Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2646
Borsch (zu Geisa, Wartburgkreis, Thüringen)

Die katholische Pfarrkirche St. Maria Magdalena in Borsch

Borsch, seit 1994 in die Stadt Geisa eingemeindet, liegt 2,5 km in nordnordöstlicher Richtung vom Geisaer Altstadtzentrum entfernt. Die katholische Pfarrkirche St. Maria Magdalena ist im Zentrum an der Kirchgasse zu finden, ein schlichter Satteldachbau mit Hausgiebelfassade im Westen und einem offensichtlich älteren Chorturm im Osten, der eine achteckige geschweifte Haube mit Laterne als barocke Überformung trägt. Man erkennt an der Fassade ein typisches Schema der Kirchen jener Zeit im Fuldaer Land: Eine schlichte Putzfassade wird von sandsteinernen Ecklisenen eingerahmt, die einen großen Dreiecksgiebel tragen, der mit einem kräftigen Gesims vom fast quadratischen Unterbau abgesetzt ist. Zwei kleine, seitliche, eingerollte Schneckenvoluten bringen ein kleines bißchen barocke Verspieltheit in das streng geometrische Aufbauschema. Die Mittelachse enthält das Portal, das fürstäbtliche Wappen, ein zugemauertes Ochsenaugengewände und ein Rundfenster im Giebel, und seitlich gibt es zwei Figurennischen. Ganz ähnliche Fassaden sieht man in Großentaft, Schmalnau, Maria Ehrenberg, Wiesenthal und Spahl.

 

Diese Kirche wurde 1737-1738 gebaut, nachdem man bereits 1736 mit den Vorarbeiten begonnen und Werkzeuge und Rüstholz aus der gerade in Vollendung befindlichen Kirche in Großentaft herangeschafft hatte. Der Entwurf stammt vom fürstäbtlichen Hofbaumeister, Andrea(s) Gallasini, dessen typische Handschrift an der Fassade eingangs beschrieben wurde. Vor Ort war der ausführende Handwerker der Maurermeister Simon Schöle aus Fulda. Als Zimmermeister waren Hans Adam und Heinrich Hubert (oder Hobert) tätig. Von der alten Kirche, die zuvor hier stand, übernahm man den Turm, aber man setzte ihm ein weiteres Geschoß von achteckigem Grundriß auf und versah ihn mit einer barocken, welschen Haube. Bis 1738 war der Rohbau fertig, dann zogen sich die Innenausstattungsarbeiten noch rund zwei Jahre hin. Amand von Buseck weihte die neue Kirche am 2.10.1740. Die Fertigstellung so vieler Kirchen in kurzer Zeit war in der Tat ein unglaublicher Bauboom unter den beiden verantwortlichen Fürstäbten, und auch in diesem Falle konnte Amand von Buseck von der Weihe in Borsch gleich nach Schleid weitereilen, wo er zwei Tage später den Grundstein zur dortigen Kirche legte.

Der Wappenstein oberhalb des Hauptportals in der Westfassade ist für den Fuldaer Fürstabt Anton Adolph Kämmerer von Worms gen. von Dalberg (29.5.1678-3.11.1737). Er führt sein Wappen geviert mit einem Herzschild, Feld 1 und 4: unter einem goldenen, mit drei Spitzen abgeteilten Schildhaupt in Blau sechs (3:2:1) silberne Lilien, Stammwappen der Kämmerer von Worms, Feld 2 und 3: in Gold ein schwarzes Ankerkreuz, Stammwappen der von Dalberg, Herzschild: in Silber ein schwarzes durchgehendes Kreuz, Fürstabtei Fulda. Anstelle eines Oberwappens wird dieses Wappen mit einem Fürstenhut kombiniert, dazu ragen schrägrechts der Krummstab und schräglinks das gestürzte Schwert hinter dem Schild hervor. Die Ränder des beiderseits bogenförmig eingezogenen Schildes werden von Blattranken verziert, von denen Blütengirlanden herabhängen. Weil dieser Fürstabt schon am 3.11.1737 starb, konnte er die Fertigstellung nicht mehr erleben, und deshalb sehen wir innen das Wappen seines Nachfolgers.

Die einzige Wappendarstellung im Inneren ist über dem Chorscheitelbogen zu finden; sie gehört zum Vollender der Kirche, Amand von Buseck (Fuldaer Fürstabt 1737-1752, Fürstbischof 1752-1756). Sein Wappen hat die Form einer ovalen Kartusche und ist geviert, Feld 1 und 4: in Silber ein schwarzes durchgehendes Kreuz (Hochstift Fulda, der rote Schatten des Kreuzes ist hier unangemessen), Feld 2 und 3: in Gold ein rot gezungter, schwarzer Widderkopf, Hörner hier rot abgesetzt (Stammwappen der von Buseck). Dazu werden drei Helme geführt, wobei interessanterweise der normalerweise wichtigste Helm, das Fuldaer Kreuz, fehlt: Helm 1 (Mitte): auf einem Kissen ein rot gefütterter Fürstenhut, oben mit einem kleinen Reichsapfel mit Kreuz besetzt (gehört zum Hochstift Fulda), Helm 2 (rechts): auf dem gekrönten Helm eine silberne, golden verzierte Inful, aus der noch zwei Fähnchen schräg herausragen, hier das rechte rot mit einem grünen Lilienstock mit drei silbernen Blüten, das links silbern mit einem durchgehenden schwarzen Balkenkreuz, für das Hochstift Fulda, in dieser Form eine interessante neue Variante, die nicht die üblichen Inhalte der Fähnchen trägt, Helm 3 (links): auf dem gekrönten Helm ein roter Flug, der beiderseits mit einem in drei Reihen schwarz-silbern geschachten Balken belegt ist (der üblicherweise darüber vorhandene dreilätzige goldene Turnierkragen fehlt hier), dazwischen Kopf und Hals eines schwarzen Widders, Hörner hier rot, Stammkleinod der von Buseck. Anstelle der üblichen und korrekten Tinkturen der Helmdecken der einzelnen Helme verschmelzen diese hier zu einem nicht weiter in Details aufgelösten und vergoldeten Ornament. Hinter dem Schild stehen schrägrechts das gestürzte Schwert und schräglinks der Krummstab. Das Ganze wird vor einem Wappenmantel präsentiert, der aus einem Fürstenhut herabfällt, wobei auch hier Abweichungen vom heraldischen Idealzustand vermerkt werden müssen: Die Fütterung des Wappenmantels mit Hermelin mutiert zu einem weißen Hintergrund, der anstelle von schwarzen Hermelinschwänzchen mit goldenen Kugeln bestreut ist, und die Vergoldung erfaßt nicht nur den Fransensaum, sondern auch das Äußere des Wappenmantels, der üblicherweise außen rot wäre.

Literatur, Links und Quellen:
Position in Google Maps: https://www.google.de/maps/@50.7335756,9.9652994,16.25z - https://www.google.de/maps/@50.7331394,9.9655335,67m/data=!3m1!1e3
Borsch auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Borsch_(Geisa)#Baudenkmale
Pfarrkirche auf Kichbau.de:
http://www.kirchbau.de/php/300_datenblatt.php?id=13067&name=keiner
Volker Rößner, Sabine Wagner, Sabine Fechter: Andrea(s) Gallasini 1681-1766: Vom Stuckateur zum fürstlichen Baumeister in Fulda, 320 S., Verlag Michael Imhof Verlag, 2018, ISBN-10: 3731907178, ISBN-13: 978-3731907176, S. 160-161
Adolph von Dalberg:
https://de.wikipedia.org/wiki/Adolf_von_Dalberg
Stefan Alles (bearbeitet von Simon-A. Göllner): Adolph von Dalberg, in den Hessischen Biographien
http://www.lagis-hessen.de/pnd/11887862X
Josef Leinweber: Die Fuldaer Äbte und Bischöfe, Festgabe des Bistums Fulda für Bischof Eduard Schick zum Diamantenen Priesterjubiläum, Frankfurt am Main 1989, S. 146-151, 156-158, 163 u. 193 f., S. 179-181
Amand von Buseck bei Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Amand_von_Buseck
Amand von Buseck in den Hessischen Biographien:
https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/rsrec/sn/bio/register/person/entry/fulda,+abt+amand+von+buseck
Amand von Buseck auf Catholic Hierarchy:
http://www.catholic-hierarchy.org/bishop/bbusec.html
Michael Imhof, Burghard Preusler, Gregor Stasch: Barockkirchen in Fulda und im Fuldaer Land mit dem Geisaer Amt, Dermbach, Hammelburg und Hünfelder Land, mit einem Beitrag von Gerd Weiß, Michael Imhof Verlag, Petersberg 2020, 496 S., ISBN-10: 3731908050, ISBN-13: 978-3731908050, S. 346-349

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