Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2638
Haselstein (zu Nüsttal, Landkreis Fulda)

Die kath. Pfarrkirche St. Mauritius in Haselstein

Östlich des markanten Burghügels, eines steilen Phonolithkegels, auf dem sich die Burgruine Haselstein befindet, steht die kleine, 1732 erbaute Pfarrkirche am Hang an der Schloßbergstraße, nicht weit vom ehemaligen Amtsschloß. Im Ort gab es früher Burgherren, die mit Fulda mehrfach wegen Aufsässigkeit und Raubrittertum aneinandergerieten, zuerst 1113. Zweimal eroberte Fulda die Burg, 1119 und 1156, und seit 1156 war Haselstein endgültig wieder im Besitz Fuldas. Um 1140/1142 werden erstmals als Burgmannen die Herren von Haselstein erwähnt, die die Burg im Dienste Fuldas innehatten, aber den Zorn des Landesherrn durch Räubereien und Verstöße gegen Verpflichtungen auf sich zogen. Gerlach von Haselstein gilt als erster Namensträger. Ab 1170 wurden die Herren von Haselstein wieder als Burgmannen bei Gelobung von Besserung eingesetzt, doch sie erloschen 1328 mit dem Kleriker Heinrich von Haselstein, Propst auf dem Michelsberg und danach auf dem Neuenberg. Fulda machte Haselstein zu einem Amt. Zeitweise war die Burg 1401-1465 an die Herren von Buchenau verpfändet. Amtmänner waren danach die Herren von der Tann, dann die von Ebersberg gen. Weyers. Im 16. Jh. gab man die Burg als Amtssitz auf und baute ein neues Amtshaus im Stil der Renaissance, das heutige Schloß nördlich der Kirche. Es entstand in zwei Ausbauphasen ab 1546 und 1596.  Nach dem Dreißigjährigen Krieg verfiel die Burg. 1703 wurde das Amt Haselstein aufgelöst und Nachbarämtern zugeschlagen, 1727 aber wieder hergestellt. Vom Amtsschloß aus wurden die neun Amtsdörfer Haselstein, Großentaft, Grüsselbach, Kirchhasel, Rasdorf, Setzelbach, Soisdorf, Stendorf und Treischfeld für das Stift Fulda verwaltet.

Die Pfarrei wurde bereits 1291 eingerichtet. Bereits im Mittelalter gab es an der Stelle der heutigen Barockkirche einen Kirchenbau, der 1300 und 1571 erweitert wurde.  Die 1730-1732 unter Fürstabt Adolph von Dalberg auf seine eigenen Kosten nach Plänen des Fuldaer Bauinspektors Andrea(s) Gallasini erbaute Kirche steht mit ihrer Hauptfassade zum Hang. Die Fassade besitzt eine schlichte Gliederung mit vier Pilastern, die das Hauptgesims tragen. Im Giebel sind die beiden mittleren Pilaster weiter nach oben gezogen und enden unterhalb des dreieckigen Abschlusses, der als Dreiecksgiebel mit offenem Giebelfußgesims ausgebildet ist. Die nur leicht eingebogenen Seitenflächen enden unten in einer einwärts eingerollten Schnecke, die einen kleinen Sockel mit Kugel trägt. In der Mittelachse liegen Portal und zwei Fenster übereinander. Der Wappenstein ist zwischen dem obersten Fenster und dem kupfernen Dach des Hauptgesimses angebracht. Die ganze Fassade wirkt wie eine Sparversion von Gallasinis Formensprache, wie eine reduzierte Variante der Kirche in Bremen, die zeitgleich entstand. Das Langhaus besitzt auf jeder Seite zwei Fenster mit Scheitelstein. Der leicht eingezogene Chor mit einem weiteren Fenster auf jeder Seite trägt zum Tal hin einen achteckigen Dachreiter mit geschweifter Haube. Der schmälere Ostgiebel besitzt nur ein Fenster; der Giebel wirkt wie eine verkleinerte Version seines westlichen Gegenübers, mit einem Ochsenauge unter dem dreieckigen Abschluß. So kommt es zu der seltenen baulichen Konzeption einer Kirche mit zwei Schauseiten, mit zwei baugleichen Volutengiebeln unterschiedler Maße, eine für die Nahsicht im Westen, die andere für die Fernsicht im Osten. Die Ausführung vor Ort oblag den beiden Maurermeistern Johann Georg Hahner und Conrad Pfeffer und dem Zimmermeister Johann Schneider. Der Hochaltar, der Nebenaltar und die Kanzel waren bis 1733 angefertigt worden. Die Ausstattung der Kirche mit den wichtigsten Gemälden zog sich ein paar Jahre hin, so daß die Weihe erst 1746 durch Fürstabt Amand von Buseck vollzogen wurde. Wenige Tage zuvor hatte er die Pfarrkirche in Schleid geweiht. Die Kirche wurde der hl. Dreifaltigkeit geweiht. Der Hauptaltar ist dem Ortspatron, dem hl. Mauritius geweiht.

 

Der Wappenstein ist für den Fuldaer Fürstabt Anton Adolph Kämmerer von Worms gen. von Dalberg (29.5.1678-3.11.1737). Er führt sein Wappen geviert mit einem hier ovalen Herzschild, Feld 1 und 4: unter einem goldenen, mit drei Spitzen abgeteilten Schildhaupt in Blau sechs (3:2:1) silberne Lilien, Stammwappen der Kämmerer von Worms, Feld 2 und 3: in Gold ein schwarzes Ankerkreuz, Stammwappen der von Dalberg, Herzschild: in Silber ein schwarzes durchgehendes Kreuz, Fürstabtei Fulda. Die Lebensgeschichte dieses Fürstabtes wird ausführlich im Kapitel zu St. Georg in Eiterfeld besprochen.

Das Oberwappen besteht aus insgesamt vier gekrönten Helmen, Helm 1 (innen rechts): auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken ein rotes Kissen mit goldenen Quasten, darauf eine Krone, daraus wachsend ein aufrechtes schwarzes Kreuz, Hochstift Fulda, Helm 2 (innen links): auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken eine silberne, golden verzierte Bischofsmütze, aus der noch zwei Fähnchen schräg herausragen (fehlen hier), Fürstabtei Fulda, Helm 3 (außen rechts): auf dem Helm mit blau-goldenen Decken ein Flug, unter einem mit drei Spitzen abgeteilten goldenen Haupt in Blau sechs (3:2:1) silberne Lilien, Stammkleinod der Kämmerer von Worms, Helm 4 (außen links): auf dem Helm mit schwarz-goldenen Decken ein goldener Flug, beiderseits belegt mit jeweils einem schwarzen Ankerkreuz, Stammkleinod der von Dalberg. Seitlich ragen rechts der Krummstab und links das gestürzte Schwert hervor, letzteres hier mit abgebrochenem Griff.

Im Inneren der Saalkirche mit eingezogenem Chor gibt es ein weiteres Wappen (ohne Abb.) des Fuldaer Fürstabts Adolph von Dalberg am Chorscheitelbogen, am Übergang zur stuckierten Spiegeldecke. Es ist farbig gefaßt und stellt eine besonders aufwendige Variante dar mit fünf Helmen und einem aus einem Fürstenhut herabfallenden, hermelingefütterten Wappenmantel. Einzigartig für eine einfache Dorfkirche des Fuldaer Landes ist der künstlerisch wertvolle Deckenstuck, angefertigt von Stukkateur Andreas Schwarzmann. In der Mitte der Decke befindet sich ein Gemälde mit dem Auge Gottes. In die Ecken der Decke sind ovale Medaillons mit Malereien eingefügt. Die darin dargestellten Evangelisten malte Lukas Anton Flachner. Das Altarblatt des Hauptaltars malte Emanuel Wohlhaupter. Auch der Hauptaltar trägt ein Wappen von Adolph von Dalberg, ebenso der Schalldeckel der Kanzel an der rechten Seitenwand (ohne Abb.). Am Nebenaltar wirkte der Fassmaler Christian Franz Hillebrand (ein Fassmaler ist ein Maler, der Bildhauer- oder Schnitzarbeiten mit Farbauftrag und Vergoldung = Fassung versieht) . Für eine Landkirche waren hier erstaunlicherweise durchaus hochkarätige Künstler am Werk; vielleicht wurde dieser Aufwand getrieben, weil Haselstein ein Oberamt war. Die barocke Ausstattung (Kanzel in Stuckmarmor, Taufstein, drei Altäre in Stuckmarmor, einige hölzerne Skulpturen an den Wänden) ist komplett erhalten und in sich stilistisch geschlossen. Nur die Altarblätter stammen aus dem 19. Jh.

Literatur, Links und Quellen:
Position in Google Maps: https://www.google.de/maps/@50.6806018,9.8519868,17.75z - https://www.google.de/maps/@50.6809934,9.8522293,57m/data=!3m1!1e3
Haselstein bei Wikpiedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Haselstein_(Nüsttal)
Burgruine Haselstein bei Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Burgruine_Haselstein
Burgruine Haselstein in der Burgendatenbank EBIDAT:
http://www.ms-visucom.de/cgi-bin/ebidat.pl?id=8132
Haselstein im Historischen Ortslexikon:
https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/ol/id/631019020
Haselsteiner Geschichtsweg:
https://www.haselstein.com/haselsteiner-geschichtsweg/ - Blick ins Kircheninnere: http://www.haselstein.com/wp-content/uploads/2011-05-08-11.11.00_a.jpg - Geschichte von Haselstein: https://www.haselstein.com/780-jahrhunderte-im-uberblick/ - als pdf: http://www.haselstein.com/wp-content/uploads/0780_Jahrhunderte-im-%C3%9Cberblick.pdf
Adolph von Dalberg:
https://de.wikipedia.org/wiki/Adolf_von_Dalberg
Stefan Alles (bearbeitet von Simon-A. Göllner): Adolph von Dalberg, in den Hessischen Biographien
http://www.lagis-hessen.de/pnd/11887862X
Josef Leinweber: Die Fuldaer Äbte und Bischöfe, Festgabe des Bistums Fulda für Bischof Eduard Schick zum Diamantenen Priesterjubiläum, Frankfurt am Main 1989, S. 146-151, 156-158, 163 u. 193 f.
Volker Rößner, Sabine Wagner, Sabine Fechter: Andrea(s) Gallasini 1681-1766: Vom Stuckateur zum fürstlichen Baumeister in Fulda, 320 S., Verlag Michael Imhof Verlag, 2018, ISBN-10: 3731907178, ISBN-13: 978-3731907176, S. 254-255
Adrian Seib, Landesamt für Denkmalpflege Hessen (Hrsg.): Kulturdenkmäler in Hessen, Landkreis Fulda II: Burghaun, Eiterfeld, Hünfeld, Nüsttal, Rasdorf (Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland - Kulturdenkmäler in Hessen), 502 S., Verlag Theiss, 2011, ISBN-10: 3806226075, ISBN-13: 978-3806226072, S. 398-410, insbesondere S. 406-407.

Michael Imhof, Burghard Preusler, Gregor Stasch: Barockkirchen in Fulda und im Fuldaer Land mit dem Geisaer Amt, Dermbach, Hammelburg und Hünfelder Land, mit einem Beitrag von Gerd Weiß, Michael Imhof Verlag, Petersberg 2020, 496 S., ISBN-10: 3731908050, ISBN-13: 978-3731908050, S. 334-337

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