Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2633
Flieden (Landkreis Fulda)

Die Pfarrkirche St. Goar in Flieden

Flieden liegt 5 km südwestlich von Neuhof (Landkreis Fulda); die katholische Pfarrkirche St. Goar befindet sich im Ortszentrum auf einer Anhöhe südlich der Hauptstraße, die der alten Via Regia (Alte Heerstraße) zwischen Frankfurt und Leipzig folgt. Von Norden her führt eine Treppe auf den Kirchplatz. Von Westen her führt eine zweite, erheblich größere Treppenanlage hinauf; dort ist der Kirchhof mit Arkaden unterkellert. Die barocke Saalkirche ist von Norden nach Süden ausgerichtet und besitzt einen westlich angesetzten einzelnen Kirchturm, das liegt daran, daß ein älterer Turm (zumindest der untere Teil) beim barocken Neubau übernommen wurde. Im Osten springt auf gleicher Höhe die Kreuzkapelle vor. Im Osten der Kirche liegen separat das Küsterhaus, das Pfarrhaus und der Pfarrgarten.

 

Im Jahre 815 ging das Zehntrecht über die Bewohner des Ortes von Würzburg an Fulda durch Schenkung. Die Pfarrei wurde erstmals 1244 erwähnt. Das Kloster Fulda hat seit spätestens dem 14. Jh. das Patronatsrecht inne. Im Mittelalter gab es hier eine gotische Wehrkirche, wozu der nach Süden zum Magdloser Wasser hin abfallende Hügel gut geeignet war. Vom Mauerring, der früher die ganze Kirche und das einstige Gräberfeld umgab, sind noch Reste erhalten. Diese erste Kirche war noch geostet, und der Turm bildete das westliche Ende; ihm wurde im frühen 18. Jh. ein Stockwerk aufgesetzt. Und das Taufbecken aus dem Jahr 1495 hat sich aus der ersten Kirche erhalten. Im Barock wurde diese Kirche 1717-1720 unter Pfarrer Johann Valentin Ignaz Schmitt umgebaut und erweitert. Die Grundsteinlegung erfolgte am 22.6.1717. Dabei bekam die Kirche eine neue Ausrichtung der Hauptachse, um möglichst viel alte Bausubstanz zweitverwenden zu können. Der Turmsockel blieb, und aus dem ehemaligen Chor entstand die Kreuzkapelle. Die Länge des alten gotischen Langhauses bildete nun die Breite des um 90° gedrehten barocken Langhauses, so daß die kurzen Mauerstücke übernommen werden konnten. Die Ausstattungsarbeiten an Altären, Kanzel, Orgel und Empore zogen sich bis 1730 hin. Die Turmglocken wurden 1745 fertiggestellt. Eine zweite Erweiterung fand 1925-1927 unter Pfarrer Franz Winter statt. Bis zum Choransatz blieb die alte Bausubstanz bestehen, doch den alten Chor riß man ab, um ein querstehendes Zwischenstück von etwa gleichen Dimensionen wie das barocke Langhaus einzusetzen. Der von zwei Sakristeiräumen flankierte Chor mit dem Altarraum wurde im Süden an das eingeschobene Querhaus angesetzt. Zuletzt wurde die Kirche 1973-1977 und 2000-2003 renoviert.

   

Von heraldischem Interesse ist die Nordfassade. Über dem Hauptportal mit Dreiecksgiebel ist ein Rundbogenfenster eingebaut. Drei Rundfenster, zwei seitlich neben dem Portal und eines im schlichten Dreiecksgiebel, sorgen für weiteres Licht. Über den seitlichen Rundfenstern sind in Rundbogennischen Figuren des heiligen Goar (links) und der heiligen Katharina (rechts) zu sehen, ersterer in Mönchsgewand, mit der Rechten ein Buch gegen die Brust drückend, eine Mitra zu seinen Füßen abgelegt, letztere mit einem Teilstück eines Rades.

Unter dem in der Mitte dreieckig nach oben gezogenen Hauptgesims des Nordgiebels ist das Wappen des Fuldaer Fürstabtes Konstantin von Buttlar (regierte 1714-1726) angebracht. Er war es auch, der am 16.6.1720 die umgebaute Kirche geweiht hat. Weiterhin stiftete er 1724 den Hochaltar. Der Schild ist geviert, Feld 1 und 4: in Silber ein schwarzes, durchgehendes Kreuz (Fürstabtei Fulda), Feld 2 und 3: in Rot eine silberne Butte mit goldenen Reifen und goldenen Tragbändern links (Stammwappen der von Buttlar). Als Schildhalter dienen zwei golden geflügelte Putten mit Lendentuch, die den palmwedelartig verzierten Rand rings um den Schild mit beiden Händen ergreifen. Das Wappen wird mit allen drei zugehörigen Helmen dargestellt, Helm 1 (Mitte): auf dem Helm mit eigentlich schwarz-silbernen Decken auf einem roten Kissen in einer Laubkrone ein stehendes schwarzes Kreuz (Fürstabtei Fulda), Helm 2 (rechts): auf dem gekrönten Helm mit eigentlich schwarz-silbernen Decken eine Bischofsmütze, aus der noch zwei Fähnchen schräg herausragen, hier ohne Feinstruktur rot angestrichen, eigentlich jedes Fähnchen gespalten, vorne in Rot ein grüner Lilienstock mit drei silbernen Blüten und hinten in Gold ein halber schwarzer Adler am Spalt (Fürstabtei Fulda), Helm 3 (links): auf dem gekrönten Helm mit eigentlich rot-silbernen Decken ein rotes Jagdhorn mit goldenem Band, dessen Mundloch mit drei rot-silbern-rot tingierten Straußenfedern besteckt ist (Stammkleinod der von Buttlar). Die Helmdecken wurden hier bei der farblichen Neufassung nicht als Bedeutungs- und Symbolträger erkannt, sondern wie die Palmwedel grün angestrichen. Seitlich neben dem Schild stecken schräglinks das gestürzte Schwert und schrägrechts der Krummstab hinter den Putten.

Die munter Klein- und Großbuchstaben mischende Inschrift unter dem Wappen lautet: "SVb / REVERENDIssIMO et Celsissimo / Sacri Romani Imperii principe ac D(omino) D(omino) / CONSTANTINO ABBaTE fuldensi /Divae Augustae Archicancellario per Ger/maniam et Galliam Primate / ex avita stirpe de ButtlAr /1718"- unter dem hochwürdigsten und hochgerühmten Herrn und dem Fürsten des Heiligen Römischen Reiches, dem Herrn Constantin aus dem uralten Geschlecht der von Buttlar, Abt von Fulda, Erzkanzler der Kaiserin und Primas von Germanien und Gallien (erbaut) 1718.

An dem Mäuerchen zwischen Kreuzkapelle und Pfarrhaus ist neben dem Torbogen ein älterer Wappenstein eingemauert, dem Aussehen nach spätgotisch, der nachträglich überarbeitet worden ist. Die Schreibweise der Jahreszahl 1441 entspricht jedenfalls nicht der damals üblichen Form. Unter der ersten Ziffer "4" ist die gotische Ziffer noch ansatzweise zu erkennen. In dem angegebenen Jahr, sofern vor der Änderung korrekt gelesen, war Hermann II. von Buchenau Fuldaer Fürstabt. Er regierte von 1440 bis 1449. Dann müßte aber in Feld 1 in Gold einwärts ein grüner Sittich mit Halsband (von Buchenau) zu sehen sein - fragwürdig. Angesichts des erhaltenen Befundes ähnelt das Motiv aber mehr einer Henne, so daß der Verdacht besteht, der "Restaurator" hat die dritte Ziffer als "4" gelesen, obwohl es sich um eine verwitterte "8" gehandelt haben könnte - denn die gotische "4" sieht wie eine unten offene "8" aus. Das kann leider nicht mehr verifiziert werden, weil keinerlei Spuren der alten Zahlen in diesem Bereich erhalten sind. Mit der Rekonstruktion der ursprünglichen Jahreszahl als 1481 wäre die Henne plausibel, denn Johann II. von Henneberg-Schleusingen regierte Fulda 1472-1513 als Fürstabt. Er führte in Gold eine schwarze Henne. Was diese Interpretation wiederum unsicher werden läßt, ist die Tatsache, daß die Henneberg-Äbte ein zusätzliches Feld mit einem Adler über zwei Reihen rot-silbernem Schach verwendeten, was hier komplett fehlt. Die Diskussion bleibt offen.

Zu sehen ist jedenfalls ein geviertes Wappen, das wie folgt aufgebaut ist: Feld 1: der oben diskutierte Vogel einwärts, Sittich oder Henne, Feld 2 und 3: in Silber ein durchgehendes schwarzes Kreuz (Hochstift Fulda), Feld 4: in Rot aus einem grünen Dreiberg wachsend drei silberne Lilien an grünen Stengeln (für die römischen Geschwister und Märtyrer Simplizius, Faustinus und Beatrix, die drei Schutzpatrone der Stadt, Symbol des Domkapitels, vgl. Stadtwappen). Ungewöhnlich an diesem Wappen ist die Positionierung des hochstiftlichen Feldes und die Aufnahme der Lilien.

Im Inneren der Kirche gibt es weitere Wappendarstellungen an den Altären, sowohl am rechten wie am linken Seitenaltar ist ein Wappen des Fuldaer Fürstbischofs Adolf von Dalberg zu sehen, alle beide mit fünf Helmen, ein weiteres ist oben am Orgelgehäuse angebracht, dieses ohne Helme, nur mit Fürstenhut. Am Hochaltar ist ein Wappen von Konstantin von Buttlar angebracht, nur mit Fürstenhut und Amtsinsignien.

Literatur, Links und Quellen:
Position in Google Maps: https://www.google.de/maps/@50.422872,9.5672557,18.5z - https://www.google.de/maps/@50.4229164,9.5670955,99m/data=!3m1!1e3
Flieden im Historischen Ortslexikon:
https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/ol/id/631008020
katholische Pfarrgemeinde St. Goar:
https://www.bistum-fulda.de/flieden/ - Pfarrkirche und Baugeschichte: https://www.bistum-fulda.de/flieden/02_kirchen/st.goar-flieden.php
Raimund Henkel: Pfarrkirche Sankt Goar Flieden, hrsg. von der katholischen Kirchengemeinde Flieden, Druckerei Vogel, Neuhof 2005.
Pfarrkirche St. Goar auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/St._Goar_(Flieden)
Geschichte von Flieden auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Flieden#Geschichte
Josef Leinweber: Die Fuldaer Äbte und Bischöfe, Frankfurt am Main 1989, ISBN 3-7820-0585-6, S. 144-147
Konstantin von Buttlar auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Konstantin_von_Buttlar
Martin Hartung: Konstantin von Buttlar, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Band 40, Bautz, Nordhausen 2019, ISBN 978-3-95948-426-8, Sp. 131-146.

Michael Imhof, Burghard Preusler, Gregor Stasch: Barockkirchen in Fulda und im Fuldaer Land mit dem Geisaer Amt, Dermbach, Hammelburg und Hünfelder Land, mit einem Beitrag von Gerd Weiß, Michael Imhof Verlag, Petersberg 2020, 496 S., ISBN-10: 3731908050, ISBN-13: 978-3731908050, S. 206-214

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