Bernhard
Peter
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Photos schöner alter Wappen Nr. 2637
Mackenzell (zu Hünfeld, Landkreis Fulda)
Die kath. Pfarrkirche St. Johannes der Täufer in Mackenzell
Die katholische Pfarrkirche St. Johannes der Täufer im Hünfelder Stadtteil Mackenzell ist im Norden des alten Ortskernes zwischen der Weißenborner Straße und dem Kindergarten St. Laurentius zu finden. Auch wenn das Gebäude vollständig modern ist, ist ein historischer, ehemals an der Fassade über dem Hauptportal befindlicher Wappenstein an der westlichen Außenwand der nach Norden vorspringenden Taufkapelle als Spolie vermauert, so daß eine Betrachtung der Geschichte angebracht ist.
Der Ort besaß einst eine Barockkirche im Dorfzentrum, deren Bau 1728 unter Fürstabt Adolph von Dalberg geplant und bald darauf begonnen wurde. Für den Neubau riß man die alte Kapelle am Dorfplatz ab. 1736 wurde Mackenzell zu einer eigenständigen Pfarrei erhoben, mit den Filialen Nüst und Molzbach. Um diese Zeit ist der tatsächliche Baubeginn anzusetzen. Auch das neue Pfarrhaus wurde gleich mitgeplant. Vollendet wurde der Innenausbau der Kirche aber erst unter seinem Nachfolger Amand von Buseck, der 1746 die Weihe vornahm. Sie hatte eine Fassade mit vier Pilastern, die das in der Mitte bogenförmig nach oben gezogene, kräftige Hauptgesims trugen. Über dem mittig angeordneten Portal war das Stichbogen-Fenster positioniert. In den beiden seitlichen Fassadennischen waren Figurennischen eingearbeitet. Der Fassadengiebel endete oben in einer strengen Dreiecksform, wobei die Hypotenuse aber durch eine Nische unterbrochen wurde; die Seitenteile des Giebels waren S-förmig geschwungen. Über den seitlichen Pilastern markierten kleine Aufsätze mit Kugelschmuck die Ecken. Hinter dem Giebel war ein achteckiger Dachreiter mit Schallöffnungen und Zwiebelhaube aufgesetzt. Das Langhaus hatte seitlich je vier hohe Fenster, oben mit Stichbogen abgeschlossen.
Der ehemalige Schlußstein des Portals ist noch erhalten und auf der rechten Seite der Westfassade eingemauert. Er trägt die Inschrift "AUSPICI / DEO OPTIMO MAXIMO / Favente / Reverendissimo ac Celsissi(m)o / Principe et Abbate Fuldensi / ADOLPHO / ex avita Familia de Dal/Berg / Templum hoc novum / Sub Patrocinio / B. V. Maria S. Margaret / Erectum est / ANNO Quo".
Der aufgrund seiner schönen Arbeit zu Unrecht im Abseits eingemauerte Wappenstein ist für den Fuldaer Fürstabt Anton Adolph Kämmerer von Worms gen. von Dalberg (29.5.1678-3.11.1737). Er führt sein Wappen geviert mit Herzschild, Feld 1 und 4: unter einem goldenen, mit drei Spitzen abgeteilten Schildhaupt in Blau sechs (3:2:1) silberne Lilien, Stammwappen der Kämmerer von Worms, Feld 2 und 3: in Gold ein schwarzes Ankerkreuz, Stammwappen der von Dalberg, Herzschild: in Silber ein schwarzes durchgehendes Kreuz, Fürstabtei Fulda. Die Lebensgeschichte dieses Fürstabtes wird ausführlich im Kapitel zu St. Georg in Eiterfeld besprochen.
Das Oberwappen besteht aus insgesamt vier gekrönten Helmen, Helm 1 (innen rechts): auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken ein rotes Kissen mit goldenen Quasten, darauf eine Krone, daraus wachsend ein aufrechtes schwarzes Kreuz, Hochstift Fulda, Helm 2 (innen links): auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken eine silberne, golden verzierte Bischofsmütze, aus der noch zwei Fähnchen schräg herausragen, Fürstabtei Fulda, Helm 3 (außen rechts): auf dem Helm mit blau-goldenen Decken ein Flug, unter einem mit drei Spitzen abgeteilten goldenen Haupt in Blau sechs (3:2:1) silberne Lilien, Stammkleinod der Kämmerer von Worms, Helm 4 (außen links): auf dem Helm mit schwarz-goldenen Decken ein goldener Flug, beiderseits belegt mit jeweils einem schwarzen Ankerkreuz, Stammkleinod der von Dalberg. Seitlich ragen links der Krummstab und rechts das gestürzte Schwert hervor. Die ganze Komposition wird ummantelt von einem aus einem Fürstenhut herabfallenden, beiderseits mit Bändern hochgerafften, roten, hermelingefütterten Wappenmantel. In dieser Form handelt es sich um eines der aufwendigsten Wappen, das dieser Fürstabt führte, nur übertroffen mit der Variante mit fünf Helmen.
Historische Photos des Innenraumes zeigen, daß das gleiche Wappen früher noch mehrfach im Inneren der Kirche zu finden war, einmal am Chorbogen, einmal am Hauptaltar und zweimal an den beiden Seitenaltären, letztere in vereinfachter Form ohne Helme, nur mit Fürstenhut und weiteren Amtsinsignien. Auch an der Kanzel befanden sich zwei Wappen, eines am Kanzelkorb (nicht zu erkennenden Inhalts) und eines am Schalldeckel, letzteres ist als dasjenige des Fuldaer Fürstabtes Amand von Buseck zu identifizieren. Alle diese Wappen sind verloren gegangen.
Die barocke Kirche wurde 1945 vollständig durch Beschuß durch amerikanische Truppen zerstört, in dessen Folge im Dorf außerdem 6 Wohnhäuser, 17 Scheunen und die Lagerhalle der Möbelfabrik vernichtet wurden. Der nach den Kriegseinwirkungen stehengebliebene Rest der Außenmauern der Kirche wurde abgebrochen, obwohl z. B. der Frontgiebel noch bis oben stand. Die heutige Kirche wurde 1948-1950 von Architekt Dipl.-Ing. Hans Weber aus Amöneburg als kastenartiger Rechteckbau aus Sandstein erbaut, wobei die Qualität des Materials nur mühsam über die nüchterne Form und die fehlende Ästhetik hinwegtröstet. Das Verhältnis von großen Dach- und Wandflächen zur sparsamen Durchfensterung verleiht dem Bau, nennen wir es positiv einen trutzigen, nennen wir es negativ einen erdrückenden, nennen wir es neutral einen disharmonisch-monumentalen Charakter. Im Grunde ist die Gestaltung ein anachronistischer Nachhall der Klotz-Architektur der 1920er und 1930er Jahre. Das Baumaterial für die materialsichtigen Bruchsandsteinmauern stammt z. T. aus der zerstörten Barockkirche.
Es stellt sich durchaus die Frage, ob die Kirche nicht unter Bewahrung der stehengebliebenen Wände hätte wiederaufgebaut und gerettet werden können. Weil der damalige Landeskonservator Dr. Bleibaum mit dem Pfarrer gut bekannt war, verebbten jedoch damalige Bedenken wegen des Abrisses der noch vorhandenen historischen Bausubstanz im Sande. Als Ort wählte man einen Platz weiter nördlich im ehemaligen Pfarrgarten. Bauleiter vor Ort war Pfarrer Pius Most aus Kirchhain bei Marburg (amtierte 1947-1954), der bereits 1945 als Pfarrkurat von der bischöflichen Behörde zur Bestandsaufnahme nach Mackenzell beordert worden war. Im 36 m hohen Turm hängen vier Glocken. Der Hochaltar ist ein Werk von Hermann Wirth, einem aus Mackenzell stammenden Kunst- und Kirchenmaler. Die Weihe der neuen Kirche erfolgte am 7.5.1950 durch den Fuldaer Diözesanbischof Dr. Johannes Dietz. 1978 gab es noch eine kleine Änderung: Der Turm, dessen Dach bis dahin aus Holzschindeln bestand, bekam ein Kupferdach für seinen Pyramidenhelm.
Neben dem fürstäbtlichen Wappen und dem Portalschlußstein sind von der Barockkirche noch zwei Statuen aus Sandstein erhalten, die früher Teil der Westfassade waren und jetzt auf Postamenten vor der neuen Kirche aufgestellt sind; sie stellen den hl. Adolphus (Bezug zum Bauherrn, Adolph von Dalberg) mit Buch in der Rechten und Krummstab in der Linken (Abb. oben links) und den hl. Bonifatius (Bezug zum Stift Fulda) mit Vortragekreuz und einem links geschulterten Schwert, das ein Buch durchstößt (Abb. oben rechts), dar.
Literatur,
Links und Quellen:
Position in Google
Maps: https://www.google.de/maps/@50.6568564,9.7904309,18.75z - https://www.google.de/maps/@50.6569369,9.790645,96m/data=!3m1!1e3
Hinweistafel der Stadt Hünfeld an der Kirche St. Johannes der
Täufer
Geschichte von Mackenzell: http://www.mackenzell.de/content/geschichte-mackenzell/
Geschichte der Kirche von Mackenzell: http://www.mackenzell.de/content/kirche/kirche-mackenzell-vorstellung/
Mackenzell auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Mackenzell#Kirche
Adrian Seib, Landesamt für Denkmalpflege Hessen (Hrsg.):
Kulturdenkmäler in Hessen, Landkreis Fulda II: Burghaun,
Eiterfeld, Hünfeld, Nüsttal, Rasdorf (Denkmaltopographie
Bundesrepublik Deutschland - Kulturdenkmäler in Hessen), 502 S.,
Verlag Theiss, 2011, ISBN-10: 3806226075, ISBN-13:
978-3806226072, S. 321-338, insbesondere S. 333-334.
Michael Imhof, Burghard Preusler,
Gregor Stasch: Barockkirchen in Fulda und im Fuldaer Land mit dem
Geisaer Amt, Dermbach, Hammelburg und Hünfelder Land, mit einem
Beitrag von Gerd Weiß, Michael Imhof Verlag, Petersberg 2020,
496 S., ISBN-10: 3731908050, ISBN-13: 978-3731908050, S. 285-287
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