Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 2561
Sulzfeld (Landkreis Karlsruhe, Baden)
Das Rentamt, ehemals Mittleres oder Pforzheimer Schloß
Bei dem als Rentamt bezeichneten Gebäude in der Hauptstraße 44 von Sulzfeld handelt es sich um einen der insgesamt drei Herrensitze im Ort, neben dem fast vollständig verschwundenen Unteren Schloß und dem Amalienhof. Es wurde 1609 als Mittleres Schloß erbaut und auch Pforzheimer Schloß genannt, weil der Bauherr Obervogt zu Durlach und Pforzheim im Dienste der Markgrafen von Baden war. Was wir heute sehen, gehört nicht zum rechts daneben stehenden Gebäude, sondern ist nur ein Rest des 1807 abgerissenen Nordflügels. Der heutige, rechts an die kleine Einheit mit dem Portal anschließende Hauptbau wurde erst im 18. Jh. erbaut. Also eigentlich handelt es sich nur um ein Portal, das ursprünglich nicht zum vorhandenen Gebäude gehörte, dessen eigentliches Gebäude nicht mehr besteht und das sich daher in völlig baulich unlogischen und zudem unansehnlichem Kontext befindet.
Sehenswert ist hier einzig und allein das Portal am Treppenturm, direkt zur Hauptstraße gerichtet. Insgesamt ist der 4,50 m hohe und 1,92 m breite Bauschmuck zwar stark durch Witterungseinflüsse und Autoabgase beschädigt, man kann aber immer noch erkennen, wie prachtvoll das Portal einst ausgesehen hat. Aus gelbem Sandstein wurde das rundbogige, reihum von flächigem Beschlagwerk umgebene Gewände gehauen, darüber befindet sich eine in Resten erhaltene Aedikula, deren freistehende Säulen aber verloren gegangen sind. Auch die beiden Wappen in der Gebälkzone sind beschädigt, aber noch erkennbar. Sie gehören zu Engelhard I. Göler von Ravensburg (22.6.1570-17.3.1654) und seiner am 7.11.1603 angetrauten Frau, Anna Maria von Mentzingen (1582-1641).
Engelhard I. Göler von Ravensburg (22.6.1570-17.3.1654) war der Sohn von Bernhard II. Göler von Ravensburg (1523-1597) und Maria von Hirschhorn (1528-). Er wurde markgräflich-badischer Geheimer Rat und 1604-1614 badischer Obervogt zu Durlach und Pforzheim. Sein Epitaph ist in der Sulzfelder ev. Kirche aufgestellt, gestiftet von seinen drei Söhnen. Das Wappen heraldisch rechts ist das der Göler von Ravensburg, in Silber ein schwarzer auffliegender Rabe (hier ungekrönt), auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken Kopf und Hals des schwarzen Raben, aus dem hinten am Hals ein goldener (oder silberner) Kamm hervorkommt mit 5 goldenen (oder silbernen) Spitzen, die meistens mit ebenso vielen Pfauenfedern (Pfauenspiegeln) besteckt sind (Siebmacher Band: Bad Seite: 9 Tafel: 7; Frkft Seite: 5 Tafel: 4, PrE Seite: 84 Tafel: 70 , PrGfN Seite: 9 Tafel: 6).
Engelhards Ehefrau Anna Maria von Mentzingen (1582-1641) war die Tochter von Bernhard von Mentzingen (11.2.1553-21.5.1628) und Barbara von Neipperg (ca. 1556-1608). Auch ihre Schwester Katharina hat in die Familie Göler von Ravensburg eingeheiratet, den Cousin ihres Mannes, Hans Friedrich Göler von Ravensburg (5.3.1565-10.12.1626), den Erbauer des Renaissance-Palas auf der Ravensburg. Das Wappen heraldisch links ist das der Herren von Mentzingen, in Silber ein schwarzer auffliegender Rabe (hier ungekrönt), auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken ein wachsender silberner Schwan mit goldenem Schnabel, die Flügel mit goldenen Saxen, Schwungfedern des Schwanes schwarz und mit silbernen Sternen, Kreuzchen oder Lindenblättchen belegt (Siebmacher Band: Bad Seite: 11 Tafel: 8).
In der obersten Zone befindet sich eine 1 m breite und 80 cm hohe Inschriftenkartusche mit ornamentalem Rand; der Inhalt lautet: "QVISQVIS ME LAESERIT / DOMINVS VLTOR ERIT / ENGELHARD GÖLER VON RABEN / SPVRG ANNA MARIA GÖLERIN / VON RABENSPVRG GEBOR / NE VON MENTZINGEN / 1609" - wer auch immer mich verletzen wird der Herr wird der Rächer sein, dann das Bauherrenehepaar und die Datierung.
Wenn man in den Hof hineingeht, kann man auf der Ostseite des Innenhofes an einem Scheunengebäude mit Treppengiebel ein weiteres Wappen sehen, über dem mittleren, etwas niedrigeren Doppelflügeltor. Es ist auf 1867 datiert. Der gelbe Sandstein ist trotz des relativ jungen Alters bereits stark verwittert. Das aus zwei einander zugewendeten Vollwappen bestehende Ehewappen wird von Kanonenrohren, Lanzen und Fahnen beseitet, dazu sind zwischen den beiden Helmen noch zwei Degengriffe zu sehen, was insgesamt Rückschlüsse auf den militärnahen Hintergrund des Bauherrn erlaubt. Das Wappen heraldisch rechts ist das aus Courtoisie einwärts gewendete Wappen der Göler von Ravensburg wie oben beschrieben. Doch das andere Wappen zeigt nur vordergründig das gleiche Schildbild, das aufgrund fortgeschrittener Verwitterung nicht klar aufgelöst ist. Die Helmzier ist ein Paar Büffelhörner, was zunächst an die stammesverwandten von Helmstatt denken läßt, mit denen die Göler mehrere eheliche Verbindungen eingingen - nur keine im betreffenden Zeitraum. Im Jahre 1867 gab es keinen Göler, der eine von Helmstatt geheiratet hatte.
Die Spur führt woanders hin: Ernst August Karl Freiherr Göler von Ravensburg (10.4.1837-8.9.1912), Sohn von August Franz Wilhelm Göler von Ravensburg (1809-1862), Generalmajor und Militärschriftsteller, und Adelheid Freiin von Holzing (1813-1864), hatte 1862 die Verwaltung des Familiengutes in Sulzfeld übernommen. Für die Führung des Gutes studierte er 1865-1868 Forst- und Landwirtschaft am Polytechnikum in Karlsruhe und an der Landwirtschaftsakademie Hohenheim. Als Sulzfelder Grundherr war er 1865-1868 und 1875-1910 Mitglied der Ersten Kammer der Badischen Ständeversammlung. Er war ferner 1868-1870 Mitglied des Zollparlaments, 1875-1910 Mitglied der I. Kammer, 1878-1885 Vorsitzender der Konservativen Partei in Baden, 1881-1887 Mitglied des Reichstags, 1888-1910 Vorsitzender des Badischen Landesvereins für Innere Mission und 1910-1911 Vorsitzender des Badischen Grundherrenverein. Er hatte am 2. 9. 1863 Hannah Freiin von Porbeck (1844-1922) geheiratet. Die von Porbeck führen als Wappen in Rot über grünem Schildfuß (Boden) ein silberner Pelikan ohne Jungen, sich die Brust aufreißend, auf dem gekrönten Helm mit rot-silbernen Decken ein rot-silbern übereck geteiltes Paar Büffelhörner (Siebmacher Band: Bad Seite: 122 Tafel: 72). Bei dem schlechten Erhaltungsgrad des Wappens ist durchaus Spielraum für diese Sichtweise.
Bis 2010 war das Rentamt noch in Besitz der Familie. Dann wurde es zusammen mit der Ravensburg und dem Weingut an den bisherigen Pächter desselben, die Heitlinger GmbH, verkauft. Hier wurden bis vor kurzem die Trauben der zum Weingut Ravensburg gehörenden Lagen verarbeitet. Die Heitlinger GmbH hat aber ihre Produktion von Sulzfeld nach Tiefenbach verlagert und daher kein Interesse mehr an den Nutzflächen im Ensemble Rentamt. Aktuell (2019) wird die Immobilie mit einer Gesamtfläche von 4666 m2 für 1,2 Mio über einen Walldorfer Makler zum Verkauf angeboten.
Ausschnitt aus der Genealogie der Göler von Ravensburg, fett sind für dieses Kapitel relevante Personen, fett und burgunderrot sind die Besitzer der hier beschriebenen Wappensteine, rot sind Fundstellen für Wappen:
Literatur, Links
und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@49.1021407,8.8569071,19.5z - https://www.google.de/maps/@49.1022742,8.8571023,132m/data=!3m1!1e3
Chronik der Gemeinde Sulzfeld: https://www.sulzfeld.de/die-gemeinde/chronik/
Göler von Ravensburg: https://de.wikipedia.org/wiki/Göler_von_Ravensburg
Herren von Mentzingen: https://de.wikipedia.org/wiki/Herren_von_Mentzingen
Hartmut Riehl: Burgen und Schlösser im Kraichgau, Verlag
Regionalkultur 1997, ISBN 3-929366-51-7, S. 104
Zwischen Fürsten und Bauern - Reichsritterschaft im Kraichgau,
hrsg. von Clemens Rehm und Konrad Krimm, Heimatverein Kraichgau,
Sinsheim 1992, 2. Auflage 1993, ISBN 3-921214-04-1
Wolfgang Willig, Landadel-Schlösser in Baden-Württemberg, eine
kulturhistorische Spurensuche, 1. Auflage 2010, ISBN
978-3-9813887-0-1, S. 511
Deutsche Inschriften 20, Die Inschriften des Großkreises
Karlsruhe, Nr. 351 (Anneliese Seeliger-Zeiss), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di020h007k0035105 - http://www.inschriften.net/karlsruhe/inschrift/nr/di020-0351.html#content
laienhistorischer Artikel von Manfred Himmel zu historischen
Gebäuden: http://www.historisches-sulzfeld.de/index.php/40-historische-sulzfelder-gebaeude.html?start=3
Ernst Göler von Ravensburg: https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Göler_von_Ravensburg
Ernst Göler von Ravensburg: http://zhsf.gesis.org/biorabkr_db/biorabkr_db.php?id=776
Ernst Göler von Ravensburg: https://www.leo-bw.de/web/guest/detail/-/Detail/details/PERSON/kgl_biographien/116704039/G%C3%B6ler+von+Ravensburg+Ernst+A%3B+Politiker+K%C3%A4mmerer+1837-1912
Verkauf des Rentamts: https://www.stimme.de/kraichgau/nachrichten/sonstige-Was-wird-aus-dem-Rentamt;art1943,2320113 - Angebot auf Immobilienscout24: https://www.immobilienscout24.de/expose/95120451#/
Das Rentamt auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Rentamt_(Sulzfeld)
Das Rentamt auf Burgen-Web: http://www.burgen-web.de/site84oktober.htm
Edmund von der Becke-Klüchtzner: Stamm-Tafeln des Adels des
Großherzogthums Baden, ein neu bearbeitetes Adelsbuch
Baden-Baden, 1886: https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/beckekluechtzner1886/0172/image ff.
Kindler von Knobloch, Julius (Bearb.) / Badische Historische
Kommission (Hrsg.), Heidelberg, 1898, Oberbadisches
Geschlechterbuch, Band 1: https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kindlervonknobloch1898bd1/0455/image ff.
Biedermann: Geschlechts Register der löblichen Ritterschafft im
Voigtlande http://books.google.de/books?id=FCZRAAAAcAAJ
Biedermann: Geschlechts-Register Der Reichs Frey unmittelbaren
Ritterschafft Landes zu Francken Löblichen Orts Ottenwald
(Odenwald) http://books.google.de/books?id=g9JDAAAAcAAJ
Dieter und Ravan Göler von Ravensburg: Die Göler von
Ravensburg, Entstehung und Entwicklung eines Geschlechts der
Kraichgauer Ritterschaft, hrsg. vom Heimatverein Kraichgau,
Sonderdruck Nr. 1, Sinsheim 1979
genealogische Datensammlung von Christoph Graf v. Polier, https://gw.geneanet.org/cvpolier?lang=en&iz=0&p=albrecht&n=goler+von+ravensburg&oc=1 - https://gw.geneanet.org/cvpolier?lang=en&iz=0&p=hans&n=goler+von+ravensburg - https://gw.geneanet.org/cvpolier?lang=en&iz=0&p=hans+friedrich&n=goler+von+ravensburg und abhängige Seiten
Damian Hartard von Hattstein, Die Hoheit des Teutschen
Reichs-Adels, Band 2, http://books.google.de/books?id=rOA-AAAAcAAJ
Einige Daten weichen von den Literaturangaben ab, weil im
Zweifelsfall immer den Daten auf den Epitaphien und Grabplatten
der Vorzug gegeben wurde.
die Ravensburg, Stammsitz der Göler - evangelische Kirche, Epitaphien und Grabplatten außen - evangelische Kirche, Epitaphien innen
Ortsregister - Namensregister - Regional-Index
Zurück zur Übersicht Heraldik
©
Copyright / Urheberrecht an Text, Graphik und Photos: Bernhard
Peter 2019
Impressum