockel des Hochaltars verdeckt den Höhenversatz. Die sechs Säulen des Hochaltares trennen und verbinden zugleich die unterschiedlichen Raumkompartimente. Denn der Hochaltar besitzt kein eigenes Altarblatt, sondern erlaubt den Durchblick nach hinten. Der kann aber auch wahlweise verschlossen werden: Man hatte eigens hinter der offenen Architektur des Hochaltars eiserne Stangen mit grünen Vorhängen montiert, um den Mönchschor ggf. abschirmen zu können, oder um nach Belieben den Durchblick öffnen zu können.

 

Der Mönchsaltar an der Westwand des Mönchschores, der ursprünglich als Sakramentsaltar diente, weil der Hochaltar zunächst kein eigenes Tabernakel besaß, wurde vom Bauherrn am 14.8.1712 geweiht, am gleichen Tag wie der Hochaltar, obwohl er noch nicht ganz fertig war. Mit diesem Altar, den man erst 1712 zu bauen begann, wurde der Kunstschreiner Georg Blank beauftragt, ein Franziskanermönch, der selbe, der auch die Kanzel anfertigte. Johann Neudecker schnitzte Kapitelle für den Choraltar. Als Altarbild wurde ein Gemälde eingesetzt; der Maler ist nicht überliefert. Erst 1715 war der Choraltar vollendet mit allen Malerarbeiten und Vergoldungen.

Im Vergleich zu den aufregend plastischen Schnitzereien zieht das Altargemälde mit einer Darstellung des letzten Abendmahles weniger den Blick an. Insbesondere die üppig dekorierte, phantastische und detailverliebte Schnitzerei des fürstäbtlichen Wappens stiehlt dem Gemälde die Schau. Dennoch ergänzen sich Hochaltar und Choraltar zu einem durchdachten Zusammenspiel: Die Mönche hatten beim Chorgebet das Allerheiligste vor Augen, das Tabernakel und damit die Gegenwart des eucharistischen Brotes. Für den Betrachter aus dem Kirchenschiff aber bildet des Hochaltar den Rahmen, durch den hindurch man das Allerheiligste sieht. So bilden beide eine architektonische und liturgische Symbiose. Inhaltlich hat das Altarblatt des Choraltares aber keinen Bezug zu dem Patrozinium des Hochaltars, der die Himmelfahrt Mariens darstellt.

Literatur, Links und Quellen:
Position in Google Maps: https://www.google.de/maps/dir///@50.5539264,9.6713344,17.75z - https://www.google.de/maps/dir///@50.55405,9.6718166,113m/data=!3m1!1e3
Bistum Fulda: https://www.bistum-fulda.de/bistum_fulda/
virtueller Rundgang durch den Dom St. Salvator:
https://tour.mi360.de/hoher_dom_zu_fulda/
Veröffentlichung der Innenaufnahmen aus dem Dom mit freundlicher Erlaubnis von Herrn Domdechant Prof. Dr. Werner Kathrein vom 20.7.2020, wofür ihm an dieser Stelle herzlich gedankt sei
Werner Kathrein (Hrsg.): Der Dom zu Fulda, Michael Imhof Verlag, 2012, ISBN 978-3-86568-755-5, S. 76-77
Willi Wabel: Das Bonifatius-Grab im Dom zu Fulda - ein Meisterwerk aus Schupbacher Marmor, in: Lahn-Marmor-Nachrichten Nr. 11, 2005, S. 14-15 -
https://www.lahn-marmor-museum.de/images/LAHNMARMOR/WISSENSCHAFT/Lahn-Marmor-Nachrichten/Lahn-Marmor-Nachrichten11.pdf
Willi Wabel: Die Limburger Steinmetzen der Barockzeit und ihre Arbeiten in Fulda, in: Lahn-Marmor-Nachrichten Nr. 22, 2011, S. 4-8 -
https://www.lahn-marmor-museum.de/images/LAHNMARMOR/WISSENSCHAFT/Lahn-Marmor-Nachrichten/Lahn-Marmor-Nachrichten22.pdf
Adalbert von Schleifras und seine Wappen:
https://www.imhof-verlag.de/media/catalog/product/pdfs/d9668266bbbae14e515de57be3f79585_Schleiffras_Blick%2520ins%2520Buch.pdf = Auszug aus: Verklärung des Fürstabts Adalbert von Schleiffras - Mors Impia Rapuit - Mors Pia Transtulit, hrsg. vom Vonderau-Museum, Kataloge, Bd. 37, Begleitband zur Ausstellung, hrsg. von Gregor K. Stasch, Fulda 2014, 128 S., Michael Imhof Verlag, ISBN-10: 3731901552, ISBN-13: 978-3731901556
Adalbert von Schleifras bei Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Adalbert_von_Schleifras
Adalbert von Schleifras in den Hessischen Biographien:
https://www.lagis-hessen.de/pnd/119473909 - https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/bio/id/10270
Josef Leinweber: Die Fuldaer Äbte und Bischöfe, Festgabe des Bistums Fulda für Bischof Eduard Schick zum Diamantenen Priesterjubiläum, Frankfurt am Main 1989
Daniel Hanke: Der Dom zu Fulda, der Bau und seine Ausstattung (Schriften zur Kunstgeschichte Bd. 18), 450 S., Verlag: Dr. Kovac, 1. Auflage 2008, ISBN-10: 3830034369, ISBN-13: 978-3830034360. Bonifatiusaltar: S. 207-208, Querhausaltäre: S. 232-235, Hochaltar: S. 201-204, 221-231
Michael Imhof, Burghard Preusler, Gregor Stasch: Barockkirchen in Fulda und im Fuldaer Land mit dem Geisaer Amt, Dermbach, Hammelburg und Hünfelder Land, mit einem Beitrag von Gerd Weiß, Michael Imhof Verlag, Petersberg 2020, 496 S., ISBN-10: 3731908050, ISBN-13: 978-3731908050, S. 147-173

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