Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2648
Bremen (zu Geisa, Wartburgkreis, Thüringen)

Die katholische Pfarrkirche St. Jakobus und Barbara in Bremen

Die seit 1994 zu Geisa eingemeindete Ortschaft Bremen liegt 4 km ostnordöstlich vom Geisaer historischen Stadtzentrum an der Straße nach Dermbach. Die katholische Pfarrkirche St. Jakobus d. Ä. und Barbara, die von der Pfarrei St. Philippus und Jakobus Geisa im Dekanat Hünfeld-Geisa betreut wird, steht zwischen Bremer Hauptstraße und Kranluckener Straße innerhalb eines ummauerten, von Nordosten nach Südwesten ausgerichteten Rechtecks von 53 m x 33 m Seitenlänge mit Zugang an der Ostecke; die Kirche folgt der Ausrichtung der Einfassung mit ihrer Schaufassade im Nordosten und dem dreiseitig geschlossenem Chor im Südwesten. Innerhalb der Umfassungsmauer liegt der Kirchhof mit Friedhof. Die barocke Kirche ist relativ klein und besitzt als Glockenturm nur einen verschieferten, viereckigen, hölzernen Dachreiter mit geschweifter, achteckiger Haube über der Eingangsfassade.

Abb.: Blick auf die Pfarrkirche von Westen

Der zum Hochstift Fulda gehörende Ort Bremen besaß schon 1341 eine eigene Kirche. Um 1460 entstand ein spätgotischer Neubau. Von der gotischen Kirche ist nur noch ein Taufstein erhalten. Und im Barock folgte 1730-1732 unter Fürstabt Adolph von Dalberg ein weiterer Neubau, um der gestiegenen Anzahl der Gemeindemitglieder Rechnung zu tragen. Bereits 1729 begann man mit den Vorbereitungen und mit der Beschaffung von Baumaterial. Während der Bauzeit baute man den Altar zwischenzeitlich im Pfarrhaus auf. Im Fall dieser Kirche übernahm man im Gegensatz zu anderen nicht den Turm der Vorgängerkirche, sondern entschied sich für eine neue Lösung. Der Dachreiter wurde freilich später verändert. Amand von Buseck, damals Stiftsdechant und Weihbischof, weihte die neue Kirche am 21.8.1735. Der Apostel Jakobus d. Ä. wurde als Kirchenpatron gewählt, weil Bremen an einem Ast des Jakobswegs lag. Die innere Ausstattung der Kirche dauerte bis 1736 an.

 

Abb.: links: Nordostfassade. Abb. rechts: Portalgestaltung.

Den Entwurf fertigte Andrea(s) Gallasini an. Typisch für Gallasinis Architektur ist die der Fassade vorgeblendete Pilastergliederung, die Eintiefung des Hintergrundes durch seitliche Figurennischen (mit dem hl. Bonifatius, Gründer des Klosters Fulda, und dem hl. Sturmius, Bonifatiusschüler und erster Abt des Klosters Fulda) und das bogenförmige Hochziehen des Hauptgesimses in der Mittelachse, dem darunter liegenden Rundbogenfenster folgend (sogenannter syrischer Bogen). Die verputzte Fassade besitzt eine schlichte Gliederung mit vier Pilastern, die das Hauptgesims tragen. Eine Besonderheit sind die Schabrackenkapitelle der Pilaster, die auch in Zella, Dermbach, Eiterfeld und Mackenzell verwendet wurden. Im Giebel sind die beiden mittleren Pilaster weiter nach oben gezogen und enden unterhalb des dreieckigen Abschlusses, der als Dreiecksgiebel mit offenem Giebelfußgesims ausgebildet ist. Die nur leicht eingebogenen Seitenflächen enden unten in einer einwärts eingerollten Schnecke, die einen kleinen Sockel mit Kugel trägt. Es gibt eine gestalterische Verwandtschaft zur Kirche in Haselstein, auch wenn die dortige Fassade schlichter ist, wie eine Sparversion des Bremer Konzepts. Insgesamt ist die Fassade ein typisches Beispiel für Gallasinis Landkirchen und zeigt, wie man mit wenigen Gestaltungselementen auch eine kleine Landkirche großartig machen kann (von hinten oder von der Seite sieht man erst, wie schlicht der Rest ist). Es gibt auch eine enge Verwandtschaft mit den Kirchen in Eiterfeld und Mackenzell (zerstört). Das Hauptportal gleicht den Portalen in Zella und Dermbach. Die Fassade verdeckt oben den Übergang vom Dach zum Dachreiter wie eine Blende. Als Maurermeister vor Ort wurde Meister Nikolaus Bösser aus Schramhof bei Gehaus engagiert. Die verantwortlichen Zimmermeister waren Heinrich und Hans Adam Hobert (oder Hubert) aus Geisa.

Abb.: Wappen des Fuldaer Fürstabtes Anton Adolph Kämmerer von Worms gen. von Dalberg

Das an dieser Kirche trotz der geringen Größe besonders prunkvoll geratene Wappen über dem Portal ist dasjenige des Fuldaer Fürstabtes Anton Adolph Kämmerer von Worms gen. von Dalberg (29.5.1678-3.11.1737, regierte 1726-1737). Er führt sein Wappen geviert mit Herzschild, Feld 1 und 4: unter einem goldenen, mit drei Spitzen abgeteilten Schildhaupt in Blau sechs (3:2:1) silberne Lilien, Stammwappen der Kämmerer von Worms, Feld 2 und 3: in Gold ein schwarzes Ankerkreuz, Stammwappen der von Dalberg, Herzschild: in Silber ein schwarzes durchgehendes Kreuz, Fürstabtei Fulda. Diesen prunkvollen Wappenstein fertigte der Bildhauer Christian Baus aus Kaltennordheim an, ebenso die Engel an der Fassade.

Abb.: Details des Wappensteines

Das Oberwappen besteht aus insgesamt fünf gekrönten Helmen, Helm 1 (Mitte): auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken auf einem roten Kissen eine Krone, daraus hervorkommend ein stehendes schwarzes Balkenkreuz, Hochstift Fulda, Helm 2 (innen rechts): auf dem gekrönten Helm (hier ebenfalls mit einem Kissen unter der Krone) mit schwarz-silbernen Decken eine Bischofsmütze, aus der noch zwei Fähnchen schräg herausragen, jedes Fähnchen gespalten, vorne in Rot ein grüner Lilienstock mit drei silbernen Blüten und hinten in Gold ein halber schwarzer Adler am Spalt, Fürstabtei Fulda, Helm 3 (innen links): auf dem gekrönten Helm (hier ebenfalls mit einem Kissen unter der Krone) ein Fürstenhut, mit goldenen Bügeln, rot gefüttert und hermelingestulpt, oben mit einem kleinen Reichsapfel besetzt, Helm 4 (außen rechts): auf dem gekrönten Helm mit blau-goldenen Decken ein Flug, unter einem goldenen Haupt, in das drei Spitzen aufwärtssteigen, in Blau 6 (3:2:1) silberne Lilien, Stammkleinod der Kämmerer von Worms, Helm 5 (außen links): auf dem gekrönten Helm mit schwarz-goldenen Decken ein goldener Flug, beiderseits belegt mit jeweils einem schwarzen Ankerkreuz, Stammkleinod der von Dalberg.

Abb.: Details des Wappensteines

Seitlich ragen rechts der Krummstab und links das gestürzte Schwert hinter den Helmdecken hervor. Die ganze Komposition wird ummantelt von einem aus einem Fürstenhut herabfallenden, beiderseits mit Bändern hochgerafften, roten, hermelingefütterten Wappenmantel. In dieser Form handelt es sich um das aufwendigste Wappen, das dieser Fürstabt führte, sozusagen mit allem, was möglich war. Das Wappen ist in die schneckenförmig eingerollten Enden des gesprengten und verkröpften Segmentbogengiebels eingepaßt. Die Zwickel rechts und links lassen noch Platz für je einen geflügelten Putto, der mit der inneren Hand den Wappenmantel haltend greift und mit der äußeren Hand sein Hüfttuch zum Betrachter hin in den Raum zieht.

Abb.: Inschrift am Portal mit Datierung im Chronogramm

Die Inschrift auf dem trapezförmig geschnittenen Keilstein des Rechteckportals lautet (mit Ergänzungsvorschlag): "DEO TER OPTIMO MAXIMO / S(ANCTO). IACOBO MAI(ORE). ET S(ANCTAE). BARBARAE V(IRGINIS). ET M(ARTYRIS). / DEDICATA OCTAVA HAEC SUB SEXTO / ANNO REGIMINIS REV(EREN)D(ISSI)MI ET / CEL(SISSI)MI PRINCIPIS AC DOMINI / D(OMINI) ADOLPHI / EX PERILL(USTRE) ET ANTIQUISS(IMA) FAMILIA / CAMERARIO(RUM) DE WORMATIA / LL(IBERORUM) BB(ARONORUM) DE DALBERG IN(CLYTAE) E(CCLESIAE) F(ULDENSIS) ABB(ATIS) S(ACRI) R(OMANI) I(MPERII) PR(INCIPIS) / D(IVAE) AUG(USTAE) ARCHICAN(CELLARII) PER GERMA(NIAM) / ET GALL(IAM) PRIMATIS NOVA / AEDIFICABATUR ECCLESIA / * IN EA / EXVLTATE DEO ADIVTORI / NOSTRO IVBILATE DEO / IACOB * PSALM 80".

Das heißt soviel wie: Dem dreifaltigen besten und größten Gott, dem heiligen Jakobus dem Älteren und der heiligen Jungfrau und Märtyrerin Barbara geweiht, wurde diese achte Kirche im sechsten Regierungsjahr des hochwürdigsten und hochgerühmten Fürsten und Herrn, des Herrn Adolph aus dem sehr edlen und sehr alten Geschlecht der Kämmerer von Worms Freiherren von Dalberg, des Abtes der erhabenen Kirche von Fulda, des Fürsten des Heiligen Römischen Reiches, des Erzkanzlers der Kaiserin und des Primas von Germanien und Gallien, neu erbaut. Jubelt in ihr Gott zu, er ist unsere Hilfe, jauchzt dem Gott Jakobs zu! Durch das Chronogramm der letzten vier Zeilen, genauer des Textes zwischen den beiden Sternchen, ist das Portal auf das Jahr I + X + V + L + D + D + I + V + I + I + V + I + L + D + I + C =  1 + 10 + 5 + 50 + 500 + 500 + 1 + 5 + 1 + 1 + 5 + 1 + 50 + 500 + 1 + 100 = 1731 datiert, im sechsten Regierungsjahr. Da das Psalmenzitat eine Ziffer zu wenig hergab, wurde noch das "IN EA", in ihr, also in dieser Kirche, vorangestellt. Dalbergs Wahl erfolgte am 8.4.1726, die Bestätigung erfolgte am 1.7.1726. Deshalb reicht sein sechstes Amtsjahr, das ja ebenfalls in der Inschrift Erwähnung findet, je nach Sichtweise vom 8.4. oder 1.7.1731 bis zum 7.4. oder 30.6.1732, da das Chronogramm aber 1731 ergibt, bleibt je nach Sichtweise für die Anfertigung des Portal die Zeitspanne vom 8.4. oder 1.7.1731 bis zum 31.12.1731.

 

Abb.: Fassadenfiguren, hl. Bonifatius links und hl. Sturmius rechts

Der Chor ist nicht abgesetzt; sichtbare Eckquaderung markiert die Gebäudeecken des ansonsten verputzten Baus. Das Langhaus der Saalkirche besitzt auf jeder Seite vier Fenster mit Keilsteinen in der Rundung, ein weiteres kommt im Chor hinzu. Die Ausstattung ist entstehungszeitlich, Altäre, Kanzel etc. Der Hochaltar zeigt im Aufsatz eine Darstellung der Himmelfahrt Mariens und darüber das Auge Gottes. Das Altargemälde mit einer Kreuzigungsszene wird von 2x 3 Stuckmarmorsäulen mit goldenen Kompositkapitellen flankiert. Neben dem Altar sind die Heiligen Adolphus (bei diesem Bauherrn naheliegend) und Jakobus dem Älteren (vgl. Patrozinium der Kirche) mit etwas Abstand und über den verhangenen seitlichen Durchgängen zum Bereich hinter dem Altar aufgestellt. Fürstabt Adolph von Dalberg spendierte den neuen Hochaltar und den Muttergottesaltar.

Die beiden Seitenaltäre zeigen an den Aufsätzen (Altarauszügen) die golden-weiß bemalten Statuen der Heiligen Familie (Maria, Josef, Jesus) rechts und Anna selbdritt (hl. Anna, ihre Tochter Maria und Jesus als Kind) links. Das Material aller drei Altäre ist Stuckmarmor. Die gemalten Altarbilder der Seitenaltäre stellen eine Maria immaculata links und die heilige Barbara rechts dar. Aus der Bauzeit stammt weiterhin eine Statue der hl. Barbara; andere Statuen wurden im 19. Jh. geschaffen, ebenso wie die Kreuzwegstationen auf Leinwand in barocken Rahmen.

 

Abb.: Hauptaltar mit Wappen

Von der Innenausstattung ist eine 1735-1736 angefertigte Kommunionbank hervorhebenswert, die von Johann Leister aus Bremen angefertigt wurde und wertvolle Reliefs der Passion Christi auf ovalen Medaillons trägt, in durchbrochene Rankenornamente der einzelnen Füllungen integriert. Jedes Seitenteil besitzt zwei solche Szenen, dazu kommen noch die beiden beweglichen Teile in der Mitte, so daß es sich insgesamt um sechs Szenenbilder handelt, vom letzten Abendmahl ganz links bis zur Kreuzigung ganz rechts.

 

Abb.: linker Seitenaltar mit Wappen

Alle drei Altäre besitzen jeweils ein Wappen des Fuldaer Fürstabtes Adolph von Dalberg, wie schon außen über dem Portal. Das Wappen am Hochaltar ist mit allen fünf Helmen dargestellt, so wie außen über dem Portal. Nur das Fuldaer Kreuz in der Mitte ist verlorengegangen. Interessanterweise besitzt keine der drei Darstellungen Schwert und Krummstab. An den beiden seitlichen Ältären finden wir das Wappen jedoch in vereinfachter Form, nur mit dem Fürstenhut über dem Schild. In der gegenwärtigen Farbfassung ist ein schwerer und besonders augenfälliger Fehler beim Anstrich zu vermerken, das schwarze Fuldaer Kreuz muß natürlich in einem silbernen (weißen) Feld stehen, nicht in einem roten. Zwei im Vergleich dazu kleinere Fehler sind, daß das Schildhaupt des Kämmerer-Feldes nicht nur golden abgesetzt, sondern gänzlich golden sein muß, und daß die Lilien darunter nicht golden, sondern silbern sein sollten. Und die Hermelinschwänzchen auf dem Fürstenhut sind eigentlich schwarz, nicht golden. Diese Fehler ziehen sich systematisch durch alle drei Wappendarstellungen im Inneren. Bei dem Wappen am Hochalter fällt bei den beiden äußeren Kleinoden ins Auge, daß die Farbe Dunkelrosa jeweils ganz verfehlt ist, beide Kleinode müssen an diesen Stellen Gold haben. Und die Lilien beim Helm optisch ganz links müßten silbern sein, nicht golden. Die drei Kissen auf den drei mittleren Helmen sollten nicht rehbraun sein, sondern rot. Und auch die goldenen Hermelinschwänzchen am optisch zweiten Helm von rechts müßten schwarz sein. Vielleicht wird es ja bei der nächsten Restaurierung korrigiert; angesichts der phantastischen gestalterischen und plastischen Arbeit würden sich hier eine perfekte Farbfassung und die Ergänzung des schwarzen Fuldaer Kreuzes in der Mitte auf Helm 1 wirklich lohnen.

 

Abb.: rechter Seitenaltar mit Wappen

Den Stuck im Inneren der Kirche fertigten im Chor und im Langhaus Christoph und Johann Schmidt an. Martin Hummel aus Kitzingen stellte den Stuck der bauzeitlichen Emporen aus dem Jahr 1733 her.

Literatur, Links und Quellen:
Position in Google Maps: https://www.google.de/maps/search/%23N81418170019/@50.7247616,10.0024615,19z - https://www.google.de/maps/search/%23N81418170019/@50.7248105,10.002367,99m/data=!3m1!1e3
Bremen auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Bremen_(Geisa)
Pfarrkirche Bremen auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/St._Jakobus_und_Barbara_(Bremen/Rhön)
Bremen auf den Seiten der Stadt Geisa:
http://www.stadt-geisa.org/www/stadtinformationen/stadtteile/bremen.html
Georg Dehio: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Thüringen, Deutscher Kunstverlag München, Berlin, 1. Auflage  1998, ISBN 3-422-03050-6, S. 362-363
Volker Rößner, Sabine Wagner, Sabine Fechter: Andrea(s) Gallasini 1681-1766: Vom Stuckateur zum fürstlichen Baumeister in Fulda, 320 S., Verlag Michael Imhof Verlag, 2018, ISBN-10: 3731907178, ISBN-13: 978-3731907176, S. 166-167
Adolph von Dalberg in Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Adolf_von_Dalberg
Stefan Alles (bearbeitet von Simon-A. Göllner): Adolph von Dalberg, in den Hessischen Biographien
http://www.lagis-hessen.de/pnd/11887862X
Josef Leinweber: Die Fuldaer Äbte und Bischöfe, Festgabe des Bistums Fulda für Bischof Eduard Schick zum Diamantenen Priesterjubiläum, Frankfurt am Main 1989

Michael Imhof, Burghard Preusler, Gregor Stasch: Barockkirchen in Fulda und im Fuldaer Land mit dem Geisaer Amt, Dermbach, Hammelburg und Hünfelder Land, mit einem Beitrag von Gerd Weiß, Michael Imhof Verlag, Petersberg 2020, 496 S., ISBN-10: 3731908050, ISBN-13: 978-3731908050, S. 302-305

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